Spaltung der Heimwehren.
Steidle:„Ich schütze das Kapital, du Schurke!" Starhemberg :„Nein, ich schütze es, du Lump." Der Kapitalist:„Himmel, wer schützt mich nun vor meinen Beschützern?"
Wehrdebatte der belgischen Arbeiterpartei. Vandervelde für weitgehende Abrüstung.
Nach der Ltnierhausschlacht. i Neuer Schachzug Lloyd Georges. London , 29. Januar. (Eigenbericht.) Das vifizielle Abstimmungsergebnis der Mittwoch-Sitzung des Unterhauses zeigt, daß nur acht Liberale unter Führung von Sir John Simon gegen die Regierung gestimmt haben. E i n liberaler Abgeordneter war für die Annahme der Gewerk» schaftsoorlage, während sich alle anderen Liberalen der Abstimmung enthielten. Die Konservativen waren geschlossen gegen die Regie- rung: ebenso geschlossen stimmte die gesamte Labour- party für das Gesetz. Es geht nunmehr an einen Ausschuß, bevor es dem Unterhaus zur dritten Lesung vorgelegt wird. Die Mittwoch-Abstimmung war ein Sieg des politischen Tak- tlters Lloyd George , der seine Wahlresorm haben will, bevor er an den Sturz der Regierung und an die Auflösung des Unterhauses denkt. Es wird sich zeigen, wie weit die Liberalen ihre politische Schlüsselstellung bei den Kommissionsberatungen über das Gewerkschaftsgesetz auszunützen gedenken. In der Mittwoch-Debatte haben die Reden der Gewerkschaftsführer bereits deutlich gezeigt, daß es für sie eine Grenze gibt, die sie nicht überschreiten werden. Ueber diese Grenze wird auch die Arbeiterregierung nicht hinaus können. Deshalb ist die Frage der Neuwahl bis zur dritten Lesung des Gesetzes offen und drohend. Dadurch findet auch die gegenwärtige politische Machtposition der Liberalen ihr« Grenze und die liberalen Blätter vom Donnerstag ermahnen ihre Parteifreunde bereits, daran zu denken, daß das konservativ« Aus- nahmegesetz große Ungerechtigkeiten für die Arbeiterschaft enthält und sein« Beteiligung auch die Pflicht der liberalen Partei sei. Lloyd George allerdings hat sich wiederum nach der anderen Seite den Rücken gedeckt, wodurch er einmal die Konservativen schachmatt setzen, zugleich aber sein« Stellung in der eigenen Partei und gegen- über der Regierung festigen will. Im Unterhaus ist inzwischen ein k o n s e r v at i v e r Antrag eingebracht worden, der der Regierung wegen ihrer Arbeits- losenpolitik das Vertrauen des Parlamentes entziehen will. Lloyd George hat daraufhin einen Antrag eingebracht, der die Regierung auffordert, die liberalen Pläne zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftskrise anzunehmen. Zu ihrer Durchführung schlägt der liberale Führer die Aufnahme einer durch besondere Steuern zu deckenden größeren Anleihe vor, was bisher von«snowden als undurchführbar abgelehnt wurde. Lloyd George hofft aber die Mosley-Gruppe und die unabhängige Arbeiterpartei auf seine Seite zu ziehen, um dadurch die Regierung zur Annahme seiner Pläne zwingen zu können. Churchill und Raldwin London , 29. Januar. (Eigenbericht.) In der ilnterhausdebatie über das Ergebnis der Indien -Kon- 'crenz hatte Churchill seinen eigenen ablehnenden Standpunkt im Gegensatz zu der Konservativen Partei vertreten. Die Folge ist' ein icharfer Konflikt zwischen Baldwin und Churchill , der jetzt dazu geführt hat, daß letzterer seinen Austritt aus dem sogenannten konservativen„Schattenkabinett" erklären mußte. Damit kommt Churchill als Ministeranwärtcr für die Konservativen bis aus weiteres nicht mehr in Frage.
