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Jens Lornfen: Küstenschmuggel

Es war das erstemal, daß Peter Möhlen eine solche gewagte Sache mit seiner schönen Dreimastbart unternahm, und hätte sein Halbpartmann ihm die Sache nicht so ungeheuer einfach vorgestellt, er hätte mohl seine Finger davon gelassen. Aber es ist bekannt, daß ganz Nordamerita Sprit schmuggelt, daß jedermann dabei reich mird und daß es nur darauf ankommt, an der langen Küste irgend­wo einen zuverlässigen Vertrauensmann jihen zu haben. Da fönnen die Polizeiboote dann suchen, so lange sie wollen, für einen tüchtigen Geschäftsmann liegt das Geld bar auf dem Tisch.

Die Aphrodite " war wirklich eine der bestsegelnden Barken, die von Hamburg nach drüben fuhren, und Peter Möhlens alleiniges Eigentum. Und daß sie nun schon bald drei Tage in der schlimmsten Fiaute da irgendwo über Florida lag, war hanebüchenes Bech, aber der Kapitän ließ deshalb doch kein Wort auf sein Schiff kommen. Und wenn ihm bei der vertrackten Gleichgültigkeit seines Halbpart­mannes auch die Angst im Blut saß, er verriet sich durch keine Miene. Das hätte auch sehr dumm ausgesehen vor diesem windigen Duddel, dem grünen Schieler, der so tat, als machte er alle Woche eine Schmuggelpartie und am Ende gar über Flaute und Nebel mitreden wollte, wo doch Peter Möhlen die amerikanische Küste abgesegelt hatte und jede Laune fannte.

Aergerlich blieb es nun natürlich, daß sie am dritten Tag, just wie es hell wurde, noch außerhalb des rettenden Küstennebels lagen und daß mit der Dämmerung der Topf Wind, den sie über Nacht gehabt hatten, leergelaufen war.

Mister Duddle stand an der Reeling, entledigte sich seines Kau­gummis, sah Kapitän Möhlen störrisch an, als wenn der etwas für die Flaute könnte, und fragte wie ein Schulknabe, ob man vor der Polizei nicht wenigstens in den Nebel hinein könnte, der drei Meilen vor der Küste lag. Auch Peter Möhlen mar der Ansicht, daß man das Schicksal nicht herausfordern solle, aber er zuďte nur die Schultern und hoffte ,, daß zu Mittag Wind auf fommen würde, man kann die beste Bark nicht mit langen Rudern bewegen. Peter Möhlen wünschte überhaupt das gierige Geficht dieses Schmugglers drei Faden unter Bord. Eigentlich war es nicht recht, daß er seinen guten Namen für den verrückten Yankee­schmuggel hergab. Aber es war, wenn es glückte, ein Schlag, von dem er sich zwei Motoren in sein Schiff bauen lassen tönnte, und wie nötig ein Motor sein kann, das empfand Peter Möhlen am stärksten gerade in diesem Augenblick, wo er gern einen Streif weiter im Nebel gesessen hätte.

Sie glasten jetzt beide die See nach einem Windzug oder nach verdächtigen Schiffen ab. War gar keine Gefahr dabei, hatte der Yankee geschworen, und es schien auch, als wären die paar Segler, die träge in der Ferne lagen, gleichgültig für die Bark. ,, Alles das gleiche Gewerbe wie mir", sagte Duddle und schob frisches Kau­gummi zwischen die Zähne ,,, die ganze Küste lebt davon."

Und dann nahm er das Glas wieder hochy und hob es mit frausem Blick zu zwei Schatten, die halb im Nebel staten und ins Helle stießen, Gott sei Dank den anderen Seglern näher als ihnen, wie Kapitän Möhlen erleichtert feststellte.

