Morgenausgabe
Nr. 83
A 42
48.Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Donnerstag
19. Februar 1931
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die etnipaltige Nonpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt gefchäft Lindenstraße 3, mochentäglich von 8 bis 17 Ubr.
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Die spanische Krise ist am Mittwoch durch die Bildung eines Konzentrationsfabinetts der Rechten und der monarchischen Liberalen einschließlich der Regionalisten unter Führung des Admirals Aznar beendet worden. Folgende Miniſter haben sich zur Eidesleiſtung vor dem König in das Palais
begeben:
Präsidium und Marine: Admiral Aznar, unpolitisch Aeußeres: Graf von Romanones , liberal Justiz: Marquis Alhucemas, liberal Finanz: Bentosa, Regionalist und Freund des Finanz
mannes Cambo
Inneres: Marquis Hoyos, fonservativ, bisheriger Bürger
Davon, daß der König aus dem Lande gehen soll, um abzuwarten, wie das Bolt über sein Schicksal entscheidet, ist feine Rede mehr. Allerdings wird wieder davon gesprochen, daß Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung stattfinden, also zu einem Parlament, das dem Lande eine neue Verfassung geben soll, die, wenigstens theoretisch, eine republikanische sein könnte. Nur mit dem großen Unterschied, daß es eine monarchistische und nicht eine oppositionell- republikanische Regierung sein wird, die diese Bahlen machen wird. Und dieser Unterschied darf leider in einem Lande nicht unterschätzt werden, wo die Volksbildung zum Teil noch sehr rückschrittlich ist, wo die demokratische Schulung und Tradition, besonders auf dem flachen Lande und in den Kleinstädten, fehlt, wo der Verwaltungsapparat und vor allem die Kirche überaus mächtig sind.
Krieg: General Berenguer, der bisherige Minister- schweren Fehler gemacht hat, als sie die Gelegenheit zur Er
präsident, unpolitisch
Verkehr: La Cierva, konservativ Arbeil: Herzog von Maura, fonservativ Wirtschaft: Graf von Bugalall, tonservativ.
Unflare Hintergründe.
Paris , 18. Februar.( Eigenbericht.) Spanien hat wieder eine neue Regierung, eine Regierung, die sich unter Führung des Admirals Aznar aus allen Schattierungen der monarchistischen Parteien zusammenseht und sich von dem Diktaturkabinett des Generals Berenguer nicht wesentlich unterscheidet. Bezeichnend für den Charakter diejer kaum verhüllten Diktaturregierung ist die Tatsache, daß General Berenguer ihr als Kriegsminister angehört.
Unter diesen Umständen nimmt man hier mit großer Step fis eine amtliche Meldung aus Madrid zur Kenntnis, wonach fich die neue Regierung in tonftitutionellem Sinne betätigen will. Angeblich will sie im März die kommunalwahlen, im Mai die Provinzialwahlen und im Juni die Parlamentswahlen ausschreiben. Das neue Parlament foll nach der amilichen Berlaulbarung volle Freiheit erhalten, die verfaffung in jeder gewünschten Richtung abzuändern. Auch follen die wichtigsten von der Diktatur erlassenen Gefche aufgehoben
werden.
Da die Zenfur zur Zeif nur die Verbreitung der offiziellen Nachrichten gestattet, ist man hier über die Hintergründe der letzten Entwicklung in Spanien sowie über die Stimmung im Lande nicht unterrichtet. Ueber die plötzliche Alenderung in der Haltung des Königs, der am Dienstag ein liberal- republifanisches Kabinett bilden lassen wollte, am Mittwoch aber
ein monarchistisch- reattionäres kabinett bilden ließ, liegen zwei Auslegungen vor: Nach der einen habe Alfons den liberalen Politiker Guerra nur mit der ausgesprochenen Abficht mit der Regierungsbildung beauftragt, um ihn zu Fall zu bringen und fo die liberal- republikanische Bewegung in den Augen der Deffentlichkeit zu diskreditieren; nach der anderen sei der König angeblich zu bedeutenden Konzeffionen an die Linke bereit gewesen, doch habe diese ihre Forderungen übertrieben.
Inzwischen scheinen alle Maßnahmen getroffen zu werden, um die neue Regierung mit Gewalt am Ruder zu erhalten.
Ein völlig überraschender Frontwechsel innerhalb von 48 Stunden. Wie ist er zu erklären? Haben etwa die Sozia listen und Republikaner am entscheidenden Montag, als Sanchez Guerra betraut war und sich an ihre im Gefängnis fizenden Führer mit der Bitte um Mitarbeit vergeblich wandte, einen Fehler begangen? Haben sie vielleicht die Stärke ihrer Position überschäkt, den Bogen über Spannt? Das läßt sich von Deutschland aus heute noch nicht entscheiden. Sicher ist, daß die Berufung Sanchez Guerras durch den König eine solche Demütigung für die Krone bedeutete, daß man deren Lage für verzweifelt halten
fonnte.
