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gegen das pveustische Vereuisgesetz schuldig gemacht haben, »'eil sie miteinander in Verbindung getreten seien. Die Wahlvereine hätten sich nicht auf die Vorbereitung von that- sächlich anstehenden Wahlen beschränkt, sondern seien außerhalb der Wahlzeit politisch thätig gewesen. Auch die Preßkoinmisston sei ein politischer Verein, denn sie halte über denlokalpolitischen" Theil desVorwärts" Kontrolle zu üben. Die Agitations- konunisston für die Provinz Brandenburg   hatte die Ausbreitung sozialdemokratischer Ideen auf dem Lande in die geeigneten Wege zu leiten. Die Lokalkommissio» ermittelte die Ga'stwirthe, welche ihre Säle zu politische» Bersamoilungen hergaben, veröffentlichte die Namen dieser Gastwirthe und warnte vor den andern. Die Parteileitung war nach den 1316 des Organi- sationsstaluts, das auf dem Parteitage zu Halle 1890 genehmigt worden ist, eingerichtet und bestand aus zwei Vorsitzenden, zwei Schriftführern, einem Kassirer und sieben Kontrolleure». Sie besorgte die Partcigeschäfte, kontrollirte die Parteizeitungen, berief die Parteitage. Daß sich der Patteivorstard selbst als ein politischer Verein ansah, soll aus einem sogenannten geheimen Zirkular hervorgehe», das an alle Vertrauenspersone» vom Parteivorstande verschickt worden ist und bei den der Lrganisationsauflösung vorangegangene» Massenhaussuchungen hier und da gefunden worden ist. Von den Vertrauens- Personen aber sagt die Anklage, sie seien lediglich um das Gesetz zu umgehen geschaffen worden, oder um doch eine Verbindung zwischen den einzelnen Vereinen zu ermöglichen. In dem erwähnten Zirkular seien die Vertrauenspersonen allerdings ausdrücklich ge- warnt worden, mit den Wahlvereinen in Verbindung zu treten. In Wirklichkeit sei das aber doch geschehen. Das Material für das verbotene angebliche Jnverbiudung- treten der politischen Vereine hat die Polizei durch zahlreiche Spitzel beschafft, die eine große Anzahl von Zusammen- küuften und de» Verhandlungsstoff bei diesen Zusammen- künften a u s s p i o n i r t habe», außerdem sind als Be- lastungsnmterial Mittheilungen desVorwärts", Parteitags- Protokolle und vor allem eine Menge bei de» Haussuchungen be- schlagnahmte Listen, Quittungsbücher, Sammelbons w. herbei- geschafft worden. Ueber die Parteileitung istermittelt" worden, daß auf dem Parteitage z» Breslau   iin Oktober 1395 die Ab- geordneten Bebel und Singer als Vorsitzende, der Abgeordnete Auer und Pfannkuch als Schriftführer, der Abgeordnete Gerisch als K'assirer und der Gastwirth Theodor Mehner als i» Berlin  ansässiger Kontrolleur gewählt ivorde» sind. Tie übrigen Kontrolleure wohnen außerhalb Berlins   und deshalb bildete» die eben genannten Personen einen besonderen Vorstand. Da ihre Thätigkeit auf einem gemeinsamen Willen beruhte, so soll jeder einzelne auch für die gesammte Thätigkeit des Vorstandes verantwortlich sein. Der Vorstand habe von einer großen illnzahl Vereine Geldbeiträge in Empfang genommen, und feiner- seits wieder an andere Unterst ü tz u n g e» gewährt, sagt die Au- klage und zum Beweise verweist sie auf die vom Parteivorstand herausgegebene Uebersicht der offiziellen Beiträge der einzelnen Wahlkreise. Es liegt hier ein offenbarer Widerspruch vor, de» die Verhandlung sehr bald aufklären dürste. Denn die Beiträge aus den einzelnen Wahlkreisen sind freiwillige Geldspenden aus dem großen Kreise der