Peter Möhlen war unruhig, er hielt die nassen Finger in die Luft und prüfte in Gedanken zum sechzigsten Male den Abstand bis zu der kleinen Flußmündung, in der Duddle an seine Schmuggel­freunde abladen wollte, und die er bis zum Abend hätte erreichen tönnen. Dann stieß er den Partner in die Seite, weil die zwei Motorschiffe sich nicht einen Deut um die fremden Segler füm­merten, und war doch ein wenig beunruhigt, als sie geraden Kurs auf seine Bart einschlugen.

Aber selbst, wenn das Schlimmste passierte, der Amaritaner muste ja immer noch Mittel und Wege. Man müßte mir eine Stange draufgeben, um freizufommen", sagte er. Sapitän Möhlen stieß Duddle jetzt ernsthafter an, es fam ihm vor, als wenn auch der Partner sehr mißtrauisch tat und das Glas vor die trübe glim mernden Augen hob das Trübe kam von der letzten Ladeprobe in der Nacht! Und er sah mit Unruhe, wie Mister Duddle den Kopf schüttelte, bis zum Bootsdavit schlürfte, wie um das Glas fester aufzulegen, und dann mit einem Gesicht echter Bedrücktheit wortlos zum Wetterglas schritt, um es abzuflopfen.

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Er gab auch keine meitere Erklärung, denn schließlich hatte dieser Halbpartmann, wie Peter Möhlen, ein gut Teil seines Ver­mögens in den Spiritusfässern unten im Raum stecken. Die beiden Männer brauchten auch nicht viel Worte zu tauschen, sie sahen sich mit grauen Gefichtern an, zuckten die Achseln, entlasteten sich durch einige fräftige Borte, die doch nichts halsen, und stierten durchs Glas auf die näherkommenden Motorboote, als wenn solcher Blickt allein zum Wegblasen genügte.

Wir müssen unser Geld zusammenlegen", knurrte Duddle schließlich, wir wollen sehen, ob wir von ihnen loskommen."

Ja, das müssen wir", seufzte Möhlen, es war immer besser, was draufzulegen, als die schöne Spritladung abfahren zu sehen. ,, Berdori noch mal, das einem so was auf eine Meile vom rettenden Nebel passieren muß!"

Mister Duddle hat sein gewinnendstes Gesicht aufgesetzt, eine Motorschaluppe ist Bord an Bord. Er versucht es zunächst mit Be­streiten. Aber diese Leute mit den Streifen um Aermel und Müze laffen sich nicht vom Boot aus auf gute Gefichter ein. Sie sähen selbst übrigens mie rechte Galgenvögel aus, hätten sie nicht die ehren­volle Müze, Wappen und Ausweis der United States . Nein, es ist nicht viel zu machen, sie wollen das Schiff ansehen, und da man bei solcher Flaute Zeit hat, werden sie es wohl bis zum letzten Faß überholen. Kapitän Möhlen und Mister Duddle nehmen deshalb auch die drei Beamten unter den Arm, sie gehen erst einmal in die Kajüte und machen ihre sanftesten Gesichter. Und Rapitän Möhlen zieht seufzend die Schlüssel aus der Tasche, Duddle ist schon drauf und dran zu fragen, was die Herren wünschen, um weiterzufahren. Sie scheinen sich bereden zu lassen, es ist reine Ausplünderung, aber es hilft nichts, Duddle nicht dem Partner zu und was Möhlen an guten Scheinen im Schrank hat, muß heraus. Auch Duddle zahlt. Und die Herren scheinen sich erst einmal zufrieden zu geben, ja, fie wünschen schon glüdliche Reise. Aber das Pech ist, auch das zweite Boot schickt nun einen Kontrolleur und zwei Beamte die Leiter hoch und dieser Kontrolleur ist ein Mann, der nicht gute Reise wünscht und die Hand schüttelt, es ist auch nichts mehr da, um die Hind zu füllen, nein, er verlangt strengstens Durchsuchung des Schiffes. Er läßt sogar eine Frage fallen, warum der Kollege vom ersten Boot nicht inspiziert hätte; das kann eine böse Geschichte werden, wenn er weiter nachforscht.

