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Morgenausgabe

Nr. 23 A 12

48.Jahrgang

Böchentlich 85 Pf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pf. Boftzeitungs- und 72 Bf. Boftbestellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drucksachen porto 5,- M.

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Der, Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme", Technit"," Blid in die Bücherwelt" Jugend- Borwärts" u., Stadtbeilage"

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag

15. Januar 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs. mart. Kleine Anzeigen das ettges druckte Wort 25 Pfennig( zulässig zmet fettgedrudte Worte), jedes meitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt­geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin . Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Spaltung der Wirtschaftspartei.

Die sächsischen Organisationen scheiden aus. Ein Schlag gegen Drewih.

Dresden , 14. Januar.

Die drei sächsischen Wahlkreise der Reichspartei des deutschen Mittelstandes( Wirtschaftspartei) haben auf einer Tagung am 11. Januar in Dresden unter Hinweis darauf, daß die öffentliche Erörterung des bedauerlichen Führerstreits für die Partei untrag­bare Formen angenommen habe, vom Parteivorsigenden Drewih den freiwilligen Rüdiritt verlangt. Drewit hat dies abgelehnt. Die drei fächsischen Wahlkreise brechen nunmehr, wie von der Geschäftsstelle des Wahlkreises Offsachsen der Partei mitgeteilt wird, in vollkommener Einmütigkeit die Beziehun­gen zur Reichsparteileitung ab.

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In den drei sächsischen Wahlkreisen sind die wirtschaftsparteilidhen In den drei sächsischen Wahlkreisen sind die wirtschaftsparteilichen Reichstagsabgeordneten Biener, Lauterbach und Luche gewählt. Diese drei Kreise weisen die stärkste Stimmenzahl auf, die die Wirtschaftspartei erzielt hat.

Coloffer gegen Drewiß.

Die BS.- Korrespondenz teilt mit: In den letzten Tagen haben von den sächsischen Wahlkreisen und von einem namhaften Berliner Führer der Wirtschaftspartei Bersuche stattgefunden, um den Ab­

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geordneten Coloffer der Partei zu erhalten. Diese Bersuche find gescheitert. Der Abgeordnete Coloffer hat nunmehr am Mittwo abend seinen Austritt aus der Wirtschaftspartei er

tlärt

Drewiß macht Geschäfte.

Der wahre Zweck der Wirtschaftspartei.

Die Propagandaabteilung der Wirtschaftspartei vertreibt 1a­rate an Händler und fleine Gewerbetreibende, die gegen die Warenhäuser mirten follen. Sie fordern die Käufer auf, nicht in die Warenhäuser zu laufen. Diese Blafate werden nicht gratis abgegeben, sondem verfauft. Eine Reihe von Agenten ist mit dem Bertrieb beauftragt worden. Der Gemerbetreibende muß für das Blatat 50 Pf. zahlen, der Agent erhält pro Platat 10 Bf., 20 Bf. verdient dann die Propagandaabteilung der Wirtschaftspartei.

Woraus man sieht, daß die Wirtschaftspartei nicht den kleinen Gewerbetreibenden dient, sondern daß vielmehr die fleinen Ge­werbetreibenden dazu da sind, die Kassen der Wirtschaftspartei zu füllen. Diese Partei und ihre Nutznießer das ist der wahre Großkonzern, der es auf das Portemonnaie des Mittelstandes abge­sehen hat.

Zwölf gegen einen.

Feiger Hafenkreuzüberfall auf einen Jugendlichen.

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boldes Odenthal gegen unjere Leute mit Knüppeln, Stühlen, Biergläsern, Aschenbechern usw. vor. Sie versperrten die Bugänge zum Ausgang des Saales mit einer Stuhlbarritabe.

Hannover , 14. Januar. ( Eigenbericht.)| Bersammlungen hätten, gingen die Nazis unter Führung des Rauf Auf dem Heimwege von einer Versammlung wurde ein Jungbannerkamerad von zwölf Nazis über fallen. Mit dem Rufe Schlagt den Sperling tot" fiel die Meute über den jungen Menschen her, traktierte ihn mit Knüppeln und schlug ihn zu Boden, wo ihm mehrere& ustritte versetzt wurden. Ferner erhielt der Ueberfallene drei Messerstiche in die rechte sand. Weitere Messerstiche, die nach dem Rücken des Ueberfallenen geführt wurden, drangen nur durch die Kleidung. Als das blutige sand­werk vollbracht war, rückten die Nazis aus und über­ließen den Niedergeschlagenen seinem Schicksal. Straßen passanten nahmen sich später seiner an und veranlaßten seine Ueberführung in das Krankenhaus. Dort wurde außer den bereits erwähnten Verlegungen noch eine Verrenkung der rechten Schulter festgestellt.

Ehrenmänner.lo

Kiel, 14. Januar. ( Eigenbericht.) Das Kieler Schöffengericht verurteilte 3 mei National­fozialisten wegen schwerer Körperverlegung und unbefugten Waffenbesitzes zu sechs Wochen bzw. drei Mona­ten Gefängnis. Bier Angeklagte wurden freigesprochen.

