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Berlin   sendet:

Reportagen und Jnterviews leicht die anschauliche Einfachheit rauben. Je einfacher aber der Es ist eine Erfahrung, die die Hörer des Berliner   Senders Reporter seine Säße formuliert, je laienhafter er feine Gedanken vorträgt, desto größer wird die Zahl der Hörer sein, die sich an immer wieder machen: Interviews und Reportagen, mögen seine Stelle versehen, die wirklich die Vorgänge miterleben können. die Interessenkreise, die sie berühren, noch so aktuell, noch so wichtig Jede Reportage ist im tiefsten Sinn Erziehung zum wundern, zum fein, enttäuschen in den allermeisten Fällen. Gewöhnlich bleibt von beobachten; das Kind besitzt diese Fähigkeiten, die meisten Er­folcher Darbietung taum eine Spur von geistiger Substanz zurüd; wachsenen haben sie verloren. Sie alle seßen an Stelle der natür oft genug zeichnet sich die Veranstaltung noch dazu durch ein- lichen, von den Sunnen immer neu aufgenommenen Bilder der Um­schläfernde Langwelligkeit aus. Wir haben für solche aktuellen Ber- welt, ihre fünstlich geformten Borstellungen von dieser. Der Reporter anstaltungen tatsächlich nur einen Sprecher, der fast immer Anschau- soll diese enge, erstarrte Welt auslockern helfen. Er soll die Gedanken lichkeit zu geben versteht und der völlig nie versagt: Alfred Braun.  

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wieder zu ihrem Ursprung, zu den Dingen und ihren Funktionen

Eine Reportage, einen Situationsbericht, fann man mur zurückführen. geben, wenn man etmas sieht, über das sich berichten läßt. Die meisten Funkberichterstatter haben anscheinend die Fähigkeit ver­Loren, die Eindrücke, die ihnen ihr Blickfeld vermittelt, wahrzu- Sie nehmen und in einfachen Worten zu schildern. Statt mit offenen Augen, treten sie den Dingen mit meist etwas chaotisch durchein andergestapelter- Geistigkeit gegenüber. Statt, daß fie versuchen, ein Bild der Wirklichkeit einzufangen, bemühen sie sich, airs ihrer bereits vorhandenen Borstellungswelt ein ungefähr ähnliches auf: zubauen. Im günstigsten Fall gibt folch Bericht an Stelle der Dinge und Borgänge den Schatten ihrer typischen Formen. Es fehlt die Anschaulichkeit. Der Hörer muß die Dinge denten, statt, baß er sie sieht. Für die bildhafte Reportage, die geboten werden sollte, wird die geistige Begriffsmelt cines Bortrages untergeschoben. lind da bei der Reportage der Ein­druck der Unmittelbarkeit mindestens aufrechterhalten werden soil, so fehlt die systematische Gliederung, die dem Hörer das Nach" denken dieser Borstellungen sonst erleichtert. Das Bild, das er sich machen fann, muß daher vag und farblos sein.

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Der Hörer ist aber immer noch gut daran, wenn solch Bericht erstatter Fachmann" ist, den Wissensstoff des Gebietes affo richtig und vollständig beherrscht. Sein Bericht wird dann zwar langweilig und unscharf sein, aber doch wenigstens fein Zerrbild. Leider aber wird das Mikrophon immer wieder von Funfreportern durch Fabriken, Industrieanlagen und ähnliche Einrichtungen geschleift, die weder mit der Befähigung, zu beobachten und an fchaulich zu schildern, noch mit dem entsprechenden Fachwissen gesegnet sind. Es ist kein Wunder, wenn der Ar­beiter, der diese Betriebe aus seinem Werktag fennt und der infolge seiner gewerkschaftlichen Schulung den technischen Grundlagen und den wirtschaftspolitischen Zusammenhängen nicht unwissend gegen übersteht, nicht gerade mit Hochachtung von solchen Veranstaltungen und ihren Rednern spricht.

