Nr. 43 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Ganze Familie vergiftet.
Schreckenstat einer Mutter.- Nachts heimlich die Gashähne geöffnet
Eine furchtbare Familienfragödie spielte sich in der Nacht zum Montag im Hause Wilhelm- Stolze- Straße 5 im Nordoften Berlins ab. In ihrer Wohnung wurden dort der 64jährige Schuhmacher Gustav Beyer , feine 49jährige Frau Emma, sowie die beiden erwachsenen Kinder, der 27jährige Kurt und die 16jährige Käfe, durch Gas vergiffet aufgefunden. Die Reffungsversuche der Feuerwehr hatten nur bei dem Sohn Erfolg. Er fand im Krankenhaus am Friedrichshain Aufnahme, wo er bedenklich daniederliegt.
Nach den bisherigen Feststellungen scheint es, daß Frau Beyer in später Nachtstunde heimlich aufgestanden ist und die Gas hähne in der Küche aufgedreht hat. Leise öffnete die Frau dann die Türen, die zu ihrem Schlafzimmer und dem Zimmer der Kinder führte, so daß die Räume bald völlig mit Gas erfüllt wären. Leider wurde die Tat erst am Montag gegen 17 Uhr entdeckt. Mieter des Haufes, die um diese Zeit von ihrer Arbeitsstelle heimkehrten, sahen, daß die Rolladen des Ladens noch immer heruntergelaffen waren und schöpften Berdacht. Als sich auf Klopfen in den hinter dem Laden gelegenen Wohnräumen nichts regte, dagegen auf dem Flur ein leichter Gasgeruch zu spüren war, alarmierten die Leute Polizei und Feuerwehr. Die eindringenden Beamten fanden dann die ganze Familie durch Gas vergiffet auf. Der Vater und die beiden Kinder lagen regungslos in ihren Betten, die Mutter dagegen saß völlig angekleidet auf einem Stuhl am Ofen zusammengefunken. Die Bemühungen der Samariter blieben bei allen, bis auf den Sohn, erfolglos.
Das Motiv zur Tat konnte noch nicht einwandfrei geflärt merden. Wenn auch das Geschäft Beyers in den letzten Monaten zurückgegangen war, so ernährte es die Familie bod) immer noch. Frau Beyer aber soll schon wiederholt Selbstmordgedanken ge
äußert haben, und es bleibt daher nur der Schluß, daß sie vielleicht in einem erneuten Anfalle von Schwermut die entsegliche Tat zur Ausführung gebracht hat.
3m Lokal erschossen.
Blutiger Ausgang eines Streites in der Kottbuffer Straße Eine blutige Schießerei, die leider auch ein Todesopfer forderte, spielte sich gestern in dem Lokal von Hermann Goffschalt in der Kottbusser Straße 14 ab. Gegen 18 Uhr betraten mehrere Gäste, unter denen sich der 28jährige Hans Reizug aus der Wiener Straße 20 und deffen 26jährigen Bruder Adolf befanden, das Restaurant. Aus noch ungeflärter Ursache fam es zwischen dem Wirt und den Männern zu Streitigkeiten, die in eine Schlägerei ausarteten. Der Gastwirt griff zum Revolver und gab auf seine Widersacher mehrere Schüffe ab. Hans Reizug wurde von einer Kugel so unglücklich getroffen, daß er tot zusammenbrach. Sein Bruder erlitt einen schweren Armschuß. Durch das Rettungsamt wurde der Berletzte ins Urbantrantenhaus gebracht. Der Wirt, der angibt, in Notwehr ge handelt zu haben, ist von der Polizei festgenommen worden. Nach seiner Darstellung hätten die Gäste mit ihm grundlos Streit angefangen, so daß er sie zum Verlassen seines Lokals aufgefordert habe. Statt dessen hätten die Männer aber seine Einrichtung demoliert und seien mit erhobenen Bierfeideln auf ihn eingedrungen. Erst dann habe er in äußerster Bedrängnis die verhängnisvollen Schüsse abgefeuert.
Von der Polizei wird noch eine Reihe von Zeugen vernommen werden, um den Vorfall in allen Einzelheiten zu klären.
Schweres Eisenbahnunglück!
