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Morgenausgabe

Nr. 39

A 20

48.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme Technit"," Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u. Stadtbeilage

Vorwärts

Beeliner Boltsblatt

Sonnabend 24. Januar 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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44 Millionen arbeitslos!

Die Katastrophe des Arbeitsmarktes.

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auswirken. Dazu kommen die Kurzarbeiter. Schäßt man diese nur auf zwei Millionen, so wächst um eine ebenso große 3ahl die der Ausgeschalteten vom Warenmarkt der in­dustriellen Fertigfabrikate. Diese ungeheuerliche Zahl verengt den Warenmarkt auf eine wirtschaftlich unhaltbar enge Basis.

4% Millionen Arbeitslose Millionen| fehlen 4% Millionen Käufer. Das muß sich meiter frisenverschärfend mehr als vor Jahresfrist, das ist das Ergebnis der Zählung der Reichsanstalt für den Berichtsabe schnitt vom 1. bis 15. Januar. Mitte Januar wurden aus Miteln der Arbeitslosenversicherung rund 2 396 000, aus der Krisenfürsorge rund 739 000 Ar beitslose unterstükt. Unter den am 15. Januar bei den Arbeitsämtern verfügbaren Arbeitsuchenden befanden sich nach Abzug der noch in Stellung oder in Not­standsarbeit befindlichen rund 4 765 000 r= beitslose.

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Die Witterung machte in weitem Umfang die Ein­stellung der Außenarbeit notwendig; dem entspricht der starke Zugang aus dem Baugewerbe. Die meisten Tiefbauarbeiten mußten eingestellt werden; daher stellt die ungelernte Lohnarbeit einen erheblichen Anteil des Neuzugangs an Arbeitslosen. Der Einschlag in den Forsten und die Zuckerkampagne sind fast überall bendet. Bedauerlicherweise stößt auch die Reichsbahn fortgesekt Zeitarbeiter ab, statt die Arbeitszeit zu ver­fürzen.

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Am letzten Stichtag wurden 4357 000 Arbeitsuchende gezählt. Die Zunahme in der ersten Januarhäffte beträgt also über 400 000. Alle pessimistischen Vorschätzungen sind über troffen. Statt einer Berlagfamung in der Zunahme der Arbeits. losigkeit ist eine Beschleunigung eingetreten.

Zur innerdeutschen Wirtschaftskrise ist die Verschärfung der Weltwirtschaftskrise hinzugekommen. Dazu wirft fich immer schärfer das Eigengewicht der Arbeitslosig feit aus. Wenn auch von den 4% Millionen Arbeitslosen etwa 4 Millionen unterstützt werden, so langt diese Unterstützung doch nur gerade zur notdürftigsten Deckung der dringendsten Lebens­bedürfnisse. Auf dem Markt der industriellen Fertigfabrikate

Dazu kommt der Lohnabbau. Schon vor dem Abbau der Tariflöhne sind die Verdienste- nach der sehr vorsichtigen Schäßung des Instituts für Konjunkturforschung um acht Prozent­des Instituts für Konjunkturforschung um acht Prozent abgebaut worden. Nun sind auch die Tariflöhne für Millionen Arbeiter und Angestellten um 4 bis 8 Proz. abgebaut worden. Wenn man berück­fichtigt, daß der Hauptteil der Ausgaben im Arbeiterhaushalt Mieten, Ernährung, Steuern, Sozialbeiträge usw. nicht ein geschränkt werden fann, in den letzten Wochen sogar noch erhöht wurde, dann trifft die Lohneinbuße, die tatsächlich zwischen 12 und 25 Broz. liegen dürfte, mit voller Bucht die Ausgaben für in­dustrielle Fertigfabrikate und ähnliche Luxusausgaben".

Wir sind aber noch nicht am Ende des Lohnabbaus. Der Abbau der Beamten- und Aegestelltengehälter wird sich erst

in den kommenden Wochen auswirken. Was aber dann, wenn man die Massenkäufer vom Warenmarkt vertrieben haben wird?

