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BERLIN Freitag 16. Januar

1931

Der Abend

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Das Nest der Mörder

Vier Fememörder in einem Hause

Bremen , 16. Januar. ( Eigenbericht:)

Krach im Reichstagsausschuß

Anstandslehre für die Nazis

Der Tod des Fememörders Fahlbusch wird immer rätselhafter. Der Rechtsanwalt des Verstorbenen erklärt, daß Fahlbusch ein terngesunder Mensch war und feinerlei Selbstmordgedanken hatte. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache wichtig, das außer Fahlbusch auch noch die Fememörder Ober: Ieutnant Schulz, Oberleutnant Eckermann und Im Ausschuß für den Reichshaushalt tam in der Freitagjizung] in der fortgeführten Aussprache über die Finanzpolitif bec Oberleutnant Fuhrmann auf einem Gehöft an dem Reichsregierung zunächst der in den Aussouß neu eingetretene Flüschen Samme in der Nähe Bremens hausen. Sie bestaatsparteiliche Abgeordnete Dr. Stolper zum Wort. Er begann mohnen dort das Haus eines Bremer nationalistischen seine theoretisch gehaltene Rede mit dem Hinweis, daß der Staat, Nanfmanns Wedermann, bei dem schon vor Jahren das heißt Reich, Länder und Gemeinden zusammen den bei weitem ein großes Waffenlager ausgehoben wurde. Die größten Teil des deutschen Volkseinkommens tontrolliere. Er mwerfe Fememörder sind immer reichlich mit Geld ver die, Frage auf, ob es möglich sei, die Berantwortung für das wirt­sehen gewesen, obwohl sie nicht arbeiteten, und haben saftliche Geschehen zu übernehmen, mit einem aus ganz anderen Verhältnissen stammenden Finanzsystem. Freilich könnte man in sehr oft Trinkgelage veranstaltet. Bei der Aufklärung des Falles wird die Staatsan den stürmischen Zeiten, in denen sich Deutschland jetzt befindet, nicht waltschaft nicht nur die mit Fahlbusch zuſammenwohnen- sondern inan müſſe eben versuchen, auf den Wegen weiter zu an den notwendigen großen. Umbau des Finanzgebäudes denken, den drei anderen Fememörder vernehmen, sondern aufkommen, die der Reichsfinanzminister Dietrich gewiejen habe. Man dem einsam gelegenen Gehöft auch Durchsuchungen nach müsse einig sein, den Etat durch noch weitere Abstriche zu Waffen vornehmen müssen. janieren, vor allem auch einig in dem Bestreben, zur Abwehr des herrschenden allgemeinen Mißtrauens und Pessimismus, der die Lage nur noch verschlimmere.

Kohlenoryogas als Todesursache?

WIB. teilt mit: Heute wurde die Leiche des früheren Feldwebels August Fahlbusch vor dem zuständigen Richter obduziert. Die Leichenöffnung wurde durch zwei Kreisärzte in Gegenwart des ersten Staatsanwalts von Wesermünde vorge­nommen. Die Leiche wies feine äußeren Verletzungen auf. Die Obduktion hat vollständig einwandfrei ergeben, daß der Tod durch Roblenogydgasvergiftung eingetreten ist, als Fahlbusch in der mit diesen Gafen angefüllten Kajütte eines Motorbootes über

machtet hatte.

Die Paneuropa- Konferenz.

Beute mittag in Genf eröffnet.

Genf , 16. Januar.