Zusammenstoß zweier Züge.- Drei Personen getötet!
geladen hatte, ins Gleiten und ris einen der schtveren Torpfeiler um. Der Pfeiler traf unglücklicherweise zwei nach Hause gehende Schüler. Der neunjährige 20thar Tannschuß wurde hierbei völlig zerschmettert. der andere Junge, namens Riemer, wurde ich werber: Test und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Die Untersuchung über die Schuldfrage wurde sofort aufgenommen.
Amsterdam , 26. Januar.( Eigenbericht.)| Anhänger eines Lastkraftwagens, der Ries ab Ein sehr schweres Eisenbahnunglück er eignete jich heute um 19 Uhr durch Zusammenstoß eines in den Hauptbahnhof Groningen einlaufenden Bersonenzuges mit einem Güterzug. Die vorderen Wagen des Personenzuges schoben sich ineinander, wobei nach bisherigen Feststellungen drei Personen getötet, zwei schwer und sechs Reisende feicht verletzt wurden. Ta verschiedene Reisende ausgefägt werden mußten, steht die genaue Zahl der Verunglückten upch nicht fest. Die Ursache ist in verkehrter Weichenstellung zu suchen.
Zwei Knaben zerschmettert.
Furchtbares Unglück auf einem Königsberger Schulhof.
Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich am Montag kurz nach Schulschluß auf dem Gelände der Seite Schule. Beim Herunterfahren vom Schulhof kam der
10.Seemann
70]
O.Wöhrle
Unternehmer...
Die Folgen dieser ersten Aussprache zwischen Bater und Sohn zeigten sich bald.
Ein großer Saal, der bisher als Lager gedient hatte, wurde in die Werkstatträume mit einbezogen, die Beize und Boliererei in einem Nebengebäude untergebracht. Das bedingte zwar für die fertigzustellenden Möbel eine Berlängerung des Transportwegs und war daher unwirtschaftlich. Doch für den Augenblic ließ sich keine andere Lösung finden. Dieser Schönheitsfehler mußte eben mit in Rauf genommen werden; denn das Gebot der Stunde hieß. schleunigst neuen Raum zu schaffen für das Mehr an zu leiftender Arbeit.
Bald lief die Arbeit bei Ludwig Eisermann in noch viel intensiverer Weise als bisher.
Wieder ein Wohlfahrtsbeamter überfallen. Im Rathaus Neukölln wurde gestern abend der Für forger D. in seiner Sprechstunde von einem beurlaubten Strafgefangenen mit deffen Frau aufgesucht. Das Ehepaar benahm sich so herausfordernd, daß D. beide ersuchen mußte, das Zimmer zu verlassen. Plötzlich drang die Frau auf den Fürsorger ein und schlug ihm ins Gesicht, während der Mann die Akten vom Tisch warf und den Beamten gleichfalls bedrohte. Es gelang D. ans Telephon zu eilen und das Ueberfallkommando zu rufen. Die Frau wurde festgenommen, der Mann war geflüchtet.
den Erneuerung und Modernisierung des gesamten Maschinenparts zu bewegen. Bon diesem Augenblick ab fonnte die Firma jeder Konkurrenz die Spize bieten.
Nach der Ansicht von Franz fabrizierte man überhaupt feine Möbel mehr. Er liebte es, von Hausrat- Massenfabrifation zu sprechen.
,, Möbel", das war ein alter abzubauender Begriff. Daran hing noch die Vorstellung vom Einzelstück.
Sein Vater hatte mal Möbel fabriziert, damals, als er noch an Himmelsbach lieferte. Heute ging die Herstellung ins Gigantische. Heute war es Hausrat.
Franz war ehrgeiziger als der Bater. Daß der Organifationsplan straff eingespielt war, befriedigte ihn nicht. Er fah noch immer fleine Mängel und suchte ihnen abzuhelfen. Sein Ideal freilich, Fords laufendes Band, konnte er nicht er reichen. Das wußte er. Dafür war das System zu starr, zu menig beweglich, nicht variierbar genug. In dieser Fabrifation hieß es andere Methoden, andere Normen finden. Und er fand sie auch und wandte sie an, wenn auch nicht an einem sichtbaren Laufband.
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Der Einbruch der Ungelernten in den Eisermannschen Betrieb vollzog sich in beängstigendem Tempo. Wenn das so weiter ging, waren in einem Jahr nur noch Frauen und Mädchen und junge Burschen als Arbeiter da.
Die Gesellen, meist bejahrtere Leute, die ihre Existenz gefährdet sahen, murrten.
