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Morgenausgabe

Nr. 19

A 10

48. Jahrgang

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Vorwürts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

13. Januar 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Keine Arbeitsdienstpflicht!

Einmütige Ablehnung durch alle Spitzenverbände.

Gestern fand im Arbeitsministerium cine Be| haupt nicht berechnet werden kann. In der Ertragsfrage weiß man sprechung über den Vorschlag der Wirtschaftspartei statt, nur eines positiv: die Arbeitsdienstpflicht in Deutschland einzuführen. Der Vorschlag wurde einmütig abgelehnt, nachdem von allen Seiten seine Unsinnigkeit dargelegt worden war.

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jede Zwangsarbeit bringt erheblich weniger ein als freiwillig

geleistete Arbeit.

Diese Auffassung der Dinge, die weitgehend Uebereinstimmung fand, führte dazu, daß nicht einmal der Vorschlag des Herrn Sachsen­berg, wenigstens einen Untersuchungsausschuß zur Brü fung der Kostenfrage einzusetzen, Gegenliebe fand.

Deutlichkeit, daß die Arbeiter die Arbeitsdienstpflicht grundsäßlich Für die Gewerkschaften erklärte Graßmann mit aller ablehnen und die Pläne für ihre Einführung energisch be feststellen, daß

Reaktion und Film.

Warum Remarque- Berbot In Desterreich?

Von Friedrich Austerlitz , Wien .

Das Schicksal, das die Reichsregierung dem Film: Im Westen nichts Neues " bereitet hat, hat ihn nun auch in Desterreich ereilt: nachdem er in Wien an drei Abenden vorgeführt wurde, hat der Innenminister die Vorführung für das ganze Bundesgebiet verboten. Während man aber in Berlin die Vorführung des Inhalts wegen untersagt, sich aber dagegen, daß das Verbot unter dem Druck der Straße erfolge, ausdrücklich verwahrt hat, ist es in Desterreich umgekehrt: wegen des Inhalts, also wegen seiner angeblichen Tendenz, fonnte der Film in Desterreich überhaupt nicht verboten werden, vielmehr mußte die Regierung offen bekennen, daß Nationalsozialisten auf den Straßen betrieben" haben, kann sie das Verbot nur wegen der Exzesse erlassen hat, die die also nicht bestreiten, daß sie dem Druck der Straße" unter­

Die Besprechung war veranlaßt worden durch einen grob demagogischen Antrag der Wirtschaftspartei. Bon vornherein hatte niemand Zweifel daran, daß dieser Antrag kompletten Unsinn darstellte wie immer, wenn die Wirtschaftspartei in Wirtschafts­politik macht. Das Ergebnis dieser Besprechung war von vorn­herein tlar. Eingeladen waren die Spißenorganisationen tämpfen. Der Leiter der Besprechung fonnte abschließend mur legen sei. Man weiß wirklich nicht, welches Vorgehen das der Gewerkschaften und der Unternehmer, die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche­rung, der Reichsausschuß der deutschen Jugend. verbände sowie verschiedene in der Arbeitsdienstpflichtfrage fach­verständige Wirtschafter und Pädagogen.

der Gedanke der Arbeitsdienstpflicht abgelehnt werde und eine Fortführung der Aussprache nicht in Frage komme.

Nach Abschluß der Besprechung der Arbeitsdienstpflichtfrage Da die Veranstaltung des Arbeitsministeriums in der Deffent- tam noch das etwas sonderbar anmutende Thema freiwilli­lichkeit etwas merkwürdig berührt hatte, fah sich Staatssekretär über dessen Sinn seine Propagandisten selbst nicht einig sind. Die ger Arbeitsdienst" zur Erörterung, ein neues Schlagwort, Geib veranlaßt, in seiner einleitenden Ansprache ausdrücklich zu einen sprechen von Interessierung städtischer Jugendlicher für den betonen, daß die Anberaumung der Besprechung durch das Ministe­betonen, daß die Anberaumung der Besprechung durch das Ministe- Siedlungsgedanken, die anderen von Pflichtarbeit rium feineswegs eine Aenderung in dessen Stel für unter 21 Jahre alte Arbeitslose; jedenfalls fennte in der Be­lungnahme zur Frage der Arbeitspflicht bedeute. Die in der Preise vielfach aufgetauchten Andeutungen über einen Zusammenhang zwischen der Rede des Reichsfinanzministers Dietrich zur Arbeitslosenfrage und der Besprechung über die Arbeitsdienstpflicht seien völlig gegenstandslos.