Natürlich ist Fachwissen für den Reporter durchaus nicht un­bedingt notwendig. Es fann feinen Fragen und Beridyten sogar

Das meile Buch

Hovellen unbekannter Autoren Der Berlog Bruno Cassierer hat einen Novellenband heraus­gebracht, ber Werte bisher unbekannter Berfasser enthält. Auf Grund von Anzeigen liefen Mengen von Manuskripten ein. Die Auswahl, von Mag Tau und Wolfgang Einsiedel besorgt, ergab das Buch ,, Borst oh". Haupichlich handelt es sich um Autoren, die

nicht von Beruf Schriftsteuer sind, um Menschen aus ganz ver schiedenen Gesellschaftsschichten.

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Es galt, wie es in der Einleitung heißt einem sehr schönen Effay übrigens neben der offiziellen Literatur eine andere auf­zudecken, die vielleicht flarer und ungeschminkter das Gesicht der Gegenwart zeigt und Wege ins Neuland weist. Hier beginnt bereits die Problematik, denn was heißt eigentlich offizielle Literatur? Gibt es überhaupt in Deutschland   diese Einrichtung? Ist hier eine be­stimmte Richtung ausschlaggebend? Und find ferner die vorliegenden Novellen tatsächlich Hinweise auf neue, fünstlerische Formungs­möglichkeiten?

Die Sätze einer Reportage brauchen nicht elegant geschliffen zu sein, doch sie müssen einen flaren, leicht verständlichen Sinn haben. brauchen keine Fülle von Gelehrsamkeit zu vermitteln, aber sie müssen Hinweise auf das wesentliche sein. Bei manchen Reportagen ist die Mitteilung von Zahlen oder anderen wissenschaftlichen Grund­lagen dringend erwünscht; der Reporter, der sie geschickt aus seinen fachkundigen Begleitern herauszufragen versteht, wird den Hörern am besten dienen. Da auch Reportagen vorbereitet werden, laffen sich solche Angaben unschwer an der richtigen Stelle einschalten. Wenn man sich so die Anforderungen tar macht, die man an einen Funfberichterstatter stellen möchte, so scheinen sie weder zu hoch noch gar unerfüllbar. Weit schwieriger dürfte es dagegen sein, das Interview vor dem Mikrophon immer ergiebig zu gestalten. Menschen mit berühmten Namen sind, sobald sie Bublifum ahnen, oft verzweifelt bemüht, bedeutend zu erscheinen; sie posieren, reden in unpersönlichen Phrasen, stammeln dummes Zeug. Es gehört sehr viel Geschicklichkeit dazu, Gespräche dieser Art so zu lenten, daß die Persönlichkeit des Interviewten einigermaßen anschaulich wird. Grundsäglich sollten aber aus allen Interviews ausländischer Be rühmtheiten Fragen fortbleiben nach dem Eindruck, den Berlin  , Deutschland  , das deutsche Geistesleben, der deutsche Mann oder die deutsche Frau hervorriefen. Die gebildeten Ausländer find stets taftvoll und die internationale Formulierung der Antworten auf diese Fragen dürfte nunmehr allen Funkhörern bekannt sein. Interviews dieser Art find ja überhaupt wenig fruchtbar; sie be. friedigen hauptsächlich die Neugier. Biel   wichtiger ist eine andere Form von 3 wiegesprächen, wie sie z. B. die Deutsche Welle in ihrem 3ytlus Menschen im Beruf" bietet. Kürzlich sprach in diesem 3yfius ein Chauffeur. Zyklus Der Interviewer besaß genügend Sachkenntnisse, um alle möglichen interessanten Fragen über diesen Beruf aufzuwerfen. Die Hörer belamen wirklich eine Vorstellung von den Sorgen und Freuden eines Chauffeurs. Aber in einer Kleinigkeit entgleifte das Interview. Der Chauffeur schilderte das Gefühl der Berbundenheit mit fainer

Erzählertradition anzufnüpfen. Mag es übertrieben flingen, aber in manchen dieser Dichtungen lebt etwas von Kleiftschem Geift.