Kapitän Möhlen ist verstört, wie es ihm in seinem Leben noch nicht zugestoßen ist. Er möchte dem Duddle, der ihn zu solcher Fahrt verleitet hat, beide Hände ins Gesicht sehen, aber Mister Duddle ist selbst außer sich, er versucht den zweiten Kontrolleur abseits zu nehmen, er ringt die Hände und tritt von einem Fuß auf den anderen. Aber der Kontrolleur ist unerbittlich, es hilft nichts, fie müssen die Wahrheit sagen und schließlich zusehen, wie der schöne

Sprit zum Teufel mandert.

Das ist ein Fest für die auf der Schaluppe! Natürlich, wenn man an jedem Fang gut beteiligt ist, wo soll da die Barmherzigkeit herkommen? Flint wie die Ratten find die Matrosen da, hiemen

und rollen sie eins der sauer verdienten Fässer nach dem anderen über die Planten, knapp bis Mittag dauert es, so eilen sie sich. Ja, die eigenen Matrosen nehmen ein Trinkgeld an und helfen, meil doch nichts mehr zu machen ist. Ein Segen ist, daß die Leute sich schließlich erweichen lassen und dem Schiffer die Bark an der Hand laffen. Aber gegen Mister Duddle, der ihnen, wie sie sagen, als Schmuggler bekannt ist, haben sie einen solchen Zorn, sie nehmen ihn, zwei Mann hoch, an Bord einer der Schaluppen, Kapitän Möhlen hört noch, wie sie ihm einige Jahre Sing- Sing zubrüllen, und überhaupt schreiend unhöflich mit dem armen Kerl verfahren. Glück im Unglüd dünft es Kapitän Möhlen, daß sie ihm die Planken unter den Füßen lassen, fast hätte er noch schwören müssen, daß ihm von der amerikanischen Trockenheit nicht ein Deut bekannt gewesen wäre. Aber das erlassen sie ihm schließlich, er ist ja jetzt auch ein armer Mann, sie haben wohl Mitleid und häufen all ihren Zorn auf ihren Landsmann Duddle, ein Zug höflicher Rücksicht nahme gegen den armen Deutschen . Dann fahren die Schaluppen mit den Spritfässern in den Nebel hinein.

Gegen Nachmittag kommt die erste Pütz Wind wieder auf. Köpitän Mühlen kümmert sich um nichts, der Steuermann muß schon in die Leinwand brüllen. Kapitän Möhlen liegt in der Stajüte, er liegt auf dem Rücken, die Augen bohrend auf die Decke gerichtet und überlegt sich, wie viele Jahre er um dieser Ladung willen gefahren ist, wie oft er sich hier und da ein Scherflein er­fnaufert hat, um alles bei dieser Fahrt draufzugeben. Wäre der verwünschte Duddle ihm niemals in Hamburg in die Quere ge­fommen, er hätte bald genug für sein Alter gehabt! Möhlen ver­wünschte den Halbpartmann dreimal aus allen Windrichtungen, aber er hat doch auch ein sanftes Erbarmen, wenn er an das grüne Ge­ficht denkt und wie sie ihn an Bord der Schaluppe brachten. Schließlich hat er ja noch sein Schiff!

Erst dicht vor der Dämmerung rafft Peter Möhlen sich zu sammen und geht an einigen dumm grinsenden Leuten vorbei auf die Brücke. Der Steuermann läßt die eine Hand vom Rad fahren.

Ernst Riediger( Hamburg ):

Da drüben tommmt was," fogte er, fcheint mod en emerttanifcher Kreuzer zu sein."

Kapitän Möhlen hat jetzt ein gutes Gemiffen, auch mie das graue Schiff zum Beidrehen auffordert und ein Boot übersetzt. Mehr als einmal fann man ihm schließlich nichts beschlagnahmen und die Ladung ist ja von Bord.

Der Offizier des Kreuzers ist ein höflicher Mann, er fragt nadj dem Woher und Wohin, sieht die Papiere durch, die auf eine Leder­ladung lauten und wundert sich sehr, daß das ganze Schiff bis auf den letzten Strich ausgeräumt ist.