Unsere Genossen und Reichsbannerfameraben gingen mun in ihrer Notwehr zum Gegenangriff über und trieben die Nazis unter fürchterlichem Prügeln über ihre eigene Barrita de und durch die Fenster. Die Nazis betamen für ihren ge­meinen und vorbereiteten Ueberfall einen gehörigen Denkzettel. Die Versammlung nahm dann einen ungestörten Verlauf. Brausend tönte über den Kirchplatz aus dem Saale das hoch, das Genoffe Fries auf die Republit, die soziale Demokratie und den Sozialis mus ausbrachte. Die Nationalsozialisten haben nicht nur eine Schlacht, sondern auch ein gut Teil von ihrem Ansehen durch ihren gemeinen Streich verloren.

Hafenfreuz- Chronik vom Rhein .

Köln , 14. Januar.( Eigenbericht.)

In Bonn warfen nationalsozialistische Studenten in einer Bersammlung der sozialistischen Studenten an drei Stellen Stint­bomben und Tränengasbomben, so daß die Besucher durch den Gestank und die Tränenwirkungen ins Freie getrieben wurden.

In Koblenz hat die nationalsozialistische Parteibruderei Bleite gemacht. Das nationalsozialistische Blatt wird jeßt in Köln gedruckt. Dieser Bankrott ist um so bemerkenswerter, als Koblenz die erste Stadt im Rheinland war, in der ein nationalsozialistisches Blatt in eigener Druderei hergestellt wurde.

Der Parteiausschuß.

Die Angeklagten waren an einer Saalfchlacht in Preetz beteiligt, zu der sie mit 10 bis 15 Zentimeter großen eisernen Karabinerhaken, die an den Schulterriemen befestigt waren, erschienen waren. Die Prügelei, die eine Anzahl von Berletzten foftete, begann auf den Befehl des preußischen Landtagsabgeordneten Cobic. Die Un­geklagten find Nummern für fich. Einer, ein Kaufmann, ist wegen Betruges, ein zweiter wegen unbefugten Waffen­Das Jahr der Werbung. Parteitag in Leipzig . befizzes, ein dritter mehrfach wegen einfachen und schweren Diebstahls vorbestraft. Insgesamt haben diese Berkünder des Der Parteiausschuß beschäftigte sich in seiner Sigung am Dritten Reiches fünf Jahre Gefängnis und drei Jahre 14. Januar in der Hauptsache mit organisatorischen Fragen. Die Ehrverlust auf dem Buckel. Also berufene Retter Deutschlands . im Neujahrsartikel des Genossen Otto Wels herausgegebene Devise ,, Wo bleibt der zweite Mann?"

Schwere Niederlage der Hafenkreuzter. Naziraufbolde von Siegerländer Arbeitern aus dem Gaal geschafft

Siegen, 14. Januar.( Eigenbericht.) Am Dienstag sprach in Eiserfeld , einem Industrieort in Süd­westfalen, Landtagsabgeordneter Fries( Siegen) in einer über­füllten öffentlichen Versammlung. Die Nazis hatten ihre Sturm trupps non allen umliegenden Orten unauffällig in die Verfamm­lung beordert. Fries gab vor feinem Referat Kenntnis von der lebernahme des Hausrechts. Bei der Nennung von fünf Namen von Nazipropptateuren, die feinen Zutritt mehr in unfere

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wurde vom Barteiausschuß zum Werbespruch für das Jahr erhoben. Die Barteipreffe, die Organisation foll ihn immer wieder an die Genoffinnen und Genossen richten, um jeden an seine Pflicht zu erinnern, für das Jahr 1931 ein Mitglied für die Partei und einen Leser für die Parteipreffe zu gewinnen. Nähere Anweisungen für diese stetige Werbearbeit werden den Bezirken noch zugehen. Sodann stimmte der Parteiausschuß dem Vorschlage des Partei­vorstandes zu, den Parteitag zum 31. Mai und folgende. Tage in Leipzig abzuhalten. Die Tagesordnung, die voraussichtlich die Fragen der Weltwirtschaftsfrise, des Faschismus in Deutschland und das Thema Jugend und Sozialismus" umfaffen wird, soll in einer späteren Parteiausschußigung festgelegt werden.

Bostscheckkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Dise.- Gef., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.

Drohende Gefahren.

Der gemäßigte Optimismus" des Reichsfinanz minifters.

Die Rede, mit der Reichsfinanzminister Dietrich am Mittwoch die Etatsberatung des Haushaltsausschusses einge leitet hat, vermochte die Schwächen des Reichshaushaltsplans für 1931 nicht zu leugnen. Sie rückte diese Schwächen aber nach besten Kräften unters Verkleinerungsglas und suchte über den Rest, der auch so noch zu tragen blieb, mit dem ,, ge mäßigten Optimismus" hinweg zu kommen, zu dem Herr Dietrich sich bekannte.

