Nr. 77 48. Jahrgang
4. Beilage des Vorwärts
Marko: Erlebnisse eines Bettlers
Eine Alltags- Reportage
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Waren Sie eigentlich schon seit gestern abend zu Hause?" Wieder das Blinzeln, ich wünsche mir Schmelings Fauft. Er aber nähert sich meinem Ohr: ,, Sie waren wohl bei Frau Sch... Sie wissen doch, die wohnt ja hier" er macht eine weitausholende Gesteihr Mann ist wieder einmal verreist. Warum? Mensch, Sie Heimtüder, aber denken hätte ich mir das können!" Warum nicht?!?"- ,, Bei dem Duffel von Mann!" Und jetzt sprudelt er mir über diese Frau Sch... die unglaublichsten Sachen ins Ohr.
Man erzählte auf einer Gesellschaft mit dem Tone leichter Ent-| blinzelt schalthaft, verstehend aber widerlich mit einem Auge. rüstung, sechzehn Bettler hätten an einem Tage an einer einzigen Tür geläutet, acht baten um Brot, zwei um alte Sachen, einer um irgendeine Arbeit, die übrigen standen stumm oder begannen mit der, sicher wahren, Behauptung, lange erwerbslos zu sein. Diese Tatsachen machten mich neugierig auf die Resultate, die diese Aermsten in der heutigen Krise erzielen fönnen. Ich verwarf die Ratschläge meiner Bekannten, die mir phantastische Apachenkostüme vorschlugen. Ich stritt mich nicht mit jenen, die behaupteten, das hätte schon einmal ein anderes gemacht und auch nicht mit den Herren, die so etwas nur in Amerika für angebracht hielten.
So formte sich bei mir der Plan, mit dessen Hilfe ich das Bettlerschicksal in heutiger Zeit, im heutigen Hamburg erleben und das ich dann schildern wollte, ohne von mir aus Probleme anzuschneiden, ohne jemandem wohl oder wehe zu tun.
Dienstag morgens, acht Uhr, verließ ich meine Wohnung, in meiner alltäglichen bürgerlichen Kleidung. Nur unrafiert war ich und die Hosen trug ich lang, daß sie Falten schlugen Eine Vorsichtsmaßregel hatte ich getroffen. Ich nahm meinen Presseausweis mit, denn es lag nicht in meiner Absicht, als Bettler gleich verschütt" zu gehen und zur Wache geführt zu werden.
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Ich begann in der Gegend der Isestraße am Vormittag und flingelte an der ersten Tür. Man öffnete, ich sagte kein Wort. ,, Die Post?!" ruft eine Männerstimme fragend. ,, Nein, ein Bettler!" antwortet das Mädchen. Krach- die Tür fliegt zu. Nach einer halben Minute steige ich eine Treppe höher. Ich läute bei einem Rechtsanwalt da rufts von unten ,, Na! wollen Sie nichts?!" Ach entschuldigen Sie!" rufe ich und laufe die Treppe hinunter, gerade als sich die Rechtsanwalttür öffnet. Bums knallt mir das Mädchen in der ersten Etage die Tür wieder zu-, ich stehe verdutzt da, nahm dann Riesenschritte nach der zweiten Etage und höre eine Männerstimme:„ Der ist wohl verrückt?" Auch diese ' Tür fliegt zu. Ziemlich dämlich stand ich da, weil ich mich erinnerte, daß es einem Bettler an meiner Tür nicht besser ergangen wäre. Man hält einem Bettler nicht lange die Türe auf. Ich mußte also lernen, daß etwas Geduld zu den notwendigen Eigenschaften des Bittenden gehört. Im nächsten Haus! Ziemlich schnell nach meinem Klingeln wird von einem Backfisch geöffnet. Ich murmele etwas. Darauf schnippisch: ,, Natürlich ach, mur' n Bettler! Eeeeiiin Moment". Weg dann bekomme ich zwei Pfennige und wahr haftig sagt das Mädel:„ Den Hut fönnten Sie aber abziehen." Ich hatte tatsächlich meine gute Kinderstube ganz vergessen. Entschuld.." schon saust die Tür zu.