Man löst sich von dem liebevollen Abtasten der Oberfläche, vom Detail aus bloßer Freude an der Häufung der Beschreibung. Gleich falls wird auch eine psychologisierende Ausbeutung der Menschen permieden. Bei Robert Rich, Rudolf Steiner   oder Josef

Wes

Siegalla etwa durchdringt sich Aeußeres mit Seelischem, ohne daß jedoch der Vorgang symbolischen Charakter annimmt. es Ueberflüssige ist vermieden worden. Nur die Hauptpunkte fommen zur Darstellung. Alle Autoren tennen das Gefeß der Auswahl, sprachliche Form, und so gelingt es Siezalla in den Dostals" das wichtigste bei der Novellenkomposition. Sie suchen die knappeste auf wenigen Seiten die Entwicklung einer Familie durch drei Generationen hindurch zu gestalten, ohne daß der Leser einen 3wang

merft.

Nennt man Sachlichkeit das Bemühen, das Wesen einer Sache zu gestalten, ihren Kern, ihr wirkliches Sein, so sind diese zu gestalten, ihren Kern, ihr wirkliches Sein, fo find diefe Autoren Fanatiker der Sachlichkeit, gleichgültig, aus welcher Berspektive fie die Welt betrachten. Intensität der Darstellung wird erstrebt, Komprimiertheit der Ereignisse, und dies bleibt dharat. teristisch für jede große Novellenform. Aber dieses Moment ist nichts Neues, es findet sich bei allen Rovellisten von Format. Und noch eins bleibt beachtenswert: die Erotik spielt teine ausschlaggebende Rolle, obwohl die meisten Autoren noch jung sind. Man will teinen Teilausschnitt geben, sondern die Gesamtpersönlichkeit und durch sie das Bild einer Welt.

Sugegeben, daß die deutschen Berleger Furcht vor Publikationen von Novellenbänden haben, daß der Roman bevorzugt wird und daß deshalb Novallen eigentlich nur Zufallsarbeiten bedeuten, aber die Behauptung, ein neues Weltbild aber pas neuartige Erfassen von Dingen und Menschen in diesem Buch zu bringen, ist fritisch zu behandeln. Im Gegenteil, die Monellen scheinen eher an die alte| ihm neue.

Das Wunder

Jedenfalls ist dieser Berjuch zu begrüßen, und hoffentlich folgen

WAS DER TAG BRINGT

ERZÄHLT VON YORICK

Dies geschah in Winnipeg  ( Kanada  ): Daß ein braver Hausbefizer und Familienvater eines Nachis einen Einbrecher bemerken mußte, der sich am Schreibtisch zu schaffen machte. Daß besagter Hausbefißer wohl Mut, nicht aber eine Waffe besaß. Daß er sich jedoch voller Geistesgegenwart einer Kinderpistole bemächtigte, mit der sein Söhnchen zu spielen pflegte, und damit den Eindringling zu verscheuchen gedachte.

Was der Tapfere nicht eingerechnet hatte, war dies: daß der Einbrecher nicht unbewaffnet war. Daß dieser vielmehr feinen Revolver schon in Anschlag hatte, als jener die Kinderpistole auf ihn richtete. Der Hausbefizer empfahl seine Seele Gott  ; da Da ließ der Einbrecher seinen Revolper fallen und ergab sich. Erst die polizeiliche Untersuchung der Waffe löfte das Rätsel, enthüllte das under:

Es war auch nur eine Kinderpistole... Dies geschah in Winnipeg  ( Kanada  ).

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Chaplinade

Felix Scherret.

