Nr. 57 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Stätten der Verwüstung.- Mehrere Städte zerstört. Sidney ( Australien ), 3. Februar.( Eigenbericht.)| nichtet und an zahllosen Stellen ist die Erde weit geborsten Das Erdbeben in Neuseeland hat entsetzlich viel Opfer An der Küste find hohe Felsen in die See gestürzt und viele Dörfer gefordert. Am Dienstagabend wurden etwa 900 Zote non dem springenden Meerwaffer überflutet morden. In der Stadt gemeldet. Am schlimmsten gelitten hat die Insel Nord . Hastings , 20 Meilen von Napier entfernt, find 100 Personen ges island . Von der Stadt Napier , die 60 000 Gin tötet worden. Der britische Kreuzer Beronica" tag im Hafen wohner zählte, ist kein Stein auf dem anderen geblieben. fojort zur Hilfeleistung an Land gefandt. son Napier , als der erste Stoß erfolgte. Die Mannschaften wurden Als die Häuser, Gebäude, Gas- und Elektrizitätswerke in Trümmer gestürzt waren, züngelten sofort die Flam men hoch. Explosionen vollendeten dann das traurige Werk der Zerstörung. Soweit die Bewohner nicht erschlagen oder schwer verlegt wurden, sind sie in die Umgegend geflüchtet. Nach der ersten Schätzung sind in Rapier 700 Menschen umgekommen.
Beim zweiten Stoß flog das Schiff haushoch in die Luft und auf Strand gesetzt.
alle in der Nähe stationterten englischen Dampfer sind mit Merzten und Rettungsmannschaften herbeigeeilt, un der Bevölkerung zu helfen. Krankenhäuser und Spitäler find eingeftirat, die Infaffen unter fich begrabend. Flugzeuge bringen Maffer und Lebensmittel.
Da alle Quellen und Brunnen verschüttet und die Beltungen Der Fluß Rangiaifi ift durch eine Erdverschiebung bei Manga : zerstört sind, herrscht großer affermangel Zugleich mitmeta blodiert und bildet dort einen Gee. Die Küstenlinie der Napier wurde die gesamte Insel erschüttert. Fast alle Brüden, Insel ist vollkommen verändert. Die Zahl der vermißten und zerEisenbahnen und Dämme sind zerstört, Straßen und Bege verstörten Fischerboote läßt sich noch nicht feststellen.
Bon Granaten zerriffen.
Bier Opfer einer Explosion.
Uuf dem Teleft- plah, an dem sich viele Trödlerläden befinden, explodierte heute nachmittag gegen 2 Uhr eine Granafe. Durch die Explosion wurden vier personen getötet und 13 serJa Budapest wird gegenwärtig eine leht, davon einige schwer. Ja Budapest wird gegenwärtig eine Reinigungsaktion durchgeführt und die Trödler hatten das aus Hellern und Dachböden zusammengetragene Gerümpel aufgefanft und die Sachen vor ihren Läden aufgehäuft. Ju einem dieser Haujen befand sich eine Granate, die auf bisher noch nicht geflärte Weise zur Explosion fam.
Reuer Krawall in der Ackerstraße.
Der Leiter der Wärmehalle niedergeschlagen. Auf den 43jährigen Richard Schreiber, Leiter der städtischen
Wärmehalle in der Ader ft t. 2, wurde gestern von Erwerbs lofen ein fchwerer Ueberfall verübt. Der Beamte wurde von mehreren Burschen ohne jeden Grund zu Boden geschlagen und erheblich verletzt. Die Wärmehalle muhte durch Beamte des Heberjailtommandos geräumt und geschloffen werden. Drei der Haupträdelsführer, bei denen es sich um kommunisten handelt, wurden festgenommen und der Abteilung 1A eingeliefert. Größere Anfammlungen, die sich vor dem Gebäude in der Aderstraße bildeten, feunten, bald zerficent werden ya
3st Urban der Mörder?
Die weiteren Ermittlungen in der Mordaffäre Schmoller haben ergeben, daß sich der unter dem Berdacht der Täterschaft jest genommene Artist Urban zur Zeit der Tat in arger Gelbverlegen heit befunden hat. Urban hat bekanntlich erzählt, er habe die Pistole, cine österreichische Steyr Pistole, in den Müllfasten des Hotels ..Darmstädter Hof" geworfen. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Kutscher die Kästen daraufhin durchsehen, ob noch brauchbare Gegenflände darin find. Es wäre durchaus begreiflich, wenn sie die Pistole an fich genommen hätten. Da dem Finder im Hinblick auf die Wich tigkeit der Waffe ein Teil der ausgesetzten Belohnung zufallen
W. Seemann
771
O.Wöhrle
Unternehmer.
