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Morgenausgabe

Rr. 57 A 29

48.Jahrgang

Böchentlich 85 Pf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 M. einschließlich 60 Bf. Bostzeitungs- und 72 Pf. Boftheftellgebühren. Auslands abonnement 6,-M. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drucksachen. porto 5,- M

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Der Borwarts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend Illustrierte Beilage Bolt und Zeit" Ferner Frauenftimme", Technit"," Blid in die Bücherwelt", " Jugend- Borwärtsu., Stadtbeilage"

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

4. Februar 1931

Groß- Berlin 10 f. Auswärts 15 Pf.

Die etnipattige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs marl Kleine Anzeigen das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zmei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes meitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt gefchäft Lindenstraße 3, mochentäglich von 81%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Abbau der Kriegslasten.

Konvertierung von Kriegsanleihen in USA . und Frankreich . Folgen für deutsche Reparationen.

Soweit in den einzelnen Ländern feine besonderen politi. die beiden Anleihen in dreiprozentige umgewandelt werden, wird | schen Gründe für die Verteuerung des Kredits vorliegen, wie es in die Ersparnis an 3insen für den Staat etwa 92 Millionen Deutschland , Polen und Indien der Fall ist, darf jetzt die Sentung Dollar, also über 380 Millionen Mart jährlich betragen. der Zinsfäge, als eine Welterscheiming, festgestellt werden. Es wird auch mit Sicherheit angenommen, daß sich die Zinssäge in abseh barer Zukunft auf einem tieferen Niveau bemegen werden als im Kriege und bald danach. Infolgedessen haben jetzt die Staaten, die mit einer starten, während und wegen des Krieges entstandenen inneren Berschuldung schmer belastet sind, Gelegenheit, ihre inneren Anleihen zu Ionvertieren, d. h. in neue Anleihen mit einer anderen, und zwar einer niedrigeren Verzinsung umzu­wandeln.

In den Bereinigten Staaten steht eine Konvertierung etwa der Hälfte der gesamten inneren Schuld

schon unmittelbar vor der Verwirklichung. Der entsprechende Gesez­entwurf liegt dem amerikanischen Kongreß vor und ist schon vom Ausschuß des Repräsentantenhauses angenommen worden.

Seine Annahme in den beiden Kammern ist völlig sicher. Um ftritten ist mir die Frage, in welchem Maße die neuen Anleihen fteuerfrei sein müssen. Weder die Absicht, die Berzinsung der staat­lichen Schuld zu senken, noch die Gesamtsumme der beabsichtigten neuen Anleihen stoßen auf eine ernsthafte Opposition. Es wird sogar mit der Auslegung der ersten Anleihe schon etwa im März gerechnet. Der amerikanische Gesezentwurf sieht die Kon­vertierung von Kriegsanleihen in der Gesamt­

summe von 8 Milliarden Dollar bor.

Es handelt sich dabei um die erste und vierte der soge nannten Freiheitsanleihen, von denen die erste im Juni 1932 und die vierte im Oktober 1933 auszahlbar sind. Da das Schahzamt sich die Freiheit in der Wahl der günstigen Zeitpunkte bzw. der günstigen Bedingungen lassen will, werden im Gefeßentwurf weder die Termine der Auflegung der neuen Anleihen noch die Höhe ihrer Berzinsung festgelegt. Es wird ein Zinsfah von 3 Proz. erwartet, während jetzt von den in Frage kommenden Anleihesummen 6,8 milliarden mit 4% Proz. und 1,4 milliarden mit Proz. verzinst werden. Falls

Es wäre noch verfrüht, auf Grund dieser bevorstehenden Maßnahmen schon jetzt weitgehende Schlußfolgerungen zu ziehen. Man darf aber erwarten, daß, nachdem die Konvertierung erfolgt und damit die Belastung des amerikanischen Staates durch die Verzinsung der eigenen Schuld vermindert worden ist, die Aussichten für eine Revision der interalli­ierten Schulden sich bessern,

da die Widerstände in Amerika selbst geringer werden. Man wird fich darauf berufen dürfen, daß die Senkung des allgemeinen Niveaus der Zinssäße nicht nur der amerikanischen inneren Schuld zugute tommen, sondern auch für die Höhe der aus den interalliierten Schulden entstehenden Belastung von Bedeutung sein wird. Die Revision der interallierten Schulden muß aber bekanntlich auch

eine Herabschung der deutschen Reparationen automatisch bewirken. Deshalb waben wir allen Grund, die hier geschilderte Entmidhung forgfältig zu verfolgen.

