zu haben, ohne jedoch vom Präsidenten gesehen worden zu sein. Präsident Löbe: das ist möglich, aber dagegen gibt es das Mittel, fich vorschriftsmäßig schriflich zum Wort zu melden.
Abg. v. Kardorff( D. Bp.) zitiert mehrere Staatsrechtslehrer zum Beweis dafür, daß die Reichsverfassung keine Bestimmung enthalte, nach der die Regierung ein ausdrückliches Vertrauensvotum braucht. Abg. Reinhardt( Matsoz.) bezweifelt die Beschlußfähigkeit. Da aber Nationalsozialisten und Kommunisten den Saal nicht schnell genug verlaffen, stellt Präsident Löbe unter dem Beifall der Mehr heit die Beschlußfähigkeit fest.
Abg. Rippel( Christifoz.): Schuld an der Notwendigkeit, die Geschäftsordnung zu verschärfen, sind jene, die an die Stelle des parlamentarischen Arguments das Schimpfmort und die Drohung gefeht haben. Die Vorlage bezwedt nicht die Mundtotmachung der Opposition; benn
das Recht der freien Rede wird ja gerade heute schon durch den Terror von rechts und links vergewaltigt.
( Präsident Cöbe erteilt megen vieler Störungen Rügen und Ordnungsrufe.) Thr jeßiges Berhalten ist ein Schulbeispiel für meine Behauptung.( Lebhafte Zustimmung der Mehrheit.)
Wieder ein Vertagungsantrag nit Zweifel über die Beschluß fähigkeit. Auszählung ergibt 300 Anwesende. Bertagung abgelehnt. Abg. Cemmer( Staatsp.). Frants Rede mirtte wie ein rhetoriseres Delirium.( Lärm der Nat.- Soz.) Abg. Wolfersdörfer( Nat.- Soz.) ruft: Laufejunge!- Ordnungsruf; Abgeordneter Krause( Nat.- Soz.) wird vom Präsidenten Löbe ausgeschlossen, weil er sich die beleidigende Aeußerung zu eigen gemacht hat.)
Abg. Stöhr( Nat.- Soz.) hält als Barteigenosse der Köpferoller usw. eine Entrüstungsrede gegen Hörfings Worte, daß die Nationalfozialisten vernichtet werden sollten.
Ein Redner der Landvolkfraktion spricht gegen die Entartung der Parlamentarier.
Herr Graef hat meinen franken Freund Dr. Geride so gefchmäht, wie wenn die Deutschnationalen sich nie bemüht hätten, Dr. Gericke bei sich zu halten. Wenn einer außerhalb dieses Hauses so gesprochen hätte, würde ich es als eine Gemeinheit bezeichnen.
Abg. Koenen( Komm.) beschuldigt die Sozialdemokratie, mit dieser Reform die Demokratie zu verraten.
Um 22.15 Uhr schließt die Debatte.
Präsident Cöbe ruft den Abg. Frank 2( Nat- Soz.) wegen der Bürgerkriegsdrohung nachträglich zur Ordnung.
( Gebrüll äußerst rechts.)
Abg. Dr. Frick( Mat.- Soz.) beantragt Bertagung megen Er. Schöpfung der Sigungsteilnehmer. Der Antrag wird abgelehnt, ebenso Anträge auf Ausschußberatung aller porliegenden Anträge. Ein Antrag Esser( 3.), Dr. Leicht( B. Bp.) mill über alle Oppositionsanträge zur Tagesordnung übergeben, einen Teil dem Geschäftsordnungsausschuß überweisen und den Antrag Dr. Bell und Genossen annehmen.
Abg. Dr. Frid( Nat.- Soz.): 3ch beanfrage namentliche Abftimmung.( Ueber was laffen Sie denn abftimmen? Große Hellerfeil.)
Präsident Löbe übergibt den Vorsiz dem Vizepräsidenten Esser, dessen Amtsübernahme von den Kommunisten und den Nationalsozialisten mit imuner milder einsehenden, bielminuten. langem Chor: Schieber!" begleitet mird.
BA
Der Antrag Effer Leicht wird in namentlicher Abstim mung mit 300 gegen 160 Stimmen angenommen.( Beifall ber Mehrheit.) Bizepräsident Effer: Damit ist dieser Gegenstand er ledigt.( Gebrüll der Opposition.)