Parlamentsreform.

Das Mißtrauensvotum.

Interpellationen..

Von Paul Lobe .

Der Beginn der Reichstagsarbeiten macht neben der Gorge für eine ordnungsgemäße Abwicklung der Debatten und eine rechtzeitige Erledigung des Reichshaushaltsplanes für 1931 auch die endgültige Regelung bei den Abstimmungen über Bertrauens und Mißtrauensvotum drin­gend notwendig. Der bisherige Zustand, daß manche Par teien feine flare Stellung Für oder Wider nehmen wollen, daß andere zu sogenannten unwahren Anträgen greifen, für die zu stimmen sie selbst keine Absicht haben, ist auf die Dauer nicht erträglich. Hier müssen durch die Ge schäftsordnung flare Verhältnisse geschaffen werden. In der Frankfurter Zeitung " wurde anläßlich der letzten Vorfälle der Borschlag zur Debatte gestellt, die Unterzeichner von Vertrauensanträgen ohne weiteres als abgegebene Stimmen für den Antrag zu zählen und so die Einbringung von nicht ernst gemeinten Anträgen zu verhindern.

Der Weg erscheint mir nicht gangbar. Abgesehen davon, daß die Unterzeichner am Abstimmungstag einfach nicht an­wesend zu sein brauchen, wird es kaum möglich sein, ihre Stimmen für den Antrag zu zählen, wenn sie inzwischen erklären, daß sie dagegen stimmen wollen. Aber auch eine Der Reichskanzler hat in seiner Rede vor den sächsischen In- nachträgliche Erklärung der so Gezählten, daß ihre wirt dustriellen in Chemnitz angekündigt, daß sachverständige Nichtliche Abstimmung gegen das Vertrauensvotum ausge intereffenten" die Arbeitslosenbersicherung einer nochmaligen Prüfung fallen wäre, muß das einmal gestellte Botum starf beein­unterziehen werden. Wir zweifeln nicht daran, daß es diesen trächtigen. Sachverständigen" gelingen wird, die Reichsanft alt zu ent­lasten und die Gemeinden zu belasten. Wird es dann auch nur einen Arbeitslosen weniger geben?

Wir haben jetzt etwa sieben Millionen ganz oder teilweise Arbeitsloser. In einem Monat werden es wahr. scheinlich acht Millionen sein. Das ist gleichbedeutend mit dem Zu sammenbruch von tausenden, vielleicht zehntausenden Unter­nehmungen. Der Lohnabbau wird seinen Verfechtern fürchterlich merden!

Der Wojewode muß fort!

Die Ukraine fommt im Mai vor den Rat.

V. Sch. Genf , 23. Januar. ( Eigenbericht.) Nachdem die Vorfragen, die die Abrüstungskonferenz betreffen, heute in geheimer Ratssigung gelöst worden sind, steht nur noch die Entscheidung über den wichtigsten Bunkt der gegenwärtigen Seffion, über den ostoberschlesischen Konfitt aus. Es handelt sich jezt lediglich darum, ob die Resolution, in der die Verlegung der Genfer Konvention durch die polnischen Behörden festgestellt wird, se scharf formuliert ist, daß Deutschland sie unter Berzicht auf eine Enquetekommission akzeptieren kann. Wünschenswert und logisch zugleich wäre eine Resolution des Rates,

