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Nr. 7748. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 15. Februar 1931

BY

Rom

abensche

Mos

..Es ging spazieren vor dem Tor ein kohlpedirabenschrparzer Mohr, die Sonne schien ihm aufs Gehirn, da nahm er seinen Sonnen­schirm." Mit diesen Worten ließ der Frankfurter Arzt Hoffmann in seinem köstlichen Kinderbuch Strumelpeter" die Geschichte jenes Mohren beginnen, dem die bösen Buben so arg zusetzten, daß sie später zur Strafe von Sankt Nikolaus noch scuroärzer gemacht ourden als der Mohr. Dem armen Mohren im Film ,, Afrika spricht" jedoch, der von der Colorado African Expedition kaltblütig für Schauzwecke den Lömen vorgeworfen wird, könnte nur noch im Tode Genugtuung perschafft werden. Da flüchtet in wahn­sinniger Angst ein Massai- Neger vor einem Löwen , man sieht, wie dem Manne die Augen förmlich aus dem Kopf quellen, dann ist es auch schon so roeit, ein Sprung und der Löwe sitzt dem Neger im Genick. Unter der Wucht der furchtbaren Tatzenhiebe bricht der Neger leblos zusammen. Im Zuschauerraum schreien mehrere Frauen laut auf. Aber so schnell der Film läuft, so schnell ist die Schreckensszene wieder vergessen, wenige Minuten später plätschern die Wellen des Indischen Ozeans gegen die palmenbestandene Ostküste des schwarzen Erdteils. Nur der Neger wird nicht mehr lebendig. Erbarmungslos haben ihn die weißen Kultur- und Zivilisationsträger" in den sicheren Tod gehetzt. Da die Aufnahme gestellt ist, handelt es sich um einen glatten Mord. Bei dem jedoch keiner Filmprüfstelle Bedenken aufgetaucht sind. Jetzt hat sich die sozialdemokratische Fraktion des Preußen parlaments dieses Falles angenommen und wird ihn im Landtag zur Sprache bringen. Unabhängig davon haben die rund zweihundert in Berlin ansässigen Neger in einer Protesterklärung ihre Empörung zum Ausdruck gebracht.