Um 22.35 1hr beginnt noch eine namentliche Abftinumung über einen handschriftlichen Abänderungsantrag Frid, daß über Miß trauensaniräge nicht Uebergang zur Lagesordnung beschlossen mera den könne. Die Opposition brüllt lange Zeit, daß der Bizepräsident falsch vorgehe, ein Schieber fei ufm
Der erste Vizepräsident Stöhr( Mafos) meist barauf hin, daß
man boch nach ber En bloc Annahme des Antrags Bell nicht noch Menderungsanträge beschließan tänne.
Borsigender Bizepräsident Effer: Wir stimmen erst nach der Er Tebigung dieses Antrags über ben Antrag Bell ab.( gemeines Erstaunen.)
Stöhr überreich Effer vielleicht als uerfenuung eine tafe Neffe, die Effer unter Händeschütteln von Stöhr annimmt. ( Heiterkeit und Beifall rechts.)
Der Henderungsantrag wird mit 286 gegen 173 Stimmen a b. gefehnt. Die Gesamtabstimmung über den Antrag Bell ( Bentrum) ift auf deffen Verlangen namentlich. Borher gibt Stöhr ( Na foz.) die Erflärung ab, daß feine Graftion sich aus Pro'eft an Dieser Schlußabstimmung nicht beteilige. Alle fünftigen Beschlüsse des Hauses felen verfassungs. und gefeßwidrig.( Gelächter ber mehr. heit. Die Nationalfozialisten produzieren erst einen Sprechchor, rufen dem Bizepräsidenten Effer zu Oberschieber" und fingen ein Marschlied. Die Kommunisten pfeifen und rufen dann im Chor dreimo: Hiler verrede, Prolet erwache!"- Die Michrheit nimmt diefe Darbietungen mit gelaffener Seiterfeit auf, die sich aber Steigert, als nunmehr auch
1
Abg. Stöder( Romm.) erflärt, daß seine Fraktion der Schlußabstimmung fernbleibe.
Der Untrag Beff wird in namentlicher Abstimmung mit 303 Stimmen angenommen. Alle Gegner der Reform haben den Saal verlassen. Bährend der Abstimmung schreit ein Tribünenbesucher in den Saal:„ Es ist Polizei im Haus." Er wird entfernt.
-
Rächster Tagesordnungspunkt! Präsident Cobe übernimmt unter Beifall den Vorsiz wieder. Che noch die Opposition wieder im Gaal ist, beschließt bie Mehrheit Aenderung des Prekoefetes( Ber die folgenden beiden Punkte bot für Abgeordnete, verantwortlich zu zeichnen) und Immunitätsfälle gemeinsam zu erledigen. Bräsident Cöbe slägt zunächst eine halbe Stunde Redezeit vor, befürwortet dann aber den Vorschlag Stöhr( Nat.- S03.) auf eine Stunde. Stöder( Romm.) verlangt wegen der großen Zahl der Immunitätsfälle drei Stunden Redezeit.( Heiterfeit.) Es wird eine Stunde beschlossen.
Schwieriges Problem.
BEGEHREN VOLKS
Sichthe
ZYX
Als Stahlheimer werdet Ihr doch auch unser Boitsbegehren unterzeichnen, damit die 20 000 Unterschriften zusammenkommen."
Bird schwer halten gnä' Herr! Wir sind erst im Handgranatenwerfen ausgebildet, aber noch nicht im Schreiben."
Hendersons Appell an die Völker.
Sie sollen die Regierungen zur Abrüstung zwingen.
London , 9. Februar( Eigenbericht).
Einer Einladung der englischen Settion der internationalen Frauenliga folgend sprach am Montagabend in London Außen minister Senderson in einer öffentlichen Bersammlung über brüstung und Frieden. Selten find von einem Außen. minister solche Wahrheiten an die Regierung, Politiker und Bälter gerichtet worden.
Beginnend mit ber brüstungsfrage erflärte Henderson, diese Frage sei zum Angelpunkt after inneren und äußeren Bolitit gemorben Dle porbereitende brüftungstommiffion habe bie Basis gefchaffen, port ber aus bie Arbeiten für ble Entwaffnung beginnen die tönnten. Die Sternfrage fel febod) bie, ob es bie einzelnen Regierungen mit der Abrüftung auch ehrlich meinen oder nicht. Aes hänge jest von der öffentlichen Meinung und dem Willen
Der Bölfer ab.
