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BERLIN  Donnerstag 29. Januar

1931

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

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Nr. 48

B 24 48. Jahrgang

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Berliner   Bürgerkriegstruppe

Enthüllungen aus Hakenkreuz- Geheimdokumenten

Der Alarm, ein republikanisches Organ zur Bekämpfung der Nationalsozialisten, ist in der Lage, genaue Ziffern über die Stärte der nationalsozialistischen Organisation in Groß- Berlin zu geben. Er führt zahlenmäßig die Stärke der Standarten" und der einzelnen Stürme" vor. Seine Angaben gehen auf parteiamtliches Material der Nationalsozialisten zurüd.

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Insgesamt betrug die Mitgliederzahl der Nationalsozialisten für Groß- Berlin am 1. November 1930:

SA.- Leute Parteimitglieder

2269 4546

zusammen 6815

Noch nicht 7000 organisierte Nationalsozialisten in Groß- Berlin, aber einen bürokratischen Apparat, als wären es 200 000, und das

große Maul, als ob es eine Million wäre!

Die Zahl der organisierten Kommunisten in Groß- Berlin be­trägt rund 15 000, bie Sozialbemokratische Partei verfügt in Groß Berlin   über mehr als 80.000 Mitglieder.

Der Schreck in der Nacht

Nachtgespenst- Einbrecher schildert seine Beutezüge vor Gericht

Am 20. März vorigen Jahres fand die Angst der Charlotten-| Frau mit den galanten Worten: ,, Sei ruhig, wenn du nur einmal burger, die Monate hindurch von einem Einbrecher heimgesucht um Hilfe rufft, so schlige ich dir den Bauch auf. Stelle dich nicht wurden, dem man in dieser zu Uebertreibungen neigenden Zeit das so dämlich an...." Wort Nachtgefpenft beigelegt hatte, in einiger Aufregung lebte, mit der Berhaffung des vielfach vorbestraften Joseph Janoschta ein unerwartetes, ganz prosaisches Ende. Janoschka war in der ge­

wohnten Weise in die Parterrewohnung des Revisors Sebastian, Pestalozzistr. 4, eingedrungen, hatte die Eingangstür mit einem

Dietrich geöffnet, die Sicherheitstette mit einer Zange zerschnitten, die elektrische Sicherung ausgeschaltet. Frau Sebastian erwachte aber, Janoschka mußte fliehen, wurde verfolgt, sprang auf dem Bahnhof Wedding   auf die Schienen und blieb mit gebrochenen Beinen liegen. Das Charlottenburger   Nachtgespenst war dingfest

80 000 organisierte Sozialdemokraten! Ihre Zahl muß sich verdoppeln und verdreifachen, das ist die gemacht: beste Antwort auf alle reaktionären und putschistischen Pläne!

Militärorganisation.

Borbereitung auf Bluttaten-

SA. Aerzte.

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Das Schicksal eines Umhergestoßenen.

Janoschka schildert sein Schidial, Ich bin", erzählte er,

als uneheliches Kind eines hohen Bergwerksbeamten in Schlesien  geboren. Meine Mutter, aus katholischen Kreiſen ſtammend, mußte,

Bon Dynamit zerriffen!

35 Arbeiter auf entfehliche Weise umgekommen. Explosionstatastrophe in einem Bergwert. London  , 29. Januar.

Leben verloren. Bisher wurden fünf Leichen ge­borgen. Ein Mann, der noch lebend an die Oberfläche gebracht wurde, starb kurz darauf. Scharfe Dämpfe be­hindern die Rettungsarbeiten. Es besteht wenig Hoff­nung, auch nur einen einzigen der verschütteten Arbeiter lebend zu retten.

