1931
Der Abend
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SP
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Spätausgabe des„ Vorwärts
66
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Nr. 76
B 38 48. Jahrgang
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Das Zentrum hat gestern im Gemeindeaus. schuß des Preußischen Landtags - aufs lebhafteste sekundiert von den Deutschnationalen den Re gierungsentwurf des Berliner Selbstverwaltungsgesehes zu Fall gebracht. Den heutigen Beratungen des Ausschusses lag statt dessen ein Zentrumsantrag als Grundlage vor, der sich gespreizt als eine..Npbelle" zum bisherigen Gesek Groß- Berlin ausgibt, aber an Dürftigkeit und mangelnder Zweckmäßig
teit taum zu überbieten ist.
Diesen Torso einer Novelle so weit zu ergänzen und umzugestalten, daß er wenigstens den dringendsten Augenblids. bedürfnissen Berlins gerecht wird, ist faum möglich. Der Zentrumsantrag beschränkt sich im wesentlichen darauf, das bisherige Gesez in drei Punften abzu ändern: der Magiftrat soll nur aus 12 befoldeten, neu zu wählenden Mitgliedern bestehen, die Stadtverordnetenversammlung foll in ihrem Tätigteitsbereich gegenüber einem neu zu schaffenden Haupt ausschuß eingeschränkt werden, die Bezirksverordneten persammlungen sollen nicht öffentlich tagen.
Kein Wort also von den dringendsten Problemen der Stellung des Oberbürgermeisters, von der Abgrenzung der Zu ständigkeit zwischen Zentrale und Bezirken und der Umgestaltung der Bezirkskörperschaften zu einheitli her: Berwaltungsorganen.
Die heutige Gigung- ohne Gevering.
Der Bertreter der Sozialdemokratie, Genosse Dr. Richard Loh. mann, mies heute morgen im Ausschuß auf diese unzuläng lichkeiten des Gefehentiurfes hin. Er betonte insbesondere, daß es gänzlich falsch set, wenn der Zentrumsantrag die Schwierigkeiten der Berliner Verwaltung ganz einseitig in der Arbeit der Stadtverordnetenversammlung fehe. Sehr interessant maren seine Hinweise auf die parteipolitischen Vorteile, die das Zentrum bei Annahme feines Entwurfs haben würde. Der Zentrumsantrag fand bezeich nenderweise auch heute die Zustimmung der Deutschnatio. nalen, während er bereits von der Deutschen Bolkspartei als entjegliche Stümperei und Dilettantenarbeit abgelehnt wurde. Weder Minister Severing noch Ministerialdirektor von Leyden nahmen heute an den Beratungen noch teil. Auf Anfrage erflärte ein Regierungsvertreter, daß sich das Ministerium nur auf besonderen Wunsch des Ausschusses weiterhin an den Beratungen des vom Ministerium als gänzlich unzulänglich betrachteten Entwurfs beteiligen werde,
Severing hat gestern bereits sehr deutlich erklärt, daß die Rage Berlins, feine finanziellen und Verwaltungsjorgen feine halbe Maßnahmen vertragen.
Versagt der Landtag, so müßte die Staatsregie. rund gegebenenfalls die Lösung unter Ausschal. tung der Selbstverwaltung auf dem Boden einer staatlichen Präfektur für die Reichshauptstadt fuchen.
Auch das Zentrum sollte sich überlegen, ob es wirklich eine solche Lösung erzwingen will. Im Interesse der Selbstverwal. tung liegt sie jedenfalls nicht.
Das Flecffieber in England.
Ausdehnung der Epidemie.
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Erfranteng der Truppen. Condon, 14. Februar.