Die Regierungen hätten zu tun, was die Bölfer wollen. Wenn die Völker den Frieben wünschten und die Abrüstung, so würben fle befriedigende Resultate haben. Die Mitglieber ber Frauenliga und alle pasifistischen Organisationen hätten jetzt ein Jahr Beit, um die Böller zu mobilisieren. Nie vorher habe es eine falche Gelegenheit gegeben und vielleicht nie wieder würde es eine solche Gelegenheit geben, um den Regierungen, ben Bolitikern und Staatsmännern zu zeigen, daß die Völker wirklich den Frieden lieben und wünschen.
Henderson fuhr fort: Sollten die Böller wirklich vergessen haben, was der Krieg an Zerstörung bedeutet
Haben die Völker die zehn Millionen Verwundeter vergessen, die im legten Krieg gefallen find?
Saben sie die 20 millionen Berwundeter vergeffen und missen fte nicht, daß immer noch die Krantenhäuser gefüllt sind mit ben Berstümmelten aus dem legten Strieg? Millionen find an ben diretten Folgen des Krieges in der Heimat gestorben. Der nächste Krieg wird ein Giftgastrieg fein, gerichtet gegen die 3ivil bevölkerung und es wäre ein internationales Ber brechen, wenn die Bölfer nicht vor den Folgen eines solchen Strieges gewarnt würden. Der einzige Weg, den Barbarismus zu beenden, ist der, den Krieg unmöglich zu machen.
Die Weltwirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit, die Hungernden und Frierenden unserer Tage, das alles find noch die Folgen des vergangenen Krieges,
abgerüstet hätte und diese Summen für soziale Bohlfahrt und für Wirtschaftszmede verwendet werden könnten. Europa ist heute noller Schmierigkeiten. Der Schlüssel zur Lösung aller wirtschaftlichen und politischen Fragen liegt aber in der Abrüstung. Bevor nicht abgerüstet. wird, tann man teine neue soziale Ordnung in Europa schaffen, und deshalb ist es Pflicht der Frauen in jebem Lande, ihre Stimme zu erheben und immer wieder der Regierung und den Staatsmännern zu zeigen, daß die Bälter bereit sind zum Frieben, und daß Kräfte in der Welt vorhanden sind, die einen Arieg verhindern wollen."
Rußland gegen Genf als Abrüffungefonferenzorf.
London . 9. Februar.( Clgenbericht.)
Außenminister Senderson etärte in der Montagsigung bes Unterhauses auf eine Anfrage, die russische Regierung fai bereit, einen attinen Anteil an der brüstungs. tonferenz zu nehmen. Sowjetrußland wünsche jedoch nicht burch den Bölferbund, sondern bireft durch die Abrüstungs fommission eingeladen zu werden. Außerdem dürfe Genf night der Ort der Tagung sein.
Einschränkung amerikanischer Rüffunasauscaben.
Washington , 9. Februar.( Eigenbericht.)
Der neue Militär- und Marineetat der Vereinigten Staaten zeigt eine Ausgaben minderung um rund 150 Millionen Mart. Bler Schlachtschiffe werden aus der Flotte zurüdgezogen. Die Marineflärte wird um 500 Mann vermindert.
Külz Oberbürgermeister von Dresden .
Eine Niederlage der Reaftion.
Dresden , 9. Februar.( Eigenbericht.) Bei der heutigen Oberbürgermeisterwahl ertämpfte die Binfe einen vollen Sieg. Schon im erfien Wahlgang brachten die Staatspartei, die SPD. und das Zentrum ihren Kandidaten, den staatsparteilichen Reichsinnenminister a. D. Dr. Sülz, burch. Er erhielt 35 Stimmen dieser Parteien und 1 Stimme eines Mitgliedes ber Wirtschaftsgruppe, insgesamt 36 Stimmen, während der Kandidat der Reaktionsparteien, der volksparteiliche Schwerindustrielle Syndifus Dr. Most in Duisburg , der früher dem Reichstag angehört hat, nur 28 Stimmen auf sich vereinigen fonnte. Det tpmmunistische Stadtverordnete Stolt- Berlin erhielt nur 6 Stimmen der APD. Außerdem gaben 4 Mitglieder der Wirtschaftsgruppe weiße Bettel ab, da sie sich mit dem Vorschlag Most nicht befreunden 4 Wirtschaftsparteiler jogar für Niederlage erlitten, doch ist es ihnen geglückt, die verschiedenen Stadtratswahlen, die im Zusammenhang mit der OberbürgermeisterAbg. Rupp( RS.) zitiert scharfe Aeußerungen aus der ranten, fönnen wir diese Weltwirtschaftskrise beseitigen. wahl vorgenommen werden sollten, und bei der der SPD . 2 StadtSpaltungszeit der Sozialdemokratie unseren ermordeten Genoffen England gibt jährlich 115 Millionen Pfund für das Kriegsratsposten zugedacht waren, bis auf weiteres zu verschieben. Hugo Haase nennt er einen Landesverräter.( Bfui- Rufe bei der budget aus. Was tönnte damit geschaffen werden, wenn England Indessen dürfte auch hier noch ein Erfolg der Linken erzielt werden. Sozialdemokratie.)