Heute steht es vor dem Schöffengericht Charlottenburg   ein Bei einer Explosion von 15 Kisten Dynamit 39jähriger, mittelgroßer, breitschultriger Mann, träftig und von im Betty- Bergwerk in Indiana   haben, wie aus Linton strozender Gesundheit, nichts Gespenstisches an sich. Neben ihm der gemeldet wird, voraussichtlich sämtliche 35 Berg­29jährige Spierta, fleiner und blaffer, aus der Faft in Zuchtarbeiter, die in der Grube beschäftigt waren, das haustleidung vorgeführt. Janoschkas Borstrafen beginnen im Aus einem Geheimbefehl Ostbe 10/30: 13. Lebensjahr und erreichen im Jahre 1926 die stattliche Zahl von S2. auf Laftfraftwagen sind nach Möglichkeit immer wei 13 Summa Summarum 15 Jahre Gefängnis und Motorradfahrer in 3ivil mitzugeben. Einer von diesen 3uchthaus. Spierta tann mur vier Vorstrafen aufweisen. fährt so weit voraus, daß er besondere Ereigniffe( Polizei- Während diesem nur zwei gemeinschaftliche Einbruchsdiebstähle zur Gegner) rechtzeitig dem SAF. melden tann, damit gegebenenfalls Laft gelegt werden, sind es bei Janoschka 19 vollendete schwere Umleitung der S2. möglich ist. Der andere fährt hinter Diebstähle, vier versuchte, vier weitere teils vollendete, teils ver­dem Caftwagen drein, um mündliche oder telephonische Nachricht suchte schwere Diebstähle in Tateinheit mit teils vollendeten, teils von etwaigen Zwischenfällen nach rüdwärts geben zu können. versuchten Notzuchtsverbrechen, fünf Fälle Freiheitsberaubung, zwei Die Namen aller Sta- Aerzte sowie deren Adreffen Fälle Führung einer Waffe. Bei seinen Einbrüchen bediente sich sind umgehend zu melden. Für die Zeit des Aufbaues verkehrt Janoschla stets ein und derselben Methode. Er stieg nur in Par. Oberarzt Ost mit den Sta- Aerzten direkt. Die Sta- Aerzte terrewohnungen ein. In den Fällen, wo er eine schlafende Frau haben bei sich bietenden Gelegenheiten den Staf. über den gehabten vorfand, befolgte Janoschka das bekannte Dichterwort: Und bist du Schriftverkehr und den Fortgang der Arbeit zu orientieren. nicht willig, so brauch ich Gewalt". So sagt er zum Beispiel ein­mal: Schweige, oder ich schieße. Habe keine Angst, ich tue dir nichts, In einem anderen Falle beruhigte er die erschöpfte

Hakenkreuz und Reichswehr  . Schäriftes Mißtrauen gegen Reichswehrleitung. Aus dem Gaurundschreiben Nr. 28 vom 1. Dezember 1930: ,, Es wird in Erinnerung gebracht, daß es fämtlichen Partei­genoffen verboten ist, sich an irgendwelchen etwa von Reichswehrbehörden veranstalteten kursen oder Uebungen zu beteiligen. Wir müssen der gegenwärtigen Leitung der Reichswehr   das schärfste Mißtrauen ent­gegenbringen. Pg., die sich mit der Reichswehr   einlassen, begeben sich in Gefahr, von dieser vor Gericht im Stich gelaffen zu werden. Sie gefährden außerdem durch ungefeßliche Ber­bindungen unmittelbar unsere Freiheitsbewegung.

Ueber Versuche der Reichswehr  , mit Pg. in Verbindung zu freten, ist dem Gau fofort zu berichten."

( Siehe auch 2 Seite.)

Neue Nazibluttat.

Ein Kommunist im Lokal niedergefkochen. In dem naziverkehrslokal Hebbelstraße 20 in Charlottenburg  , das schon wiederholt der Ausgangspunkt blutiger Zwischenfälle in der Gegend gewesen ist, wurde gestern abend der Arbeiter Mag Schirmer aus der Schul­straße niedergestochen und lebensgefährlich verleht. Schirmer ist Mitglied der Kommunistischen Partei. Es scheint, daß er das Berkehrslokal der Hafenfreugler aufgesucht hat, um dort Erkundigungen anzustellen. Sch wurde jedoch von den anwesenden Hakenkreuzlern erfannt und als er das Lokal verlassen wollte, von den Burschen umringt. Einer der Hitlergardisten zog ein bolch. artiges Messer hervor und stach Schirmer von hinten nieder. Die Politische   Polizei hat bereits einen National­fozialisten, der im dringenden Verdacht steht, die feige Mordtat Derübt zu haben, verhaftet.