Partei- Anhänger, deren Zahl 29 und 39 Mal größer ist als die Zahl der in den Wahlvereinen o r g a u i s i r l e n Mitglieder. Diese Mitglieder zahlen wohl auch Vereinsbeiträge, aber der Partei- vorstand hat sich natürlich in jeder Beziehung gehütet, von diesen regelmäßigen Vereinsbeiträgen nur einen Pfennig in die Parteikasse fließen zu lassen. Die Anklage sagt weiter. Gerisch rvar Kassirer, aber Auer und Pfannkuch hätte» öfters vertretungs- weise Gelder in Empfang genomtnsn. In derselben Weise wie jetzt Gerisch habe früher Bebel   die Kaffengeschäfte geführt. Auch mit der Preßkommissio» habe der Vorstand Ver- biudnng unterhalten. Bei Auer sind Briese beschlagnahmt worden, aus denen diese Verbindung und solche mit anderen Vereinen hervorgehen soll. Bei Singer ist ein Schreiben des Arbeiter- Bildungsvereins Furtwangen   beschlagnahint worden, ans das er eigenhändig die verrätherischen Worte geschrieben hatte:Der neuen Parteileitung Überwiesen." Interessante Aufschlüsse werden die Polizeibeamten über die sogenannte K o r p o r e- O r g a n i s a t i o u geben müssen. Wie die Anklage ausführt, hat die Polizei nämlich ermittelt, daß neben der öffentliche» Organisation eine innere Organisation besteht, welche vor dem Polizei- Präst- dünn geheim gehalten, aber von den Ä e r- traue nspersonen geleitet wird. Diese innere Organisation soll für den Fall der Auflösung der öffentlichen Organisation gebildet worden sein und soll die Leitung der Partei-Angelegen- heilen auch sofort nach der Schließung am 29. November über- nommeu haben. Ihre geheime Thätigkeit soll sich auf die Ver- Handlung interner Partei-Angelegenheiten, auf die Verhandlung über Beschwerden privater Natur, die Verbreitung verbotener Schriften u. s. w., namentlich aber auf die Vorbereitung der Wahlen für die Vorstände und die Parteitags- delcgirten erstreckt haben. Die Vertrauenspersonen sollen vielfach zusammen gekommen sein und die Polizei hat 15 solcher Zusanimenkünfte ermittelt. Staatsgefährliche Dinge sind in diesen Zusammenkünften nicht verhandelt worden, sehr hänsig handelte es sich nur um die Bestellung von Diese- renten für Versammlungen oder um Beschwerden ganz privater Natur, die sich zur Erörterung in öffentlichen Versammlungen nicht eigneten. Andere als solch harmlose Verhandlungsstoffe hat nach der Anklage die Polizei nicht auszukundschaften vermocht. Immerhin muß der polizeiliche Apparat recht gut sunktionirt haben, denn es sind sogar polizei- licheVertrauenspersonen" ganz genau von Besprechungen unterrichtet worden, die in den Expeditions- und Redaktionsräumen desVorwärts" stattgefunden haben und es ist nicht nur der sogenannte Beralhnngsgegenstaud ermittelt, fondern sännntliche Theilnehmer der Besprechungen fignriren namentlich in der Anklageschrist. Den Vertrauenspersonen wird zur Last gelegt, daß sie sehr oft Versammlungen einberufen haben, an denen sich auch Mitglieder anderer Vereine betheiligt habe». Als sehr b e> lastend wird ihnen die Depesche ausgelegt, die sie am 2. September 1895 an die französischen   Sozial- d e in o k r a t e n in Paris   gerichtet haben. Die Anklage will ferner den Beweis liefern, daß an den Sitzungen der P r e ß k o m m i s s i o n regelmäßig Mitglieder des Partei-Vorstandes theilgenonimen haben. Aus einem bei Antrick beschlagnahmten Schrifistück soll schließlich hervor- gehen, daß die Wahlvereiue einzelnen Vertrauenspersonen Geld- betrügezur