würde, fo werden der Kutscher oder fein Beifahrer, die die Waffe vielleicht an fich nahmen, gebeten, sich bei der Kriminalpolizei zu melden. Mehrere Telephongespräche, die Urban in der Mordnacht rach Leipzig führte, scheiden als Alibimomente vollkommen aus. Ebenso das Gespräch mit feiner Shmägerin in Reukölln, das um 10.40 Uhr geführt wurde. Verschiedene Umstände in der Wechsel rebe mit seiner Schwägerin belaften Urban fogar, es sieht so aus, als ob er durch den Anruf ein Allbi hatte schaffen wollen. Die Bernehmung der Zeugen, die in der Mordnacht im Darmstädter Hoj" zugegen waren, haben über die Anwesenheit oder Abwesenheit des Berdächtigten noch feine Klarheit erbracht.
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Nazimörder vor dem Bernehmungsrichter.
Mittwoch, 4. Februar 1931
Frauen gegen Nazis!
Riefenfundgebung der Berliner Sozialdemokratinnen.
Unsere Berliner Genofsinnen hatten für gestern abend zu einer Kundgebung gegen den Faschismus aufgerufen. Schon vor% 20 Uhr mußte der große Saal im Saalbau Friedrichshain gesperrt werden und der Gartensaal für eine parallelfundgebung geöffnet werden. Entschlossenheit und Kampfesstim. mung fennzeichneten die Kundgebung: Unsere Frauen, alt und jung, find sich bewußt, daß es bei der Bekämpfung des Nationalfozialismus um ihre Freiheit und um ihre Rechte geht. Imposant ist der Einmarsch der roten Fahnen, die von unsern ArbeitersportTeriunen im weißen Dreß auf die Bühne getragen werden. Die trefflichen Mufifer der Freien Sport- und Mufifvereinigung spielen, der bewährte Junge Chor fingt. Dann nimmt nach einleitenden noffe Staatsanwalt Hoegner das Wort. Worten der Genoffin Käthe Kern der Referent des Abends Ge
Arbeiterchor und mufizieren die Arbeitersportler. Die 3nterNach dem Referat, auf das wir noch eingehen werden, singt der Frauenbewegung beredtes Zeugnis ablegte. In der ParallelverRationale schließt eine kundgebung, die von der Kraff unserer fammlung referierte nach trefflichen Ausführungen des Genossen Dreifel wiederum Genoffe Staatsanwalt Hoegner.
Fertigstellung der Grünanlagen.
Schon im Herbst vorigen Jahres hatte die Bezirksversammlung Kreuzberg sich über den halbfertigen Zustand der geplanten Grünanlagen nach der Zuschüttung des Cuiseustädtischen Kanals beschwert und ihre fofortige Fertigstellung verlangt. Da dies aber mit den vom Landeswohlfahrtsamt hierfür ausgeworfenen Mitteln nicht möglich war und auch die Städtische Zentralverwaltung dieses Bauvorhaben nicht durchführen fonnte, will jetzt der Bezirk Kreuzberg die Vollendung der Gartenanlagen felbit übernehmen.
Bon den im Zusammenhang mit der nächtlichen Schießerei in der Hebbelstraße in Charlottenburg festgenommenen acht Hafenkreuztern find munmehr fünf der Täter bem Berbafen find rund 12 000 m. erforderlich, deren Bewilligung jetzt nehmungsrichter vorgeführt worden. Es handelt sich um den 24jährigen Bantbeamten Frig Hahn, Raiserdamm 67, den 30jähri. gen Friz Domming, Lichtenrade , Kaiſerallee 38, dessen 18jähr gen Better Konrad Domming aus der Cauerstr. 3 in Charlotten burg, den 20jährigen Hermann Friede aus der Sophie- CharLotte- Straße 84 und den 24jährigen Paul Foyer aus der Schiller straße 47. Von den Verhafteten hat bisher nur Friz Domming gestanden, auf die Kommunisten geschossen zu haben. Bei den anderen vier schweben zurzeit noch die polizeilichen Ermittlungen. Einige der Täter behaupten in Abwehr gehandelt zu haben. Das ift durch Zeugenaussagen widerlegt und die Nazimörder dürften Daher mit diesem Dreh menig Glid haben,
* Discator vor der Freilaffung?
Nachdem die Einigung zwischen Biscator und dem Bezirks: amt Schöneberg gescheitert war und Piscator bis dahin feine Aufichlüsse über seine finanziellen Berhältnisse gegeben hatte, hat sich Rechtsanwalt Dr. Reiche nach einer Rücksprache mit Piscator nunmehr entschlossen, der Steuerverwaltung die von ihr verlangten Unterlagen zu beschaffen. Außerdem dürfte auch eine Abschlags= zahlung geleistet werden fönnen. Unter diesen Umständen wird das Bezirksamt dann auch seinerseits feinen Einwand gegen die Haftentlassung Piscators mehr erheben, vorausgefeßt, daß er fich verpflichtet, in Zukunft die Steuerratenzahlungen pünktlich zu leisten.
