Aus D a r m st a d t kommt di« Trauerkund«, das dort in letzter Nacht Genosse Dr. Ludwig Quessel einem langwierigen Leiden erlegen ist. Genosse Quessel hat den alten Wahlkreis Darmstadt von 1912 bis 1918 im alten Reichstag vertreten, dann wurde er als sozialdemokratischer Abgeordneter für den größeren Kreis chessen- Darmstadt in die Nationalversammlung und den neuen Reichstag gewählt. Erst bei den letzten Wahlen hatte er nicht mehr kandidiert und sich aus seine Redaktionstätigkest am.�hessischen Volksfreund" beschränkt. Mit Quessel ist einer der ersten sozialistischen Werk- st u d e n t e n von uns gegangen. In Königsberg lPreußen) 1872 geboren, konnte er trotz hoher Begabung nur die Volksschule be- suchen. Dann erlernte er das Uhrmacherhandwert. Aber schon als Lehrling und später als Geselle setzt» er ein« ungeheure Energie daran, sich privat und unter großen Opfern auf das Hochschulstudium vorzubereiten. Im schweizerischen Kanton Zürich tonnte er die Zulassungsprüfung zur Universität ablegen. Im alten Preußen wäre das einfach unmöglich gewesen, besonders nicht für Proletarier. In Zürich studierte nun der Uhrmachemehilfe National- ökonomie und Rechts- und Sozialwissenschaft. 1903 promovierte er zum Doktor der Staatswissenschasten und kehrt« dann nach Deutsch- land zurück, wo er als Redakteur an den Parteiblättern von Königsberg . Danzig . Stettin und Darmstadt wertvolle Arbeit für die Arbeiterklasse leistete. Daneben war er vielfach schriftstellerisch tätig, besonders für die„Soz. Monatshefte". Erst S9 Jahre alt, hat er jetzt schon Abschied von der Be- wegung nehmen müssen, aus der er stammte und die ihn ans Herz gewachsen war. Diese große sozialistische Bewegung wird sein Gedächtnis Treue bewahren._ Giahlhelm-Meffersiecher freigesprochen. Ein unverständliches Urteil für Laien und Richter. Bor der Liegnitzer Großen Strafkammer kam am Donnerstag der Fall des Zahnarztes Dr. Wilhelm K a e b i s ch aus Breslau zur neuen Verhandlung. Dr. Kaebisch, der dem Stahlhelm angehört, war am 13. Juli 1929 vom Breslauer ischöffen» g e r i ch t wegen gefährlicher Körperverletzung unter Versagung mildernder Umstände zu 6 Monaten Gefängnis verurteill worden. Nach einem anfänglich hormlosen Wortwechsel f.*■..•< � j'"
SSrandruine auf dem SPichelsnerder Ein trofttofes Bild vollkommener Zerstörung bietet sich dem Beschauer nach dem großen Schadenfeuer, dem am Freitagabend der Bootsschuppen auf dem Gelände der Hochschule für Leibesübungen von Pichelswerder zum Opfer fiel. 140 wertvolle Fahrzeuge. 80 Segel- und Motorboote und 60 Paddelboote find verbrannt. war er mit dem kommunistischen Bauarbeiter Bruno Stempowski, dessen„Rot-Front'-Abzeichen ihn reizte, in eine Schlägerei ge- raten. Plötzlich zog er ein st i l e t t a r t i g e s zahnärztliches Instrument, einen sogenannten„Dreikantschober", den er„zu- fällig' bei sich trug, und stieß ihn seinem Gegner in den Leib. Stempowski brach zusammen und kam ins Krankenhaus, wo er sofort operiert wurde. Der Dünndarm war fünfmal' durchstochen, der Dickdarm angestochen, so daß der Arbeiter lange Zeit zwischen Tod und Leben schwebte. Die Berufung des Angeklagten wurde von der B r e s» lauer Großen Strafkammer in vollem Umfang verworfen, da sie zu derselben Beurteilung des feigen Angrisss kam. Hierauf legte der Verurteilte Revision ein. Das Reichsgericht verwies den Fall zur Neuverhandlung an die Große Strafkammer in Liegnitz . Hier wurden zehn Zeugen und drei Sachverständig« vernommen. Der wirtlich« Sachoerhall ließ sich jedoch noch so langer Zeit nicht mehr völlig klären, da dem als Nebenkläger auftretenden Verletzten einige Unrichtigkeiten nachzewiefen wurden. Dr. Kaebisch. der anscheinend zuerst einen Schlag erhalten hatte, machte geltend, er habe in Notwehr gehandelt und seinem Gegner nur in den Arm stechen wollen. Nur