Le feit einiger Zeit in verschiedenen Gegenden Englands auffretende Fledfieberepidemie hat weiter zugenommen. In der fleinen Ortschaft Maltby allein find bisher acht und in der nahe bei Maltby gelegenen Stadt Rotherham zwei Todesfälle zu beklagen. Gesteru zeigten sich in Maltby weitere vier Fälle, womit die Zahl der dorfigen Fledfieberfranten auf 21 gestiegen ist. Besonders beunruhigend wirkt die Tatsache, daß das Fieber fich nicht auf einen Krankheitsherd beschränkt, fondern in drel welt voneinander entfernt liegenden Gegenden auftriff. In Aldershot , der großen Garnisonstadt, sind sieben Todesopfer zu beklagen. 3m Truppenlager von Urbridge ertranften elf Angehörige der Luftfreitmacht; sechs von ihnen sind gestorben
Alfons Thron wackelt wieder
Berenguer isoliert
Madrid , 14. Februar.( Eigenbericht.) Am Freitag verbreitete sich wie ein Lauffeuer das Gerücht, daß der König abbanken werde. Die Nachricht, die in den Abendstunden natürlich demen tiert wurde, rief an der Börse einen neuen schweren Sturz der Peseta hervor. Die politische Situation scheint sich immer mehr zuzuspiken. Der ehemalige Ministerpräsident Graf Romanones und der kata lonische Unabhängigkeitsführer Cambo haben sich nun gleichfalls entschieden gegen die Regierung und gegen eine Beteiligung an den Neuwahlen ausgesprochen. Alle einflußreichen Politiker haben sich damit von General Berenguer losgesagt. Man will sogar wissen, daß der Innenminister des Kabinetts zu demissio. nieren gedenkt.
Rücktritt Berenguers schon heute?
Havas meldet aus Madrid , nach den Unterredungen, die Graf Romanones im Berlaufe des geftrigen Tages hatte, darunter auch eine Unterredung von einer Stunde Dauer mit General Be
renguer, nehme man an, daß die politischen Freunde von Romanones im Verlauf des heutigen Tages den König auffuchen und ihn bitten werden, die Verfassunggebenden Cortes einzuberufen. Man glaube, daß General Berenguer sich ebenfalls heute vormittag ins fönigliche Palais begeben und den Rücktritt des gesamten kabinetts zur Kenntnis bringen werde. Man glaube weiter, daß der König alsdann Admiral Aznar mit der Bildung des neuen Kabinetts beauftragen werde, dem auch der Herzog von Maura, Graf Romanones, Garcia Prieto sowie einige Anhänger Albas angehören würden.
An Parlamentswahlen, die von vornherein die Schaffung einer neuen Berfajfung bezmeden würden, dürfte sich die republifanisch- sozialistische Opposition, nach ihren bisherigen Erflärungen, beteiligen. Ihr Bontott richtet sich vor allem gegen solche Parlamentswahlen, die den Anschein erwecken sollten, als wäre seit 1923 eigentlich gar nichts besonderes geschehen. Die fast achtjährige ver= faffungsbrüchige Herrschaft des Königs muß aber ihre Sühne finden und das Bolt muß entscheiden können, ob es die alte monarchistische Verfassung, die der König selbst außer Kraft gesetzt hat, beibehalten oder die Republik will.
Das„ Flötenkonzert" in Neukölln
Ein Leser schreibt uns aus Neuföln:
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Die Polizei wird überlastet
Ich habe heute morgen im Borwärts" bie Berichte über Fridericus als Friedensfförer" gelesen Ich war Augenzeuge der Borfälle, die fich beim Egzelfior- Lichtspieltheater in der Kaiser Friedrich- Straße in Neukölln bei der Aufführung des Hugenberg Films abgespielt haben, und möchte Ihnen hierzu einige Ergän zungen über das Polizeiaufgebot geben, das nach meinen persönlichen Beobachtungen zum Schuße des nationalistischen Films in Bewegung gesetzt werden mußte. Nach meinen Feststellungen waren
ein Major- offensichtlich der Gruppenfommandeur, mehrere Hauptleute, eine weitere Anzahl von Oberleutnants und Ceutnants sowie eine sehr große Anzahl von Wachtmeistern und Oberwachtmeistern aufgeboten. 3m Vorraum des Filmtheaters, auf den Treppen und im Vorführungsraum waren Polizeibeamte verteilt.