Franz erwies fich troß seiner Jugend als ein ganz ge rissener Geschäftsmann und Methodiker. Er brachte das Kunststüd fertig, das nicht einmal feinem Bater gelungen war, den Arbeitsprozeß so aufzuteilen, daß selbst die hochwertigsten Möbel von ungelernten Arbeitern fertiggestellt werden konnten. Die berühmten Zehn Handgriffe" Ludwigs vereinfachte Franz ärgerte dieses Murren; denn er hielt es sehr richtig er auf fünf. für ein Resultat des Denkens und der Ueberlegung. Nach Au sein Sinnen und Trachten ging nun dahin, immer feiner Ueberzeugung aber war der Arbeiter da, die vorgemehr ,, Ungelernte in die Produktion einzureihen und die Geschriebenen fünf Handgriffe herunterzuflopfen, nicht zum lernten" auszuschalten. Das bedeutete eine beträchtliche Ein Denken. sparung an Arbeitslohn.
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Er überredete den Bater. die eben erst auf den Markt gefommenen hydraulichen Fournierpressen mit Kalt und Heißluft anzufchaffen. Das bedingte zwar einen Kapitalaufmand von über hunderttausend Mart, hatte aber den Borteil, daß der eigentliche Fournierungsprozeß von Stunden auf wenige Minuten hinuntergedrückt werden konnte, alfo Beit und Geldersparnis in einem. In längstens einem Jahre hatte sich diese Neuanschaffung aus sich selbst heraus bezahlt gemacht. Der Erfolg war so in die Augen fpringend, daß es Franz daraufhin nicht schwer fiel, feinen Bater zu einer durchgreifen
Zum Denken und zum Handeln waren er und der Bater da, vielleicht auch noch Sandom und die Werkmeister.
Die Belegschaft sollte arbeiten! Intensin und mechanisch! Um ihr das beizubringen, lag er seinem Vater in den Ohren, die Affordsätze zu kürzen und sie so zu vermehrtem Schuften zu zwingen. Da würde ihr das Murren und das Denten schon vergehen!
Ludwig wehrte sich gegen dieses Ansinnen. In ihm war noch die, wenn auch nur dumpfe Anhänglichkeit an die alten von ihm selbst durchlebten Zeiten als Gefelle lebendig, die Zugehörigkeit zu einem Handwert. Er war stolz auf jene
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Dienstag, 27. Januar 1931
Nach einer Meldung der Allamerika Cabel Companh hat eine gewaltige Feuersbrunst das Geschäftsviertel der an der pazifischen Küste gelegenen Hafenstadt Buenaventura in Kolombien zerstört. Der Brand brach frühmorgens aus und breitete sich mit großer Geschwindigkeit in der am Hafen gelegenen Hauptgeschäftsstraße aus. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit standen die Häuser der Straße in einer Ausdehnung von etwa 88 meter in Flammen. Gegen 10 Uhr vormittags gelang es, das Feuer einzudämmen. Die Bekämpfung des Brandes wurde durch die gewaltige Sitze, die der riesige Flammenherd ausströmte, stark behindert.
Die Löscharbeiten werden durch Sturm und Wassermangel sehr erschwert. Bis jetzt sind fünf Todesa opfer geborgen worden. Der Brand hat auf die Hafenanlagen übergegriffen, so daß die Schiffe nicht docken können.
Wer sah Droschkenbesitzer Ponick? Die Suche nach dem Mörder des Kraftfahrers.
Durch die eingehenden Nachforschungen der Mordtommission Nebe- Dr. Wächter, ist es inzwischen gelungen, festzustellen, an welchem Halteplatz der erschossene Droschfenbesiher Frih Ponid juleht gesehen wurde.
An den verschiedenen Stellen, an denen er mit seinem Wagen zu stehen pflegte, wurde von den Beamten nachgefragt. So ergab fich, daß er am Sonnabendabend in der Zeit zwischen 10% und 10% Uhr als erster in der Reihe am Restaurant Wiesenbaude in Lichterfelde Ost hielt. Die Wiesenbaude liegt in der Nähe des Findenburgdammes und des Teltow = tanals. Andere Chauffeure, die ebenfalls dort auf Fahrgäste warteten, haben nun gesehen, daß Ponid gegen 10% Uhr eine Fuhre bekam. Wer die Fahrgäste waren, wissen fie natürlich nicht, fie hörten auch nicht, welches 3iel angegeben wurde. Diese Fahrgäste brauchen nichts mit dem Morde zu tun haben, es waren vielmehr wohl Leute, die von einem Ausflug heimkehrten. Der Wagen, der hinter der Droschte des Ponid stand, war eine Opel- Limousine. Ihr Fahrer wird, da er vielleicht etwas beobachtet oder gehört hat, dringend gebeten, sich bei der Mordkommission zu melden. Es wäre auch erwünscht, wenn die Fahrgäste, die Ponick an der Wiesenbaude annahmen, ihre Bebundungen mitteilen würden.