dadurch, daß ihm der Arm herunter- geschlagen wurde, sei das Unglück entstanden. Zur allgemeinen Ueberraschung beantragte der Staatsanwalt Freispruch! Das Urteil lautet« dementsprechend auf Aufhebung des Breslauer Schössengerichtsurteils und Freispruck> In der Begründung wurde betont, es lasse sich nicht mehr genau'eststellen, was in jener Morgenstund« eigentlich geschah. Angenommen wurde, daß es der Wille des Angeklagten war, zu stechen, allerdings nur in den Arm. So wäre an sich die erschwerende Körper- Verletzung gegeben. Dies wäre auch der Fall, wenn der Angeklagte dqran„gedacht" hätte, daß Dr. Haselbach jederzeit berell sei, ihm beizuspringen. Dies aber habe er offenbar im Eifer v e»- g e s s e n(!). So aber habe er in Notwehr gehandelt. Nach dem Reichsgerichtsurteil, das zugrunde gelegt werden müsse, werde an- geführt, daß das Maß der Verteidigung nicht nur nach der Stärke des Angriffs, sondern auch nach den zur Abwehr zur Verfügung stehenden Mitteln zu beurtellen sei. Der Gebrauch des ge- fährlicheren Werkzeug» fei nicht strafbar, wenn kein geeignetes ungefährliche« zur Verfügung steh«. Der Vorsitzende fügt« der Urteilsbegründung selbst hinzu, es- werde wohl Laie» und Richtern schwer einleuchten, daß ein« so schwere Tat ungesühut bleibe. Nach den vom Reichsgericht gegebenen Direktiven sei aber kein anderes Urteil möglich gewesen»
Die Ungesund heit der Grundlagen, auf denen das bürgerlich«! Musikleben sich ourch den Winter schleppt, zwingt immer wieder � zur Beschästigung rnw den Ursachen eines, wie es scheint, unaus- haltsamen Niederganges. Es ist nicht viel damit gesagt, daß sie in veränderten Beziehungen zwischen Musik und Gesellschaft zu suchen seien; aber die Erforschung dieser Bezi: Hungen bildet heut« nichi nur, theoretisch, den Gegenstand einer jungen Wissen- schaft, der Musiksoziologie, sondern«in höchst akiuelles Thema pratllfcher Zeitknt-ik, von dem unser In eresse an der Zukunft der öffentlichen Musikpflege unmittelbar berührt wird. Um„Grundfragen der Musiksoziologie" handelte sich's an einem Vor.rags- und Diskussionsabend, den die Musik- abteilung des Zentralin ftituts für Erziehung und Unterricht in Verbindung mit den, Berliner Tonkünftler-Verein' vcranftaltel«. Diese„musikpädogogischen Vorträge" im großen Saal des Zentralinstituts wenden sich freilich fast nur an eine Hörerschaft von Fachinteressenien, aber die Anregungen, die davon ausgehen, dringen in weitere Kreis« der Oejfen.tichkeit. Von den beiden Referenten beschränk.« der erste. Dr. Hans Böttcher , sich allerdings wesentlich auf allgemeine Vorfragen seiner Wissenschaft, deren Aufgaben er mit der schätzenswerten Gründlichkeit und Ge° wissenhaftigkÄt des jungen Fachgelehrten genau zu umschreiben suchte, doch eben mehr, um ihre Defini-Wn als schon um ihre Lösung besorgt. Gewiß, die grundsätzlich« Wichtigkett der Frage- ftellung„Wer musiziert?" und„Für wen wird musiziert?" mußt« erst einmal entdeck! werden— ihre Wichtigkett für unser Verständnis aller musikalischen Erscheinungen. Aber man war nun neugierig gemacht, diese Frage noch dem„Wer" unv„Für wen" etwa im Hinblick auf die Musik der Gegenwart gestellt und irgendwie beantwortat zu hören: etwas von dem Zusammen- chang, der zwischen der heutigen Musik und dem Zustanv der heuti- gen Gesellschaft besteht, zu erfahren, davon, ob und wie weit viel- leicht jene durch diesen bedingt sei, bedingt vor allem durch das Bedürfnis derer, für di« musiziert, Musik geschrieben und ge- spiell wird. Einen entschlossenen Versuch, solche Zusammenhänge nachzuweisen, fesselnd auch durch rednerische Intensität, unternahm dann der Kölner Professor Paul Honigsheim . Manche«Kühn- heben seines gedankenreichen Vortrags wirkten in der gedrängten Kürze wohl eher verblüffend als überzeugend: aber wenn er, aus- gehend von den tänzerssch-kultischen