Waldimir Lidin:
Die Fischer vom Eismeer
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Ich führe einige bläuliche, vom Ozean gut geschliffene Steine| Boote aufs Eis und schießen in die Luft. Der Bulle hebt den mit mir. Ich habe sie zum Andenken an die Erde mitgenommen, Kopf, hört das Schießen- aber alles ist ruhig, und er träumt auf der ich wahrscheinlich zum einzigen Male in meinem Leben meiter. Er wird als erster getötet. Er darf nicht verwundet werden, eine Stunde verbracht habe. Auf dem Torfboden dieser Ozean denn dann geht er ins Wasser und ihm nach stürzt die ganze Herde insel lagen runde, unter den Füßen trocken fnirschende Steine in unters Eis und die Jagd ist verloren. Er muß sofort getötet Haufen. Und auf diesem Torsboden wohnt in einem Dugend Häuser werden. Dann ist alles einfach. Die Jäger gehen an die Weibchen die Bepälkerung der Insel. heran und schießen fie direkt in den Kopf, schlagen mit den Hakenstangen den Kleinen den Schädel ein aber die Tiere gehen nicht weg. Ergeben liegen sie in Haufen und erwarten ihr Schicksal. Nur die Robbenmütter meinen. Große weiße Tränen rollen aus ihren sanften Augen. Sie haben die Gefahr noch nicht so begriffen, um zu flüchten, aber ein letztes Entsetzen ist in ihnen und die Tränen rollen wahrscheinlich die Tränen der Mütter um ihre Jungen.
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Bor Jahren war ein Robinson der erste Kolonist, der Norweger Indritsen hierhergekommen. Er baute sich ein Häuschen am Ufer und fischte. Ein kleines Grab mit einem eisernen Kreuz, unter dem sein Erstgeborener, der ein Jahr alte Kornelius Indritsen, schläft: das ist alles, was als Andenken von seinem schweren Leben hier geblieben ist. Aber auf seinen Spuren famen andere Leute, bauten Häuser, hängten die Nezze aus und die Insel murde eine russische Siedlung, Und auch von den neuen Leuten gibt es am Ufer schon einige ernste Gräber Haufen runder, vom Ozean geschliffener Steine. Auf Stricken zwischen den Häusern hängen Ketten von Stockfischtöpfen, die zu Dung verwendet werden. Auf dieser unergiebigen Erde bekommen auch Kühe sie zu fressen weshalb die dünne, armselige Milch nach Fisch stinkt. Nach Fisch und seinen faulenden Eingeweiden stinken alle Siedlungen der Murmantüste. Und auch die Menschen riechen nach Fisch. Tausende von Zentnern Stockfisch, ohne den diese Menschen keinen Tag leben können, werden hier eingesalzen und auf Dampfer geladen.
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In ihren Booten fahren die Fischer 10 bis 15 Meilen in den Ozean hinaus und verbringen zwei bis drei Tage beim Fang, aber manchmal treibt sie das Wetter wochenlang im Ozean herum, fie verlieren die Stellen, wo sie ihre Drei- Etagen- Netze ausgelegt haben wenn dann das Wetter nachläßt, fahren sie wieder hinaus und finden ihre Nezze immer, weil sie den Ozean besser kennen als ihr armseliges Festland. Im Sommer Butte, Seewolf, Kabeljau, im Herbst Heringe, die als eine dichte unterseeische Mauer in die Schären tonunen dann lohnen zwei Tage Erfolg einen ganzen Sommer gefährlicher, ununterbrochener Arbeit. Erst Ende Mai geht das Treibeis fort; der Ozean ist nod) unruhig, Frühlingsstürme rasen über ihm. Während dieser Stürme werden die Robbenfänger auf den Eisschollen ins Meer hinausgetrieben und Ende Mai werden die Jäger von den Fischern abgelöst. Ein, zwei Monate Stille über dem Ozean und dem Weißen Meer , ein, zwei Monate blutige Mitternachtssonne und ichon kommen Herbststürme, Zyklone, turze Polartage und endlose Nächte. Ende August muß der Sommerfang in Fässern eingesalzen sein, damit schwere Schiffe sie nach Murmanst und Archangelst bringen. Ende August werden die Siedlungen leer, die Menschen fehren in die Städte zurück, und es bleiben nur die, die kein anderes Heim haben die Kolonisten.
