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BERLIN  Freitag 6. Februar 1931

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10 Pf.

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Der Abend

Erfdeist täglich außer Sonntag& Bugleich Abendausgabe des Vorwärts. Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW68, Lindenstr. 3

Spalausgabe des Vorwärts"

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B 31 48. Jahrgang

Buzetgensreis: Die einfvaltige Nouvareillezeile 80 Pi.. Reflamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Toftichedtouto Vorwärts Berlag G. m. b.. Berlin   Nr. 87536. Fernfprecher: Dinhoff 292 bis 297

Ein Blick ins dritte Reich

Korruption und Putschphantasien- Nazi- Mitglieder packen aus

Aus dem Rheinland   wird uns geschrieben: 34 den deut­fchen Wahlkreisen, in denen die Nationalsozialisten besonders schnell aufgestiegen find, gehört bos fatholische Gebiet Koblenz  - Trier  . In der früheren Militär- und Beamtenstadt Koblenz   und in den nerarmten Winzerorten an der Mosel sind die Nationalsozialisten tief in die Reihen des Zentrums eingebrochen. Es ist Der Wahlkreis des Zentrumsführers Prälaten aas.

In Koblenz   und Trier   murden Tageszeitungen der Rationalsozialisten gegründet. Das Geld für die Drude reien gab zum großen Teile der Prinz Friedrich Chriftian von Zippe, einer der Ballblutprofetarier in der Arbeiter" partei. Er griff auch nachher noch wiederholt tief in die durchlauchtigste kasse. Das pringliche Geld wird unter anderem quf den Gütern des Brinzen erwirtschaftet, die nicht zulegt polije 2anbarbet ter beschäftigen.

Es überraschte allgemein, daß vor kurzem die Partei studereien in Stablenz und Trier   gefchloffen werden mußten. Dieser Vorgang beweist, daß überfüllte Sensationsverfamm Lungen und große Wahlerziffern aus den Stimmen verzweifelter Halbprofetarier noch fein Beweis für die innere Kraft einer Bartet

find.

Nun hat sich eine Gruppe enttäuschter Rationalsozialisten an einen führenden rheinischen Sozialdemokraten gemandt und hat ihm unter Borlage von Dotumenten einen Eine blid in die Parteiperhältnisse der Ratipnalfozia. Lift en gemährt. Diese Pg." sind noch nicht zum Anschluß an den Margismus zu hemegen, aber ihr traditionelles rheinifdybemo tratifces Empfinden lehnt sich auf gegen die

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zur Borruption führende Diktatur der Nazi- ,, Bonzen".

Die Drisgruppenleiter werden über die Köpfe der Mitglieder hinmeg von dem Reichstagsabgeordneten Simon in Koblenz   ein­gefekt, der feinerseits in Gehalt und Reichstagsdiäten auf Gnade und Ungnade von Hitler   abhängig ist. So merden natürlich nur Kreaturen zu Gruppenführern bestimmt, die willenlos im Kadavergehorsam alles tun, was die Führerelique ihnen befiehlt. Wenn Pgs. sich über diese aufgezwungenen Führer beschweren und darauf aufmerksam machen, daß es sich zum Teil um recht zweifel­hafte Elemente handelt, so tritt der Uschla"( Untersuchungs- und Schlichtungsausschuß) in Tätigkeit. Die Gegner der allgemeinen Führerforruption werden wegen Verbreitung falscher Gerüchte" vermarnt oder ausgeschlossen. Allein in Koblenz   find binnen weniger Tage 15 Ausschlüsse zum Schuße der Führer erfolgt Die ,, Bermar­nungen" zählen im Wahlkreis Koblenz  - Trier   nach Duizenden.

Das Parteigefchäft in Koblenz   ist durch Unfähigkeit und Korruption heruntergewirtschaftet. Die Schulden betragen 27 000 Bart. Geschädigt sind vorwiegend mittelständ lerische Eristenzen. Die letzte allgemeine Mitgliederversammlung mar erbärmlid besucht. Das zeigt den organisatorischen Rückschlag seit den Wahlen. Nicht eine einzige Straßenzelle" war vollständig erschienen. Der Grund liegt darin, daß trop wiederholter Aufforde rung über die Hälfte der Mitglieder ihre Beiträge für das Jahr 1930 noch nicht geleistet haben und fürchteten, in der Bersammlung zur Beitragszahlung herangeholt zu werden. Der Kassenbestand be trägt in der nationalsozialistischen Hochburg knapp 100 Mar.