Anfängen oller Musik, schließ- lich aus der Gesam.situotton unserer Zeit das Bedürfnis nach einer lebendigen Kunstform ableitete, in die durch das Mittel der Musik Bewegungschor und Sprechchor als Elemente einer neuen Kollek- tivtunst«inzugehen haben: es hätte fast nur des Schlagwortes „Arbeitermusik" bedurft, um darzutun, in welchem Grade unser Bemühen um Ueberwinvung des bürgerlichen Aesthetizismus und um lebensunmittelbar« Gegenwartskunst der Massen mit den Folgerungen und Forderungen der wissenschaftlichen Mussksozio- logie im Einklang stehtt Die Frage„Für wen?" hat ihre gesellschaftliche, aber auch im Zusammenhang damit ihr« wirtschaftliche SÄt«: genauer gesagt hat sie für den K o n z e r t g e b e r, in dessen Mund sie zum ver-
zweifellen Ausruf wird, ihre wirtschaftliche Kehrseil«. Wieder mögen die wirtschaftlichen Ursachen der Konzertnot bci den Konsum menten, in ihrer geschwächten oder abgelenkten Kaustroft zu suchen sein. Die wirtschasllich« Mißwirkung bekommt unmit.eibor der Künstler zu spüren, dessen Angebot keine Gegenlieb«, das h-ißt, keine Nachfrage findet. Veränderungen im Bild des Konzertleben» konnten nicht ausbleiben, di« ständige Abnahme des Besuches hat auch zur Abnahme der Konzerts geführt. Die Zahl„konzertierender Künstler", die nicht konzertieren, nimm: erschreckend zu, und auch die Arriviertesten müssen die Zahl ihrer Konzertabends ein- schränken. Lula Mysz-Gmeincr, die ancrkannle Meisterin der Liedkunst, findet auch an ihrem zweiten Abend, dessen Pro- gramm als Hauptnummer Schumanns„Frauenliebe und Leben" en hält, den Beethooenfaal dicht besetzt und ihr« Hörerschafl in beifallsreudigster Stimmung. Aber dem Anfänger wird es unter den heutigen Verhällnissen imnier schwerer, sich einen Namen zu machen. Eine begabt« Konzertsängerin wie Gertrud Bender- macher verdient immerhin Bcach.ung(übrigens auch ihr Be- gleiter, Waldemar von Vultöe, wie sich zeigt, ein feiner Pianist). Di« internationalen Sensationen stehen noch immer hoch im Kurs: der Amerikaner Louis Graveure , nun wieder Konzert» länger, rech. fertigt das besondere Interesse, das sein Auftreten weckt, durch eine Kunst der Siirnmbchanilung und des musikalischen Vortrags, die in der Tat kaum ihresgleichen Hot. Und selbstverständlich, daß das einzige Konzert des mit Recht weit- berühmten Geigers Fritz Kreisler in der Philharmonie zu einem besonderen Ereignis wird: mutz'« aber, in diesem Rahmen, für die Violonkonzerte von Mendelssohn und Atozart die Mitwirdung des Orchesters gespart worden? Violinkonzert« mit Klavierbegleitung—, es hat doch immer, auch wenn ein Michael Raucheisen am Flügel sitzt, den Charakter des Be- helfsmäßigem Stach längerer Pause läßt sich Georg K u l e n k a m p f f im Deothooensaal hören. Geigerisch und musikalisch gleich hervor- ragend: wer Bachs E-Dur-Solosonat« so zu spielen weiß, mit so makellosem Ton und in so überlegener Gestaltung, zählt zu den Großen. Unv als Geiger von bedeutendem Können und außer- ordentlichen Anlagen erweist sich der junge Boris Schwarz , der sich der künstlerischen Führung seines Dciiers. des ausgezeichi seien Pianisten Joseph Schwarz, anvertrauen darf. Leonid Kreutzer bestätigt sich als einen unserer Besten auch wieder an seinem letzten Klavierabend, an dem er. In aller Stille, wenn auch unter dem lauten Beifall der Hörer, das Jubiläum 25iährigen Wirkens begeht. Rudolf S e r k i n, bekannt als kultivier er Musiker, be- währt als Partner im Sonatenspiel mit Fritz Busch , zeigt sein Können, allerdings wohl auch die Begrenz hcit eines eher ver- halenen Temperaments m einem Programm llassisch-romantischer Klaviermusik, dos sich, gewiß nicht zufällig, in den engen Grenzen der Tonorten B. Es und As bewegt. Endlich, ein« Pianistin, die sich durch technische Sicherheit und Echtheit des Musikgefühls empfiehlt: Adele Marcus.