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Hier, zwischen den Steinen, verbringen sie beim stürmischen Wintergebrüll des Ozeans die Polarnacht; schon im Januar gehen sie auf den Robbenfang aus. Der Südwind zerkrümelt am Ufer das Eis. Am Ufer bewegt sich das Eis hin und zurüd, und über dieses Krümeleis dringen die Jäger auf die Eisfelder. Im Januar bekommen die Robben Junge. Sie liegen in Stapeln stahlgrau mit ihren Kleinen auf den Schollen. Sie sind ergeben, sanft und schußlos. Sie liegen unbeweglich und blicken neugierig auf die Jäger, Sie lieben grele Farben den roten Anstrich der Schiffe und die Mannigfaltigteit in der Eintönigkeit der Eiswüfte die Menschen. Der alte Bulle schlummert, hebt von Zeit zu Zeit den Kopf, blidt ringsum und schlummert wieder. Die Jäger ziehen ihre
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In Februar, wenn die Haufen sich in Herden sammeln, treiben die Jäger sie mit Stridnezzen ans Ufer und schütten vom Ufer aus mit Schaufeln Sand in die offenen Mäuler der Tiere.
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Die Erde der Fischer ist das Wasser. Nur auf dem Wasser sind sie zu Hause, und von den ersten Tagen an gewöhnen sie ihre Kinder ans Waffer. Mit sechs Jahren beginnt der Fischerjunge zu verdienen. Von sechs bis neun Jahren hat er die Nehe und Haten in Ordnung zu halten und bekommt Fische für seine Arbeit. In Reihen sigen die Kinder, durchsuchen mit ihren Kinderhändchen die Netze und fingen ein trauriges Kinderlied, das dieses gefährliche und schwere Leben geboren hat. Sie singen von Geschlecht zu Geschlecht das gleiche Lied von Fischern, die hinausgegangen und nicht zurückgekehrt sind. Mit zwölf Jahren wird der Netzjunge zum Röderjungen, der sechs Jahre die Köder besorgt. Mit achtzehn wird er Ruberer, erstarkt an den Riemen und wird mit zweiundzwanzig Zieher", das heißt Nezzieher. Darüber gibt es nur noch eine Stufe: Steuermann. Der Steuermann ist der Kapitän. Er hat seinen eigenen Segler, wirft seine Netze aus. Hundertmal hat ein folcher Eismeertapitän den Ozean überquert, war in ausländischen Gewässern, spricht englisch , norwegisch, holländisch, tennt große Häfen und wäre wohl imstande, Kapitän eines großen Dampfers zu sein bleibt aber bis zum letzten Sturm seines Lebens in dem gleichen zerbrechlichen Boot. Mit demselben Segelboot jagt er die Robben und den Haifisch, der zu groß ist für sein Fahrzeug, und dem sie die Leber ausnehmen und die Eingeweide aufblasen, um ihn dann ins Schlepptau zu nehmen. Mit demselben Boot fahren sie nach Nowaja Sjemla, wo sie die Walrosse jagen. Ein vermundetes Walroß ist nicht wie eine Robbe. Es stürzt sich auf das Boot, packt mit den Hauern den Rand und wirst es wie eine Nuß schale um. Des Fischers Glück ist's, wenn feine Kugel richtig trifft. Im August, wenn die Dampfer tommen, werden sie von Dugenden von Booten aller Art umgeben. In Jacken aus Robbenfell und Südwestern kommen die Seeleute auf Deck, stehen breitbeinig da und riechen scharf nach Schnaps. Ohne Schnaps fann der Fischer im Eismeer nicht leben. Mit Schnaps färbt er fein schweres, gefährliches Leben rosig, in Schnaps ersäuft er die Herbststürme und die Polarnächte. Er tauscht dafür viele Zentner Fisch ein, für Schnaps gegen die Samojeden Pelze und Renntiere hin, und ein Jäger liefert auch das einzigartige Eremplar, die seltenste Beute, einen herrlichen, lebendigen Schwarzfuchsrüden, für Schnaps ab. Betruntene Fischer schwanken dann auf dem festen Deck des Schiffes, aber fie find außerordentlich fest und sicher in ihren schwankenden Booten, menn fie fie, vollgeladen mit Fässern, ans Ufer rudern. Da merden sie eins mit dem Boot, pie die Steppen reiter eins mit ihren Pferden find.( Uebertragen von M. Charol.)