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Ich drücke ein Stodwert höher den Klingelfnopf. Langsam, durch die Sicherheitskette tnapp aufgehend, öffnet sich die Tür. Berzeihen Sie, ich bin erwerbslos, milde Gabe..." ich weiß nicht weiter zu reden. Der halbverschlafene Mann antwortete jegt ziem lich munter: Mensch, ich stemple pooch!" 3mei Zigaretten fliegen mir in die Hand, die ich wie der routinierteste Fechtbruder hinhielt uns und blitzschnell schloß. Dfchüß", sagt mein Kollege" und ich bin Inhaber von Dei, etwas zertnüllten Zigaretten Gebantenlos zünde ich eine an, vergesse dadurch meinen Borsaz, alles Erbettelte nach meinem Abenteuer einem wirklichen Bettler zu geben, einem einzigen, der sich mal einen guten Tag machen sollte. Dieses Vergehen fonnte ist ja gutmachen, aber nicht das folgende: mit der Zigarette im Munde läutete ich an der nächsten Tür. Resultat nach fragendem Anstarren von seiten einer im Morgenrock öffnenden Dame: So eine Unverschämtheit!"... und schloß mit Handgranatengeräusch die Tür!
Ein verstohlener Blick nach meiner gar nicht bettlerhaften Uhr: 10 Uhr. Wieder auf der Straße, schönes Winterwetter.
Ich zude zusammen. Eine Hand schlägt mir auf die Schulter: ,, Mensch, wie kommen Sie in diese Gegend?!" brüllt jemand unangenehm laut. Es iſt ein mir bekannter Herr! Er mustert mich erstaunt. Ich denke nicht daran, daß ich unrafiert bin, einen weichen, schmutzigen Kragen trage, und ich sage zögernd guten Abend, statt guten Morgen! Der andere sieht mich so eigentümlich aner
Hermann
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,, Nehmen Sie ein Auto", rät er mir ,,, Sie sehen verboten aus! Djüs! djüs!" Er entschwindet mit der großen Neuigkeit meines Seitensprungs und ich weiß über das Semiramisleben der Sch... die ist gar nicht fenne, alles Erdentliche.
Ich zünde die zweite Zigarette an, guce in die Wintersonne, taufe mir am Kiosk die Morgenausgabe. Ich hab' ja sooooviel Zeit. Ich kann ja machen, was ich will. Ich bin Bettler, ich fann mich auf eine etwas feuchte Bant flezen, ich fann im Stehen, im Gehen lesen. Aber das ist langweilig im Delikatessenladen, den ich betrete, stehen zwei Stunden, Dame und Köchin. Bescheiden bleibe ich im Hintergrunde aber noch habe ich kein Wort gesagt, da greift die Inhaberin hinter die Tonbant, anscheinend ganz mechanisch. langt ein fleines Paket her, das mir halb zugeworfen wird. Die Dame murmelt etwas von Elend. Ich muß tatsächlich echt aussehen; was so ein bißchen unrasiert, ein weicher, unfrischer Kragen alles macht! Dame und Köchin blicken mir vom Laden nach. Mit gespielter Gier reike ich das Päckchen auf, und beiße, die Sache macht mir höllischen Spaß, ich höre die Köchin ,,, Der arme Kerl" sagen und habe im nächsten Augenblick den ganzen Mund voll ranzigem Katas! Ich spuce. Mir ist Köchin und Dame wurscht. Diese aber waren schon längst wieder im Laden und erzählten wohl der Inhaberin von meinem gierigen Hunger. Ob diese