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Andreas Latzko  :

ako: Die Schwestern de Nesles

Sie find ihrer fünf, fünf Töchter des gleichen Vaters, der sich| entschließen müßte, die älteren und häßlichen zumindest ins Kloster zu stecken, machten nicht die gerade ihr Glüd bei Hof.

Die Welteste ist schon glücklich unter die Haube gebracht, mit einem Grafen von mailly verheiratet, als ihr die zweifelhafte Ehre zuteil wird, zur Mätresse des Königs bestimmt zu werden. Be­stimmt ist das richtige Wort, denn bei freier Wahl hätte sie schlechte Aussichten; die Königin ist selbst so stiefmütterlich von der Natur bedacht, daß sie die unscheinbarsten Damen um sich versammelt, mit gutem Grunde um die Treue ihres jugendlichen Gatten besorgt. Berheiratet mit 15, Vater von vier Kindern mit 19 Jahren, ist Ludwig XV.   überreif für das erste Liebesabenteuer, ein weiter Kreis von Interessenten bemüht sich eifrig, die wichtige Staats­attion zu günstigem Abschluß zu bringen. Bei einem so energie lofen, leicht beeinflußbaren Manne, wie der spätere Stlave der Bompadour und Dubarry, fann die Wahl von verhängnisvollen Folgen für ganz Frankreich   sein.

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Die zwertälteste der Töchter de Nesles ist ob ihrer blitzenden, messerscharfen Klugheit bekannt, die Stellung der Schwester als Hofbame der Königin schafft ihr Gelegenheit, auch bei Hof ihren Wiz zu zeigen, und man bemerkt mit Schrecken, daß der König schon aufhorcht auf ihre Stimme höchste Zeit, eine Kandidatin vorzuschieben, die mangels besonderer Borzüge teine starke Leiden­schaft erwecken, und den Ministern nicht gefährlich werden kann. So fingt auf einmal der ganze Hof das Lob der Gräfin Mailly, ihr Wuchs, ihr Liebreiz, ihre Tugend wird vor dem König ge­priesen, bis die allgemeine Bewunderung zum erwünschten Resul­tat führt; zur größten Ueberraschung der Betroffenen, die in ihren fühnsten Träumen solche Auszeichnung nicht erhofft hätte.

Aber die Berechnung der Neunmal- Klugen erweist sich falsch, was als Hindernis gedacht war, wirft sich im Gegenteil als Er­leichterung aus. lleberwältigt von ihrem Glück, dient die Gräfin Mailly allzu demütig ihrem Herrn, sie ist dem König eine zweite Ehefrau, langweilt ihn mit Gefühlen, die sein Interesse für die forsche Keckheit der Schwester nur steigern. Von Vorurteilen eben­sowenig als Familienrücksichten gehemmt, hat die zweite Tochter de Nesles die erste bald eingeholt; der König gibt sie dem Mark­grafen von Bentimiglia zur Frau, un sie sich als Mätresse abtreten zu lassen, nur die arme Gräfin Mailly stört das junge Glüd mit ihrer Anhänglichkeit, teilt den Geliebten mit der Schwester, durch aus nicht aus niedriger Berechnung, wie ihr zu Unrecht nach gefagt wird.

Ein achtzehnjähriger König fann noch für sich selbst geliebt werden, ohne daß die Staatstaffe dabei zu Schaden fäme, von den

zerstörte Gesicht, in allen Eden rotten sich besorgte Gruppen zu­sammen, die Erinnerungen leben auf an die böse Zeit des Sonnen­königs, da gleichsam ein Bartuch über Versailles   lag, das prunt­vollste Schloß des Abendlandes in ein Kapuzinerkloster verwandelt schien. Freilich war Ludwig XIV  . Damals ein Greis, der in raschem Aufeinander Söhne, Entel, Urenfel verloren hatte, wie ein vom Blizz verschonter Baumstumpf, allein auf dem verkohlten Grund eines verwüsteten Waldes stand, aber aus einem ganz anderen Ton als der selbstherrliche Autokrat ist der verweichlichte, gemußsüchtige Schwächling gefnetet! Schaubernd malt man sich aus, was die Furcht aus Ludwig XV.   machen könnte, wenn selbst ein Mann wie der Sonnenkönig, nur mehr mit den Rosenkranz zwischen den Fingern, an der Seite seines Beichtvaters sich bliden ließ, in ewiger Angst um sein Seelenheil, der finsteren Frömmelei verfallen, alle Macht im Staat dem Jesuitenorden überließ?