„Heil Iialien." Wenn es auch Südtirol entdeutscht. Innsbruck , 29. Januar. In der lstzten Zeit ist wegen Erteilung deutschen Privat unter- richte gegen verschiedene Südtirpler Lehrer vorgegangen worden. So wurde der deutsche Lehrer Franz Oberhofer in Tarsch wegen Erteilung deutschen Privatunterrichts aus seiner Aufenthalts- und Zuständlgkeitsgemeinde polizeilich abgeschoben. Er darf ohne Erlaubnis der Behörde seinen ihm zugewiesenen Aufenthalt nicht verlassen. Andere deutsche Lehrer, die oft nur ein einziges Kind deutsch unterrichten, wurden ebenfalls gcmohrogclt. LlSA-Kotau vor Mussolim. Der italienische Gesandt« m Washington hatte sich beschwert, daß Generalmajor Butler Mussolini beleidigt hätte. Der General wurde zur Berichterstattung aufgefordert und sein Bericht hat das Wehrministerium veranlaßt, ihn vor ein Militärgericht zu stellen', tslephonisch wurde ihm besohlen, sich als M i l i t ä r g e f a n g e n c n z» betrachten. Die Regierung hat sich bei der Faschistenbotschast entschuldigt.
Bullerjahn und Krankreich. Eine Interpellation. Paris . 29. Januar.(Eigenbericht.) Der Fall Bullcrjahn wird nunmehr auch im fron- zösischen Parlament zur Sprache kommen. Der Abgc- ordnete G u e r n u t, Generalsekretär der französischen Liga für Menschenrechte, verlangt in einem Jnterpellationsantrag an die Adresse des Äriegsministers Maginot zu wissen, ob der Krisgsministcr dem französischen Leutnant Jost, der seinerzeit der inter » alliierten Militärkontrollkommission angehörte und die angeblichen hochverräterischen Berichte Bullerjahns entgegengenommen haben toll, das Recht zur Zeugenaussage vor einem deutschen Gericht zuerkennen wird. Ärgeniinifche Preissenkung. Man will den Händlergewinn begrenzen. Buenos Aires , 29. Januar.(Eigenbericht.) Die argentinische Regierung verfügte in Durchführung des Preis- scnkungsprogramms«ine sofortige vierprozentig« Herabsetzung des Brotpreises und kündigte die tägliche Bereitstellung von 250 000 Pfund Brot zum niedrigsten Preise für Unbc- inittelte der hauptstädtischen Bevölkerung an. Die Preis- für andere Stapelartikel und Hauptnahrungsmittcl sollen gleichfalls be- trächtlich gesenkt werden. Das Innenministerium ist außerdem um ein« starke Herabsetzung der Fleischpreise bemüht. Der Regicrungs- plan sieht eine Beschränkung dos Zwischenhandels- Profits auf 1 Cent pro Psund vor, was heftigen Wider-' spruch der Fleischer hervorgerufen hat.,
Die„Tägliche Rundschau' erscheint fortab als Organ des Ehrist. Iichsoziolen Dolksdienstcs. Derlogsinhaber ist der chnsnich« Gewerk. schafter Gustav Hülser, der frühere dcutschnational« Rnchstagscbge- ordnete, der als Gegner Hugenbergs bekanntgeworden ist. Starhemberg legt sein Nationalrotsmandat nieder, um gairz dem onti parlamentarischen Heimwehrsaschismus zu gehören. Mit den Nazis hat er fest der Novemberwahl kein« Verbindung mehr, sagte er einem Aussrager,_ r--i_-.__