Suche nach Negern in Berlin . Nur ist das gar nicht so einfach, einen von den zweihundert aufzutreiben. Dazu noch den richtigen zu finden, der auch etwas erzählen tann, der noch den Urwald gesehen hat und fein in Europa geborener Mischling ist. Ja, wenn wir Chinesen suchen würden, das wäre sehr einfach: in einer einzigen Straße in der Nähe des Schlesischen Bahnhofs wohnen mehrere Hundert, einige non ihnen befizen jogar Tee- und Borzellangeschäfte. Da braucht man nur die Tür aufzuffinken. Oder selbst Japaner? Die haben im Westen der Stadt ihre eigenen Restaurants. Oder selbst In dianer. Denn in einer Kneipe unweit des Alexanderplates fizt jeden Abend Mister Moji Otamba vom großen Stamm der Nava­joe, rot wie eine Kupfermünze und mit der Adlerfeber im pedy schwarzen Haar. Zusammen mit dem Schwarzen Bär und dem Schnellen Elch" spielen sie abwechselnd ein Heimatlied und den neuesten Schlager; nachdem sie vergeblich bei allen Zirtuffen der alten Belt um Beschäftigung angellopft hatten. Ber etmas die englische Sprache beherrscht, fann mit ihnen ftundenlang über die Sierra Nevada, über Lasso­werfen oder audy über Buffalo Bill reden. Aber Reger? Ja, in der Friedrichstraße laufen doch fo mele herum. Nur nicht, wenn man einen braucht. Einen Neger suchen Sie? Da war immer einer am Biftoria- Luije- Play. Gehen Sie doch da mal hin." An folchen Ratschlägen fehlt es nicht. Da ging mal ein Neger über den Hermannplay, ein anderer hat sich Kuchen geholt am Halleschen Tor, ein dritter war Kellner in einem Kaffehaus am Potsdamer Platz , wir sehen schon, alle Neger waren einmal irgendwo. Dann aber trifft man gleich zwanzig mit einemmal. In der Beffelstraße, am späten Abend, beim Arbeitsam: Berlin- Mitte , Fachabteilung für Filmdarsteller und Komparsen. Kameruner, Abessinier, Samoaner, Araber, fleine, große, elegante, fchäbige, die alle untereinander deutsch reden, ein piffeines Deutsch übrigens, da der Togomann nicht die Sprache des Kenjamannes versteht. Ein großer Teil ist schon jahrzehnte­lang in Deutschland und hier verheiratet, einige haben es zu etwas gebracht, wie der frühere Reffelpauter der Garde tanallerie, den sich seinerzeit Wilhelm hatte aus Togo fommen lassen und der heute eine Schneider­merkstatt im Norden der Stadt betreibt. Andere wieder find arme Teufel geblieben, wie Abdullah, der sich schlecht und recht als Schuhputzer eines Schuhgeschäfts in der Berliner Cin durchschlägt; der schwarze Kellner aus einem Vergnügungseta­blissement in der Hasenheide, wo er zwanzig lange Jahre war, sitzt als alter Mann heute auch auf dem Nachweis, und was es beim Film für über hundert Reger jeden Tag groß zu tun geben soll, das tann sich jeder selbst aus­rechnen. Augenblicklich fucht eine Filmgesellschaft zwei schwarze Frauen, die gar nicht einmal fo einfach aufzutreiben find, da die an sich schon wenigen Berliner Negerinnen meist nicht rasserein, sondern nur Mischlinge sind. Derartige Engagements gleichen also mur zu gut dem Tropfen auf den heißen Stein.

Kamerun flagt an.

Kamerun gehen die Kinder aus der Hütte, menn die Eltern mit­einander sprechen. Bei uns in Kamerun geht fein Mann an einer Stelle vorbei, wo Frauen baden. Alle Männer marten, bis die Frauen wieder angezogen oder bis zum Hals ins Wasser gegangen find. Auch wir haben unsere Gesetze, die auf keinem Papier stehen, aber in unserem Blut. Auch mir dürfen nicht töten, nicht stehlen und dem Stammesgenossen die Frau wegnehmen. Um ein Beispiel zu nehmen: Baumfrevel, einfacher Baumfrenet, wird bei uns mit zu nehmen: Baumfrevet, einfacher Baumfrenet, wird bei uns mit dem Abhacken der rechten Hand bestraft. Kamerun ist unsere Hei­mat. Aber wenn wir heute nach Kamerun gehen mollen, dann müssen wir erst zu einem weißen Mann gehen, den wir gar nicht fennen; der fragt uns: wo wollen Sie hin? Nach Kamerun ? Was wollen Sie da? Benn wir also in unsere Heimat zurüd wollen, dann fragt uns ein Weißer: Was wollen Sie da?!

Der Neger ist dumm und der Neger ist faut, fagen die Weißen. Aber die Baumwolle, die die Weißen tragen, haben Negerhände gepflanzt und geerntet. Menn wir auf die Straße gehen und jetzt einen Chauffeur fragen, moher seine Pneumatifs stammen, danne