Die Furcht vor solchem Rückfall treibt Minister, Generäle, die ganze Hofgesellschaft, alle hohen Würdenträger und Beamte mit ihren Damen, auf die Suche nach einer rettenden Ablenkung. Im Salon der berüchtigten Madame de Tencin   wird großer Kriegs­rat gehalten, da erscheint der Marschall von Richelieu  , auch Mar­schall Cupido" genannt, der reiche Bankier Paris  - Duverney, die ersten Sachverständigen auf dem Liebesmarkt gehen die ganze Liste der bekannten Schönheiten durch, geeigneten Ersatz für die verstor­bene Geliebte zu finden. Ein coup de foudre" ist nötig, darüber find alle einer Meinung, nur eine Liebe auf den ersten Blick kann die Büßerlaune fortfegen, den" Frömmlern" noch rechtzeitig den Wind aus den Segeln nehmen.

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Und da geschieht, was auch der schlechteste Schwankdichter nicht das Gesicht hätte, seinem Bublifum aufzutifchen: als Reiterin be­tritt die vierte der Schwestern de Nesles die Bühne! Nicht daß in Paris   und Versailles   Mangel an schönen Frauen oder gar an Bereitwilligkeit auf diese eine Familie zurückzugreifen zwänge! Bewahre. Zähnefnirschend findet man sich mit der Wahl ab, weil der König, hinter Trauer und Reue vermauert, niemanden emp­fängt, nur die beiden Schwestern weinen mit ihm um die Tote.

In tiefer Trauer, die ihr wunderbar zu Gesichte steht, erscheint unerwartet die jüngste der fünf Töchter de Nesles bei den Schwestern. Die Ueberraschung ist groß, denn das Schutz- und Truzbündnis des Triumphirates richtete fich nicht zuletzt gegen diese Schwester, die als berühmte Schönheit dem König bewußt unterschlagen wurde. Sie hat zu dem raschen Verstand der ver­

vielen hundert Millionen, die Frankreich   für das abwechslungs: Gerdland:

reiche Liebesleben Ludwig XV.   opfern muß, fällt auf die Periode der Schwestern de Nesles feine nennenswerte Summe, und das schürt wohl noch die fittliche Entrüstung der Zeitgenossen, für die eine Mätreffenwirtschaft bei Hofe die erwarteten Vorteile abwerfen fot. Am unverzeihlichsten ist der Standal in den Augen der Frauen, eine Ehre, nach der alle streben, wird schamlos monopoli­fiert von den Töchtern einer Familie, mie sollte nicht eine Palastrevolution drohen, da es langsam auffommt, daß auch die Herzogin von Lauragnais, die dritte der Schwestern de Nesles, die Gunst Seiner Majestät genießt?

Nicht leicht läßt sich der regierende Minister und frühere Er zieher des Königs, der Kardinal de Fleury, bewegen, eine Er­mahnung zu wagen. As hoher geistlicher Würdenträger darf er fich auf die Dauer nicht blind stellen, die Deffentlichkeit macht ihn mimerantwortlich für den Standal, er versucht sein Glüd mit all gemeingehaltenen Anspielungen auf den Kummer der Königin, die Heiligkeit der ehelichen Treue, und gibt deutlich zu verstehen, daß es ihm dennoch fernläge, der Jugend des Königs eine Untreue nicht nachzusehen, wenn nur die Treue zu dem Hause des Nesles nicht so peinlich wäre!

Aber der gekrönte Schüler zeigt sich nicht geneigt, Rückfälle in den belehrenden Ton zu dulden; Ich lasse Sie als Minister regieren wie Sie wollen", antwortet Budwig XV. ungnädig, lassen Sie mich mein Leben führen, wie es mir Spaß macht."