Agitation" überwiesen haben. Auch das soll eine» Beweis für die Unterhaltung einer strafbare» Verbindung ab- geben. Die Anklage wegen Vergehens gegen das Vereiusgeseh ist nun gegen sämmlliche Mitglieder des Parteivorstandes, gegen die Vorsitzenden der Preß-, Agitations- und Lokalkommissio», gegen die Vorstände der sechs Wahlvereine und gegen sämmt- liche Vertrauenspersonen erhoben worden. Im ganzen zieren 47 Personen die Anklagebank, und zwar I. der Reichstags-Abgeordnete Ignatz Auer; 2. der Reichs- tags-Abgeordnete August Bebel  ; 3. der Reichstags- Abgeordnete Paul Singer  ; 4. der Parteisekretär Tischler Wilhelm Pfannkuch  ; 5. der Reichstags- Abgeordnete A l b i n G e r i s ch; 6. der Restaurateur Theodor Mehner; als Mitglieder deS Parteivorstandes. 7. Drechslergeselle Franz Hoch; 8. Buchdruckereibesitzer Karl D immick; 8. Glasermeister Karl Scholz als Vorstände der Preß-, Agitations- und Lokal- kommission. 19. Hausdiener A r thur Pohlitz; 11. Klempner Karl P e t e r m a n n, als Vorsitzender und Kassirer des Wahlvereins im 1. Wahlkreise; 12. Schneider August T ä t e r o w, 13. Bier- schänker F r i e d r i ch F e l g e n t r e ff, als Vertrauenspersonen im I.Wahlkreise: 14. Zigarrensabrikant Otto Älntrick, 15. Schuhmacher Ernst Lange, 16. Tischler Paul Griese. als Vorsitzender, Schriftführer und Kassirer im Wahlverein des 2. Wahlkreises; 17. Gastwirth Hermann Werner, 13. die Gürtlerfrau E m ni a S ch o l tz, 19. Tischler Wilhelm S ch l i ch t i n g, als Vertrauenspersonen im 2. Wahlkreise; 29. Gelbgießer O t t o K r ä k e r, 21. Arbeiter Oskar Mahle, 22. Töpfermeister Albert H a r n d t als Vorsitzender, Schrift- führer, Kassirer im Wahlverein des 3. Wahlkreises. 23. Tischler  - geselle Wilhelm Georgi, 24. Tifchlergeselle Stephan Fritz als Vertrailenspersonen des 3. Wahlkreises. 25. Schank- wirth W i l he l m E r b e. 26. Tischlergeselle Adolf Runge, 27. Schankwirth O t t o Z a b e l als Vorsitzender, Schristführer und Kassirer im 4. Wahlkreise. 23. Schankwirth Heinrich B a u m g a r t e n, 29. Tischlergeselle Franz Thielke, 39. Strumpfwirker Robert Wengels, 31. Rohrleger Wilhelm G u r t s ch k e, 32. Schriftsetzer Franz Sckulze, 33. Schankwirth Hermann Bolze, 34. Näherin Ottilie Baader   als Vertrauenspersonen im 4. Wahlkreise. 35. Zigarrenhäudler Robert Drescher, 36. Pantinenniacher Robert Richter als Vorsitzender und Kassirer des Wahl- Vereins im 5. Wahlkreise; 37. Maler P a u l H ü b n e r, 33. Schrifiseyer Karl T e u s e r t als Vertrauenspersonen im 5. Wahlkreise; 39. Schriftsetzer Eugen Ernst  , 40. Zigarren- arbeiler Max Kiesel, 41. Arbeiter Emil Schumann. 42. Tischlergeselle Paul K r ö h n als Vorsitzender, früherer Vorsitzender, Schriftführer und Kassirer des Wahlvereins ini 6. Wahlkreise; 43. Schankwirth Johann P f a r r, 44. Schank- wirth Richard Aug» st i n, 45. Gerbergeselle Wilhelm Brink in an», 46. Barbier Karl Wilhelm H e l b i g. 47. Milchhändler Friedrich W a s ch o w s k y, als Vorstands- Personen im 6. Wahlkreise. Die beiden Frauen sind angeklagt, als Frauen einem politischen Verein als Mitglieder augehört zu haben. Historisches Interesse dürften die Vorstrafen einiger An- geklagten erwecken. So ist Abg. Auer 1873 wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung mit 39 Thalern eveut. 