ihnen die Wahrheit über den Inhalt des Patetes gesagt hat, weiß ich nicht, mir aber tommt ein teuflischer Gedanke. Sie müssen ja wieder aus dem Laden herauskommen, ich stelle mich auffällig in den Eingang des Borgartens eines dicht daneben liegenden hochherrschaftlichen Hauses und warte mit dem Patet auf die Kundinnen. Nach drei Minuten fommen sie, gehen nach meiner Seite, und ich beginne gierig an dem Kataopaket zu fauen. Die braune Masse rieselt mir über Kinn und Kragen und Mantel... Die beiden Frauen sind anscheinend über den Inhalt des Batetes informiert. Sie schauen mich entsetzt an, gehen ein paar Schritte weiter, ein paar hastig gewechselte Worte, die Köchin framt in ihrem Einholeforb und gibt mir ein feuchtes, triefendes Etwas. Ich beiße blindlings hinein! Es ist eine Salzgurke!, deren Saft sich einträchtig mit dem Kafad zu einer fabelhaften Brühe vereinigt. Entsetzte, mitleidige Blicke von Dame und Köchin, sie gehen mit zurüdgewandten Köpfen weiter, fie fönnen fich von ihrem Erstaunen noch nicht erholen, verschwinden, immer zurückblickend, um die Ecke, schon ist die Gurke aus meinem Munde, schon habe ich mein Taschentuch in der Hand, um den Schmuh zu entfernen, da tommt um die Ede ein eiliger Herr Mitleid in den augent... Mann, so verhungert, entfeilich, entfeglich! 3ch murmele etwas von: ,, Drei Tagen fast nichts gegessen." Seine Augen weiten sich, wie es so nett in Romanen heißt und dann folgt die Strafe auf dem Fuße. Er starrt entgeistert auf meine beschmierte Hand. Da fällt mir ein: ist trage seelenruhig als Bettler meinen Siegelring, der meinen Finger nicht verlassen hat. Wie kommt die Herrlichkeit zu einem halbverhungerten Bettler? denkt jener ganz sichtbar. Ob einer Antwort schwirren mir sämtliche gelesenen Kriminalromane durch den Kopf. Der Herrenkopf aber wird wortlos geschüttelt, sein Träger verschwindet und ich ich glaube, ich habe meinen Zunftgenossen in dieser Gegend ziemlich geschadet. Ich bin sicher, der Herr hot mein Unecht... Andenken an tote Frau..." nicht peolaubt. Ihm spuft der Gedanke an juwelengeschmückte Bettler, oder an gestohlene Ringe im Kopf.( Ein fabelhaftes Stammtischthema.
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Und mir scheint, daß zum Bettler mindestens soviel Talent gehört, wie zum Schreiben.
Marko.
Tendel: Ein Kinder des dritten Reichs
Zu Lessings 150. Todestag
In Leffings Geist und Namen gilt es, hinauszugelangen über fede Art von Faschismis, au einem Bunde von Bernunft und Blut. der erst den Namen voller Sumanität verdiente. Thomas Mann .
Ja, er, der am 15. Februar 1781 die hellen Augen für immer schloß, warf sich am Ende seiner Tage zum Propheten eines britten Reiches auf; er nannte es ,, das dritte Zeitalter" und lebte der Ueberzeugung:„ Sie wird gewiß fommen, die Zeit eines neuen ewigen Evangeliums." Aber Gotthold Ephraim Lessings drittes Reich lag auf einem anderen Stern als jenes, an dessen Tor ein riesiges Hakenkreuz prangt.