Könnte der Kardinal, in die Zukunft schauen, er lite fich viel leicht nicht so leicht abwinken, aber er weiß nur zu gut, daß eine einzige Mätresse, die den Ehrgeiz hätte, in die Staatsgeschäfte ein­zugreifen, ihm gefährlicher wäre, als das moralisch verwerfliche Berhältnis mit drei Schwestern zugleich, und so begnügt er sich mit dem Bewußtsein erfüllter Pflicht und mit der entschiedenen Weigerung, mehr denn einen freundschaftlichen Verkehr mit den nächsten Angehörigen der Gräfin Mailly in der Intimität mit den beiden Schwestern zu sehen.

Viel leichter als der Minister hätte die Marquise von Benti­miglia ihre blutsperwandten Nebenbuhlerinnen abschaffen können. Daß sie es nicht tut, geschieht weder aus Duldsamkeit, noch aus Mitgefühl, sie ist zu schlau, fennt die Unbeständigkeit des Königs und die Gefahr der Versuchung, weiß genau, daß sie allein nicht start genug wäre, alle Intrigen und Aspirationen abzuwehren. Wie von einem dreiföpfigen Drachen wird Ludwig XV.   von den drci Schwestern behütet; die arme Gräfin Mailly weiß sich zu gering, ist dankbar dem jungen Halbgott, der, von den schönsten Frauen Frankreichs   begehrt, sie vor allen erwählte, fie verlangt nicht mehr, als neben ihm bleiben zu dürfen, und ist in ihrer An­spruchslosigkeit der Schwester nüglich, ohne ihr ernstlich im Wege zu sein. Die dritte, die Herzogin von Lauragnais, wird dem König gern nachgesehen, weil eine andere Laune gefährlicher wäre flug und geistreich, nicht schön, wahrt so die Marquise von Ven.miglia auf Kosten der Schwestern ihre heiß umstrittene Stellung. Im Bunde mit der Schwäche Ludwigs XV. fönnte sie eine Macht im Staate werden, fäme nicht ein Stärkerer rechtzeitig dem Kardinal de Fleury zu Hilfe. Bei der Geburt ihres ersten Kindes geht sie an der Hilfe der damaligen Aerzte" zugrunde, stirbt unter so furchtbaren Qualen, daß ihre Schreie durch alle Stockwerkte des Schlosses gellen.

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nur

Ihre ärgsten Feinde lernen die Folgen ihres Todes mehr fürchten, als ihre Allmacht sie hätte bedrohen können. Ein Keim der zehrenden Todesangst, die das Alter des Urgroßvaters, die letzten Jahre Ludwigs XIV. vergiftete, lauert von Kind auf auch im Urentel: auf jede ernste Erkrankung und jeden Todesfall in seiner näheren Umgebung reagiert Ludwig XV.   mit schweren De­pressionszuständen, sein Gewissen erwacht, er bereut jein sündiges Leben, der Gedanke an die eigene Bergänglichkeit erfüllt ihn mit Schlotternder Bußfertigkeit.

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Als hätte es der Himmel darauf abgesehen, die Wirksamkeit der Warnung zu erhöhen, wird der tragische Tod der noch nicht zwanzigjährigen Frau von einem Theatercoup verschärft: der Beichtvater der Verstorbenen eilt, die Nachricht vom Ableben der Schwester der Gräfin Mailly zu überbringen und bricht an der Schwelle tot zusammen, bevor er die Trauerbotschaft hätte aus sprechen fönnen. Dieser Herzschlag, wie ein strafender Blitz gesandt, gibt dem König den Rest. Mit Schreden sieht der ganze Hof das düstere,

storbenen Marquise von Bentimiglia nicht mr ben Barang etner blendenden Erscheinung, sie ist überdies auch Mitme, also jung, schön und frei, eine wesentlich verbesserte Neuiufarnation, die, ohne zu fündigen, ihr Herz vergeben darf.

oder! Kann

Ludwig XV.   enttäuscht das Bertrauen seiner Fremde nicht, er ist sofort entflammt, und sein Feuer wird nur geschürt durch den Widerstand der Holden, die erst bestimmte Bedingungen erfüllt fehen will, ehe sie alle Erwartungen erfüllt. Bor allem weigert sie sich, mit den Schwestern zu teilen, die müssen fort, ganz und gar von der Bildfläche verschwinden, entweder der König ihr nicht ganz gehören, begnügt sie sich lieber mit dem hübschen jungen Herzog von Angénois, einem Neffen des Mar­schalls Richelieu  , der als Marschall Cupido" die Berhandlungen zu gutem Ende führt. Die schöne Witwe ist nicht so frostbedürftig wie der König, sie hat für ihren Witwenkummer den Liebhaber in Reserve, den sie mit niemandem zu teilen braucht, Ludwig XV.  hingegen wird immer dringlicher und muß sich somit fügen; die schöne Witwe erhält den Titel einer Herzogin von Chatereug mit dem dazu gehörigen Herzogtum, und ihre Schwestern müssen Ver= sailles verlassen, mit der schriftlichen Bescheinigung der Königlichen Ungnade von dem Schauplatz ihrer Triumphe abziehen.