"

Gesetzeshüter Frid

Presse­

gesetz

vom mai

1874

5

Mottenkiste

W

Frick

um diesen Kreisen gerecht zu werden, so schnell als möglich heiraten. So wurde ich der Sohn des Handelsmannes Janoschka. Die Ehe meiner Mutter gestaltete sich unglücklich, sie verließ den Mann wiederholt, fehrte, als ich vier Jahre alt war, zu ihrem ersten Lieb­haber wieder zurück und übersiedelte mit ihm nach Berlin  . Einige Zeit darauf nahm sie auch mich zu sich. Wir wohnten in der Küche, die Stube vermietete sie an Schlafburschen, die ich alle nacheinander Bater nennen mußte. War der Schlafbursche gut zu mir, so be­willigte ich ihm diesen Vater", war er schlecht zu mir, so streifte ich. Dafür erhielt ich von der Mutter eine Züchtigung. Aus meinem Dummenjungenstolz heraus weinte ich nicht, das wurde als Trotz angesehen, die Züchtigungen arteten in Mißhandlungen aus, das Vormundschaftsgericht mischte sich ein und ich erhielt einen Vor­mund. In der Schule war ich stets der Klassenerste. Aus Angst vor den Strafen schlief ich oft auf Böden, vor Hunger leerte ich die Milchflaschen und die Brotbeutel. Im Alter von 13 Jahren be­schloß ich, in die Welt hinauszugehen; ich brauchte dazu Geld und versetzte einige Sachen der Mutter. Dafür erhielt ich eine Woche Gefängnis, brauchte die Strafe nicht abzufigen und fam in Für­forgeerziehung." In der gleichen intelligenten Weise schilderte der Angeklagte weiter, wie er in der Fürsorgeanstalt zum Missionar ausgebildet werden sollte, was durch seine Vorstrafe unmöglich ge= macht worden war, wie er in der Lehre bei einem Buchdrucker mur ausgenutzt wurde, wie er davonlief, einen Diebstahl beging, in die Fürsorgeanstalt Lindenhof tam, mehrere Male durchbrannte, eine längere Gefängnisstrafe verbüßte, als Soldat fahnenflüchtig wurde, weil seine Borstrafe seine Beförderung unmöglich machte. Troß seiner Tapferfeit und seiner Verwundungen blieb Janoschka im Kriege ein einfacher Soldat: Da beförderte er sich selbst zum Offi­zierstellvertreter, schmückte seine Brust eigenmächtig mit dem E. K. I und II und erhielt wegen Fahnenflucht sechs Jahre vier Monate Zuchthaus  . Er erzählt weiter, wie er nach Verbüßung der Strafe wegen der Borstrafen seine Borschule aufgeben mußte, wie er in der Friedrichstraße   ein Schreibbüro eröffnete und sich schließlich entschloß, weil es ihm an Betriebskapital mangelte, wieder Ein­bruchsdiebstähle zu begehen. Um sein Berlöbnis mit einem jungen Mädchen nicht aufgeben zu müssen, legte er sich den Namen Kostrow zu; der Name Janoschka wies ja im Polizeipräsidium ein allzu langes Strafregister auf.

Janoschka ist geständig. Nur in drei Fällen will er sich zu unrecht bezichtigt haben; er habe durch dieses Geständnis den Kriminalfommiffar veranlassen wollen, ihm Begegnungen mit der

Je älter ein Gesetz ift, defto anwendbarer erscheint es mir" Braut zu gestatten.