Brüssel . 29. Januar.(Eigenbericht.) Im Generalrat der belgischen Arbeiterpartei fand am Donnerstag«ine wichtige Aussprache über die Frage der Landesverteidigung und der Abrüstung statt. Auf dem Osterkongreß der Partei soll über das neuePartei- Programm beraten werden. Dabei spielt die grundsätzliche Stellung zur Frag« der Landesverteidigung eine Hauptrolle. In dieser Frage bahnt sich innerhalb der belgischen Arbeiterpartei eine bemerkenswerte Wandlung an. Während die Mehrheit der Führer und der Mitglieder der Partei an dem traditionellen Stand- punkt der Bekämpfung jedes Militarismus, aber auch der Be> rechtigung der Landesverteidigung gegen einen Angriff von außen festhalten und auf die im internationalen Rahmen zu erstrebende Abrüstung das Hauptgewicht legen, ist in letzter Zeit die Strömung zugunsten einer soforllgen Abrüstung Belgiens ohne Rückflchk ans die Hallung anderer Länder immer stärker geworden. Diese Strömung, die zum Teil von der Haltung der dänischen und holländischen Sozial. demokroti« beeinflußt wird, ist insbesondere in Brüsseler Partei- kreisen, serner in Flandern uich insbesondere in Antwerpen sehr stark, während der französischsprechende Landesteil, wohl unter dem geistigen Einfluß Frankreichs , an dem Grundsatz der Landesverteidigung stärker festhält. Im Nationalrat verteidigte Vandervelde am Donnerstag die Auffassung des Parteioorstairdcs, nach der das neue Partei- Programm, ohne zur grundsätzlichen Frage der Landesverteidigung Stellung zu nehmen, eine weitgehende internationale Abrüstung fordert.„Auf nationalem Boden"— führte Vandervelde aus—„bekämpfen wir nicht nur jede Rüstungsoermehrung, sondern fordern sofortige Herabsetzung aller Rüstungen: aber� eine grundsätzliche Ablehnung der Landesver- t e i d i g u n g hallen wir nicht für zulässig. Unser Streben muß darauf hinzielen, den Krieg zu verhindern, und dazu gehört vor allem auch das Slblehneo jeder einseitigen Bindung gegenüber
Warschau . 29. Januar.(Eigenbericht.) I Heute begann in Warschau der groß« politische Prozeß gegen> die fünf Funktionär« der Sozialistischen Partei, Jogodzinsli. Dzjen- gelowski. Brochimowiez. Bjalkowskt und Markowski. die angeklagt sind, einen Bombenanschlag aus Pilsudski vorbereitet zu haben. Am ersten Verhandlungstage wurden die Angeklagten sowie der Haupt- belastungszcug« Polizeispitzel Purzynsti vernommen. Schon jetzt ist klar, daß Purzynski der Provokateur gewesen ist. Das Ergebnis seiner Tätigkeit war die Konstruierung dieser An- klage gegen fünf Unschuldige. Dieses angebliche Attentat auf Pilsudski hat man gerade im Zeitpunkt des heftigste» Wahlkampfes„ent- deckt", natürlich zur Stimmungsmache gegen die Opposition. In der Eil« wurde jedoch die Provokation nicht mit der nötigen Sorgfalt vorbereitet und in Purzynski eine dafür wenig geeignete Person gefunden. Nach den Aussagen des Spitzels Purzynski ist man mehr denn I je von der völligen Unschuld der Angeklagten überzeugt. Wäh- rend die ruhigen und sachlichen Aussagen der Angeklagten keinen Archallspunlt für die Anklage boten, stellten die Aussagen von Purzynski eine einzige Kette von Widersprüchen dar. aus denen nur die Tatsache seines eindeutigen Verhält- n i ss e s zur Polizei als Spitzel hervorging. Der Vorsitzende des Gerichts hat vor einiger Zeit bereits einen hohen Posten im Justizministerium erhalten, untersteht demnach dem berüchtigten Iustizminister Michalowski. Der Prozeß wird vor- aussichtlich zwei Tage währen. Unter den Zeugen sind a, a. der