Die arme Gräfin von Mailin fämpft vergebens um ihr Erft­lingsrecht, es hilft auch nichts, daß sie sich in ihrer Verzweiflung an die Königin wendet, und zur allgemeinen Belustigung die Für­sprache der Frau erwirkt, der sie als erste den Batten entführte. Teils aus Gutmütigkeit, teils aus berechtigter Angst vor der Al­macht der neugewählten viel gefürchteten fünften Schwester, ver­such die Königin der Verbannten als Hofdame Zuflucht zu geben, aber der neue Besen kehrt gut, nicht einmal der Trost, den Ber­götterten zu sehen, wird der gestürzten Schwester gegönnt, sie muß gehen, kehrt aber nicht in die Ehe mit dem Grafen Mailly zurück, wie die Lavallière zieht sie sich mit der Erinnerung ihrer Größe ins Kloster zurüd.

Im gewöhnlichen Volk erregt der Regierungsantritt" der vierten Schwester viel ergernis, man läßt es nicht an boshaften Scherzworten, Chansons und 3oten über die höfische Werderbnis fehlen. Die tiefere Lehre erfaßt nur ein fleines, zehnjähriges mädchen dunkelster Abstammung: es erfennt aus der viel ver­lästerten, anstößigen Geschichte der Schwestern de Nesles, daß der König von Frankreich   ein willenloser Schwächling ist, verfallen jeder Erstbesten, die, ihm in den Weg geschoben, die Gelegenheit zu nüzen weiß.

Und so wird nach dem Rezept der Schwestern de Nesles, aus der Tochter des fleinen Steuerbeamten Boisson  , das Verhängnis des franzöfifchen Königreichs, die allmächtige Marquise von Pom­padour.

Die Wanda und ihre Tochter

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die jetzige Chargenspielerin im Tonfilm...

Banda mar müde. Ihre Augen brannten, und das Fett der| Publitum riffen, die ehemalige Nadtfigurantin der großen Shows, blutigen Schminke, die ihren Mund zu einer aufgerissenen Wunde machte, konnte den Durst der zerspringenden Lippen nicht zähmen. Banda ging die Straße, die sie hunderte Male gegangen war, den Weg von ihrer kleinen Stube zum Bohèmecafé. Sie war so müde, denn sie hatte den ganzen Tag und den Abend hindurch im grellen Lichttegel der Jupiterfonnen gestanden. Sie hatte ihre erste größere Rolle gespielt. Jegt mar es Nacht, und rum, da sie vorbeiging an den Lupuslokalen und Lasterhöhlen, mun, da fie vorbeiging an den bunten Lichttledsen, die sprizend die Nacht erhellten, an den Schautaften mit den Photos halbenifleideter Frauen, die zum Besuch sadistischer Nadirepuen einladen sollten, an den schrill aufzudenden Blakaten, die die Gaufeleien mit anormalen Veranlagungen und Leidenschaften den perversen Spießern anpriesen, dachte sie an die Enttäuschungen der letzten Monate und Jahre.

,, Su alt!" überall hatte man es ihr entgegengegeifert. Die fleischigen, beringten Hände lüfterner Agenten und Revuetheater­direttoren, die über ihre nackte Haut tasteten, diese gedunsenen, sinn­lichen Lippen, die ihr befahlen, die Hände hinter den Kopf zu falten, damit man sehen könne, ob die Brustmuskeln noch funktionierten", die Hilfsregisseure, die keine Experimente magen" wollten, die Be­fucher der Filmbörse, die refignierten Augen und Gebärden der anderen Komparsen, die unter den Firmen Russischer Großfürst". Hungertype", Jammernutte" oder Aristokrat mit Franz- Josef Bart" gebucht waren, das alles hatte ihr in aller Stummheit und Stumpfheit ins Gesicht geschlagen: 3u alt!" Auch auf der Modell­börse hatte sie feine Beschäftigung mehr gefunden, obgleich die Jungen mußten, daß fie das berühmte Aftmodell der Vorfriegszeit gewejen mdr, obgleich sie immer noch jenes einst so bezaubernde, heute so abgenutzte Wandalächeln um ihre Lippen legte, das auf großen Gemälden mit den Namenszügen von Akademieprofessoren prangte.