Die wichtigsten drei Pflanzen
Von Dr. R. Francé
Ein ganz ergötzliches Experiment, das mit unfehlbarer Sicherheit jederzeit gelingt, ist, in einer Gesellschaft die Frage aufzu werfen, welches wohl für den Menschen die wichtigste und unentbehrlichste Pflanze sei. Drei Viertel aller Antworten werden das Getreide erwähnen; solche, die in Uebersee waren und von der großen Bedeutung der Kopra " gehört haben, werden auf die Kotospalme raten, andere, denen die Greuel der Kautschuk gewinnung im Kongostaat und neuestens in Südamerika noch frisch in der Erinnerung sind, und die aus dem Eifer, mit dem man nach Kautschuk fahndet, auf dessen großen Wert schließen, werden die Kautschukbäume nennen. Solche, die in fast ganz Asien die ungeheure Bedeutung des Reijes als Boltsnahrung gesehen haben und daran denken, daß die zwei größten Bölfergruppen, nämlich die Menschen beider Indien und die von China und Japan , ausschließlich Reisesser sind, werden für die Reispflanze stimmen. Eine gar nicht so unebene Antwort nannte die Kartoffel, die bei uns in Europa , aber auch in allen Ländern der Erde mit gemäßigt fühlem Klima geradezu zur Lebensbedingung der Bevölkerung geworden ist. Klug ist auch die Vermutung, daß angesichts des Brennholz-, Bauholz- und Zeitungspapierbedarfs auf der ganzen Erde die Holzarten, also die nutzbaren Bäume aller Arten für den Menschen den kostbarsten, weil völlig unerfetzlichen Besitz aus dem Pflanzenreiche darstellen.
Und doch sagt keine dieser Antworten die volle Wahrheit. Es ist dem Bewußtsein des Gebildeten völlig verborgen, daß ein Pilz den Anspruch nicht nur der wichtigsten Kulturpflanze, sondern des materiell wertvollsten Gewächses überhaupt machen fann. Eine ganz unscheinbare, ja jo fleine Pflanze, daß fie einzeln dem unbewaffneten Auge gar nicht sichtbar ist nämlich der Hefe pil 3. Er ist es, dem man im Berein mit einigen Batterien die Brotbereitung verdankt, insofern ist er Freund des Menschen und eine Kulturpflanze in jedem Sinne er ist aber auch zugleich ein furchtbarer Feind unseres Geschlechts, dem er sich in der heimtüdischsten Form als„ Sorgenbrecher" und Freudenbringer" einschmeichelte. Der Hefepilz ist nämlich auch der alleinige Erzeuger von Alkohol. Und es ist ein Kulturdokument von traurigem Bert für das zwanzigste Jahrhundert, daß auf der ganzen Erde, neben dem täglichen Brot, das altoholhaltige als das über die Sorge und das Unbehagen des Augenblics hinwegtäuschende Getränt, sei es nun Wein, Bier, Schnaps, Reisbranntwein oder gegarener Agavenjaft oder sonst bas Gärungsprodukt irgendeiner tropischen Frucht, dem Menschen als das„ fostbarste" Gut erscheint. Sonst hätten nicht Indianer und Südseeinsulaner, Sibirier und afrikanische Neger für Feuerwaffer Ländereien hergegeben, so groß wie ein europäischer Staat, sonst würde nicht die Jahresausgabe des deutschen Voltes für alkoholische Getränke über drei Milliarden, die der ganzen Kulturmenschheit an 15 milliarden Mart betragen! Das ist viel mehr, als für alle fulturellen Bedürfniffe zusammen genommen geopfert wird.