Das andere Land mit einer starten inneren Verschuldung, bie auch für die Höhe unserer Reparationen von Bedeutung ist, ist Frankreich . In Frankreich liegen noch keine konkreten Bläne der Konvertierung der inneren Schulden vor. In Le Temps" vom 2. Februar( wirtschaftliche Beilage) lesen wir aber, daß diese Frage in der allernächsten Zukunft(, un jour prochain") un vermeidlich gestellt werden wird. Fraglich ist nach ,, Le Temps" eigentlich nur, ob die Konvertierungen schon im Laufe dieses Jahres vorgenommen werden. Das Pariser Blatt untersucht, welche Summen dabei in Frage kämen, und berechnet, daß insgesamt in diesem Jahre die Konvertierung der inneren Schuld in der Gesamtsumme von rund 75 milliarden Franken( 12% Milliarden Mark) möglich ist, und daß die jährlichen Ersparnisse für die Staats­taffe, falls die neuen Anleihen mit Broz. verzinst werden, 920 Millionen Franken( 153 Millionen Mark), und falls sie mit 4 Proz. verzinst werden, 1241 Millionen Franken( 207 Millionen Mart ) betragen werden.

Unterhaus für Wahlreform.

Alternativ- Wahlrecht in zweiter Lesung angenommen.

London , 3. Februar.( Eigenbericht.) Nach zweitägiger Debatte, in der auch Macdonald das Wort ergriff, wurde heute abend die WahI reformborlage der Arbeiterregierung in zweiter Lesung mit 295 Stimmen der Arbeiterpartei und der Liberalen gegen 230 Stimmen der Konservativen an

genommen.

Keine Reform des Genfer Sekretariats Entscheidung des Studienfomitees

Genf, 3. Februar.( Eigenbericht.) In der 13. Kommission, die Vorschläge zur Reform der Leitung des Völkerbundssekretariates machen soll, sind am Dienstag zwei wichtige Entscheidungen gefallen. Mit einer Mehrheit von 6 gegen 5 Etimmen wurde der bisherige englisch französische Mehrheitsvorschlag auf Vermehrung der Zahl der Untergeneralfefretäre abgelehnt. Deutschland , vertreten durch Graf Bernstorff , befand sich bei der Mehrheit.

Der Beschluß bedeutet, daß der polnische Direktor Reich­mann und der uruguaische Direktor Buero nicht Untergenerai sekretäre werden, wodurch die Stellung der Staaten mit Unter­generalfefretären nicht geschwächt wird. Die Mehrheit schloß sich dem deutschen Argument an, daß die finanzielle Belastung, die durch Verdoppelung zweier hoher Gehälter entstehen müßte, in einer Zeit schwerster wirtschaftlicher Not nicht verantwortet werden

tönnte.

Die zweite Abstimmung brachte die Ablehnung des bis­herigen Minderheitsvorschlages, die Untergeneralsekretäre völlig ab zuschaffen und den stellvertretenden Sekretär aus einem feinen

Lande zu nehmen.

Durch beibe Abstimmungen hat die Kommission zum Ausdruf

gebracht, daß eine Reform der Leitung zurzeit unmöglich sei. Es kam aber starf zum Ausdrud, daß eine allgemeine Reform eine treten muß, sobald der Generalsekretär Sir Eric Drummond nicht mehr im Amie sei. Die Resttagung des 13. Komitees dient der Auf­stellung einer Formel, die diese Anschauung ausdrücken soll. Praktisch ist die Arbeit der Kommission zunächst beendet. Der status quo bleibt. Deutschland hat den polnischen Generalsekretär abgewehrt, aber die Reform bleibt als Problem bestehen.

Keine Wahlbeteiligung in Spanien . Beschluß der spanischen Sozialisten.

Madrid , 3. Februar.

Die

Cortes auf den 1. März festgesetzt worden. Durch königliche Verordnung sind die Wahlen zur Sozialdemokraten haben heute endgültig beschlossen, bei den kommenden Wahlen sich der Stimmabgabe zu ent­halten. Der Beschlußt wurde mit 50 gegen 4 Stimmen

angenommen.

Keine Aussagegenehmigung der preußischen Minister. Der Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages zur Nachprüfung etwaiger amtlicher Beeinflussung der Beamten beim Volksbegehren gegen den Young- Blan hatte das preußische Staatsministerium um Aussagegenehmigung für den Ministerpräsidenten Dr. Braun, den Justizminister Dr. Schmidt und den früheren Minister des Innern Grzesinsti gebeten. Das preußische Staatsministerium hat nunmehr

diese Genehmigung versagt.

Regierungsfrise in Estland . Das Kabinett Strandmark ist zu­rüdgetreten infolge Schwierigkeiten, die bei der Besetzung des frei gewordenen Bostens des Aderbauministers entstanden sind, da zwei Stoalitionsparteien- Landwirte und Neusiedler die Neubefeßung dieses Minifteriums für sich in Anspruch nahmen. Man nimmt an, daß die Sozialdemokraten der neuen Regierung angehören werden.

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Friedrich Ebert .

Zu seinem sechzigsten Geburtstage.

Von Paul Lobe .