Wanda war müde, denn sie war an diesem Tage im Tonfilm­atelier beschäftigt gewesen. Aber glücklich war sie nicht, wenn sie daran dachte, daß sie noch diese ganze Woche chargieren würde, wenn fie an die Engagements dachte, die sie heute unterschrieben hatte. Sie spielte jegt alte Frauen! Von heute ab war sie bei den Auf­nahmeleitern gebucht als Alte Künstlerschlampe", Ausgedientes Modell", Grelle Nachtdirne" und Kuppelmutter". Das bedeutete für alle anderen: die Wanda hat Glück, die Wanda braucht nicht auf die Straße, die Wanda kann jetzt ihre Schulden bezahlen! Das be: deutete für sie: fie mußte ihre Angstträume spielen, fie mußte einem Millionenpublikum ihre Qualen und ihre Bein, ihre grauenhafte Furcht vor der Straße, die Erfüllung ihrer Alpträume von muffigen, füßlich erhellten Absteigenestern vorführen. Sie wußte: sie spielte diese Chargenrollen so traß und so allesbesagend, daß sie bald ein Typ sein würde, um den die Aufnahmeleiter sich ebenso reißen würden, wie um den knöchernen Greis mit den Stielaugen und um den Tier-, Kinderstimmen-, Autohupen- und Sarophonimitator. Sie hatte eine unerklärliche, abgründige Angst vor diesen Rollen, tie hatte Angst vor diesen Rollen, weil sie ihr Schicksal darstellten, das immer auf der Grenze zwischen Bizarrerie und Drastik lagen, sie fie erwartet hätte, wäre sie nicht im geeigneten Augenblick auf ,, alt" zurechtgemacht auf der Bildfläche erschienen, hätte sie nicht recht­zeitig die Konjunktur des zu alt" aufgenutzt.

Als sie das Café betritt, rafft sie sich zu ihrem Wandalächeln auf. Auch der burschkiose Schulterschlag, mit dem sie Abend für Abend ihren Stammfellner bedenkt, gelingt ihr. Da sitzt sie nun in­mitten der auf originell hergerichteten Frauen und Männer, trinkt ihren Kaffee, verzehrt ihre Eler im Glas. Ihr Glüd hat sich schon herumgesprochen, und von allen Seiten schwirren die seltsamsten nachtvögel auf sie zu und beglückwünschen sie.

Und tatsächlich, hier, umgeben von viel übertünchtem Elend, von viel maskierter Qual, von Menschen, die von Süchten und Leiden schaften gepeitscht und geirieben werden, vergißt sie für Minuten die feltfame Tragikomödie ihres Schicksals: ihre Angstträume spielen zu müssen. Sie ist ganz froh, das ehemalige Aftmodell, um dessen faum erblühten, inospigen, jugendlich straffen, weiblich fofigen Körper, um dessen halb folettes, halb verschämtes Lächeln sich die Maler und ihr

Und wie immer, in diesen letzten Monaten und Jahren, wenn Wanda sich freut, wenn Banda vergißt und frohe Gedanken hat, schleicht sich auch in dieser späten Nachtstunde, in diesem überfüllten, Derräucherten Café ein Gebante in den frohen Streis, den sie noch nie zu Ende gedacht hat, den sie noch nie zu Ende denken durfte. Dieser Gedanfe gehört ihrer Tochter. Banda hat sie nur selten gesehen. Das Kind hat man ihr fortgenommen, es wurde in Pflegge gegeben. Der Bater... Ach, was... Wie alt wird sie feht sein? Achi zehn, zwanzig...? 3ft sie noch kontoristin bei X. u..? P lich weiß Banda, auf die Gespräche und Gestalten einstürmen, daß die Tochter es war, die ihr den Halt gegeben hat, diesen Mut zur Furcht vor der Straße. Blöglich weiß fie: fie fann jetzt zu den Mädel gehen, fann ihm gerade in die Augen bliden, überallhin fönnen sie zusammen gehen. Die Wanda und ihre Tachter!" werden die Leute fagen. Aber es wird nicht höhnisch und nicht herausfordernd tlingen. Sondern alle werden wissen: die Wanda hat sich gehalten, sie ist ein ganzer Kerl, sie hat sich ihre Tochter erkämpft und hat sie sich verdient.