Sandom legte mit aufreizender Langsamkeit die Fachzeit schrift beiseite, in der er gelesen hatte, schaute Franz einen Augenblick aus zusammengefniffenen schadenfrohen Augen on und sagte dann, feinen Triumph nur schlecht verbergend: Un möglich, Franz! Das ist mein bester Hilfsarbeiter! Es kann ja mal pajjieren, daß effiches Holz vom Karren fällt, desmegen geht die Welt nicht unter. Der Mann ist sonst sehr gewissenhaft!"
Das geht mich gar nichts an! Ich verlange, daß der Na, Franz, fieht man dich auch einmal wieder?" fragte unverschämte Kerl bis heute abend entlassen ist!" ironisch Paul Eisermann, sein ältester Ontel. ,, So, das verlangst du! Aber vergiß nicht, wir haben auch einen Betriebsrat, der über Entlassungen zu entscheiden hat!" sprach Sandom, die Augen noch weiter zufneifend, mit auffommendem Zorn.
Er nickte errötend und lief weiter.
Im Parterresaal, wo die großen Hobelmaschinen standen, schob ein älterer Mann einen hochbeladenen Karren halb fertiger Hölzer. Der Alte hatte Mühe, vorwärts zukommen. Irgendwo stieß er an, tonnte nicht mehr rasch genug zufassen und ein Teil der Arbeit rutschte splitternd über den Steinfußboden.
Franz blieb stehen und brüllte den Alten zornig an: Können Sie nicht besser Dbacht geben?! Das Material geht doch kaputt!"
Der Mann schob gelassen seine Ladung mieder zurecht, schaute Franz voll ins Gesicht und sagte:„ Quatschen Se man nich! Det feh ich doch janz alleene, dat allens taputt jeht! Dazu brauch ich doch Ihnen nich! Der Karren ift eben überladen!"
So etwas gibt es nicht! Sie werden den Schaden erfegen!" Bat quaffeln Se, Männeken? hörn Se mal, bei mich feen Kientopp, vastanden?! Wer sind Se denn eijentlich? Jehn Se man zu Hause bei Muttern, Se junges Rücken, und quatschen Se feene Männer an! Weg da, Plazz! sonst fahr id Ihnen die Ladstiebletten ab!"
Der Alte mit dem Karren schnitt ihm den Weg ab. Er mußte schleunigst seitmärts in eine Gaffe treten, um von dem zornigen Arbeiter nicht angefahren zu werden.
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Unverschämter Kerl Sie, Ihnen werd' ich!" rief ihm Franz nach und fuchte Sandow zu finden.
Der faß nicht mehr in feiner gläsernen Kommandobrüde, fondern hatte sich's im Prinationtor bequem gemacht.
Es gab Franz einen Stich, als er Sandow om Tisch feines Baters fah, der eigentlich fein Plah war.
Noch wütend von dem Vorfall unten im Maschinenfaat, fagte er ungestüm:„ Guten Tag!" und forderte die sofortige Entlassung des Mannes.
Bah, Betriebsrat! Mit dem werd' ich auch noch fertig!" schrie Franz wutgellend.
Da fonnte Sandow nicht an sich halten und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das Schreibzeug hüpfte: Ich Derbitte mir jegliches Anbrüllen. Ist das der Dant dafür, daß ich mich hier ein halbes Menschenleben abgeschunden habe? Seit dein Bater tot ist, hat sich hier kein Aas um den Betrieb gefümmert. Ich tue mein Möglichstes, aber ich verlange Refpeft vor meiner Berson!"
Franz war starr. So hatte er den Dicken noch nie gefehen. Doch der explodierte weiter: ,, Bevor du herkommst und Krach machst. geh gefälligst zu deiner Lante rüber! Die wird dir noch mehr erzählen als der Karrenschieber!"
Wütend rannte Sandom aus dem Kontor und ließ Franz stehen.
Der schüttelte den Kopf und wußte nicht, was er von dem plößlichen Wutausbruch des Geschäftsführers halben sollte. Es fiegte sein jugendlicher Uebermut: Dha, so stehen die Attien! Ich werde mir einen anderen Geschäftsführer suchen müffen!" murmelte er und lachte.
Dann schritt er durch den langen, schmalen Korridor, den beiderseits Glaswände flantierten, hörte Schreibmaschinen flappern, Lachen von fröhlichen Mädchen, und stand schließlich vor der Buchhalterei, dem Heiligtum der Mitme.
Heftig stieß er die Tür auf und sah die alte Dame über ben Büchern ſizen.