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59 Jahren 41 Jahre in Berlin verbracht hat. Bei dem Sprachgefühl der schwarzen Rasse hat er sich schlerlos den Berliner Dialett angeeignet, als die Rede auf die Kameruner tommt, meint er, ja, die jeben reichlich an!" Abdullahs Mutter war eine Abes­finierin, sein Vater ein Araber, der den Kleinen nach Aegypten mitnahm, wo er erzogen wurde. Hier traf ihn 1889 der Freiherr von 2., der Abdullah als Reisebegleiter annalym. Der Mensch ist ein Jemohnheitstier", sagt Abdullah und pußt dabel die Schuhe, früher habe ich im Winter sehr gefroren, jetzt habe ich mich so an das Klima hier gewöhnt und kann die Hize nicht mehr vertragen. Aber daß ich noch einmal auf meine alten Tage Schuhputzer werden würde, das hätte ich mir nie träumen lassen, obwohl ich immer schwer arbeiten mußte. Als ich Bauarbeiter war, habe ich draußen in Charlottenburg die Gasanstalt mitgebaut." Wie sind Sie mit den Berlinern ausgekommen?" Doch, ganz gut, soweit die Weißen nüchtern find, mur menn man in einer Kneipe sigt und da ist ein Betrunkener, dann kann die Kneipe so voll sein, daß keine Stack­nadel zur Erde fann, immer wird der Betrunkene zum Schwarzen fommen und uns den Nerv töten. Es ist nicht gut, wenn die weißen Männer betrunken sind."

Unter den Toten

die auf dem stillen Neuköllner Gemeinde­friedhof ruhen, befindet sich auch ein Neger. Es ist Map Bambula, die Chikagoer Schlächtereiche. Er hatte nicht mehr den Urwald gekannt, seine Biege stand in Chitago. Mit 14 Jahren waren die Weißen hinter ihm her und wollten ihn lynchen, im letzten Augenblick entkommt er in die Prärie, 1901 taucht er in Rotterdam als einer der ersten schwarzen Steptänzer auf, von Rotterdam geht Bambula auf eine Tournee durch Rußland , hier trifft er auf die einstigen Koryphäen der Ring­kämpfer, auf die Cyganewicz und die Pidlafinſti und wird Berufsringer. Mit allen, die einen Namen hatten, stand er auf der Mitte. dann fommi Der Krieg, alles ist aus und 1919 tommen die Pro­pheten der Faust auch Knockaloe zurück, der Bor­sport löst den Ringsport ab. Bambula geht zum Film. Und er steigt hoch und höher, in dem Film ,, Die Herrin der Welt" spielt er den König Ma­combe, er, der drzi Zentner schwere Neger. Aber nichts ist unsicherer als das Filmbrot, bald muß er wieder bei Ringfampfunternehmern anfiopfen, die schicken die Chikagoer Schlächtereiche nur noch nach Kottbus , Dessau oder Güstrow , dann geht Bambula wie die anderen auch aufs Stabuff", auf den Rummelplatz. Ostern wird ein Jahr vergangen sein, da bricht Bambula auf einem Rummel der Schweiß aus den Boren, er schleppt sich noch zur Garderobe, dann bricht er zusammen, am nächsten Morgen stirbt er in der Charité. Ein paar Tage darauf sindet er auf dem Reutöllner Gemeindefriedhof die letzte Ruhe.

Stelldichein der Berliner Neger in einem Café im Zentrum

Inzwischen sprach Ajrifa. Hier ist die Anflage eines Kamerun regers: Die Beißen müssen einmal alles umgekehrt sehen, was fie uns Schwarzen antun. Was würden die Weißen wohl sagen, wenn wir jegt in Deutschland einen Film drehen und dabei ein paar Lömen loslassen, die einen Weißen töten. Alle Beißen würden empört sein. Mit Recht. Aber zu uns kommen die Weißen, nehmen einen Maffai und werfen ihn den Bestien nor. Zu uns fomen bie Weißen und nehmen unser Land, das unfere Urnäter seit Jahr­tausenden besessen haben. Weil die Weißen die Wacht haben. Wenn zu unjeren Bätern in Kamerun Weiße tamen, fagten sie: Sier ist Platz und hier ist Palmwein, eßt und trinkt." Und wenn die

wird er das kaum wissen. Aber wir Schwarzen wissen, wo der Gummi herstammt, aus unserer Heimat, wo ihn Neger den Bäumen abgezapft haben. Oder das einfachste: den Kaffee, den wir hier trinken, den haben Regerhände gepflückt. Fast an jedem Rohstoff, den Europa verbraucht, haftet Negerarbeit und da sollen die schwarzen Männer faul fein? Die Neger sind auf dem Marsch, denten Sie daran, daß die ganze alte Welt heute infere Neger mufit spielt."