den die Arbeiter von 1914 bis 1918 mit ihrem Blut und Leben
Nachdem Abg. von Kardorff( D. Bp.) als Antragsteller für die bezahlen mußten, und dem sie jezt immer noch durch ihre heutigen Rülz stimmen wollen. Die Rechtsparteien haben also eine gründliche Leiden tributpflichtig sind. Nur durch eine internationale ofonoLeiden tributpflichtig sind. Nur durch eine internationale öfono mische Zusammenarbeit, durch Niederlegung der 3011
Vorlagen eingetreten war, wurde ein Antrag Torgler ( Komm.) auf Ausschußberatung in namentlicher Abstimmung mit 296 gegen 191 Stimmen abgelehnt.
Abg. Diffmann( Soz.) schildert die endlosen brutalen Berfolgungen der sozialdemokratischen Presse im faiserlichen Deutsch land, wogegen die ungleich gehässiger schreibende Nazipresse geradezu mild behandelt wird. Besonders die Drangsalierung der Magde burger Boltsstimme" führt Dittmann vor, ebenso wie seine eigene Auslieferung und schwere Verurteilung im Kriege und den Essener Meineidprozeß gegen Schröder und Genossen, den Löbtauer Krawall prozeß usw. Lächerlichkeiten sind die Berfolgungen" der Nationalfozialisten heute dagegen, wir aber haben nicht fortwährend nach Amnestie geschrien, und haben, trog aller Verfolgungssucht 1912, als mir 10 Don 393 Abgeordneten maren, ganze fechs Einstellungsanträgestellt, davon vier zugunsten bürgerlicher Abgeordneter.
Wir geben auch den Staatsanwälten durch unsere Schreibweise ungleich weniger Gelegenheit, gegen uns Strafanträge zu stellen. Heute aber liegen gegen einzelne Natjos. bis zu 35 Strafanträge vor, und von ihnen Hunderte Einstellungsanträge. So mißbrauchen Sie die Immunität! Bei dieser Massenhaftigkeit
( Kommunist.)
fann man von einer ernsten Beeinträchtigung der Rechtsgleichheit| Sigung abgelehnt. Bei Redaktionsschluß spricht Abg. Schumann- Thür. im Lande sprechen, wenn jedes M. d. R. vier Jahre lang ununter brochen straffrei bleiben soll.
Die Demotratie fann Rechte nur dem geben, der die Pflicht refpeftiert, sich der Mehrheit zu fügen und im Meinungskampf menschliche Gesittung zu bewahren, seinen Mitmenschen nicht als Spudnapf zu benutzen.
Im Mutterlande der Demokratie, in England, gibt es teine 3mmunität für gemeine Straftaten, das Parlament felbft tann feine Mitglieder ins eigene Gefängnis steden.( Geschrei der Nationalsozialisten und der Kommunisten.)
( Man erwartet den Schluß gegen 3 Uhr morgens.)
Sapru und neun andere Delegierte der Londoner Konferenz trafen am Montag in Bombay mit Gandhi zu einer vier Stunden dauernden Aussprache zusammen. Das Ergebnis wird geheim gehalten.
Franco- Bortrag in Paris verhindert. Der spanische revolutionäre Fliegermajor Franco follte am Donnerstagabend im Festsaal der Sie( zu den Nationalsozialisten) verlangen für sich Beleidigungs- Europe Rounelle" einen Bortrag über die Lage in Spanien halten, und Schimpffreiheit; die darf Ihnen der Reichstag aus Selbstachtung nicht gewähren. Reichstag werde hart!( Beifall bei der Mehrheit.)
Um 0.25 Uhr wird ein Antrag Stöhr( Naffo3.) auf Schluß der
Im letzten Augenblick mußte der Vortrag auf acht Tage ver schoben werden, da, wie die radikale Republique" mitteilt, sich gewisse diplomatische Einflüsse geltend gemacht hätten, um Franco am Sprechen zu hindern.