Auf einem Pariser Blas parft ein Automobil, mächtig und doch geschmeidig gebaut es verrät dem dürftig gefleideten Mann, der davor stehen bleibt, sofort den/ Reichtum seines Besizers. Den Reichtum und die Sorglosigkeit: ein Fenster ist offen... Der Mann sieht sich scheu um, es ist Nacht, Dunkel und Menschenleere er greift durchs Fenster, zerrt und hebt heraus, was er faßt, und flieht. In einer dunklen Straße prüft er mit zitternden Fingern und flimmerndem Blid, was er fand: es ist eine Kassette, es sind Schmucksachen darin, und außerdem ein Kleidungsstück, ein Smoking. Der Mann versteht nichts von Schmuckstücken, sie interessierea ihn auch nicht, er hat nur hunger: so verlauft er die Kaffette famt Inhalt an den nächsten besten Hehler für etwa sechzig Mart. Ihr Wert betrug dreinddreißigtausend Mart... der Mann weiß es nicht, will es nicht wissen, stillt seinen Hunger und will nun auch den Smoking verkaufen. Wie er den kostbaren, weichen, festen Stoff und das fchimmernde Seidenfutter aber zwischen den Fingern fühlt, packt ihn die Lust, das Kleidungsstück einmal, nur einmal anzuziehen; er hat eine armselige Kindheit gehabt, hat nie solch In weiten Kreisen der Stadt Crossen   an der Oder scheint der teures Jackett tragen dürfen, hat es nur mal im Kino an unendlich Geist ihres großen Sohnes Klabund   nicht herrschend zu sein; viel vornehmen Herren gesehen, sich vielleicht unbewußt danach gesehnt, mehr seht man dort solch degeneriertem und aufrührerischem Lite- wie der Mensch schon ist er zieht sichs an. Es ist nicht für ihn ratengeist die befreiende nationale Tat entgegen. Die freie gemacht, es fist abscheulich, jedem, der es sicht, muß der Unterschied Fleischerinnung Croffen jedenfalls hat jetzt zu einem zwischen der Eleganz des Anzuges und der Dürftigkeit seines furchtbaren Schlage gegen den polnischen Erbfeind ausgeholt: fie Trägers auffallen; er weiß es mohl, aber er bringt es nicht fertig, hat bura Jnnungsbeschluß die polnische Wurst abgeschafft! Und der diesen Brunt wieder von sich zu tun, er behält ihn an, erst für Croffener Nichtvegetarier hat von jest ab in den Fleischertäben nicht Stunden, dann für Tage; längst sind die sechzig Mart verzehrt, Polnische", sondern Schinkenmurst" oder Kochmettwurft" zu aber noch vertauft er den Smating nicht. Und nach zehn Tagen verlangen! Wie man hört, soll Pilsudski   bei Empfang diefer geschieht das Unvermeidliche: die groteste Figur im fabelhaften und niederschmetternden Nachricht einem Schlaganfall erlegen sein, und doch unmöglichen Gesellschaftsanzug fällt auf, wird sistiert und ver das Ministerium soll erklärt haben, daß es sofort Oberschlesien   an nommen und muß gestehen... Eine Chaplinabe; ob thr tragisches das liegt beim: Preußen zurückgibt und überhaupt ganz Bolen forporativ im Deut- Moment stärker ist oder ihr komisches | Zuschauer! schen Reich aufgehen läßt....

Wochenragout

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Maschine. Das mar dem Fragefteller nicht genug; er ftrebte auf die Formulierung zu, der Chauffeur liebe seinen Wagen fast wie sein Kind. Dem Chauffeur war diese Wendung offensichtlich un­natürlich. Er redete zweimal daran vorbei. Zum Schluß sagte sie der Interviewer, der anscheinend auf keinen Fall auf sie verzichten wollte, felber. Das fleine Zwischenspiel ist wahrscheinlich von den wenigsten Hörern überhaupt bemerkt worden. Es hat selbstverständ­lich auch den Wert des Vortrages in keiner Weise beeinträchtigt. Fragesteller an einer porgefaßten Formulierung hängt, und für die Aber es war ein amüsanter Beweis für die Zähigkeit, mit der ein Geschicklichkeit, die er aufwendet, um diese Formulierung an seinen Mann zu bringen. Handelt es sich dabei nicht, wie in diesem Falle, um eine unbedeutende Nebensächlichkeit, so kann dadurch der Wert der ganzen Unterhaltung in Frage gestellt werden. Das Interview lönnte man als Reportage über einen Menschen definieren; sein Beruf, sein Lebensfreis, seine Geisteswelt sollen für einige kurze Minuten anderen Menschen ganz nahe gebracht werden. Das fann aber nicht gelingen, wenn der Interviewer seine eigenen Meinungen dazwischen schiebt.