Wären die Menschen besser über die Dinge der Natur unter richtet, als sie in ihrer Allgemeinheit sind, hätten sie auch, so wie fie eine Alkoholpoesie schufen, den kleinen zierlichen Hefepilz fünftlerisch verherrlicht", so wie sie schon längst den Palmenstamm und die Papyrusstaude idealisierten in der Säule, die Lotosblume in der indischen Baukunst, die Fichte im gotischen Dom, den Buchen hochwald im Netzgewölbe des Kirchenschiffes, wie sie die Rose und Arumblume verewigten und die Akanthusſtaude im Säulenkapital, und zahlreiche andere Pflanzen, was alles eigentlich noch nicht gebührend studiert und in seinen inneren Zusammenhängen aufgedeckt ist.
Datei gebührt aber dem Hefepilz, so seltsam das auch flingen aber dem Hefe mag, doch die Bezeichnung einer Stulturpflanze; denn er ist heute fein wildes Gewächs, sondern durch jahrtausendelange Kultur nicht weniger veredelt, in Rassen gesondert, in seinen Eigenschaften hochentwickelt worden, wie Weizen und Roggen oder Wein und Zucker rübe, diese Kulturpflanzen an sich", die durch zu viel Veredelung alle mehr oder minder schon an Widerstandskraft und robuster Lebenstüchtigkeit verloren haben, wie wenn sie Kinder eines uralten Adelsgeschlechts wären.
Man züchtet heute den Hefepilz in den Laboratorien in Reinfulturen; denn seine ,, Rassen" haben sehr wohl merkliche und in Geld ausmünzbare Eigenschaften. Von der Rasse" hängt es ab, welchen Geschmack der Wein oder das Bier, das mit ihr vergoren wird, erhält.
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Neben dieser Kulturpflanze treten an materieller leider auch an ,, dichterischer" Bedeutung alle anderen Kulturgewächse zurüd. Am nächsten famen ihr bis vor kurzem und auch das ist wohl wieder eine Ueberraschung für die meisten nicht die Getreidearten, sondern die Kokospalme. Denn das Verbreitungsgebiet der Kokos umfaßt heute die gesamten Tropen, soweit sie der Seewind erreicht; sie ist für die ganze Bevölkerung der heißen Südsee die wichtigste Lebensbedingung, ebenso an den Ufern des Indischen Dzeans, fie ist von enormer Bedeutung für einen Teil von Afrika und Westindien . Und auch darüber hinaus ist ihr getrocknetes Nährs gewebe, die Kopra , und das aus ihr gewonnene Speisefett für Europa und Nordamerika unentbehrlich geworden. Wenn der Araber von seinem unentbehrlichen Lebensgenossen, der Dattelpalme, im Sprichwort sagt, fie fei zu hundert Dingen nüße, so gilt dies mit dem gleichen Recht von der Rotospalme, die nicht einen einzigen Bestandteil hat, der nicht von dem Menschen verwendet werden könnte und auch verwendet wird.
Erst in dritter Reihe kommen für das Menschengeschlecht die Getreidearten, die freilich an die zweite Stelle vorrüden, wenn man ihnen Reis und Mais beigesellt und dann die Gruppe der Gräser mit der Kokospalme vergleicht.
I deffen ungeheure Steppe wurde im letzten Menschenatter durch die Vereinigten Staaten und Kanada übertroffen, seitdem sich deren alte Prärienromantik in die Idylle riesiger wogender Getreidefelder gewandelt hat. Budapest , Odessa , Chikago sind nacheinander die Hauptstadt des Getreidehandels geworden, und schon tauchen neue Rivalen auf, und die nächste Generation wird das Bild wieder verschoben finden. Denn jezt treten die riesigen Pampas von Argentinien und die Steppen von Sibirien mit ein in den Wettbemerb. Sind fie erst völlig fultiviert, mird das Getreide die alte, Don sopiel Romantik und Idealen umsponnene Balmentultur" endgültig in den Hintergrund gedrängt haben, dann wird auch das tulturelle Schwergewicht neue Verschiebungen erleiden.