Kapitän Möhlen stottert sich seine Antwort zurecht, adh, er hat mehr an Bord und ihm soll mal jemand etwas nachweisen. die Entladungspapiere beim Vertreter der Reederei, nichs hat er

habt habt, riecht man bis zum Kreuzer hinüber!" Er möchte gern Der amerikanische Offizier ist boshaft. Daß Ihr Spiritus ge­wissen, wo die Ladung geblieben ist. Wenn sie schon beschlag­nahmt sei, meint er, wäre es doch am besten, fich offen auszu­sprechen. Ob es am Ende eins der berüchtigten Halbpartgeschäfte gewesen wäre, bei dem arme Fremdlinge an die Küste geloďt würden, nur um ihnen schwindelhaft die Lidung Sprit abzu­nehmen?

Dem Alten ist zumute, als wenn die Welt sich noch einmal von oben bis unten fehrt, aber er beißt die Zähne zusammen und schüttelt den Kopf, den Triumph soll der Amerikaner doch nicht haben. Er sieht nur plötzlich das Gesicht Duddles vor sich, der ihn lisches Gelächter die ganze Küfte entlang im Hamburger Hafen zu der Fahrt beschwazt hat, er hört ein höl­seiner Lederladung, bleibt dabei, bis der Amerikaner mißmutig das Schiff verläßt.

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nein, er bleibt zäh bei

Aber wie Peter Möhlen wieder allein ift, forgfältig bemüht, daß niemand von der Mannschaft etwas von seinem Auffizen ar= fährt, framt er doch in seinem Geheimfach nach der letzten Flasche für seinen Zorn. Denn wenn man schon beim Schmuggeln erwischt wird, ist es gerecht, daß der Staat seine Freude daran hat. Aber daß ein Halunke, wie der Halbpartmann Duddle, darüber grinst und mit seinen Schwindelschaluppen Ladung und Dufaten dazu be= schlagnahmt, Leibweh, Kopsweh und Weh in allen Gliedern zu­gleich! Und schwerer fast, als ein starker seebefahrener Mann zu ertragen vermag!

Wir verladen einen Zirkus

Ein Werktag, trübe und nach Regen aussehend. Nur manchmal, wenn die grauen Wolken durchsichtiger werden oder sich teilen, blinzelt die Sonne.

Im Hafen herrscht gewohntes Leben und Treiben. Zwischen den mannigfaltigen Geräuschen behauptet sich das Rattern und den mannigfaltigen Geräuschen behauptet sich das Rattern und Rasseln der Krane als die rauhe Melodie der Arbeit.

Auf dem Hinterded eines mittleren Wochendampfers, der an unserem Schuppen ladet, werden provisorische Ställe gezimmert, um den bunten Tierbestand eines ins Ausland reisenden Zirkus unterzubringen. Drei Güterwagen mit Pferden, Bären, Hunden, Affen und einem Elefanten sind in der vorigen Nacht angerollt worden. Das Wiehern und Stampfen der Pferde, das Gezeter der Affen und das Bellen der Hunde beweisen, daß die Tiere sich nicht heimisch fühlen und Hunger und Durst haben. Nur Jumbo, der Elefant, der die Hälfte eines Dresdener Wagens für sich beansprucht, macht eine rühmliche Ausnahme. Seine flugen Augen oder beffer gefagt: Neuglein bliden herablaffend auf die unzufriedenen Reisegefährten. Anscheinend ist er ihnen nicht nur an Größe über­legen.

Wie sich bald herausstellt, hat Jumbos Zufriedenheit allerdings noch einen anderen Grund. Sein Freund, der rabenschwarze Pony Diamant", mit dem er in der Manege zusammenarbeitet, ist näm­lich bei ihm. Zärtlich streichelt er das fleine Pferd mit seinem Rüssel, und wenn Diamant", der die Liebe seines großen Kollegen faum zu würdigen weiß, vorwizig den Kopf zur Wagentür hinaus­streckt, legt Jumbo den langen Rüssel weich um seine Brust und zieht ihn mit sanfter Gewalt ins Wageninnere zurück. Sehr zum Verdruß des kleinen Hengstes, der seinen Unmut über die Bevormundung durch Schlagen und wütendes Wiehern zum Ausdruck bringt.