19 Tagen Gefängnis; bestraft worden; außerdem 1381 wegen Vergehens gegen das Sozialistengesetz mit 29 M. event zwei Tagen Haft, 1836 durch Urtheil des Landgerichts Freiberg   wegen Theilnahme an einer geheimen Verbindung mit 9 Monaten Gefängniß. Bebel  ist vorbestraft vom Bezirksgericht Leipzig   wegen Verbreitung staatsgefährlicher Lehren mit 3 Wochen Gefängnlß. 2. Vom Schwurgericht Leipzig   1872 wegen Vorbereitung znm Hochverrath mit 2 Jahren Festung. 3. Vom Bezirksgericht Leipzig   1872 wegen Majestätsbeleidiguug mit 9 Monaten Gefängniß. 4. Vom Stadtgericht Berlin   1877 wegen Beleidigung des Reichskanzlers mit 6 Monaten Gefängniß. 5. Vom Landgericht Leipzig   1831 wegen Beleidigung des Bundesraths und Verächtlichmachung von Staatseinrichtungen mit 2 Monaten Gefängniß. 6. Von dem- selben Gericht 1863 wegen Verächtlichmachung von Staats- einrichtuugen mit 4 Monaten Gefängniß. 7. Vom Landgericht Mannheim   am 1. Juli 1386 wegen Vergehens gegen das badische Vereinsgesetz mit 15 M. Geldstrafe und 8. vom Landgericht Freiberg   wegen Geheimbündelei mit 9 Monaten Gefängniß. Abg. Singer ist noch nicht bestraft, ebenso noch 21 der Mit- angeklagten. Tie übrigen sind sämmtlich wegen politischer Ver- gehen, Gewerbekontravention und groben Unfugs vorbestraft. Hauptzeugs wird der Kriminalkommissar Schöne sein, außerdem eine Anzahl Kriniinalschutzlenle. Den Vorsitz im Gerichtehofe führt Landgerichtsdirektor K a e l l e r, die Anklage vertritt Oberstaatsanwalt Drescher. Als Vertheidigcr fuugiren Justizrath August M u n ck e l und die Rechtsanwälte Wolfgang Heine   und H e r z s e l d. Bemerkt sei noch, daß die angeklagten Reichstagsmitgliedcr auf ihr Recht, das Verfahren von der Genehmigung des Reichs- tags abhängig zu machen, verzichtet haben. Tie Verhandlung findet im großen Schwnrgerichtssaal statt. Tie Angeklagten werden außer auf der Anklagebank auf den Geschworenenbänken und auf Stühlen, die vor den Geschworenen- bänken stehen, placirt. Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Kaeller, eröffnet die Sitzung um DVt Uhr mit dem Aufruf der Angeklagten. Es sind säuimtliche 47 Angeklagte erschiene». Es werden die Zeugen aufgerufen. Nachdem sie auf die Be- deutung des Eides hingewiesen sind, werden sie für de» heutigen Verhandlungstag entlassen und auf morgen früh bestellt. Die Angeklagten werden zu den Personalien vernommen und bestätigen die Angaben der Anklage. Der Angeklagte Antrick berichtigt, daß er nicht unbestraft, sondern mit drei Tagen Haft wegen des Ausbringeus eines Hoch auf die revolutionäre Sozial- bemokratie vorbestraft sei. Vors.: Wohl grober Unfug? Antrick: Es ist wohl so bezeichnet worden. Vors.: Ich beabsichtige die Verhandlungen in folgender Weise zu leiten. Ich werde über die allgemeinen Gesichtspunkte den Abg. Auer befragen. Ich mache daraus aufmerksam, daß es sich hier lediglich um eine Ueberlretung des Vereinsgesetzes handelt und bitte die Angeklagten, alles politische zu vermeiden. Ich werde solches nicht dulden. Die übrigen Angeklaglen bitte ich, dem Verhör mit dem Angeklagten Auer genau zu folgen. Ich werde später jeden einzelnen nach seiner persön- lichen Thätigkeit fragen. Verlheidiger Jnstizrath Munckel: Ich mache darauf auf- uicrksam, daß nach dem Erüffnungsbeschluß der Tdatbestand des Z 8 des Vereinsgesetzcs nicht erfüllt ist. Der Z 8 verlangt die Feststellung des Handelns zu gemeinsamen Zwecken. Diese beiden Worte fehlen im Eröffnungsbeschluß, dieser handelt also von einem Vergehen, daß keines ist und ich bin der Meinung, daß wir nicht verhandeln. Staatsanwalt