Die Schlüsselgewalt

der Ehefrau

Tes.

Die verheiratete Frau ist im Gegensatz zu der ledigen oder perwitweten in ihren Rechten beschränkt. Aber ein gewiffes Recht innerhalb ihres häuslichen Wirkungsfreises ist der verheirateten Frau gegeben, indem sie im Rahmen dieses Wirkungskreises die Geschäfte ihres Mannes für ihn besorgen und ihn insoweit ver­treten kann. Diese der Ehefrau gegebene Bertretungsbefugnis nennt man die Schlüsselgewalt. Rechtsgeschäfte, die die Ehefrau innerhalb des Wirkungskreises dieser Schlüsselgewalt vor­nimmt, gelten als im Namen des Mannes vorgenommen, wenn nicht aus den Umständen sich ein anderes ergibt". Diese lezten neun Worte des Gesezes sind aber höchst bedeutungs­voll, indem damit dem Richter ein weiter Spielraum für die Be urteilung der jeweiligen Umstände gegeben ist, der der Ehefrau die Schlüffelgewalt geben oder versagen. 3war wird faum ein Richter der Frau das Recht versagen, in Abwesenheit des Ehe­mannes für ein erkranktes Kind den Arzt herbeizurufen und den Ehemann in jedem Fall für verpflichtet halten, das Arzthonorar zu bezahlen. Aber es fommen doch häufig Fälle vor, in denen der Richter das von der Ehefrau eingegangene Rechtsgeschäft, als außerhalb des Bereichs ihrer Schlüsselgewalt oljo vom Ehe­mann nicht vertretbar- erklärt.

So hatte die Frau eines Maurers, der ein kleines Grundstück mit selbstecbautem Häuschen auf dem Lande besigt und wöchentlich 40 m. verdient, bei einem Reisenden für ihre aus den Eheleuten und 3 Kindern bestehende Familie Wäsche im Be trage pon 200 m. bestellt, die in Raten von 5 M. monatlid) abgezahlt werden sollten. Trotz dieser geringen Belastung des Ehemannes entschied der Richter, daß der Gesamtbetrag einer folchen Anschaffung bei Berücksichtigung der Einkommensverhält­nisse des Ehemannes über den Rahmen der Schlüsselgewalt hin ausgehe und wies die Klage gegen den Ehemann ab.

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In einem anderen Fall hatte die Ehefrau eines Guts­besigers für den Wirtschaftsbetrieb eine Waschmaschine für den Preis von 350 m. bestellt; auch dieses Rechtsgeschäft er­flärte der Richter, als über den Rahmen der Schlüsselgewalt bei dem Einkommen des Ehemannes hinausgehend. Die Frau hätte bei Bewilligung einer so hohen Summe erst die Genehmi­gung ihres Ehemannes einholen müssen, der Ehemann hafte nicht für die Bezahlung.