Sogenannte Offenbach Ll-raufführung. Theater»m Admiralspalast . Tatbestand: Aus Osssnbach-Resten, aufgelesen in Neben« und Gelegenheitswerken, hoben sie eine mittelmäßige Lehor-Operette gemacht. Es ist die bewährte Methode: Aus dem Nachlaß eines toten Meisters zieht«in lebender Bearbeiter den Segen gesetzlich ge- schützter Urheber-Tantiemen. Solch« Art der Aneignung und Aus- Wertung herrenlos gewordenen Geistosguces läßt sich nicht ver- bieten: der Offenbach-Benütz« heißt Ludwig Römer. Stückwerk, Flickarbeit, dazu stillos« Ergänzungen—«in Ganzes konnte daraus nicht entstehen. Hie und da, in einem Terzett einer Walzermelodi«, behauptet Offenbach sich gegen die Gewalt, die ihm, auch durch di« Instrumentierung, angetan ist. Dem unterleg-.en Text—.Das blaue Hemd von Ithaka "— hat, nach einer Idee von Lion Feuchtwanger , der feine, liebenswürdige Karl R o e ß l« r verfaßt: es ist ihm gelungen, das Operettenniveau nicht zu überragen. Derfälschter Offenbach,«ine sichere Sache trotzdem. Im Zeichen einer Reaktion, der jede„Renaissance" recht ist und obendrein al» Huldigung zum 50. Todestag, aus dem der neue Theoterdirektor, Roben Liedemit, im Programmheft einen 150. Geburtstag macht. Man mag di« Konjunktur wahrnehmen und man mochte Offen- dach„modernisieren", aber nie durfte man in seinem Nomen einen Abend von so unoffenbachischer Langweiligkeit unv Geisttosigkeit oeransiatten. Höhepunkt: ein süßlich-fades Tangolied, typische Parodenummer für Richard Tauber , dessen Gesangsmanieren auf der Bühne des Admiralpalaftes Gustaf R ö d i n hilflos kopie- ren muß, Operntenor ohne Opernkultur, doch ohne Spur von Operettsneignung. In den anderen Haupttollen routiniert« Kräfte: Margit Su chy, Paul Heidemann . Ein freundliches Talent: Arthur Hell. Nach den Aktschlüssen der übliche Premierenbeifall. . K. P.
,/0\t Königin einer Ttachi." Universum. Ein großes Vorbild ist vorhanden, das in keiner Beziehung er- reicht wird.„Die Liebesparade", von Ernst Lubitfch inszeniert, liefert das Muster. Aber der Regisseur Fritz Wendhausen vergröbert die Wirkung, arbeitet mit billigen Mitteln, trägt die Pointen saust- dick auf. Außerdem entbehrt der Stoff jeder Ziselierung. Er ist am laufenden Band hergestellt. Der Film will sich über die Volksoertteter lustig machen. Männerstolz vor Königsthronen. Die radikalen Abgeordn�en der Opposition kriechen am melsten. Ein Hauch von Antisemitismus ist ebenfalls zu spüren. Andererseits ironisiert er auch ganz vorsichtig die Königsherrlichkeit. Er möchte sie al» leeres Theater hinstellen. Doch im Hinblick auf die Gesinnungskonjunttur überwiegt di« Her- Vorkehrung der großen dekorativen Wirkung dieses Theaters. Die Menschen sind bloß« Typen, reichlich bekannt aus dem stehenden Repertoire der Tonfilmoperelle. Wallburg, Janssen und die Frauen erhalten kein Gesicht. Nur Karl Ludwig D i e h l ge- stallet«inen scharf umrissenen Charakter. Man mußte ihn einmal auch in einer zivilen Rolle herausstellen. Der Dialog ist parfümierter Blödsinn Wer spricht so? Die albernsten Phrasen werden hervorgekramt. Allerdings sägen sich di« Schlager Otto S t r a n s k y s zwanglos der Handlung ein. Der Film illustriert demonstrativ den künstlerischen Tiefstand der Ton- filmoperett«. Eine Well, gesehen aus der Perspektive der kletnbürger- liche» Dummheit.?. Lad.