Uebrigens soll der Elefant zuweilen ein wahrer Berserker sein und alles Erreichbare furz und klein schlagen, wenn sein Liebling ihm nicht Gesellschaft leistet.

Das Verladen der Tiere beginnt. Aufgeregt läuft der Direktor hin und her, denn der Verlust eines guten vierbeinigen Artisten wäre faum mit Gold aufzuwiegen. Die stolzen Pferde, die zuerst an die Reihe fkommen, werden von ihrem Pfleger, der in seinem Wildwestanzug einen grotesten Eindrud macht, einzeln in den Transportverschlag geführt. Das ist bei empfindlichen Tieren mit unter ein saures Stück Arbeit. Besonders ein scheckiger Wallach, der anscheinend eine heftige Abneigung gegen den in zwei starken Drahtseilen ruhenden Holzverschlag hat, bläht die Nüstern und bäumt sich ein paarmal hoch auf, als der Pfleger ihn hineinziehen will.

Albert Niemann

Zum 100. Geburtstag

Die deutsche Mufit- und Theaterwelt begeht heute den 100. Ge­burtstag des berühmten Bagner- Sängers Albert Niemann . Albert Niemann mar am 15. Januar 1831 in Ergleben bei Magdeburg als Sohn eines Gastwirts geboren. Ursprünglich sollte der Knabe Maschinenbauer werden, aber die Verarmung seiner Eltern zwarg ihn bald, sich nach raschem Erwerb umzusehen, und er versuchte sein Glüd zunächst auf der Bühne des Dessauer Theaters, wo er als Schauspieler für fleine Partien Beschäftigung fand. Da man auf seine Stimme aufmerksam wurde, trat er nach kurzer Tätigkeit in den Opernchor ein. Der Baritonist Nusch übernahm seine Aus­bildung, die er dann in Paris vollendete. Nach kurzen Engagements an fleineren Theatern erschien er 1854 zum ersten Male auf der Bühne des Berliner Opernhauses, der er seit 1866 als weltberühmter Heldentenor dauernd( bis 1887) angehört hat. Nie­manns Weltruhm ist aber von Bayreuth ausgegangen, wo er 1876 in der Walküre" der erste Siegmund war. Der Name des Sängers bleibt mit Bayreuth und mit dem Werk Wagners in der deutschen Operngeschichte unnergänglich verknüpft. Schon fünfzehn Jahre vor der Eröffnung des Bayreuther Festspielhauses hatte iemann in der denkwürdigen Bariser Tannhäuser"-Aufführung den Tannhäuser gesungen. Der gefeierte Künstler, der in erster Ehe mit der Schauspielerin Marie Seebach , später mit, der Schauspielerin Hedwig Raabe verheiratet mar, hat sich 1889 von der Bühne zurück­gezogen und ist 1917 in Berlin gestorben.

K, P

Als es schließlich unter Mithilfe des Direktors gelingt, ihn durch List und gute Worte von hinten hineinzuzwängen, fängt er an zu toben, schlägt ein paar dicke Bretter durch und reißt sich das Maul an der Kandare blutig. Erst als er schwebt, wird er ruhiger und fann, ohne ernstlich Schaden genommen zu haben, an Bord abgesetzt

werden.

Weit schwieriger gestaltet sich die Sache mit dem Elefanten. Nicht allein, daß er wütend ist, weil er sich von seinem Freunde trennen muß. Er wittert auch, daß ihm etwas Außergewöhnliches bevorsteht. Widerspenstig und den Rüssel in Kampfstellung haltend kommt er aus dem Wagen. Er dreht sich fortgesetzt um sich selbst, und erst nach einer energischen Zurechtweisung durch seinen Herrn wird es möglich, die nötigen Borbereitungen für seinen Transport zu treffen. Als er dann in einem breiten Dedengurt, vorn und hinten durch starke Taue gesichert, am Kran hängt, stößt er mut schnaubende Löne von gewaltiger Lautstärfe aus und arbeitet milh mit dem Rüssel und den Beinen.