,, Morgen, Tante!" Jagte er freundlicher. Ueberrascht fah die Angeredete auf, fchob, als fähe fie nicht gut, die Brille zurecht und sagte gedehnt, ohne den Gruß zu beachten: Ach, läßt du dich auch mal sehen?!"
Er hatte sich norgenommen, ber Tante gegenüber sich
Für die Befestigung der Wege und Treppenanlagen somie für Beschaffung von Bänken und Pflanzenmaterial für die in den Besirf fallende Strede nom Oranienbat bis zum Urbanbei der Bezirksversammlung beantragt worden ist. Im Zusammen hang mit der Fertigstellung dieser Gartenanlagen soll dann audy eine neuzeitliche Umgestaltung des Mariannenplages erfolgen, der in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von Lenné entworfen wurde. Da das Sandsteinbaumert, das die Wilms- Büfte umgibt, sehr baufällig ist und seine Renovierung erhebliche Kosten beanspruchen würde, soll der Umbau beseitigt und die Büfte selbst vom Krankenhaus Bethanien übernommen und in dem Garten des Die Entfernung des Denkmals Krankenhauses aufgestellt werden. gestattet es, in der Mitte des Mariannenplatzes eine zusammenhängende Rasenfläche van fast 100 Meter Länge und 36 Meter Breite zu schaffen. Um den Blick auf das Feuerwehrdenf mal freizubekommen, soll auch die duporliegende Gartenanlage ein heitlich als Grünfläche ausgestaltet werden.
Selbstmord im Charlottenburger Rathaus.
Im Charlottenburger Rathaus verübte gestern
abend der 49jährige Montageinspektor Friedrich Klepfe aus der Kaiser Friedrich- Straße 49/50 im Abortraum Selbstmord durch Grschießen. Das Motiv zur Lat ist noch unbekannt.
Die nächste Sitzung der Stadtverordneten findet am Donners tag, dem 5. Februar, statt. Beginn der Beratungen um 16% Uhr. 3ur Beratung steht u. a. die Vorlage über den Gebäudeaustaus der Carl- Midjelis- Oberrealschule und des Leibniz- Gymnasiums.
nichts von seinem Zusammenstoß mit Sandom anmerken zu laffen. Franz reizte dieser Ton maßlos. Sein mühsam niedergehaltener Zorn schnellte hoch.
Was habt ihr denn alle gegen mich? Schließlich kann ich noch tun und lassen, was ich will!"
Die Tante jah ihm forschend ins Gesicht. Dann strich sie sich das graue Haar an den Schläfen glatt und sagte mütterlich: Komm, Junge, fetz dich mal hin, deine Anwesenheit ist dringend erforderlich. Seit vorgestern fizen wir hier wie auf Kohlen. Ich habe schon lange gewünscht, daß du kommst!" Das begütigende Wesen der Tante stimmte ihn versöhnlich. Er nahm einen der Kontorstühle und setzte sich ihr gegenüber. Die Tante tramte in ihren Papieren herum und zeigte ihm dann einen Stoß Rechnungen. Er warf einen Blick darauf. Es maren Fakturen von Holzhändlern und Lieferanten, zum Teil mit recht beträchtlichen Summen. 3woundreißigtausend Mark find diese Papiere wert. mein Junge, und die Leute wollen sie haben!" Ja und Tante?"
anderen
Die Bank hat das Geld nicht ausgezahlt, wie kommt das? Jch hörte wohl, du hättest vorgestern fünfundachtzigtausend Mart abheben lassen, aber..."
Wer sagt denn das, Tante?" Sandom!"
Franz sprang auf:
Was versteht der davon?!
,, Wahrscheinlich nicht viel Jungchen! Aber doch so viel, daß ihm Lindeiner fein Geld mehr auszahlt und daß er in folgedessen die Fabrikation einstellen muß, menn den laufenden Verpflichtungen nicht nachgekommen werden kann. Das dürfte dir doch flar sein, daß man eine solch horrende Summe nicht auf einmal aus dem Betrieb ziehen fann. Geld ist napp zur Beif!"
Die alte Dame schwieg erschöpft und bis die sammen. Aber sie brauchte gar nicht weiterzureden, Frons fah ihren Augen an, was sie weiter hatte sagen wollen. Wie ein Blitz durchfuhr es ihn: sie hat dich im Verdacht, das Geld verjurt zu haben. Nein, das fonnte er nicht auf sich fiken lassen. Er lief um den Tisch und legte seine Hand auf ihre Schulter.
,, Tante, die Mutter hat das Gelb abgehoben, um Ischa zu helfen,... und... um gemeinschaftlich mit dem Südfrüchtehändler eine Autoattienspekulation durchzuführen." ,, Alfo deine Mutter!"
( Fortfegung folgt.)