Schweiger: Ich gebe zu, daß die Wortezu gemeinsamen Zwecken" fehlen. Ich halte das aber für so unwesentlich, daß deshalb nicht die ganze Verhandlung in Frage gestellt werden kann. Eventuell kann der Fehler ja durch einen Nachtrag wieder gut gemacht werden. Jnstizrath Munckel: Ich halte es für unzulässig, nach- träglich die Worte einzufügen, nachdem im ganzen Versahren mit keinem Wort die Rede davon gewesen ist. Außerdem halte ich die Feststellung, ob eine Handlung zu gemeinsamen Zwecken ge- schieht, für so wesentlich, baß ich das Eintreten in eine Ver- Handlung für unzulässig halte. Vors.: Haben die übrigen Herren Vertheidiger etwas an- zuführen? Nechlsamvalt Heine: Ich äußere mich zu dieser Sache nicht. Rechtsanwalt Herzfeld: Ich schließe mich den Aus- führungen des Herrn Kollegen Munckel an. Vors.: Dann wird sich der Gerichtshof zur Berathung zurückziehen. Es ist uiizweifelhast, daß die Wortezu gemeinsamen Zwecken" fehlen, dieser Mangel kann aber, wie das Reichsgericht wiederholt festgestellt hat, durch Ergänzung ausgeglichen werden. Wir haben die Ergänzung beschlossen und machen die Angeklagten aus den nunmehr veränderten rechtlichen Gesichtspunkt auf- merksam. Es fragt sich nur noch, od wegen dieser Veränderung eine Vertagung beantragt wird. Jnstizrath Munckel: Ich enthalte mich jedes Antrages auf Vertagung, mache aber darauf aufmerksam, daß eine Ver- änderung des rechtlichen Gesichtspunktes nicht stattfinden kann, wenn vorher gar kein rechtlicher Gesichtspunkt, keine strafbare Handlung vorlag. Vors.: Ich beginne also mit dem Verhöre. Die sechs Wahlvereine bilden hier die Grundlag« der Organisation? Auer: Nein, die Grundlage bildet das Statut, das in Halle genehmigt worden ist. Hier in Berlin   besteht in jedem Wahl- kreise je ein Wahlverein. Vors.: Nun behauptet die Au- klage, es besteht neben der öffentlichen Organisation noch eine geheime. Geben Sie das zu. Auer: Nein, das ist absolut falsch. Vors.: Stehen an der Spitze der Wahlvereine Ver- trauensinänner? Auer: Nein, im Gegentheil, sie haben mit der Führung der Geschäfte in den Vereinen absolut nichts zu thun. Vors.: Wie steht es mit den Revisoren. Auer: Sie sind keine dauernde Institution, sie werden gewählt zur Kassenkontrolle und üben diese von Zeit zu Zeil   aus. Vors.: Was halte die Agitation?- und Preß- kommission zu thun? Auer: Die Agitationskommission hatte für die Ausbreitung sozialdemokratischer Ideen in der Provinz Brandenburg   zu sorgen. Die Preßkommission hat eine gewisse Kontrolle über denVorwärts" auszuüben bezüglich der Ver- sammlungsberichte und der Inserate. Sie hatte über Beschwerden zu entscheiden. Die Lokalkommission hatte die Saalfrage zu regeln. Vors.: Jeder Wahlverein hatte einen Vorstand? Auer: Ja wohl, selbstverständlich. Vors.: Wie regelle sich der Verkehr der Parteileitung mit den Wahlvereinen? Auer: Die Wahlvereine standen in gar keiner Verbindung mit der Parteileitung. Wir verkehrten nur mit den Vertrauens» leuten, die unserer Anschauung nach mit den Wahlvereinen nichts zu thun haben. Vors.: Wie steht es nun mit der geheimen Organisation? Auer: Ich bestreite das Bestehen einer solchen. Hätte die Polizei auch nur geringe Anhaltspunkte für eine solche, so würden wir uns wohl hier nicht blos wegen eines Vergehens gegen das Vereinsgesetz zu verant- worten haben. Ich bitte beide Organisationen streng zu scheiden. die allgemeine Partei- Organisation, die sich auf das System