die die Absetzung des Wojewoden Graczynski ausdrücklich verlangt. al Denn wenn der Rat die Verlegung der Minderheitenrechte konstatiert und tadelt, muß er auch tonsequent weiter eine Benderung des bis herigen polnischen Regierungssystems verlangen; die sichtbare Ga­rantie dafür läge in der sofortigen Entfernung des schuldigen Wojewoden. Leider ist dies Ziel in dieser zugespizten Form nicht zu erreichen. Darüber muß man sich schon jetzt im flaren sein. Eine ausdrückliche Erwähnung Graczynskis würde der ausgleichenden Tradition des Rates widersprechen. So sehr man auch aus mo­ralisch- politischen Gründen eine solche reichlich verdiente Demütigung des Pilsudsti- Regimes wünschen mag, so wenig darf man sich über die Durchsetzbarkeit dieser Forderung irgendwelchen Illusionen hin­geben. Wohl aber läßt sich diese logische Konsequenz in der For­mulierung der Resolution derart umschreiben, daß die polnische Re­gierung moralisch verpflichtet wird, innerhalb einer kurzen Zeit den unvermeidlichen Entschluß zu fassen. Zur Zeit wird eben noch um diese Formulierung gerungen, und Dr. Curtius tut recht daran, gegen einen allzu platonischen Beschluß zähe zu tämpfen.

Im übrigen wird Bolen mit der Erledigung der oftoberschlesischen Angelegenheit noch lange nicht über den Berg sein. Bielmehr kann man schon jetzt sagen, daß Zalesti vielleicht viel schwerere Stunden auf der nächsten Sizung des Rates im Mai bevorstehen als jene, bie er gegenwärtig wegen der Gewalttaten Graczynskis und seiner Aufständischen in Ostoberschlesien hier durchgemacht hat. Wie ich nämlich aus sicherster Quelle erfahre, wird Henderson noch vor dem Auseinandergehen des Rates darauf bestehen, daß

die ukrainischen Klagen auf die Tagesordnung vom Mai gesetzt

werden.

Einer sofortigen Behandlung der vorliegenden ukrainischen Petitio­nen stand die geschäftsordnungsmäßige Gepflogenheit des Bölfer

Die bisherigen Erfahrungen zeigen aber auch genug Wege, die zur Zufriedenheit für beide Teile, Mehrheit und Oppo­fition, beschritten werden können. Der betreffende Artikel der Verfassung( 54) hat folgenden Wortlaut:

,, Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstags. Jeder von ihnen muß zurücktreten, wenn ihm der Reichstag durch ausdrücklichen Beschluß sein Vertrauen entzieht."

Sazz 1 stellt also den Grundsatz auf: die Regierung bedarf des Vertrauens. Saz 3 zeigt den Modus, in dem der Reichs­tag feine Meinung befundet und die Folgerung erzwingt: er entzieht das Bertrauen und führt dadurch den Rücktritt herbei. Die jetzt üblich gewordene Form des Antrages lautet deshalb etwa so: Der Reichsminister Treviranus be­fizt nicht das Vertrauen des Reichstages." Wird der Antrag so gestellt und abgestimmt, so sind seine Folgen nach beiden Seiten flar. Kompliziert werden die Verhältnisse erst, wenn statt der Mißtrauensanträge oder neben ihnen noch das Gegenteil beantragt wird, nämlich ein direktes Vertrauens­votum oder die Billigg für eine bestimmte Handlung der Regierung. Dann entsteht der Streit über die Reihenfolge der Abstimmung, über das Verhältnis dieser Anträge zu den Mißtrauensvoten und die Auswirkung, die ihre Annahme oder Ablehnung zur Folge hat.