Attentat auf Reichsbahndirektor

In der Reichsbahndirektion Schöneberger Ufer- Gelbstmord des Täters

Reese Selbstmord.

Seute mittag schon in der Reichsbahndirektion| Der Täter ist ein 51jähriger Unfallrentner Wilhelm Reefe Schöneberger Ufer der Unfallrentner Reese den Reichs aus der Garde- du- Corps- Straße 14 in Charlotten. bahndirektor Zander nieber. Nach der Tat beging burg  . R. war früher als Fahrkartenausgeber bei der Reichsbahn beschäftigt. In seinen Taschen wurde ein an die Polizei gerichteter Brief gefunden, in dem Reese mitteilt, daß er den Reichsbahndirektor ajad erichießen wolle. Direktor Kajad war früher Dezernent für Unfallrenten, und es besteht daher die Bermutung, daß Direktor Jander das Opfer einer Personenverwechslung geworden ist.

3m Gebäude der Reichsbahadirettion am Saône. berger Ufer 4/5 liegt im zweiten Stodiert das Arhelts. immer des 59jährigen Reichsbahndiretfors Adolf Zander, dem das Dezeenat für Unfallrenten untersteht. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und mit raschen Schriften durcheilte ein abetannter das Borzimmer und drang in das Diretions, zimmer ein. Der Mann feuerte auf den an feinem Arbeitslisch fienden Direktor Zander fünf bis fechs Schüsse ab. 3ander wurde von einer Kugel in die Schulter und von einer weiteren Kugel in den Oberschenkel getroffen. Ju dem Augen­bild, als ein Beamter der Reichsbahndireffion in das Direffions­zimmer eindrang, richtete der Attentäter die Waffe gegen jih jelbst und schoß sich eine& ugel in das Herz

Wo bleibt der zweite Mann

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Un Beiträgen wurden noch nicht einmal 2500 Mark pereinnahmt. Dagegen Jonstige Einnahmen". meistens 3umen­dungen wohlhabender Gönner, insgesamt 8000 Mart. Da die Ausgaben über 12 000 Mart betragen, mußte die Gauleitung in Köln   mit mehreren tausend Mart einspringen. Die Haus­faffierung wird als fruchtlos aufgegeben. Man will die Maffe der Mitglieder mit der Beitragszahlung beinahe ganz in Ruhe lassen, bildet aber zwei Opferringe In den einen Opferring tommen diejenigen, die außer dem Mitgliedsbeitkog monatlich 20 bis 50 Bi. gaben, in den obersten Opferring tommen nur die Großkopfaten, Die wenigstens 10 Mart im Monat herausrüden. Sahlungsfähige Mitglieder sollen Patenschaften übernehmen für solche Mit­glieber, die ihre Beiträge nicht aufbringen. Unsere nationalfozia fiftischen Gewährsleute befürchten darin einen neuen Quell der orruption. Industrielle, Großgrundbesiger und ähnliche Rapi. taliften fönnen auf diese Weise einfach Duhende ihrer Arbeiter und Angestellten in die Bartei eintaufen, indem sie als Baten die Mit gliederbeiträge in Bausch und Bogen bezahlen. andreichen Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen. Beunruhigend für einen benfenden Menschen ist die polififche Geheimnistuerei der Führer über ihre Pläne Der Reichstagsabgeordnete Simon fagte z. B. in der erwähnten Mitgliederversammlung in Koblenz  , es dürfe fein National fozialist dem Stahlhelm angehören. Das ist verständlich. Damm aber ( Stehe auch 2. Seite.)

Separatisten in der Pfalz  .

Gensationelle Beschuldigungen und Verhaftungen.