Theater-preisabbau? Preisabbau heißt das große Schlagwort der Zeit. Neuerding» sind auch die Berliner Theater in«ine Art Preisabbautonkurrenz eingetteten. Ein« Bühne nach der anderen gibt bekannt, daß man bei ihr nur noch einen Teil der früheren Eintrittspreise zu bezahlen brauch«. Als der Direktor eines Theaters in der Innenstadt zuröchst in schwungvollen Artikeln der Boulevardpresse verkündete, daß er fortan nur„halbe Preise" fordern werde, erfuhr man so nebenbei noch, daß gleichzeitig die Besetzung des Stückes eine völlig andere — und natürlich billigere— geworden fei. Aber in den letzten Tagen hat eine andere Direktion für ihre beiden Bühnen im Westen bekannt- gegeben, daß si« einen„Riesen'preisabbau durchführe, ohne daß die großen Stars auch nur zum Teil verschwinden würden. Freilich. einen kleinen Haken hatte auch diese Ankündigung: a tempo meldete sich nämlich die Konkurrenz mit dem giftigen Hinweis darauf, daß die angekündigte Preisermäßigung einstweilen nur einigen völlig„ab- gespielten" Stücken zugute komme, die überdies, Gott weiß, wie lange, zu anormal überhöhten Pressen gegeben worden seien. Des ferneren erfuhr man aus dieser Erklärung und anschließenden Gegenerklä- rungen der Preissenkungedirektion auch noch, daß es sich hier bei dem ganzen Manöver mehr um die Kampsmoßnahme eines heute noch an den Reibaro-Konzern gefesselten, aber längst mit ihm verkrachten Direktors handelte, als um eine Aktion im Interesse des Publikums. Immerhin war bei diesem Preisabbau wie bei den Preis- reduktionen anderer Bühnen natürlich auch der Wunsch maßgebend, mehr Publikum anzulocken. Dem Gros der Berliner Theater geht es schlecht, sehr schlecht sogar. Da muß man schon etwas Besonderes tun. Die einen versuchen es durch eine verstärkte Verschleuderung billiger„Dereinsbilletis", andere durch den Massenveisand von „Bons": ein« dieser Bühnen läßt Tag für Tag an so undsovieleTausend Berliner Haushaltungen eine Besuchseinladung verteilen, der bereits zwei mit Platznummern versehene Karten beiliegen. Die Karten gelten für Plätze mit dem herrlichen Namen„Parkett-Fauteuil" und verlangen an der Kasse nur eine„Steuer" von 1,51) Mark. Des Abends erfährt man dann freilich, daß die Sitze im„Parkett- Fanteuil"(sofern davon überhaupt noch welch« erhältlich sind) die vorletzt« Platzgattung darstellen, daß duch zu den 1,50 Mark„Steuer" noch ein« Garderobengebühr von 0,V0 Mark und der Kauf d«s Programmzettels für 0,30 oder 0,50 Mark hinzutritt. Gegenüber solchen Methoden ist die klare Verbilligung der Kassenpreise schon viel sympathischer. Sie dürfte auch schließlich bessere Früchte tragen: vorausgesetzt allerdings, daß sie durchgehalten wird. Im übrigen sst es mit dem Preisabbau der Theater nicht viel anders als mit dem Preisabbau bei anderen Unternehmungen. E.ne spürbare Verbilligung der Lebensführung bringen sie nichtt Am allerwenigsten für den Kleinbürger und den Proletarier. Die besseren Plätze kosten bei den führenden Bühnen auch nach dem großen Preis« abbau noch 10 bis 1Z Mark. Wer kann sich solche Ausgaben leckten! Und jene Plätze wiederum, die nach dem Preisabbau nur»och 1 bis 2 Mark kosten,— die sind jetzt wie ehedem so. daß man schon«Ine gute Portion Theaterbegeisterung und Phantasie haben muß, um orn ihnen aus mit Genuß einer Aufführung zu folgen. Da ist«e doch nach wi« vor das Richtig« und das einzig Ri+ttte- n�n geht zurVolksbühn«, wird dott Mitglied und lost dann allmonatlich seineu Platz— in diesem Jahr ist sogar der ganze dritte Rang von der Platzverlosung ausgeschlossen!— für den ltt g—"'"wen Einheitsbeitrag von 1,70 Mark— einschließlich Theaterzettel. Bessere» als die Volksbühne bistet kein anderes Berliner Theater, und die Bolksbühn« gibt ihren Mitgliedern obendrein noch Mit»""''-"".....» recht bei SeschSstsführung und Spielplangestaltung.