der Vertraueusmäniier gründet, und die Organisation der Wahl- vereine. Der Vorsitzende verliest die Statuten der Wahlvereiue in den sechs Berliner   Reichstags-Wahlkreisen. Vors.: Ist Ihnen etwas über die Aufbringung der Gelder in den Wahlvereinen bekannt? Auer: Darüber geben die Statuten Auskuust. Ich bezahle meinen Beitrag, ich nehme an, daß auch die übrigen Mitglieder das thun. Es ist möglich, daß auch Feste arraugirt worden sind. Vors.: Jedes Mitglied bekam ei» Mitgliedsbuch? Auer: Jawohl, darin wurde der Monatsbeitrag gebucht. Vors.: Wer sind die Vertrauens- Personen? Auer: Die Vertrauenspersonen sind einzelne Per- sone», denen die Vertretung der Gesammtiiiteressen der Partei obliegt. Der Vorstand muß doch auch mit den einzelnen Partei- genossen verkehren dürfen. Die Parteileitung muß alio einzelne Vertrauensleute haben, um auf die Partei einzuwirken, da sie mit den Vereinen nicht in Verbindung treten darf. Die frei- sinnige Partei nennt diese Leute Korrespondenten, die deutschkonservative Partei   ebenfalls Vertrauenspersonen. Ohne dieses System ist jeder politischen Partei die Thätigkeit unterbunden. Die Vertraueusmäniier sind ein Aushilssmiltel gegen das Vereinsgesetz. Vors.: Die Anklage behauptet nun, die Vertrauenspersoneii sollten den Verkehr mit den Vereinen ermöglichen. Auer: Mit den Vereinen suchte die Partei- leitung gar keine Verbindung, nur mit der Partei an sich. Ich mache darauf aufmerksam, daß die sechs Berliner   Wahlvereine znsaminen nicht über 19 999 Mitglieder hatten, während die Partei an sich über 199 999 Mann verfügt. Vors.: Die Anklage behauptet doch nun. die geheime Organisation bestände. um im Falle der Auflösung der öffentlichen Organisation die Geschäfte weiter zu führen. Auer: Ja, das»st so eine Be- Häuptling in der Anklage, für die ich aber jeden Beweis vermisse. Vors.: Die Anklage will de» Beweis für die geheime Organisation darin gefunden haben, daß sie verschiedentlich« Zusammenkünfte entdeckt hat. Auer: Ich bestreite die Zu- samnieukünste nicht, es sind eben Zusammenkünfte«.ck hoc, um Dinge privater Natur zu besprechen, deren öffentliche Be- sprechung nicht angängig ist. Solche gelegentlichen Znsammen- künste kann doch keine Partei entbehren. Ich verweise aus die Vorgänge in der konservativen Partei, den Fall Hammerstein, den Fall Stockei; diese Dinge sind auch nicht in öffentlichen Versammlungen verhandelt worden. Das ist doch ganz natür- lich. Vors.: Sie behaupten also, es waren nur gelegentlich« Besprechungen. Auer: Jawohl. Vors.: Was wissen Sie von denKorpore-Sitzungen? Auer: Ich könnte sie ja bestreiten.ich gebe aber zu, in der Zeit des Sozialistengesetzes, wo öffentliche Ver- sammlungen unmöglich waren, nannte man die geheimen Zu- sammenkünste mit diesem wunderlichen Namen. Es ist möglich, daß jetzt, wo diese Zusammenkünfte ja erlaubt sind, der alte Name»och manchmal gebraucht wird. Vors.: Die Ver- trauensleute sollen diesen Sitzungen vorgesessen haben. Auer: Ich weiß das nicht, möchte aber bestreiten, daß es der Fall war. Bezüglich der geheimen Organisation möchte ich darauf hinweise», wie tböricht es wäre, eine geheime Organisation deshalb zu unter- halteff, um im Falle der Auflösung eines Vereins die Geschäste weiter zu sühreu, wo doch garnichts iin Wege steht, daß sich nach der Auslösung des einen Vereins sofort ein neuer Verein bildet. Ich meine, wir müßten dumme Kinder sein, wenn wir aus solchen Gründen