Die in irgendeiner Weise dem Mittelalter, der barbarischen Ver: gangenheit der Menschheit, nerhaftet sind, hatten denn immer eine feine Witterung dafür, daß der Kamenzer Pfarrersjohn ihr großer und ewiger und unversöhnlicher Widersacher sei. Als in der Zeit der wilhelminischen Herrlichkeit ein Hohenzollernpring einen Hofball gab und auf der Liste der zum Tragen der Schleppen bestimmten Bagen einen Kadetten von Leffing, Eohn eines Generals, entdeckte, schüttelte er unwillig den Kopf: Lessing , Lessing, das ist der Kerl, der den ,, Nathan" geschrieben hat, ein Jude", und strich den Namen. Was hier in Einfalt ein findlich Gemüt übte, haben ,, wissenschaftlich" vertleisterte Hirne noch gründlicher besorgt. Eugen Dühring , uns wohlbekannt durch Friedrich Engels ' geniale Kampfschrift gegen ihn, sprigte giftigsten Geifer gegen den Judenanwalt Lessing mit seinen Judenstücken", den„ Typus des judenhaften Zeitungs- und Theater literaten", der nur durch Judenreklame" zu Ruhm gelangt sei, und in unseren Tagen zeigte sich der antisemitische Literatur- Beckmesser Adolf Bartels geneigt, Lessing ,, den Juden vollständig abzutreten, da wir ihn für unfere Entwicklung im ganzen nicht mehr brauchen"; Bartels und Dühring fanden sich bei der Gelegenheit auch in der glorreichen Erfenntnis daß man aus dem Schriftencharakter eines Mannes auf die Raffenzugehörigkei: schließen fönne"; mit anderen Worten: obwohl schon der Urgroßvater von Lessings Urgroßvater die Ronfordienformel unterschrieben hatte, ift der Berfaffer der Hamburgischen Dramaturgie diesen Rassenschnüfflern ein Judenstämmling. Fort mit Schaden!
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Sonntag, 15. Februar 1931
der unablässig dafür wirkte, daß Deutschland in der Tat erwachte; es ist ein Abstand wie zwischen Nathan dem Weisen", diesem Hohenlied nicht nur der religiösen Duldsamkeit, und den Beisen von Zion", dieser Ausgeburt einer folportagehaft verseuchten Pogromphantasie. Dort der Unfehlbarkeitsdünkel des fleinen Dalai- Lama aus Braunau und für die Anhängermassen der Zwang, alle von oben tommende Weisheit gläubig und unkritisch hinzunehmen- hier der Drang, alles zwischen Himmel und Erde dem Urteil des prüfenden Verstandes zu unterwerfen und die Neigung, den Trieb zur Wahrheit höher zu stellen als den Besitz der Wahrheit selber: Die aufrichtige Mühe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen." Dort ein sich überschlagender, hysterischer, augenrollender und zähnefletschender Nationalismus, der seine Herkunft aus den Tiefen der Minderwertigkeitsvorstellungen deutlich verrät hier, bei aller Deutschheit, das Gefühl für den Bunft ,,, mo Patriotismus, Tugend zu sein, aufhöret", und das unumwundene Geständnis: Das Lob eines eifrigen Patrioten ist, nach meiner Denkungsart, das allerletzte, monach ich geizen würde, des Patrioten nämlich, der mich, vergessen lehrt, daß ich ein Weltbürger sein sollte." Dort eine Bergözung des ,, völkischen" Staates auf Kosten des Staatsbürgers, die auf Hegel und Treitschke zurückgeht Forderung, daß der Staat für den Menschen da sei und daß Staatsverfassungen nichts seien als Mittel zur menschlichen Glückseligkeit". Dort die flegelhafte Sucht, alles, was nicht in den ,, völkischen" Kram hineinpaßt, als„ Bastardrassen", als Untermenschen" zu be schimpfen hier als leuchtender Stern die Humanität, die Ehrfurcht vor jedem Menschen, weil er ein Mensch ist, ein Mensch, dessen Vernichtung uns stets als größeres level erscheint als alle feine Gebrechen und Laster". Darum dort die Verherrlichung der rohesten Gewalt und die Anbetung des Krieges hier die Er kenntnis, daß der Krieg ein ,, unseliges Ding" ist und die erhabene Losung: Was Blut foftet, ist gewiß fein Blut wert!"