Sieht schon der furze Weg durch die Luft bedrohlich genug aus, so scheinen die wiederholten Versuche, den Elefanten non oben in feinen Stall hineinzubalancieren, mit einer Ratastrophe zu enden. Bald hängt ein Bein, bald der Rüssel über der tantigen Stallmand. Schon wird dem Dickhäuter die Luft tnapper, schon laffen die lahmer werdenden Bewegungen ein Abflauen der Körperfraft erkennen da senkt der Kranführer im gegebenen Moment die lebende Last, und erleichtert atmen die Zuschauer auf.

Als kurz darauf zu Jumbos größter Freude auch Diamant" erscheint, hat er die Strapazen der Luftreise schnell vergessen und ist wieder das verträglichste Tier von der Welt.

Den beiden braunen Bären, die sich in einem stark vergitterten 3winger befinden, scheint das Tanzen ein Bedürfnis zu sein, denn fie find fortwährend in wiegender Bewegung. Sie laffen fich das Vesperbrot eines Arbeiters, das er ihnen, ehrlich geteilt, ins Maul stedt, gut schmeden. Ihre Uebergabe und die der Kleineren Tiere geht leicht vonstatten, weil sie in ihrer transportablen Behausung verbleiben.

,, Minka", die starke, schwarzhaarige Hündin mit der rassigen Schnauze, die als Mädchen für alles bisher den Wachtdienst versehen hat, läuft, als das letzte Tier drüben ist, allein an Bord.

Die abgenugten und schadhaften Requisiten, die neben den nicht allzu reichlichen Futtervorräten den Schluß der Berladung bilden, beweisen deutlich, daß auch in diesem Zirkus die Not des grauen Alltags fein seltener Gast ist.

David Luschnal:

Der Knabe am Teich

Wasserfläche ist rein und bewegungslos. Man tönnte denken, die In der Wiese liegt ein Teich mit aufgemölbten Ufern. Die Erde habe ein Auge aufgemacht, um in den Himmel zu blicken.

Auf dem erhöhten Ufer sitzt ein Knabe. Er betrachtet das Wasser, die Wolken und die Felder.

Aus Langeweile nimmt er einen Stein und wirft ihn in den Teich. Kreise wachsen aus der Wurfstelle empor und wandern über die Fläche bis zu den Ufern. Das Spiel gefällt ihm. Er wirft zwet Steine furz nacheinander. Die Kreise überschneiden sich. Es sieht aus, als ob die niedersinkenden Steine sich lieben.

Er wirft viele Steine nach verschiedenen Richtungen. Die Wasser­fläche ist von Kreisen überspielt, die einander durchdringen. Unendlich lautlos( erfüllt von Sehnsucht nach Weite) schlingen sie sich inein­ander, dehnen sich aus, bis sie an den Ufern zerfließen.

Der Knabe wirft und schaut. Seine Gedanken dehnen sich. Es ist so, denkt er, als ob die Steine eine Seele bekommen, wenn fie ins sind Steine lebendiger als Menschen? Wasser fallen. Oder vielleicht haben sie immer eine Seele? Vielleicht

schlingen sich ineinander und zerfließen an irgendeinem fernen Ufer. Seine Gedanken, erfüllt von Sehnsucht nach Weite, dehnen sich,

Ueberraschender Rüdgang der Londoner Bevölkerung. Nach den Statiftifen des Gesundheitsamtes ift die Bevölkerungszahl in 2an. don 1921 um 94 000 zurückgegangen. Die Gründe sind in Aus­manderung sowie im Rüdgang der Geburtenziffer zu suchen; die Geburtenzahl für 1929 beträgt 70 000 gegenüber 72 352 im Jahre 1928,