einer einzelnen Mächtegruppe. Die kommende Genfer Abrüstungs- konferenz muß zu einer erheblichen Verminderung der europäischen Rüstungen führen. Wir müssen zwischen zwei politischen Richtungen wählen: die eine will dem sogenannten Syndikat der unzufriedenen Mächte eine Politik der Ausrüstung entgegenstellen und erklärt die Friedensverträge für unantastbar: die ander« Richtung dagegen ist die, welche Artur Hender» s o n in Genf im Namen des Britischen Reiches so glänzend vertreten hat. Henderson sagte, daß nur diejenigen Länder die Freunde der britischen Regierung und des britischen Volkes sein können, die für die Abrüstung kämpfen. Nun wohl, wir wollen zu den Freunden der britischen Regierung gehören! Wir können und müssen im nationalen Rahmen im Sinne der Abrüstung kämpfen. aber das Wichtigste ist, die allgemein«, gleichzeitige und kontrollierte Abrüstung im internotionalen Rahmen ztr oerwirtlichimR Im Laufe der Debatte nahm Bandervelde noch einmal das Wort und führte aus:„Die nationale Presse versucht fortgesetzt, die öffent- liche Meinung in bezug auf die R ü st u n g e n Deutschlands zu verwirren. Diejenigen, die am lautesten gefordert haben, daß man Deutschland oerbiete. Befestigungen in der entmilitarisierten Rhein - landzone zu bauen, wollen selbst Hunderte von Rlilliouca für Festungsbauten diesseits der entmilitarisierten Zone ausgeben. Unsere deut- schen Freunde waren die ersten, die die geheimen Rüstungen in Deulschlaud— die übrigens mehr innerpoliti scheu als außen- politischen Zielen dienten— bekämpsten. Ich will es mir nicht nehmen lassen, bei dieser Gelegenheit unsere deutschen Kameraden zu ihrem Kampf gegen den Faschismus zu beglück- wünschen. Mit ihrem Kamps gegen den Faschismus und ihrer mutigen und entschiedenen Friedenspolitik haben sich unsere deutschen Kameraden einen wirklichen Verdienst um den Sozialismus erworben!' Die Debatte wird in den nächsten Sitzungen des Generalrates fortgesetzt.
l Innenminister General Skladkowsli und der stellvertretende Außeu- I minister Oberst Beck, Pilsudskis früherer Adsudant, die als nächste Umgebung des Mi»rschalls über die näheren Umstände des geplanten „Attentats" aussagen sollen. Rebellion im pilsudski-Blsck. Warschau , 29. Januar. (Eigenbericht.) Unter den Abgeordneten des Pilsudski-Blocks, deren Stimmen die Ablehnung der Anträge auf Untersuchung der Vorgänge in Brest bewirkt haben, fehlten der fricherfc Minister für Land. reform, Prof.£ tan j ernte z, der Führer der Lintsgruppe im Regierungsblock, Abg. L e ch n i z k i, und der Krakauer National- ökonom, Prof. Krzyzanowski. Der Letztgenannte war der Empfänger jenes Briefes der Uiiivcrsitätsprofessoren. durch den die Entrüstungswelle ins Rollen kam. Die Univcrsitätskollegen verlangten von Krzyzanowski. daß er sich für eine Untersuchung ein- setze, und bedeuteten ihm, daß seine Haltung in dieser Angelegenheit auf seine Stellung an der Universität zurückwirken müßt«. Der Fraktionsvorstand des Regierungsblocks hat der„Gazeta Warszawska" zufolge nun angeordnet, daß Fraktionsmitglieder, die an der Nachtsitzung des Sejm am letzten Montag nicht tellgenonimen haben, sich in der Presse mit der Haltung des Blocks und der Re- gierung in der Affäre Brest nachträglich solidarisch er- klären sollen. Da die drei Abgeordneten solche Erklärungen nicht abgegeben haben, ist man darauf gespannt, welche Folgen diese Unbollnäßigkeit noch sich ziehen wird. Drei andere Abgeord- nete des Regierungsblocks haben sogar mit der Opposition zusammen für«int Untersuchung gestimmt.
Attentatsprozeß in Warschav. Lockspihelmache zur Wahlmache.