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hier die
Aber daß solche Abgründe zwischen der Klarheit des großen Erweders und der Mirrköpfigkeit derer klaffen, von denen sich heute Millionen Deutscher erweden" lassen, hat seine historische Ursache. In Lessing gärten die Säfte und Kräfte des aufsteigenden Bürgertums, er erschien sich selber als Vorläufer; für die Schicht, der er entstammte, war er sehr zukunftsgewiß. Im Nationalsozialismus aber sammelt sich der Abfall einer abgewirtschafteten Klasse, seine Anhänger find hoffnungslose Nachzügler, fie fehen teine Zutunft mehr vor sich, und all ihr Geschrei ist nichts als das Pfeifen der Ratten auf dem versinkenden Schiff. Deshalb ist auch das dritte Reich, dessen Fata Morgana ihnen norgegaufelt wird, ein Zwangsstaat, ein Sklavenhalterstaat, in dem Angehörige der geborenen Herrenraffe" die Untermenschen" beherrschen und ausbeuten, während Lessings drittes Zeitalter" eine stände und staatenlose Gesellschaft spiegelt, in der nicht mehr Eigennuß die große Triebfeder ist, sondern der Mensch das Gute tuen wird, weil es das Gute ist".
Haben die Saint- Simonisten deshalb Die Erziehung des Menschengeschlechts " unter ihre heiligen Schriften eingereiht, so fann es uns nicht beikommen, den tühnen Entfetter des Individuums und entschlossenen Schrittmacher des dritten Standes" zum Sozialisten zu stempeln. Aber das Bürgertum von heute, auch joweit es nicht um Hitler und Hugenberg wimmelt, ist nicht seinen Lenden entsproffen. Den großen Freiheitsfämpfer ehren darf mur eine Klasse, die wie er den Mut zum Unbedingten hat und rücksichtslos nach der ganzen Klarheit und der ganzen Wahrheit strebt. Sn grüßen mir au diesem Tag das Andenken Gotthold Ephraim Leffings , und zwar nicht mit Teeren. Worten, sondern eingedent femer weißesten Mahnung, daß der Mensch zum Handeln und nicht zum Bernünfteln geschaffen" ist.
Friedrich Wallisch : Markt in Tirana
Aus dem Wert Neuland Albanien"( Franchsche Berlagsbuch bandlung. Stuttgart ).
Am Donnerstag verwandelt sich das ganze Steinpflaster der Gassen von Tirana über Nacht in die Farbenorgie des Wochenmarkts. Eine riesige Fläche Boden ist ganz bedeckt mit buntem gewebtem Zeug, hellem und dunkelfarbigem, gestreiftem, gemustertem, geblumtem, gesticktem Leinen und Luch. Neue Stoffe, hier in fleinen Stüden, dort in ansehnlichen Ballen, das Ergebnis stiller zäher Emfigkeit an dem kleinen Webstuhl des Bauernhofes, oder auch Ausverkauf ererbten Hausgutes, das oft um lächerliche Ber träge in neue Hände übergeht, es find Familienschicksale, die sich hier auf dem Markte abspielen. Hinter ihren Waren hocken die Berkäufer mit hochgezogenen Beinen, meist schutzlos unter dem weißglühenden Himmel, hin und wieder auch durch einen riesigen schmarzen Regenschirm gedeckt, die muselmanischen Beiber mit dem doppelt ums Gesicht geschlungenen weißen Tuch und dem buntgeblumten Kleid, der gebauschten stoffreichen Hose, die wenigen christlichen Bäuerinnen mit dem hellen Kopftuch um das unverhüllte Ge sicht, der schlichten Bluse und dem derben längsgestreiften Rod über
den dunklen nackten Beinen.