Die Mitwelt ist ihm alles schuldig geblieben, erst die Geschichte wird ihm einst Gerechtigkeit widerfahren lassen" so ungefähr sprach der volksparteiliche Bizepräsident des Reichstags v. Kardorff in seiner Verfassungsrede, die er am 11. August 1927 im Reichstag in Gegenwart der das maligen Bürgerblodregierung und des Reichspräsidenten v. Hindenburg hielt.

Darüber sind abermals fast vier Jahre dahingegangen, und die Nachwelt, soweit sie zu einem objektiven Urteil über­haupt fähig ist, beginnt die Prophezeiung des Herrn v. Star­dorff zu erfüllen. Nicht nur schlichte Denksteine und un­behauene Findlinge, wie sie von der dänischen Grenze bis um die Wälder um Saarbrücken von dankbaren Händen seinem Gedächtnis errichtet wurden, auch Siedlungen, Schul hausbauten und Krankenhäuser, die den Namen des ersten Reichspräsidenten tragen, sollen die Jugend dieser schnell­lebigen Zeit an den Mann aus dem Bolte erinnern, der den ersten Play, den dieses Volk zu vergeben hat, ein­nahm, der Jahrhunderte hindurch nach den Regeln der dynastischen Erbfolge von Fürstengeschlechtern besetzt ge­wesen ist.

Nicht der Vergötterung und dem Personenkultus sollen Diese Erinnerungen an einen Mann dienen, der heute, am 4. Februar, sein sechzigstes Lebensjahr vollenden würde, einen Mann, der Irrtümern unterlag wie jeder andere Mensch, der Fehlgriffe beging wie jeder, dem ein so verantwortliches Amt plötzlich zufiel wohl aber der historischen Gerech tigkeit und dem überzeugenden Beweis, daß das Bolk selbst imstande ist, aus sich heraus die fähigen Kräfte und die geeigneten Männer für seine Leitung zu stellen.

daran, daß die beiden selbstgewählten Häupter der Republik , Oder zweifelt heute irgend jemand in Deutschland noch Ebert und Hindenburg einschließlich des stellver­tretenden Reichspräsidenten Simons, in ihrer Leistung, ihrer Fähigkeit und Würde hinter jenen zurückstehen, die uns die Hohenzollernfamilie in Wilhelm II. bescherte und in dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm in Aussicht stellte? Oder gibt natiker, die jene Prominenten der Diktatur, die Ludendorff es irgend jemanden außerhalb des engsten Kreises der Fa­und Hitler , Stinnes und Hugenberg über die demokratisch gewählten Präsidenten der Republik stellen könnten? Im In- und Ausland wird bei allen ernsthaften Menschen nur eine Meinung möglich sein.

Friedrich Ebert , der als junger Sattlergeselle durch Deutschland zieht, mit Wissensdurst nach Büchern und Schriften greift, mit mangelhafter geistiger Rüstung zum Wortführer seiner Kollegen wird, im Bremer Konsumverein nicht nur die Ideale der Genossenschaftsbewegung predigt, sondern selbst das Brot ausfährt, den Wagen bespannt und die Pferde füttert, diefer Friedrich Ebert steht uns ebenso nahe wie der spätere Staatsmann, der einen viel größeren Um­freis durch seine Energie, seinen flaren Willen und seine Um­sicht beeinflußte.

Als aller Glanz und Ruhm verblaßte, als alle Herrlichkeit versant und die alte Macht zerschellte, als Hungersnot, feind­liche Invasion und Bürgerkrieg unser Land bedrohte, da ist aus den Reihen der arbeitenden Menschen der Mann durch ihr Vertrauen emporgestiegen, dem es gelang, die Ein= heit des Reiches zu retten, den Frieden zu schließen, den Bürgerkrieg zu vermeiden und das Land aus dem Terror von rechts und links zu einer demokratischen Verfassung zu führen.

Während draußen die Welle der Angriffe sich über ihn ergoß, tamen in sein Haus die Träger der angesehenſten Namen Deutschlands : Gerhart Hauptmann , der Dichter, Harnack, der Theologe, Liebermann und Corinth , die Maler, Eugen d'Albert und Schrefer. Komponisten, unzählige Repräsentanten der geistigen Welt, und haben ihm tiefen Respekt bezeugt. Während draußen die eigenen Landsleute Prozeßverhandlungen zu seinen Ungunsten zu verdrehen versuchten, verhandelten die Vertreter aller politischen Richtungen der internationalen Welt mit ihm und fuchten sein Vertrauen zu gewinnen. Besonders Krestinsti, der Vertreter der Sowjetunion , der immer aufs neue mit ihm Berbindung suchte, Nuntius Pacelli, der Vertreter der fatholischen Welt, Lord d'Abernon aus England und

augthon aus Nordamerika , keiner der nicht mit Hoch­achtung den Hut gezogen hätte vor dem, was diefer Mann durch eigene Arbeit aus sich gemacht, wie er sein tief erniedrig­tes Bolf wieder in die Höhe gebracht hat.