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Irgend etwas treibt sie hoch. Die Luft ist ihr auf einmal zu stickig. Die Gespräche zu durchfegt mit gewöhnlichen, gewohnheits­mäßigen 3oten. Die Parfüms zu füß. Und die Aufmachung der Frauen zu ordinär. Um ihren verschminkten Mund, um ihre immer noch schönen Augen zeichnet sich Ferude ab. Eine Reise! Ja, eine Reise mit der Tochter! Für sie ein paar aufnahmefreie Tage, für jene ein fleiner Urlaub vom Büro. Eine Reise! Der Gedante erregt sie freudig. Und sie geht. Und tatsächlich die Wanda besteigt einen Autobus und fährt, jest spät in der Nacht, zu jener Straße deren Name auf dem Absender des letzten Briefes der Tochter stand. Wahrhaftig, die Wanda fährt welch unsinniges Vorhaben! nachts zu ihrer Tochter, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Das Haus wird geschlossen sein. Sie wird die Kleine doch nicht aus dem Schlaf wecken wollen, wo sie doch morgen früh ins Büro muß. und sie wird feine Berbindung mehr zurüd befommen, wird ein Hotelzimmer mieten müssen. Ja, so wird es schon sein. Sie weiß ja selbst nicht, was das ist, das sich in ihr zusammenkrampft. Sie will es auch gar nicht wissen.-

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Die Straße ist dunkel. Sie liegt im Norden. Einige Kandelaber spenden taltes Licht. Eine Kinopalast freischt in grellen Farben. Das Haus ist offen. Ein Versehen natürlich. Da steht ja auch im Schatten ein Mädchen mit seinen Schatz. Die haben die Tür offen­

gelaffen...

Vielgestaltiges, ficherndes Gelächter splittert im Treppenhaus, zerschämte Lache ergießt sich aus einer Tür. Wanda steht vor dieser Tür. Sie vergleicht das Schild mit der Adresse, die die Tochter auf dem Absender des Briefes angegeben hat. Eine fleine, lähmende Angst würgt sie an der Kehle, als schon wieder das Gelächter flirrend 3ersplittert, schon wieder die grunzende Lache quillt. Und Wanda flingelt. Sofort wird geöffnet. Ein enttäuschtes Gesicht starrt sie an. Ein versauertes Gesicht, das Herrenbesuch erwartete.

Dann steht die Wanda in einer Diele, die erhellt ist von einer fornblumblau verhängten Ampel, die geschwängert ist von Weih­rauch, Zigarettenqualm, Alkoholdünsten und schweren, betäubenden Parfüms. Sie sagt mit einer jäh in ihr aufsteigenden, irrsinnigen Furcht vor einer Antwort, wen sie sprechen will. Ihre Tochter! fügt sie drohend hinzu. Da: wieder das Lachen, das heifere, gutturale, dann wieder das schrille Gelächter. Hinter den Milchglasscheiben der Türen, die zur Diele gehen, lodi schwuliges, füßliches Gefunzel.

Das Mädchen, das vor Wanda steht, fagt: Die tönnſe nicht schprechen! Det merfense doch, det se beschäftigt is!" Dann geht die Wanda. Sie geht die Treppen hinab. Ihre Zungen sind noch voll­gesogen von dem penetranten Geruch, ihre Ohren sind betäubt von der zerschämten, johlenden Dirnenlache. Sie ist so müde, Sie ist so aft.. Sie wird nun feine Furcht mehr haben vor ihren Rollen. Und wenn die Menschen im Kino ein Entfehen beschleicht, da die Wanda als efelerregendes Scheufal auf der Leinwand erscheint, sie wird sich an diesem Entfehen weiben...