bundes im Wege, daß der angeklagten Regierung eine Frist von zwei Monaten zu Gegenäußerungen gelassen wird. Aber schon iegt sollen acht Petitionen, darunter eine der ukrainischen Sejm fraktion, die von zwei utrainischen Abgeordneten persönlich hier überreicht wurde, für zulässig erklärt werden. Gemäß dem in Madrid festgesetzten Berfahren wird das Romitee von drei Rats­mitgliedern zur Behandlung der Klagen und zur Berichterstattung an den Rat in Tätigkeit treten. Dieses Komitee wird aus Ver­tretern Englands, Norwegens und Italiens zusammen­Dieser Streit tann meines Erachtens zur Befriedigung gesetzt sein. Henderson wird den Borsiz führen, und er beabsichtigt, aller Teile geklärt werden, wenn die Geschäftsordnung fol­feine zwei Kollegen einzuladen, wenn die Antwort Warschaus vor­gende Grundsäße ausspricht: Klare Mißtrauens liegt, um in einer besonderen Zusammenkunft in Lendon impoten, die den Tert des zweiten Sages des Artikels 54 der März oder April einen Bericht für die Genfer Maitagung aus­Verfassung wiederholen, fommen unter allen Um= ouarbeiten. Da die polnischen Greuel in der Ukraine einen unver­gleichlich brutaleren und blutigeren Charakter hatten als die inständen zuerst zur Abstimmung. Bei ihnen kann Ostoberschlesien, da ferner auch utramische Abgeordnete in Brest - über Sinn und Folge kein Streit obwalten; sind sie ange­Litowit gemartert worden sind, dürfte die Erörterung dieses Ka- nommen, so ist der Rücktritt der Regierung resp. des Mi­pitels für die Bilsudski- Clique viel peinlicher und für den Schutz der nifters selbstverständlich. Minderheiten viel bedeutungsvoller sein als die Ereignisse in Ost­oberschlesien.

Der Kampf um die Garantien.

Genf , 23. Januar.

Begnügt sich die Opposition mit der Ablehnung der Miß­trauenspoten nicht, oder wünschen andere Teile des Hauses eine Entscheidung über sogenannte positive Vertrauensvoten, oder liegen überhaupt nur solche Anträge und feine Miß­Der japanische Botschafter hat als Berichterstatter in den trauensanträge vor, so bezeichnet die Regierung Minderheitenfragen der deutschen und der polnischen Abordnung denjenigen Antrag unter mehreren, von dessen An­einen Entwurf für die Entschließung des Rates in der obernahme sie ihr weiteres Verbleiben im Amte ab= schlesischen Frage übermittelt. Der Entwurf, der zur Zeit von der hängig macht, oder verlangt Uebergang zur Tagesordnung. deutschen Abordnung geprüft wird, bildet lediglich die erste Grund. Der so bezeichnete Antrag tommt unter den Vertrauens= tage der Verhandlungen, die nach wie vor durch Vermittlung des anträgen zuerst zur Abstimmung. Berichterstatters und des Böikerbundssekretariats geführt werden. Mehrere Punkte des Entwurfs werden auf deutscher Seite als untragbar angesehen. Es besteht der Eindruck, daß sich der Hauptkampf um den vierten Punkt der deutschen Forderungen, die Garantien für die Zukunft durch Aenderung des Systems, ab­spielen wird. Es handelt sich hierbei um die Beziehungen zwischen dem Aufständischen- Verband und den polnischen Behörden sowie die Stellung des Wojewoden Grazynski als Vorsitzenden des Auf­ständischen- Verbandes. In diesen beiden Fragen wird auf deutscher Seite grundlegender Wandel der gegenwärtigen Lage gefordert. Der Gedanke eines internationalen Untersuchungsausschusses, der auf deutscher Seite im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen gefordert worden ist, stößt, wie zu erwarten war, auf polnischer Seite auf stärtsten Widerstand.

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Daß der klare Mißtrauensantrag den Vorrang hat, be­darf heute kaum noch einer Begründung. Neben vielen an­deren hat sich auch Herr Reichstagspräsident Wallraf wiederholt für diese Anschauung eingesetzt die Praxis des Hauses aber hat bisher geschwankt und ist nicht einheitlich gewesen. Deshalb erscheint es wünschenswert, den Streit darüber ein für allemal zu entscheiden, damit, ganz gleich­gültig, ob die Regierung links, rechts oder in der Mitte steht, dieselbe Abstimmungsform gewahrt wird. dieselbe Abstimmungsform gewahrt wird.

Wenn sodann die Regierung unter den Billigungs- und Vertrauensanträgen denjenigen bezeichnet, von dessen An­nahme sie ihr Verbleiben im Amte abhängig macht, oder