Die zweite europäische Konferenz, zu der 27 europäische Minister and viele hohe Beamte der 27 europäischen Außenministerien er schienen find, wurde heute vormittag in der großen Glasveranda des Bölkerbundshauses durch den französischen Außenminister Briand , der von der ersten europäischen Konferenz zum vor läufigen geschäftsführenden Präsidenten gewählt worden ist, eröffnet. Vor der Sitzung, die mit großer Verspätung begann, war in den Gängen ein fortwährendes Begrüßen. Man sah, wie Briand spontan auf Dr. Curtius zutrat und mit ihm einige

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Der dann zu Wort konunende nationalsozialistische Abg. Albrecht knüpfte an eine Bemerkung, die der Abg. Hergt( Dnat.) gestern am Schlusse seiner Rede gemacht hatte. Er führte aus, das, was 12 Jahre lang in Deutschland regiert habe, habe mit dem Wohle des Vaterlandes überhaupt nichts zu tun. Man habe das Bolf belogen und betrogen.

Der nationalsozialistische Redner trat sofort einen Rückzug an, indem er ausführte, fie feien eben diese Art der Rede von ihren Boltsversammlungen her gewohnt, aber sie würden sich schon noch abschleifen. Er hielt darauf eine Stunde lang eine fachliche Rede, die auf den Ton gestimmt war, daß, folange eine Regierung nicht die Frage der Reparationen in den Bordergrund stelle und sie als Hauptpunkt betrachte, sie wie alle vorhergehenden in den Abgrund schliddern würde. Alle diejenigen, die den Young Plan unterschrieben haben, würden fió) vor dem kommenden Staatsgerichtshof zu verantworten haben. müsse nun endlich Schluß mit den Tributzahlungen gemacht werden. anterott geworden. Treten Sie ab, Herr Minister, so schneli Der Minister fei mit seiner Politik ideell gescheitert und materiel: als möglich, jeder Tag länger, den Sie im Amt bleiben, wird die Lage von Ihnen und Ihresgleichen vor dem Staatsgerichts­hof des Dritten Reiches. verschlimmern."

Lorenz gestorben.

Der Präsident des Hochverrats- Senats.

Denn es

Leipzig , 16. Januar. Der Präsident des vierten Straffenats des Reichsgerichts, orenz, ist in der Nacht zum Freitag gestorben. Lorenz war der Politischen Strassenats des Reichsgerichts. Er war Vorsitzender in Nachfolger des Präsidenten Niedner in der Leitung des einer großen Anzahl von wichtigen politischen Prozessen. Sein erster großer Prozeß war der sogenannte Honnefer Kommunisten­prozeß, seine Urteile gegen den sogenannten literarischen Hochverrat, den die Komnministen begangen haben sollten, waren von eintöniger Särte. Nationalsozialisten wurden dem Senat schon gar nicht erst vorgeführt.

Der Borjihende griff hier ein und ersuchte den Redner in schärffter Form, in feinen Ausführungen fachlich zu bleiben, große Parteien nicht schwer zu beleidigen und nicht persönlich verlehend zu fein, wie er es dem Abg. Müller- Franken gegenüber mit Abjicht geworden fei. So stürmische Verhandlungen im Ausschuß auch schon im Laufe der Jahre gepflogen feien, habe er noch niemals nolwendig gehabt, von Ordnungsmaßnahmen Gebrauch zu machen. Wenn die Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei indeffen beabsichtigen, in der von dem Abg. Albrecht angeschlagenen Tonart hier weiter zu verhandeln, so würde er ungern, aber rüd­fichtslos alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur An­wendung bringen. Für diejenigen Mitglieder, die die Geschäfts­ordnung vielleicht nicht genau tennen, bemerte er, daß alle dem Straffenats. Präsidenten für die Verhandlungen im Plenum zustehenden Befugnisse finngemäß dem Ausschußvorsitzenden für die Ausschuß­beratungen zuftehen.

Senatspräsident Karl Lorenz wurde 1868 in Berlin geboren. Seine juristische Laufbahn führte ihm bis zum Kammergerichtsrat. 1917 wurde er Reichsgerichtsrat und 1928 Präsident des vierten

ift, Befugniffe finngemäß dem Ausſchußvorfühenden für die Ausschuß- Selbstmord aus Verzweiflung.

freundliche Worte wechjette. Weiter bemerkte man, wie Dr. Curtius Gymnastischer Ausbildungskursus für.

in einem längeren Gespräch mit dem italienischen Außen­minister Grandi verweilte.