Die Treppe
Wenn man von der 5. Etage über das Geländer der Treppe hinunter sah, so blickte man in eine Spirale, die in vielen Windungen sich in der Tiefe verlor. Es war eine phantastische Sache, dieses gähnendes Loch. Fremde, die diese Wirkung nicht kannten, fühlten ein eiskaltes Entsezen im Rücken, das sich erst wieder löste, wenn man zu ebener Erde auf der Straße stand. Natürlich dachte niemand daran, sich von dieser Treppe hinabzustürzen. Doch die Mieter auf den verschiedenen Absätzen der Treppe und vor den Wohnungs einmündungen fühlten alle das Unheimliche, das sich in diesem Treppenhaus verbarg.. Ging eine Frau die Treppe hinauf, so hatte sie das Gefühl, als schliche einer ihr nach. Sie warf einen Blick über das Geländer und rannte, wenn sie von unten ein paar Beine auf den Stujen herauftommen sah, und war erst froh und beruhigt, wenn die Tür der Wohnung hinter ihr zuschlug.
Einmal arbeiteten Handwerker auf dem Dach des Hauses. Gie hoben einen Teil des Glasdaches über der Treppe ab und zogen ihr Material in Eimern zwischen den Treppenmindungen an einer Winde hinauf. Es war ein lautes Schalten und Balten im Hause und die Mieter waren in diesen Tagen froh, daß eine Art fünftlicher Fahrstuhl das Loch im Treppenraum füllte. Das war in den Lagen des Dezember, es war naßfaltes Wetter und nachts hatte es meist gefroren.
Das Glatteis auf dem Dache hatte das Unglück verursacht. Der Arbeiter, der die Eimer im Treppenhaus hinaufzog, war ausgeglitten. Er fiel in den furchtbaren Schacht zwischen den Treppen hinab. Mit den Füßen voraus mußte er ausgerutscht sein, feine Finger waren zerschnitten, die am Rand des Glasdaches einen Halt gesucht hatten. Kopf, Rücken und Arme waren mehrfach auf dem Geländer aufgeschlagen und die Gewalt des Sturzes hatte den schweren Körper von der einen Seite der Treppe auf die andere geworfen. Nirgends fand der Mann einen Halt und überall sah man Spuren des Falles. Der gellende Schrei der anderen Arbeiter erschütterte das Haus. In aller Wohnungen öffneten sich die Türen und die Mieter erblickten das Grausige, das sie in bangen Ahnungen von jeher verfolgt hatte. Inmitten des Treppenschachtes auf dem unteren Podest hing über dem Geländer ein lebloser Körper, wie eine Puppe in allen Gliedern zerbrochen. Frauen befamen Schreifrämpfe und fanten ohnmächtig an den Gitterstäben der Treppe nieder. Aber kein Weinen und Wimmern vermochte den Toten zum Leben zurückzuführen.
F. N.
Wie rechnet der Blitzrechner?