Alle in Berlin lebenden Reger fennen sich untereinander. Trotz schmören auf Severing und lassen teine Versammlung aus, mo er einer überraschenden politischen Differenzierung die einen spricht; die anderen auf die Kommumisten neger. Sie fennen also auch alle Mister Abdullah, den kleinen find alle erst einmal Nordafrikaner, der jegt 59 Jahre alt ist und von diesen

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Mar Bambula mar nur ein König im Reiche des Films; Berlin beherbergt aber auch eine echte Negerfönigin, die 26jährige King Bell, deren Mann, der König eines Rongostammes, fie allerdings verlassen hat. Vor den deutschen Gerichten fann sie nicht flagen, denn sie untersteht ihrem schwarzen Recht. Eine Zeitlang war fie Sekretärin bei einem Professor, jegt tritt sie in einem Kabarett des Berliner Bestens auf. Merkwürdig, wenn die Schwarzen unferer 3ivilisation überdrüssig sind der Schreibmaschine und Des Wasserklosetts dann befinnen sie sich wieder auf den Ur­wald und zeigen uns ihre schwarzen Künste. Bambula, der den Urwald nicht mehr fannie, starb an der Zivilisation des weißzen Mannes, am Feuerwaffer.

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Kein Wille zur Reform!

Beißen ausgetrunken hatten, gaben wir ihnen noch mehr. Rady Probeabstimmung im Ausschuß Die kommunale Leistung Berlins

her nahm man uns unser Land und schlug uns ohnehin mit der Beitsche, wenn wir die Weißen nicht grüßten. Zuerst tam der Miffionar und sagte: D, schwarze Männer, weiße Männer, alle Brüder! Danach fam der Fabrikant, der fannte keinen schwarzen Bruder mehr. Jegt ist in Frankreich ein Senegalneger Un erftaats­sekretär geworden und alle Nationalisten schreien, das ist der Unter­gang ber meißen Herrenrasse. Ja, haben wir jemals vom Untergang Der Regerrasse gesprochen, menn uns ein schwarzer Gouverneur egierte?

Man jagt, die Schwarzen haben feine Stuftur, un, bei uns in

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Einzelerscheinung, fondern zeigten sich in allen deutschen Großstädten gleichmäßig, in einigen noch weit starter als in Berlin . Genoffe Harnisch ging dann auf den Zentrumsantrag ein, zeigte deffen Un­zulänglichkeit und wies insbesondere darauf hin, daß die ernsten Ausführungen Severings über die Voraussetzungen für die finanzielle Sanierung Berlins dazu führen sollten, die kernfragen der Berliner Verjajjung zu einer Lösung zu bringen.

Der Gemeindeausschuß des Preußischen Landtages sehte gestern nachmittag zunächst die Generaldebatte über den Zentrumsantrag fort. Hierbei wies Genoffe Hermann Harnisch die Angriffe des Herrn v. Ennern( D. Bp.) auf die kommunale Arbeit der Sozialdemokratie mit aller Entschiedenheit zurüc. Er er­flärte, daß man über allerlei unliebjamen Vorkommnissen und über der Finanznot des Augenblids nicht die tommunale Leistung Berlins in den Nachkriegsjahren vergessen folle und dürfe. Auch Für die Spezialberatung lag zu§ 1 des Zentrumsentwurfs eia die finanziellen Schwierigteilen der Reichshauptstadt feien ja teine lfozialdemotretifer Antrag por, ber die Umgestaltung der