Aber im Lager der Rechten gibt es auch Leute, die Leffing nicht so ohne weiteres der Linken überlassen möchten. Zwar wissen auch Für Europäer ist dieser Wochenmarkt eine der größten Sehens fie, daß das Papier seiner Werte längst vergilbt ist, daß seine Kunstmürdigkeiten von Tirana . Schäße kommen hier ans Licht, prunttheorie so wenig mehr gilt wie seine dramatische Regel und daß feine Bibelkritik ein zehnfach überholter Anfang war, aber dumpf bolle, goldgestickte Kleider, Tücher und Gamaschen, Schmuckstücke, filbergetriebene Gürtelschnallen, wahrhaftiger Reichtum, der für empfinden sie, was Friedrich Schlegel dahin zusammenfaßte, daß wenige Kronen zu kaufen ist. Nahrungsmittel liegen auch auf den Lessing mehr sei als alle seine Talente; die Leuchtkraft seiner Erscheinung blendet, die Männlichkeit seines Wesens besticht sie so, Boden hingestreut oder in kleinen Körben und Säcken oder aber auf Tischen, über die sich große weiße Zelte spannen: Grünes Ge daß es ihnen von Nußen scheint, sich an diesen großen Schatten heranzuschmarozen. Wie werfen sie die Angel aus? Sehr einfach! müse, Reis, Bohnen, Knoblauch, Zwiebeln, Rosinen, Dörrpflaumen, Sie dichten dem Kursachsen ein„ frißisches Preußentum" an, das in Mandeln, Walnüsse, Haselnüsse und Zitronen, auch roher Tabak diefelben Gefilde verlogenen Stitches gehört wie. Hugenbergs in gelben Bündeln. Lebensmittelhändler verschleißen hier zugleich Fridericus- Film. Denn Friedrich II und Leffing- schärfere Anti- Sigaretten in den gefälligen Badungen der albanischen Tabat. poden find, trotz der„ Minna von Barnhelm ", für ihre Zeit fabriken. Auf Tischen häufen sich die farbigen Holzschnigarbeiten, taum denkbar. Jener bis über die Ohren in französischer Gefittung langmächtige Tschibuts, Kerzenleuchter und teine Zigarettenspitzen, steckend, die deutsche Sprache und die deutsche Literatur zutiefft ver: Erzeugnisse eines hochbedeutsamen und noch viel zu wenig gewür digten Kunsthandwerks, das besonders in der Gegend von Tirana achtend, dieser der rüstige Bahnbrecher deutscher Bildung und unermüdliche Eiferer gegen die Nachäffung des französischen Geschmads auf befter alter Ueberlieferung fußt. im Geistigen, jener anational, nur dynastische, nur Hohenzollernpolitik treibend, dieser schmerzbewegt, daß ,, wir Deutschen noch keine Nation sind", jener ein grimmer Verächter des Bürgertums, bei dem er ohne weiteres niedrige Gesinnung vorausseßte, dieser der große Aufrüttler des Bürgertums, der seine Klasse zu Bürgerstolz emporzureißen trachtete, und was Leffing über das friderizianische Preußen dachte, verriet er in einem Brief an Nicolai vom 25. Auguft 1769: da nannte er es das sllavischste Land von Europa ", in dem es unmöglich sei, für die Rechte der Untertanen, gegen Aussaugung und Despotismus" seine Stimme zu erheben.
Der Wochenmarkt von Tirana ist allerdings nicht mehr das, was er noch vor ganz wenigen Jahren war. Die bäuerlichen Vertäufer werden seltener, die Händler vermehren sich. Sie verkaufen elende Maffenware, minderwertiges Geschirr, gräßliche europäische Kleider. Dann gibt es da auch schon die gewissen..orientalis hen Händler", wie sie zwischen Nizza und Bombay zum Inventar des Fremdenverkehrs gehören. Sie verkaufen Teppiche, die Gott weiß moher importiert sind, gravierte und zilelierte Metalltassen. von denen sie erffären, fie fämen aus Arabien , und unten ist die Marke eingepreßt: Made in India" Während des Bochenmarktes spielen, fich im Garten des Hotels Continental auf, ponz wie in Tunis , diese Händler beim Uhrturm orientalisches Leben, abens stelen fie Kairo oter Ragusa , und schröpfen ahnungslose Touristen
Läuft dieser schwarzweißrote Berluch, den unabhängigsten Geist in eine friderizianische Livree zu stecken, auf eine Schändung von Lessings Andenken heraus, so wird es ganz unerträglich, wenn Hakenkreuzoberlehrer sich anstrengen ihn für ihresgleichen in Anspruch zu nehmen. Denn was hat diese strahlend reine Stirn mit den Gaunervifagen der Fememörder zu schaffen! Eine ganze Welt trennt jene, die fich heiser freischen: Deutschland , ermache! von ihm, I angebaut.