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Morgenausgabe

r. 31

A 16

48.Jahrgang

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Der ,, Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend" Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme", Technik"," Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärtsu. Stadtbeilage"

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

20. Januar 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflame zeile 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen das lettges brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedrudte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jebes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 81, bis 17 Uhr.

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Der Warschauer Terror. Beruneinigtes Europa !

Auflösung des Juristenverbandes.

Warschau , 19. Januar. ( Eigenbericht.) Die Behörden haben heute den Polnischen Juristen­verband, der alle Juristen Polens umfaßt, geschlossen und dessen Lokal versiegelt. Als Ursache für diese Maßnahme wird amtlich angegeben, daß der Verband durch seinen jüngsten Beschluß zur Brester Affäre seine Befugnisse überschritten und durch die Beurteilung der amtlichen Tätigkeit des gegenwärtigen Justizministers rechtswidrig gehandelt habe!

Deutschlands Rolle in Genf .

V. Sch. Genf , 19. Januar. Reichsaußenminister Dr. Curtius ist gewiß fein bes

über die Untätigkeit der Staatsbehörden aus. Da zu den Mit- neidensmerter Mann. Wie seinem Vorgänger Stresemann gliedern des polnischen Juristenverbandes auch der ehemalige Suftiz- steht auch ihm der unversöhnliche Haß seiner nationalistischen minister Car und der frühere für Brest - Litomst zuständige Staats- Gegner und der schleichende Argwohn seiner eigenen Partei­anwalt und gegenwärtige Justizminister, Mich a lomiti gehören, freunde gegenüber. Stresemann nahm den Kampf mutig und die für das Schicksal der Brester Gefangenen verantwortlich find, vor aller Welt auf, und das verschaffte ihm im Auslande jene wird beschlossen, dem Vorstand des Verbandes die Beurteilung Popularität und jenes Prestige, dem er einen wesentlichen Teil der Tätigkeit der genannten Verbandsmitglieder zu empfehlen. seiner Erfolge verdankte. Diese neueste Unterdrückungsmaßnahme hat

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unter den polnischen Juristen große Erbitterung hervorgerufen. Allgemein wird darauf hingewiesen, daß der Juristen­In dem Verbandsbeschluß, der in der Presse beschlagnahmt mar, verband selbst doch wohl am besten wissen mußte, wann sein Ber­heißt es u. a.:,,Die bekanntgewordenen Tatsachen aus Brest - Litowskieser Maßnahme der polnischen Regierungsstellen ist um so heißt es u. a.:,,Die bekanntgewordenen Tatsachen aus Brest - Litowsthalten rechtswidrig ist und wann nicht. Die Rechtswidrigkeit

stellen

eine in der Geschichte Polens nie dagewesene Bergewaltigung des Rechtes und der Moral

dar. Die polnischen Juristen verurteilten die Gemaltstaten und die Rechtswidrigkeiten von Brest - Litowst und drücken ihre Entrüstung

offensichtlicher, als der Verband ja, wie es jeder Vereinigung übrigens zusteht, die Tätigkeit Cars und Michalomftis nur unter dem Ge­sichtspunkt ihrer 3ugehörigteit zum Juristenverband und nicht, wie es in der offiziellen Begründung heißt, ihrer ,, amt­lichen Tätigkeit" beurteilen wollte und noch nicht einmal beurteilt hat.

Der Vorstoß des Faschismus.

Mit Deutschland vor Genf verabredet- meldet Rom .

Rom , 19. Januar. ( Eigenbericht.)

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Der Genfer Bericht des Chefredakteurs des Giornale d'Italie" gibt an, daß in der am Montag stattgefundenen ein­stündigen Besprechung zwischen Curtius und dem italie= nischen Außenminister vor allem über das Problem der Abrüstung verhandelt wurde. Die Tribuna" bestätigt am Mon­tag abend diese Meldung. Danach verteidigte Grandi weiterhin mit aller Energie grundsäglich den Standpunkt, daß ohne vor. herige Abrüstung das Zustandekommen der Bereinigten Staaten von Europa unmöglich sei. Die ganze Haltung richte sich gegen Frankreichs Prinzip der Sicherheit und seine in der Konferenz nicht zu schlagenden Rüstungen.

Wie man hier aber wirklich über Briands Europa- Plan denkt, das zeigt die gleiche Nummer der Tribuna" in einer Glosse. Dort heißt es nach dem Beispiel des Wizes über die Herstellung einer Kanone: Wie macht man Paneuropa? Man nehme ein Loch und drehe Phrasen darum. Die Hauptsache ist das Loch"..

Im übrigen wird aus Grandis Umgebung gemeldet, daß die Einladung Rußlands und der Türkei zu den Verhandlungen jetzt schon als sicher gelten darf. Das sei ein Steg des italie nischen Borstoßes, der gemeinsam mit Deutschland erfolgt sei. Er murde vorbereitet in den Verhandlun gen, die Botschafter von Schubert im Berliner Auftrag mit Grandi vor dessen Abreise nach Genf führte.