Der Wagen des Erschossenen wird zur Zeit von Professor meitere Spuren untersucht. Die Brüfung ist jedoch noch nicht ab. Brüning, dem Sachverständigen des Polizeipräsidiums, auf geschlossen. Bisher hat sich nichts Neues ergeben.
Schüffe im Hotel.
In einer Penfion in der Potsdamer Straße erschoß geffern abend der 22jährige Alfred W. seine Geliebte, eine 37jährige Fran Berta Sch. aus der Greifswalder Straße. Der Täter richtete dann die Waffe gegen fich felbft und tötete sich durch einen Schuß in die Schläfe. Nach dem Befund scheint das Baar im gegenseitigen Einverständnis aus dem Leben geschieden zu sein.
Jugzusammenffoß im Schneefreiben. Bei heftigem Schneetreiben fuhr, wie aus New York gemeldet wird, unweit Boston ein Lokalzug an einer Schienenfreuzung in den Boston WashingtonExpreß hinein. Die Lokomotive des auffahrenden Zuges geriet in Brand. Der Lokomotivführer fam in den Flammen um. Duhende von Passagieren wurden verletzt.
3eit, wo die Möbelschreinerei wirklich noch Handwerk gewesen war, eine Kunst, die den ganzen Einsatz, das ganze Können und das ganze Denten eines Tischlers verlangte. So verband ihn, von seiner Anschaung aus noch ein gewiffes Solidaritätsgefühl mit den gelernten Arbeitern seines Betriebes. Er weigerte sich daher, die Gesellenakkorde herunterzusehen.
Franz lachte ihn aus: ,, Bater, wir sind doch keine Wohltätigkeitsanstalt für Arbeiter. Wir wollen Geld verdienen, nicht? Dazu sind mir alle Mittel recht. Auch die schlechtesten!"
Ludwig schaute seinen Sohn entgeistert an. Dann sagte er: Hör mal, unsere Leute sollen feine Hungerlöhne haben. Sie sollen mit dem, was sie verdienen, bestehen können. Das verstehst du noch nicht recht, Franz, dazu bist du noch zu jung. Die Leute sind meist verheiratet und haben Familie. Famile bringt Berpflichtung. Oder wünschest du etwa, daß die Kinder unserer Arbeiter hungern?"
Der Zwanzigjährige lächelte ironisch: Bater, unsere Leute fönnen ja verdienen. Je mehr, desto besser für uns. Aber ich will ihre Arbeitskraft voll ausnüßen. Sie sollen ihr Aeußerstes hergeben. Uebrigens, was gehen mich die Fa milien unserer Arbeiter an? Habe ich sie geheißen, sich Frauen und Kinder anzuschaffen?"
Ludwig wurde wütend und schnauzte: Quatsch! Du wirst einst auch eine Familie haben. Rede also nicht solchen Unsinn!" Ach was, Vater, du bist sentimental. Begreife doch, die Zeiten zur Pflege des inneren Gefühlslebens find doch endgültig vorbei. Hand auf die Brust, wenn du auf Reisen bist, machst du mit Sentimentalität Geschäfte oder mit deiner verbissenen Energie?"
Ludwig schwieg.
Was sollte er antworten?
Bon diesem Blidpunkt aus betrachtet, hatte sein Junge gar nicht so unrecht.
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Franz hatte sich vorgenommen, seinen Willen durchzusehen. Wenn es nicht auf dem direkten Weg über den Vater ging, es gab noch andere Mittel. Weiter spann er sein Neg.
Er verlegte fich darauf, Kleinmeister der Firma zu verpflichten.
Das war leicht. Denn sobald befannt geworden war, daß die Fabrit Arbeit ausgebe, famen fie in ganzen Scharen gelaufen und unterboten sich gegenseitig in den Preisen, um ( Fortfehung folgt.) Aufträge zu erhalten.