den Apparat einer geheimen Organisation unterhalten sollten, der uns in die allerstärksten Kollisionen mit dem Gesetz bringen könnte. Vors.: Die Vertrauenspersonen haben sich nun öfter geeinigt, so zur Abfassung einer Depesche. so zur Abhaltung von Arbeitslosen-Versammlungen. Auer: Gewiß haben solche gemeinsamen Besprechungen stattgehabt. Wen» man aus solchen gelegentliche» Zusammenkünften bestimmter Personen gleich einen Verein konstruiren will, so sind wir ohn- mächtig. Vors.: Es handelt sich nicht um vereinzelte solche Besprechungen, sondern um häufige Zusammenkünfte. Auer: Ja, die Partei besteht eben und da findet sich oft Stoff und Gelegenheit zu solch gemeinsamen Besprechungen. Der Vorsitzende verliest das sogenannte geheime Zirkular, das den Vertrauenspersonen Anweisungen ertheilt, damit sie keine Verstöße gegen das Vereinsgesetz begehen. Angeklagter Auer be- kennt sich� als Verfasser des Zirkulars; ich bin überrascht zu hören, daß der Inhalt so ausgelegt wird, als wollten wir auf diese Weise nur das Gesetz umgehen. Nein, um das Gesetz zu rcspekliren, um die Verbindung mit den Vereinen zu vermeiden. haben wir die Vertrauensmänner eingerichtet und die Anweisung an dieselben erlassen. Ich verweise aus das Organisationsstatnt der freisinnigen Volkspartei und der deutschkoilservativen Partei, sie enthalten gleiche oder ähnliche Bestimmungen.(Angekl. verliest die betreffende Stelle.) Vors.: Jawohl, es entstände hier aller« dings die Frage, ob nicht auch diese Stellen anders aufzufassen sind und ob nicht die anderen Parteien sich auch strafbar gemacht haben. Das iuleressirt uns aber nicht. Hier haben wir es mir mit Ihrer Partei zu thlin. Auer: Jawohl. Ich wollte Ihnen nur zeigen, daß keine politische Partei, will sie sich nicht lahmlegen lassen, solche Bestimmungen in der Organisation enl« behren kann. Es tritt eine kleine Pause ein. Vors.: Die Anklage hält nun alle die schon bezeichneten Vereine für politische. Was ist Ihre Ansicht? Halten Sie die Wahlvereine für politische? Auer: Jawohl, sie wollen ja Politik treiben. Vors.: Wie steht's mit der Preßkonimission? A u e r: Die Preßkonimission hat sich jeden» falls nicht für einen politischen Verein gehalten; ich halte sie auch nicht dafür. Sie hatte sich auch nicht um den politischen Theil desVorwärts" zu bekünunern. Ebenso halte ich die Agitatioiiskoiiiiuissio» nicht für«inen politischen Verein im Sinne des Gesetzes. Vor s.: Nun aber die Parteileitung. Sie hat sich selbst als politischen Verein gehalten und ist deshalb einer Verbindung mit den Vereinen aus dem Wege gegangen und bat die Vertranensmänner iustallirt. Auer: Wir geben nicht zu. daß die Parteileitung ein Verein ist. aber wir sagten uns, bei der bestehenden Judikatur ist es nicht ausgeschlossen, daß wir als Verein augesehen werden. Wir können nicht zugeben, daß ein kkollegium von 5 Männern schon einen Verein bildet, aber wir haben schon die wunderbarsten Anklagen und auch Erkenntnisse erlebt, daß wir uns sagten, Vorsicht ist hier sehr geboten. Vors.: Sie betrachteten den Passus im Zirkular nur als Vor- sichtsmaßregel? Auer: Jawohl. Vors.: Nun, balle» Sie die Verlrauensuiänner für einen Verein? Auer: Nein. Sie »lögen öfters zusammengekommen sein, aber«inen Verein haben Sie nicht gebildet. Vors.: Sie haben in dem Zirkular die Vertrauenspersonen vor dem Verkehr miteinander gewarnt? Auer: Sie sehen eben, wie ernst es uns mit dem Zirkular war»