Die Tribuna" wehrt sich gegen die französischen Vorwürfe, daß Italien die Politik der Besiegten führe. Es mache weder die Po­litik der Besiegten noch der Sieger, sondern die Politi? einer Groß­macht, die, wie es an anderer Stelle heißt, Frankreichs Spiel um die Borherrschaft in Europa nicht mit mache, auch wenn fie diefes Spiel unter der Maste eines Pan­

europa verberge.

Im Schlepptau Roms.

Dr. Curtius hat es noch schwerer, nicht nur weil er als Nachfolger Stresemanns auch von seinen Verhandlungs­partnern unwillkürlich immer wieder mit seinem sehr ver­mißten Vorgänger verglichen wird, sondern auch meil sich die außenpolitische Lage Deutschlands schlechtert hat. Das weiß draußen jedermann und auch seit den Reichstagswahlen ungeheuer ver in der Wilhelmstraße fann man sich auf Grund der warnenden Berichte aller diplomatischen Vertreter darüber nicht im un­flaren sein. Aber in Deutschland selbst gibt es etliche Millionen Kindstöpfe, nicht nur unter Hitlers Wählern, sondern sogar in der Partei des Außenministers, denen man eingeredet hat, daß Deutschlands Stellung in der Welt durch das überraschende An­wachsen der ,, nationalen" Opposition sich enorm verbessert habe, daß sich die Siegerländer vor Deutschlands ,, Erwachen", fürchten und daß es also Dr. Curtius nun erst recht ein leichtes sein müßte, in Genf ,, Erfolge" zu erzielen.

Aber das Ausland ist um so weniger geneigt, dem Reichs­außenminister solche Erfolge" zu gewähren, als es sich feines­falls vor Deutschland fürchtet, mohl aber den Eindruck ge­strecken und zu diesen Wirtschaftsberatungen Rußland und die wonnen hat, daß Dr. Curtius fich vor den nationalistischen Türkei zur Mitarbeit eingeladen werden sollen. Damit dürfte aller- Schreiern fürchtet. Seine Rolle beim Berbot des Remarque dings die Teilnahme dieser Staaten zunächst einmal beschlossen Films ist keineswegs in Vergessenheit geraten, zumal hier werden und ihre Entfernung von der Behandlung der politischen Fragen Europas dürfte später kaum durchführbar sein. Anderer­feits sind gleichzeitig alle Probleme außer den wirtschaftlichen auch von dieser Tagung auf Mai perschoben worden. Inzwischen wird der noch einzusehende Unterausschuß sämtliche Fragen zu möglichen Lösungen vorbereiten müssen. Die Mitarbeit Rußlands und der Türkei wird selbst unter Voraussetzung der Annahme dieser Einladung für die augenblickliche Tagung wegen der Kürze der Zeit praktisch nicht mehr möglich sein.

Den größten Teil des Nachmittags hatte die geheime Sizung des Sechserausschusses eingenommen, so daß erst noch 6 Uhr die öffentliche Bollsigung der Kommission eröffnet werden konnte. In Fortsetzung der Wirtschaftsaussprache betonte Mohwindel- Normegen, die Zukunft der europäischen Völker hänge von der Zusammenarbeit zur Beseitigung der Zollschranken ab. Das Handelsabkommen zwischen den standinavischen Staaten lei direkt im Sinne der Europaidee und könne für andere Staaten gruppen ebenfalls für deren besondere Bedingungen als Beispiel bienen. Hymans- Belgien unterstrich diese Ideen und verlangte regionale Berständigungen für Industriestaaten, was im wesent. lichen auch von Procopé Finnland angeführt wurde. In zwischen wurde der Wortlaut der Entschließung verteilt, die folgender maßen lautet:

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,, Angesichts der Entschließung der Bollversammlung des Bölter. bundes vom 17. September 1930 beschließt der europäische Aus fuß, die Weltwirtschaftstrise zu studieren, soweit sie die Gesamtheit der europäischen Stagten interessiert, und durch den Generalsekretär die Regierungen von Island , der Türkei und Rußland einzuladen, an diesem Studium teilzunehmen." Da inzwischen dieser Wortlaut im ganzen Saal befannt ge­Rom, 19. Januar.( Eigenbericht.) morden mar, schiug Henderson unter stürmischer Heiterfeit vor, diese Die faschistische Presse weist übereinstimmend darauf hin, daß Entschließung öffentlich zu diskutieren, weil sie doch in der Deutschland und Italien zur Zeit in Genf außerordentlich start zu gesamten Bresse am Dienstag zu leser sei. Briand lehnte das als fammenwirken. Wenn auch Curtius auf der Tagung der Europa­fammenwirken. Wenn auch Curtius auf der Tagung der Europa - Borsigender jedoch ab mit dem Hinweis darauf, daß nach den Ge­Konferenz zuerst gesprochen habe, so sei er doch dem italie- pilogenheiten des Bölkerbundes solche politischen Diskussionen in ge: nischen Antriebe gefolgt. Auch der Antrag auf Einladung Rußlands und der Türkei sei hauptsächlich auf die Initiative der italienischen Regierung zurüdzuführen. Es ist darüber hinaus be­merkenswert, daß die italienische Bresse sich außerordentlich scharf gegen die Intentionen der französischen Politik wendet. Anderer­seits lehnen Blätter wie der Messagero" und" Popolo di Roma" die französischen, Behauptungen, als ob Italien mit Deutschland ein gemeinsames und vorher verabredetes Spiel treibe, entschieden ab.