Auf der Kaiser- Friedrich- Straße vor dem Theater stand ein Trupp in der Stärfe von mindestens einem triegsstarken Zuge. Da von den Nachbarstraßen aus antifaschistische Demonstranten sich in Sprechchören gegen die Aufführung des Fridericusfilms wandten, wurden die Zugangsstraßen durch weitere Trupps von Bolizet beamten abgeriegelt". In den Nebenstraßen standen weiter Lastautos, die von Bereitschaftskommandos besetzt waren. Die Wache an der Ede Kaiser- Friedrich- und Wildenbruchstraße war von Offizieren und Wachtmeistern gefüllt. Es war so, als wenn nicht Otto Gebühr auf der Leinwand für Hugenberg und Genossen in den Krieg zog, fondern als wenn in Neukölln der wirkliche Kriegszustand erklärt worden wäre. Ich teile Ihnen dies mit, weil ich mich erinnere, daß seinerzeit im Borwärts" ich glaube es war die Nr 49 vom 30. Januar ich glaube es war die Nr 49 vom 30. Januar 1931 mit dem Artikel ,, Standal und Filmzenfur" gestanden hat, daß der Vorsitzende der Filmoberprüfstelle beim Verbot des fozialdemokratischen Tridfilms, Ins dritte Reich" des langen und breiten ausgeführt hat, es gehe nicht an, daß die Polizei durch die Ueberwachung von Filmaufführungen allzusehr in Anspruch genommen würde. Der Polizei fel Ruhe zu gönnen, und wenn Barfommniffe, wie beim Remarque - Film zur Regel würden, so würde die Polizei zu start belastet werden. Ausdrücklich betonte der Vorsitzende, daß hier eine neue prinzipielle Entscheidung gefällt fei.
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Ich muß gestehen, daß nach meinen zuverlässigen Beobachtungen beim gestrigen Polizeiaufgebot zum Schuge des
Hugenberg Films alle Boraussetzungen vorliegen, die Folge rungen aus dieser neuen prinzipiellen Entscheidung der Filmober. prüfstelle beim Berbot des sozialdemokratischen Films Ins drifte Reich" zu ziehen. Oder ist diese prinzipielle Entscheidung nur für sozialdemokratische und republikanische, nicht aber für nationalistischmonarchistische Hugenberg- Filme von Wirksamkeit? Ein Polizeibeamter ertlärte mir, daß es ihm wahrlich lieber wäre, nach anstrengendem Tagewerf bei Dienstschluß zu Hause zu sein, als hier bis in die späte Nacht die Vorführung eines Films zu sichern.
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Bielleicht fann die Redaktion des Borwärts" mir auf meine Frage, warum zum Schuße des Hugenberg- Films die Polizei eima weiter überlastet werden soll, Antwort geben?"
Leider fann die Redaktion solche Auskunft nicht erteilen. Denn so groß und unerforschlich" find nicht nur die Wege der Filmzenfur, fondern, wie sich zeigt, auch die des Kinoschutes. Die weißen Mäuse des Herrn Goebbels haben augenscheinlich in hohem Grade ver mirrend gewirkt. Die Polizei läßt jezt vor allen anderen Kinos Hundertschaften antreten, troßdem die Filmoberprüfstelle doch schon vor den Stinkgasbomben der Goebbels - Leute ins Weiße- Maufe- Loch gefrochen ist.
Die Haussuchung bei Maltitz.
Der Berhaftete dem Gericht eingeliefert. Innsbrud, 14. Februar. Zur Verhaftung des früheren reichsdeutschen Hauptmanns von Maltik teilt die Polizei mit, daß die vorge. ist. Sauptmann von Maltik wird unter dem Verdacht nommene Haussuchung ergebnislos verlaufen der Vorschubleistung in der Totschlagssache Schneider- Graf in Berlin dem Innsbrucker Landesgericht eingeliefert.
Ofaf- Off Stennés.
Bon den Haussuchungen, die am Donnerstag in der 3entrale der Berliner Razis und bei maßgebenden Naziführern abgehalten worden sind, wurde auch der Führer der S. Stennes betroffen.
er ist diefer Stennes? Nach dem Krieg murde Stennes in die preußische Polizei übernommen, wo er zunächst in Berlin in einer Hundertschaft zur besonderen Verwendung Dienst