2udwigshafen, 6. Januar. Gestern sind in Kaiserslautern   und anderen pfal­zischen Städten zahlreiche Bethaftungen che maliger Separatisten wegen Vorbereitung zum schberrat erfolgt. Es handelt sich um das Wieder aufleben der alten separatistischen Ziele auf Lostrennung der Pfalz   vom Reich. Die Verhafteten sollen mit einer französischen   Zentralstelle in Meh seit langem in Ver bindung stehen. Das bisher sichergestellte Material ist dem Oberreichsanwalt übergeben worden. Die umfang

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Wir sehen uns zur Wehr. Unter diesem Leitwort veranstaltet der Deutschlandbund heute abend 20 Uhr eine große öffentliche Stundgebung im Sportpalast. Als Redner find vorgesehen: Reichsminister Dr. Dietrich, Staatsminister Grim me unb Reichstagsabgeordneter Joss.

Der Brief enthielt außerdem drei Schlüssel, und Reese bittet, fie feinen Angehörigen juzuleiten. Wie es heißt, bezog R. nuch feiner Meinung eine zu fleine Rente und feine Eingaben au Direttor Rafat waren angeblich immer berüdsichtigt geblieben. Es handelt sich zweifellos un ein in allen Einzelheiten vorbereitetes Attentat.

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Direktor Zander und Reese wurden in das Elisabeth- Krankenhaus gebracht, wo R. gleich nach feiner Einlieferung gestorben ist. Der Zustand 3anders ist besorgniserregend, doch hoffen die Aerzte, den Schwerverletzten am Leben zu erhalten.

Der gerüffelte Nazivorsitzende.

Seine Ordnungsrufe waren unberechtiat.

Zu Beginn der heutigen Sigung des Haushaltsausschusses des Reichstages wurden die Einsprüche gegen die Ordnungs­rufe, die der nationalfozialistische Bizevorsitzende Reinhardt in der Sigung vom 21. Januar den Abgeordneten Bōmenthal, Rosenfeld   und Rohmann erteilt hatte, durch Mehrheitsbeschluß als berechtigt anerkannt. Der Ein­spruch der Abgg. Löwenthal und Rosenfeld   wurde von den Sozial­bemotraten, Kommunisten und dem Zentrum, der Einspruch Roß­ manns   auch von der Deutschen Boltspartei gebilligt. Welche Folge rungen wird der vom Ausschuß gerüffefte stellvertretende Borsitzende nun ziehen?

Nationalistensturm gegen Finanzhilfe.

3n Frankreich   und in Deutschland  

Paris  , 6. Februar.( Eigenbericht.)

Die Beteiligung gewiffer französischer Großbanten an der Aufbringung des Zwischentredits von 28,5 Mil­lionen Dollar für Denfschland hat felbstverständlich die franzöfifchen Patrioten zum Protest auf den Plan gerufen. Der Abg. Franklin- Bonillon glaubte es fich schuldig zu fein, in einer Preffeerklärung gegen diesen fchändlichen Bater. landsverrat" zu Felde zu ziehen, der nur die Hiller, Hugenberg und Genoffen in ihren Rüstungen begünftigen fönne. Der real­fionäre Parifer Abg. Dumat hat gegen die Anleihe eine Inter­pellation in der Kammer eingebracht. Auch er bezeichnet es als einen unglaublichen Standal, daß man Deutschland  , das sich bisher feinen Reparationsverpflichtungen systematisch entzogen habe(!) und das nur an Krieg und Revanche dente, auch noch Gelder zur Ber­die Verantwortlichkeit des Ministeriums Steeg   falle. Die Be fügung stellt Dumat glaubt, daß die Kreditgemährung noch unter gierung Laval- Tardien werde fich sicherlich eine Ehre daraus machen. derartige vaterlandsverräterische Finanzoperationen in Zukunft zu unterbinden.

Dieser Entrüftungssturm der französischen   Nationalisten findet feine ergögliche Ergänzung in der nicht geringeren Empörung, die die deutschen   Batentpatrioten bei dem furchtbaren Gedanken an den Tag legen, daß fich Deutschland   vom Erbfeinde" überhaupt Geld leihen könnte. Diese Stimmungsmache hat bereits die Wirkung, daß felbst in der Deutschen Volkspartei, also in der Partei des Reichsaußenministers, der über diese Frage bereits verhandelt hat. die schwersten Bedenken gegen eine Finanzhilfe von Frankreich  bie schwersten Bedenken gegen eine Finanzhilfe von Frankreich  erhoben werden.