Einladung nur zur Wirtschaft. Das Europafompromiß über die Sowjetunion .

Genf , 19. Januar. ( Eigenbericht.) Der deutsch - italienische Borstoß in der Europa tommiffion dürfte mur teilweise gelingen. Die Kommission hat eine Entschließung des Sechserausschusses vorliegen, nach der sich die Arbeiten dieser Tagung nur auf die Wirtschaftsfragen er

heimen Sigungen stattfinden müßten. Nach einer kurzen Antwort Hendersons beschloß der Ausschuß, die Einladungsentschließung am Dienstag nachmittag öffentlich zu diskutieren.

Friede" in Liberia .

Genf , 19. Januar. ( Eigenbericht.) Nach einer Note Liberias an den Bölterbund, lehnten es auf den Rücktritt der Regierung King hin einige Dörfer ab, weiter Steuern zu bezahlen. Eine Regierungskommission wurde mit Gewalt ver­trieben. Daraufhin wurden die Dörfer durch Truppen befriedet. Angeblich ohne jede Gewalttat und ohne persönlichen oder ma­teriellen Schaden für die Bewohner.

Dieser Aufstand wurde hervorgerufen durch das Bekanntwerden der großen Wirkung des Bölferbundsberichtes über die Shaverei. Der Umfang der Revolte dürfte wesentlich größer sein, als die libe­rifche Note zugibt. Man fann sich bei den dortigen Berhältnissen vor­stellen, wie die Befriedung" und die Rüdfehr zum Steuerzahlen in Wirklichkeit durchgeführt werden.

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bekannt wird, daß der Film gerade jezt in Genf gezeigt werden sollte, aber von deutscher Seite die Verschie bung dieser Filmaufführung bis nach der Rats­tagung erbeten und erreicht wurde. Diese Aufführung wäre zwar nicht für das Ansehen Deutschlands , wohl aber für das Ansehen der Reichsregierung recht peinlich gewesen.

Dadurch, daß Dr. Curtius es bisher versäumt hat, den Kampf gegen den nationalistischen Wahnsinn offen und vor aller Welt aufzunehmen, hat er nicht allein seine Aussichten verringert, Erfolge heimzubringen, sondern er sich obendrein immer wieder zwischen zwei Stühle gebracht. Ein paar Bei­spiele mögen das illustrieren:

Noch in Berlin war ein großer amerikanischer Rund­funtfonzern an ihn mit der Bitte herangetreten, von Genf am ersten Sonntag eine Ansprache an Ame rifa zu halten. 18 Sender mit 30 Millionen Hörern sollten seine Rede über die ganzen Bereinigten Staaten übertragen, ähnlich wie fürzlich Mussolinis Neujahrsrede. Nach anfäng licher Zustimmung befam Dr. Curtius in Genf anscheinend Bedenken und sagte wieder ab. Offenbar wollte er der natio­nalistischen Meute teine Gelegenheit zu einer neuen Hege gegen den schlappen" Außenminister bieten. Die ameri­fanische Gesellschaft wandte sich darauf prompt an den polni­schen Außenminister 3alesti, der es sich nicht zweimal sagen ließ und die Gelegenheit benutzte, am Sonntag nach­mittag an dreißig Millionen Hörer eine Programmrede für Bolen und gegen die Revision der Friedensverträge zu halten.

Ein anderer Fall, der schon in den eigentlichen Rahmen der Ratstagung fällt: Auf der Tagesordnung steht ein Be­richt der Untersuchungskommission des Völkerbundes in Liberia , die das Fortbestehen der Sklaverei in der Neger­republif in grauenhaften Formen festgestellt hat. Diese An­republif in grauenhaften Formen festgestellt hat. Diese An­gelegenheit interessiert in hohem Maße die öffentliche Meinung der angelsächsischen Welt, teils aus puritanisch­humanitären, teils aus fapitalistischen Gründen( weil sich eine große amerikanische Gummi- Plantagengesellschaft, die Firestone Rubber Co. durch das Massensterben der Negersflaven in ihren Interessen bedroht fühlte). Als Ratsvorsitzender trug Henderson Dr. Curtius die Berichterstattung an. Damit hätte sich dieser in Amerika und England ein großes Renommee verschaffen können. Aber mächtige deutsche Kolonialinteressenten, die vor allem in der Deutschen Volkspartei einflußreich sind, be­fürchteten eine Verschlechterung der deutschen Handelsposition in Liberia , wenn der Enthüllungsbericht von dem deutschen Ratsmitglied verlesen wird. So glaubte Dr. Curtius diesen Bericht ablehnen zu müssen. Statt seiner wird nun 3a­