Was war nun das fachliche Ergebnis der Aussprache? Es bestand in der Feststellung, daß die Vorschläge und Anträge auf

Einführung der Arbeitsdienstpflicht

aus finanziellen, arbeitsmarktpolitischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen eine glaffe Unmöglichkeit darstellen. Lediglich Herr Sachsenberg von der Wirtschaftspartei, der fein eigenes Kind nicht verleugnen wollte, was anderer Meinung. Alle übrigen Teilnehmer an der Besprechung mußten die er­drückende Beweiskraft der von Ministerialrat Dr. Lehfeldt vor­gebrachten Argumente gegen die Einführung der Arbeitsdienst­pflicht anerkennen. Nach den bisher aufgetauchten Plänen

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über die Art der Durchführung der Arbeitsdienstpflicht braucht--­wie aus Lehfeldts Darlegungen hervorging die in Aussicht ge= nommene Arbeitsarmee von etwa 1 Million Arbeitssoldaten rund 200000 Angestellte für die Zwecke des Unterrichts, der Arbeitsleitung, Organisation, Berwaltung und so weiter.

Die Kosten für einen Arbeitstag würden sich pro Beschäftigten auf 18 bis 20 Mart stellen,

daneben dem Unterhalt des Arbeitenden und die Kosten für Leitung, Verwaltung und dergleichen auch die Aufwendungen für Werkzeuge, Arbeitsmaterial, Maschinen usw. in Betracht gezogen werden müssen. Es wären also milliarden notwendig, während auf der anderen Seite der Ertrag dieser Pflichtarbeit vorher über­

Ruhrschiedsspruch verbindlich.

Die Reichsregierung übernimmt die Verantwortung.

Der Reichsarbeitsminister hat am Montagabend den Ruhrschiedsspruch, der eine Lohnkürzung um 6 Proz. vorsieht, für verbindlich erklärt. Die Nach­verhandlungen waren, wie vorauszusehen war, ergebnis­los geblieben.

Dieses Ergebnis war zu erwarten. Nachdem der Reichs­arbeitsminister durch den Erlaß der Notverordnung die Schwierigkeiten, zu einem Schiedsspruch zu kommen, aus dem Weg räumte, war es klar, daß die Regierung selbst die Ver­antwortung übernahm. Daß der Lohnabbau auf der Linie des Abbaus der Beamtengehälter liegen würde, war demnach gleichfalls unschwer vorauszusehen.

Damit erwächst für die Reichsregierung aber auch die Pflicht, jetzt mit aller Energie den Preis abbau zu be­treiben und der Arbeitslosigkeit zu Leibe zu gehen. daß das nicht geschehen kann auf dem Wege der Aufrecht erhaltung der allgemeinen 48- Stunden- Woche, oder gar einer noch längeren Arbeitszeit, wie bei der Reichsbahn - diefen Standal behandeln wir an anderer Stelle, liegt auf der

Sprechung von niemand irgendein konkreter Vorschlag gemacht wer­den. Von den Gewerkschaften wurde demgegenüber mit Nachdruck darauf verwiesen, daß heute nicht einmal die notwendigsten Fürsorgemaßnahmen für die erwerbs losen Jugendlichen, soweit sie noch berufsschulpflichtig seien, durch geführt werden könnten, da es überall an Mitteln fehle. Wer für die jugendlichen Arbeitslosen etwas tun wolle, der brauche nur bei den verantwortlichen Stellen dafür einzutreten, daß die von Be rufsschulen, Jugendpflege, Arbeitsämtern und den Organisationen eingeleitete Fürsorge für die erwerbslose Jugend finanziell sichergestellt werde. Das sei menig­stens etwas.

Diesem praktischen Vorschlag der Gewerkschaften stimmte die Konferenz einmüfig zu.

Um zu einem solchen Ergebnis zu kommen, wäre wirklich

teine besondere Besprechung notwendig gewesen; denn Einmütigkeit in der Förderung der Fürsorge für die erwerbslose Jugend durfte man sicherlich von vornherein bei allen Teilnehmern der Be sprechung erwarten. Allem Anschein nach spielte noch etwas anderes eine Rolle. Man wird die Bermutung nicht los, daß bei dem frei willigen Arbeitsdienst" an eine Förderung der Bestrebungen ge­dacht ist, die von den Vätern des Arbeitsdienstpflichtgedankens heute bereits in die Wege geleitet werden. So spricht Professor Schöpfe, der Verfasser des Buches ,, Deutsches Arbeitsdienstjahr statt Arbeits lofenwirrwarr" offen aus, daß die Arbeitsdienstpflicht erst im Dritten Reich verwirklicht werden könne; von dem jezigen System fönne man nur verlangen, daß es die Versuche und Vor­bereitungen nicht störe. Wahrscheinlich will man aber doch noch etwas mehr als nicht gestört werden. Man mill Geld. Man möchte von öffentlichen Stellen finanzielle Hilfe für die Borberei. tung des Dritten Reiches!

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Hand. Der Schiedsspruch für den Ruhrbergbau ist nur er­träglich unter der Voraussetzung, daß die Regierung bis zu Ende die Verantwortung übernimmt.

Ein totgeborenes Kind.

Effen, 12. Januar.( Eigenbericht.) Die Streitparole des am Sonntag in Duisburg gegrün­deten kommunistischen Bergarbeiterverbandes ist ohne jede Wirkung verpufft. Auf allen Zechen des Ruhrgebietes wird ungestört gearbeitet. Die neueste RGO.- Gründung begann also ihr Dasein mit einer Blamage.