In Barietés und vor gelehrten Körperschaften treten inuner wieder Rechengenies auf, die die erstaunlichsten Leistungen vollbringen aber man darf bei diesen Bligrechnerns feine großen algebraischen Kenntnisse oder besonderen Verstandesträfte vermuten, sondern fie find nur im Besige eines außergewöhnlichen 3ahlengedächt nisses und lösen die ihnen aufgegebenen Probleme durch Versuch und Irrtum". Der französische Astronom Abbé Th. Moreur, der fich mit der Psychologie dieser ,, Rechenpunder" eingehend beschäftigt hat, erläutert die Besonderheit dieses hervorragenden Zahlengedächtnisses an den beiden bekanntesten französischen Blitrechnern Mondeur und Inaudi. ,, Es gibt Gedächtnisse, die für das Behalten gewisser Dinge besonders begabt sind", schreibt er. Die einen behalten Worte gut, andere Dertlichkeiten, wieder andere Zahlen; sie haben in ihrem Gedächtnis Multiplikationstafeln" aufgespeichert, die in die Hunderttausende gehen. Mondeur 3. B., ein Kinder der Touraine , löfte schon mit 12 Jahren in der Schule von Tours die schwierigsten Rechenaufgaben, als ihn aber dann der Schulleiter besonders ausbilden wollte, fand er, daß das Kind nur sehr mittelmäßige Fähigfeiten besaß und daß seine Studien auf Rechenbegabung nicht im geringsten Einfluß hatten. Ebenso war es mit Inaudi. Sie haben beide feine Kenntnisse der höheren Algebra, mit denen man diese Aufgaben verhältnismäßig leicht lösen kann, sondern sie vollbringen ihre Leistung dadurch, daß sie die Produkte sehr vieler Zahlen auswendig wissen, und daher blizschnell eine Reihe von Proben machen und die Irrtümer ausschließen, bis sie das gewünschte Resultat haben. Diese Erklärung ist mir von Inaudi selbst gegeben worden. Ich hatte ihm eine überaus komplizierte Rechenaufgabe gestellt. Er sagte, er werde mir die Antwort in einer Minute geben, und tat es auch. Als ich ihn nach seiner Methode fragte, erklärte er, er habe einfach 60 Lösungen hintereinander versucht, je eine in einer Setunde, und während dieser Proben hatte er den Fehler gefunden, der zwischen einer vermuteten Zahl und der, die er suchte, bestand. Dazu gehört eine außerordentliche Kenntnis von Multiplikationsergebnissen. Wie wir fast ohne lleberlegung sagen: 4 mal 8 ist 32", ebenso rasch sagt Inaudi, daß 435 mal 657 285 795 ist.
Alle außerordentlichen Gedächtnisformen beschränken sich auf eine Klasse von Dingen. Die Rechner behalten nur Zahlen, andere nur Worte, noch andere nur Namen usw. In den meisten Fällen beruht das Gedächtnis hauptsächlich auf Gehörseindrücken, so bei Inaudi. Aber als ich noch Lehrer war, fannte ich eine beträchtliche Anzahl von Schülern, die mit einem vorzüglichen Gefichtsgedächtnis ausgestattet waren. Man kann nicht entscheiden, ob ein Gedächtnis auf der Grundlage von Gehörs- oder von Gesichtseindrücken vorzuziehen ist, aber es ist die Aufgabe jedes Erziehers, die Art des Gedächtnisses bei seinen Schülern herauszufinden und seine Ausbildung zu unterstützen. Diese Methode führt zu fast erstaunlichen Ergebnissen. Ich kannte einen jungen Mann von sehr mäßiger Intelligenz, der schwer auswendig lernte. Es gelang mir, ihn für Botanik zu intereffieren; nach wenigen Jahren fonnte er außerordentlich viele Pflanzen auswendig benennen, und nun entwickelte sich sein Gedächtnis ausgezeichnet. Nicht dadurch, daß man die Kinder auswendig lernen läßt, stärkt man ihr Gedächtnis, sondern dadurch, daß man sie für gewisse Dinge interessiert und die natürliche Fähigkeit thres Erinnerungsvermögens anregt."
Neue Weizenarten. In einem der ältesten Weizenländer der Welt, nämlich in Rußland , sind nach einem Bericht der„ Umschau" neue Weizenarten gefunden worden, darunter allein im Kaufajus fieben verschiedene Formen von wildem Weizen und drei von wilder Gerste. Besondere Bedeutung befißt eine dieser Varietäten, die furzhaimig ist, schwere Aehren hat, sehr schnell reif wird und auch auf faltem Boden wächst. Die tautafischen Bauern säen diesen Weizen im Frühjahr fofort an den Rändern der schmelzenden Schnee