Herr Dietrich wandte sich mit aller Schärfe gegen die Schwarzseher. Die schlimme Lage, in der sich Deutschland zur 3eit befindet, führt er zum Teil auf den Mangel an Ver­trauen zum Staat zurück, und er will für jede weitere Ber schlimmerung die verantwortlich machen, die ,, unfen". Es ist gewiß erfreulich, wenn der Reichsfinanzminister trotz aller Enttäuschungen, die die Reichsregierung mit ihren finanz politischen Maßnahmen im letzten Jahr erlebt hat, den Mut nicht verliert. Herr Dietrich hat auch recht, wenn er dem 3 med pessimismus entgegentritt, der zweifellos be steht. Dieser Zweckpessimismus wird von den einen aus parteiagitatorischen Gründen gepflegt, denn je trüber die Zu­funft erscheint, desto üppiger blüht der Weizen der Gegner des gegenwärtigen Regierungssystems, dem eine geriffene Dem agogie die Schuld für die Folgen der Kriegsniederlage und für das Bersagen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung zuschiebt. Bon den anderen wird der Bessimismus systematisch gefördert. meil er ihren egoistischen Plänen auf eine Rürzung des An­teils der breiten Massen am Sozialprodutt Borschub leistet.

Insoweit tönnen wir Dietrichs Borstoß gegen die Schwarz­feher, mag er zum Teil auch von anderen Gesichtspunkten ausgehen, nur zustimmen. Diese Tattik beginnt aber zur Ge= fahr zu werden, wenn er die klar zutage liegenden schwachen Bunfte seiner Finanzpolitik, obgleich er sie selbst sieht, nicht zugibt und Wege einschlägt, die verhängnisvoll werden können.

Ein schwacher Bunft ist heute schon flor erkennbar. Die im Oktober vorgenommenen Sch ägungen der Steuer= einnahmen im Rechnungsjahr 1930, die zugleich als Grundlage für die Einnahmefchäßungen für das Rechnungs­jahr 1931 gedient haben, waren zu optimistisch. Herr Dietrich rechnet selbst auf Grund der tatsächlichen Steuerein­gänge in den letzten Monaten, einschließlich Dezember, mit einer Unterschreitung der Ausfallschäzungen um rund hundert Millionen. Er sieht aber trotzdem die Lage dann nicht als kritisch an, wenn der Haushalt für 1931 auf gesicherter Grundlage ruht". Die entscheidende Frage, ob das der Fall ist, glaubt er von der Ausgabenseite her glatt bejahen zu können. Was dagegen die Einnahmeseite betrifft, so fann auch Herr Dietrich, trotz der gegenüber den ursprünglichen Schäzungen für 1930 um 1143 Millionen zurückgeschraubten Einnahmeansätzen die Frage nach weiteren Gefahrenquellen nicht verneinen. Aber er tröstet sich damit, daß man den Wirtschaftsablauf des nächsten Etatsjahres unmöglich voraus­sehen könne und daß ein geringer Ausschlag des Pendels nach unten einen weiteren Einnahmeausfall von nur 200 bis 300 Millionen( für das Reich) bringen könne, der, so störend er für die Sanierung der Etats- und Kaffenlage auch sei, doch feinen Anlaß biete, durch Steuererhöhungen Steuern auf Borrat" zu schaffen. Das sei um so weniger geboten als man annehmen könne, daß in der größten Krise seit 100 Jahren, die wir gegenwärtig durchleben, der Tiefstand erreicht sei und das Jahr 1931 eine leichte Aufwärtsbewegung bringen merde.

Selbst wenn man sich nun diefen gemäßigten Optimis mus" des Herrn Dietrich zu eigen machen möchte, hat seine Rechnung doch einige sehr bedenkliche Löcher. Zunächst hat er schon für den erhöhten Einnahmeausfall im Jahr 1930 feine Dedung. Die Ausfälle im Jahre 1931 werden aber selbst dann beträchtlich größer sein, als sie im Etat angenommen sind, wenn die erhoffte leichte Aufwärtsbewegung eintritt, was

noch keineswegs sicher ist. Denn eine solche Auswärtsbewegung würde sich nur bei der Lohnsteuer alsbald, bei der Umsatz­steuer erst nach einiger Zeit in den Einnahmen auswirken, bei den veranlagten Steuern dagegen wird sich die Wirtschafts­frise auch dann erst 1931 voll auswirken, wenn in diesein Jahr die leichte Besserung der Wirtschaftslage wirklich eintritt.

Darunter werden die Länder und Gemeinden noch mehr zu leiden haben als das Reich, weil nicht nur die Rückgänge der Reichssteuern zu starken Kürzungen der Ueber­weisungen führen, sondern auch die eigenen Einnahmen der Länder und Gemeinden von den Rückgängen betroffen werden und weil darüber hinaus die Ausgaben der Länder und be