Die Niederlage Fricks. Keine Auflösung der Reichsbannergruppe Grra. Amtlich wird mitgeteilt: Die Reichsregierung sieht nach ein­gehender Prüfung den Tatbestand des Reichsgesetzes vom 22. März 1921 zur Durchführung der Artikel 177, 178 des Versailler Bertrages durch die Betätigung der Ortsgruppe Gera des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold nicht als erfüllt an und hat sich daher nicht entschließen tönnen, dem thüringischen Ministerium des Innern ihre Zustimmung zur Auflösung dieser Ortsgruppe zu er­teilen.

jämmerlichere ist: sich dem Druck des Hakenkreuzterrors zu unterwerfen, es aber zu leugnen, oder offen zuzugeben, daß man den Film, der von Rechts wegen gar nicht verboten werden kann, deshalb verbietet, weil man frechem Terror ent­meichen mill. Der Haupttrumpf bei dem Verbot war, daß der daß die, die die Vorführung, so in Deutschland wie in Defter­Film dem deutschen Ansehen im Ausland abträglich sei. Aber reich, verboten haben, damit zur Mehrung des Respekts vor dem deutschen Namen beigetragen, dürfen sie sich weiß Gott nicht einbilden. Sie haben diesen Namen lächerlich gemacht.

Das Verbot in Wien zustandezubringen, war deshalb Peine einfache Sache, weil es in Desterreich feine Film­3 ensur gibt, die gesegliche Handhabe, seinen Inhalt zu ver­werfen und darauf das Verbot. zu stügen, nicht vorhanden war. Das Kinowesen ist nämlich in Desterreich Sache der Länder, also hatte die Bundesregierung überhaupt nichts zu verfügen. Aber sie wollte, wobei es von Berlin aus an Er­munterung wohl nicht gefehlt haben dürfte, die Vorführung doch unterbinden, und so suchte sie das Verbot von hinten­herum herbeiguführen: indem sie den Landesregierungen durch Rundschreiben" eindringlichst nahelegte", die Bor führungen hintanzuhalten". Aber die Rechnung hatte gleich zwei Löcher. Erstens, daß auch vor den Landesregierungen eine verfassungsgesetzliche Bestimmung stand, die ihnen das Eingreifen sehr beschränkte. Desterreich hat nämlich ein Ver­fassungsgesetz, das bestimmt: jede 3ensur ist, als dem Grundrecht der Staatsbürger widersprechend, als rechts­ungültig aufgehoben. Dieses Verfassungsgesetz geht auf einen Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oftober 1918, also des Revolutionsparlaments zurüd, und wenn der Beschluß ursprünglich vielleicht nur die Preß­zensur im Sinne hatte, so muß doch auch wieder die Tatsache, daß er im Jahre 1920 zu einem Verfassungsgesetz erhoben. wurde, ihre Bedeutung haben; jedenfalls wird er vom Ver­fassungsgerichtshof feit langem tonsequent als die Aufhebung jeder", also auch der Theater- und Kinozensur ausgelegt. Wenn nun auch die Landesregierungen, die in den Bundes­ländern zumeist in flerifalen Händen sind, vorweg bereit ge­wesen sein mögen, der ,, Empfehlung" der Bundesregierung gerecht zu werden, so war ihren. Verboten doch eine Grenze gesetzt, und auch christlichsoziale Landesregierungen sträubten sich, dem Hakenkreuzlertum in Form des Berbots einen Anti­friegsfilms Reverenz zu leisten. Aber jene Rechnung hat noch ein anderes Loch: eine der Landesregierungen, an die die Bundesregierung appellierte, ist die von Wien( Wien ist in der österreichischen Bundesverfassung Gemeinde und Land). Der Wiener Landeshauptmann, der sozialdemokratische Bürgermeister Seiz, war selbstverständlich nicht geneigt, das Verbot eines echten Kulturfilms auszusprechen. Nun fam es aber vor allem auf Verbote von Vorführungen in Wien an; denn was hatte schließlich die Bundesregierung davon, daß der verhaßte Film vielleicht in Bregenz nicht auf­geführt werden konnte, wenn er in Wien vorgeführt wurde? Gesezmäßig fonnte die Vorführung in Wien überhaupt nicht verhindert werden, weder rom Bundesminister, noch vom Landeshauptmann, noch vom Polizeipräsidenten. Auch durch einen Druck auf den Kinounternehmer nicht. Die Ge­sellschaft, die die Vorführung in Wien unternahm, ist ein fozialdemokratisches Unternehmen.

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Hier tamen der in die Sackgasse geratenen Bundesregie­rung die Nationalsozialisten zu Hilfe. Sie ,, demon­strierten" auf den Straßen was aber in Wien , wo die Nationalsozialisten bei den Novemberwahlen von 1,2 Millionen Wählern wohlgezählte 27 540 Stimmen erhalten haben, natür lich vorweg wenig Imponierendes hatte und schon gar nicht