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hältnissen lebenden Kaufmannes hatte bei dem Umzug in Ein dritter Fall: die Ehefrau eines in ausfömmlichen Ver­eine neue Wohnung die in langer Benutzung verblichenen Bor hänge und Gardinen für mehrere Fenster reinigen und auffärben lassen. Der Preis betrug etwa 80 M. Diese Summe ist beachtlich, denn, wie schon früher ausgeführt, fann ein Urteil des Amtsgerichts nur mit der Berufung angefochten werden, wenn der Streitwert mehr als 50 m. beträgt. Die Färberei verklagte nicht den Ehemann, sondern die Ehefrau persönlich auf 3ahlung des Preises. Diese wendete mur ein, daß das Reinigen und Färben fehlerhaft ausgeführt worden sei. Sie hätte ein­wenden müssen, daß sie nicht persönlich hafte, da sie im Rahmen ihrer, Schlüffelgewalt gehandelt habe. Da dieser Einwand nicht er­hoben war, so hatte der Richter nicht zu prüfen, ob die Frau per­fönlich hafte oder nicht. Ein Sachverständiger wurde vernommen, der die Arbeit für ordnungsmäßig ausgeführt erflärte und darauf­Das Urteil war hin würde die Frau zur Zahlung verurteilt. ,, borläufig vollstreckbar". Hierbei ist ein äußerst wichtiger Gesichts­puntt zu beachten: alle Urteile des Amtsgerichts bis zur Höhe Don 500 m. find vorläufig. d. h. bevor die Rechtskraft ein= getreten ist vollstrecbar, wenn nicht vom Beklagten der Antrag gestellt ist, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abe zumenden". Sobald ein so formulierter Antrag gestellt ist, muß das Urteil diesem Antrage entsprechen; das heißt mit anderen Borten, der Bellagte dann die 3mangsbeitreibung verhindern, menn er zur Sicherung der Klageforderung bis zur rechtskräftigen Entscheidung den Betrag beim Gericht hinterlegt. Wird vom Be rufungsgericht das Urteil aufgehoben, so erhält er die hinterlegte Summe, fogar mit einem Kleinen Prozentjak Zinsen, zurüd. Dieser so wichtige Antrag war von der beklagten Ehefrau nicht gesetzt worden, die Forderung wurde auf Grund des vorläufig vollstred baren" Urteils durch den Gerichtsvollzieher beigetrieben. Man mache sich flar, welche Nachteile eine solche vorläufige Vollstreckungs­befugnis bringen kann, wenn die zunächst obsiegende Partei in Bahlungsschwierigkeiten gerät und das Geld nicht zurückzuerlangen ist. Hier war das Unglück nicht gar zu groß, denn die Ehefrau legte gegen das Urteil beim Landgericht Berufung ein, und zwar, da bei dem Landgericht Anwaltszwang besteht, durch einen Rechts­anwalt. Dieser machte nun alle Fehler und Versäumnisse wieder gut; er erhob den Einwand, daß die Bestellung in den Bereich der Schlüffelgewalt falle und beantragte im Wege der Widerklage Rückzahlung der von der Ehefrau beigetriebenen Summe. Das Be­rufungsgericht schloß sich dieser Ansicht an, hob das erste Urteil auf und verurteilte die Färberei zur Rückzahlung. Die Färberei kann nun in einer neuen Klage gegen den Ehemann vorgehen, aber die Kosten für den voraufgegangenen Prozeß gegen die Ehefrau hat sie zu tragen, und zwar für beide Instanzen.

Aus den vorstehend geschilderten Fällen sehen wir, daß es ganz im Ermessen des Richters liegt, wie weit er die Grenzen der Schlüsselgewalt zieht und wie er die Einkommensver­hältnisse des Ehemannes und dadurch die Machtbefugnis oder Macht. beschränkung der Ehefrau beurteilt. Selb  'tp: rständlich spielen hier bei unsere Schechten wirtschaftlichen Verhältnisse eine entscheidende Rolle. Heute tönnen wir uns faum mehr vorstellen, daß vor dem Kriege das Oberlandesgericht Kasruhe entschied:" Leben die Ehe­leute in guten Verhältnissen, so fällt auch die Anschaffung von Lurusgegenständen( kostbare Teppicha) in den Bereich der Schlüssel­gewalt." Das war allerdings im Jahre 1901. Marg. Falkenfeld.