Um 11.30 Uhr erklärte Briand die Konferenz für eröffnet. In seiner Ansprache wies er zunächst auf die weiter fortgeschrittene 3errüttung der europäischen Wirtschaft hin, die den verantwortlichen Staatsmännern die Pflicht auferlege, gemeinsam nach Mitteln und Wegen zur Wiederherstellung des gestörten Gleich­gewichts in Europa zu suchen.

Curtius spricht.

In der anschließenden Aussprache erklärte als erster Redner der deutsche Außenminister Dr. Curtius, es fönne nicht seine Aufgabe sein, die Ausführungen des Vorsitzenden über die Notwendig. feit einer europäischen Zusammenarbeit und die Herstellung des europäischen Friedens nochmals zu unterstreichen. Deutschland erstrebe einen gerechten Ausgleich der Interessen auf dem Boden der völligen Gleichberechtigung. Unter der Wirtschaftstrije, auf die der Borsitzende näher eingegangen sei, leide Deutschland in be. fonderem Maße:

43 Millionen Arbeitslose! Deutschland leide unter außerordentlich starten Rapitalmangel und unter einen Rapitalabfiuß, für den feine Gegenwerte Dorhanden felen.

Deutschland fei berechtigt, jeden Weg mitzugehen, um gemeinsam mit anderen Ländern die Wirtschaftskrise zu beheben. Er meine ebenso wie Briand , daß die jetzige Tagung sich vor allem mit den Maßnahmen beschäftigen müsse, die geeignet seien, einen Ausmeg aus der Wirtschaftsfrife zu finden. Darum solle die Kon ferenz zunächst den Vorsitzenden der Wirtschaftskonferenz anhören.

das dritte Reich

( Buerst eingeführt von der Volkspartei in Braunschweig ) S

Kriechen!

Wieder Tragödie eines arbeitslosen Familienvaters.

Die grauenhafte Tragödie eines arbeitslofen Familienvaters haf am Freitag vormittag in Spandau allgemeines Aufsehen her­vorgerufen.

In der Moltkestraße 5 wohnt der 33 Jahre alte Former S., der verheiratet und Bater mehrerer kinder ist. S. feilt das Los der Abertausende, die seif Monaten ohne Ar­beit find. Ju feinem Hause wachs die of von Tag zu Tag und brachte den Mann an den Rand des Wahnsinns. In einem Anfall geiffiger Trübung verließ S. am Freitag vormittag seine Wohnung und irrte auf der Straße umher. Vor den Augen zahlreicher Passanten zog er plöhlich an der Ecke der Molffe- und Bismard­straße sein Taschenmesser hervor und schnitt sich beide Pulsadern auf. Damit nicht genug, brachte er sich auch noch 6 Meiferstiche in die Brust bei. Blutüberströmt brad) der Unglüdliche zusammen. Paffanten und Polizeibeamte brachten ihn nach der nächsten Rettungsstelle, wo er Notverbände erhielt. J Spandauer Krantenhause fonnte er nicht aufgenommen werden, da alle Betten mit Grippetranten belegt find. Man brachte S. deshalb nach dem Birchow- Krankenhaus. Ob er zu reffen fein wird, ist noch fraglich.

Elli Beinhorn in Afrifa.

Rabat , 16. Jamuar,

Die deutsche Fliegerin Elli Beinhorn ist am Donnerstag nachmittag, von Sevilla fommend, in Rabat gelandet. Damit hat fie Afrika erreicht und wird nun, an der Westfüfte entlang, ihre Er­peditionsbasis Bissao in Portugiesisch- Guinea ansteuern. Die Strecke ift ungefähr 4000 Kilometer lang. Der Weiterflug soll angetreten merden. Die Fliegerin hofft, bis Agadir zu gelangen,