Aber es scheint, daß die Monarchisten und die Kirche, die an der Erhaltung des Thrones am meisten interessiert ist, die vierundzwanzig Stunden, die Sanchez Guerra in vergeblichen Verhandlungen mit den Gefangenen verlor, ausgenutzt haben, um den König wieder aufzupumpen".
Jedenfalls war am Dienstagmittag Alfons XIII. ein ganz anderer Mann als tags zuvor. Als Sanchez Guerra ihm mitteilen mußte, daß die Bildung der erstrebten Linksregierung an der Weigerung der Sozialisten und Republikaner gescheitert wäre, wandte sich der König gar nicht mehr, wie man erwartete, an den noch weiter links stehenden Alvarez, sondern nur noch an zuverlässige Monarchisten: so ist das neue Kabinett Aznar entstanden.
So könnte es zunächst scheinen, daß die Linke einen greifung der Macht zurückwies. Aber bevor man ein solches Urteil fällt, müßte man alle Elemente des Problems mit Be stimmtheit kennen, aber manches ist zurzeit noch recht unklar. Andererseits muß man auch bis auf weiteres den Führern der republikanischen Linken eine richtigere Einschätzung des tatsächlichen Kräfteverhältnisses und der Entwicklungsmöglich feiten zutrauen, als sie dem ausländischen Beobachter im Augenblid möglich ist. Die Männer, die es abgelehnt haben, die Gefängniszelle mit dem Ministersessel zu tauschen, haben damit nicht nur eine heroische Haltung eingenommen, die auf die Massen des Boltes tiefen Eindruck machen dürfte, fie müffen auch fest davon überzeugt sein, daß ihnen der Sieg nicht mehr zu entreißen ist. Mögen sie sich nur nicht darin getäuscht haben, möge ihr stolzes ,, Nein" sich nicht später als eine heroische Torheit erweisen, möge der schließliche Sieg der Republik , der in der Tat auf die Dauer nicht aufzuhalten ist, nicht mit schweren blutigen Opfern ertauft werden müssen, nachdem er nahe daran war, auf unblutige Weise, mit rein legalen Mitteln, errungen zu werden!
Eines ist jedenfalls sicher: der König mag vorläufig durch die Bildung einer monarchistisch- reaktionären Regierung seinen Thron gerettet haben, die Dynastie ist unrettbar, und sei es nur, weil der taub stumme Thronfolger als Erbe nicht in Frage kommt. Wie lange sich Alfons XIII . noch halten wird, dürfte die Entwicklung schon der nächsten Zukunft zeigen, aber er wird bestimmt Alfons der Leyte gewesen sein!
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Die Königin macht in Tendenzberichterstattung. London , 18. Februar.( Eigenbericht.)
Die nach Madrid zurückgekehrte Königin von Spanien telephonierte dem„ Daily Erpres", ihre Fahrt von der spanischen Grenze bis zur Hauptstadt habe einem Triumph 3 ug geglichen; große Menschenmassen hätten sie auf den Straßen und an allen Stationen, vor allem aber auf dem Madrider Bahnhof, begeistert begrüßt. Aber der Madrider Korrespondent des Daily Expreß" meldet in der gleichen Ausgabe des Blattes, am Bahnhof hätten sich bei der Ankunft der Königin etwa 500 Personen aus den vornehmen Familien Madrids cingefunden. Massen".
In der auswärtigen Kommission der französischen Rammer tam es am Dienstag bei der Aussprache über die Ereignisse in Spanien zu einem lebhaften Zwischenfall.
Der baskische Abg. barnegaran behauptete im Verlauf der Sizung, daß Deutschland bei den Unruhen in Spanien eine große Rolle gespielt habe. Die spanischen Revolutionäre seien alle mit deutschen Gewehren bewaffnet. Der fozia liftische Abg. Grumbach trat diesem Ammenmärchen entfchieden entgegen.
Reichsbanner ruft!
Morgen, Freitag, 20 Uhr, im Sportpalast, das republikanische Berlin zur
Kundgebung!
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Mitwirkende: Ansprache Staatsminister Grimme ,, Sieben Jahre Reichsbanner!" Ferner: Heinrich Witte vom Staatstheater, der Männerchor ,, Fichte- Georginia 1879" und die vereinigten Spielmannszüge und Musikchöre des Reichsbanners. Karten in den ,, Vorwärts"-Filialen und im Gaubüro des Reichsbanners, Sebastianstraße 37-38.
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Vom Zement bis zur Literatur.
Die Kontrollarbeit des Rechnungshofes. Von Kurt Heinig .
Der Rechnungshof des Deutschen Reiches hat eben seine Dentschrift und die Bemerkungen zur Reichsha ushaltsrechnung 1928 dem Reichstag zugehen iassen.( Drucksache Nr. 688.)
Dem Rechnungshof des Deutschen Reiches obliegt die Ueberwachung der gesamten Reichshaushaltsführung. Die Prüfung der Rechnungen durch den Rechnungshof hat sich darauf zu erstrecken:
1. ob der Haushaltsplan einschließlich der dazugehörigen Unterlagen eingehalten ist;
2. ob die einzelnen Rechnungsbeträge fachlich und rechnerisch in vorschriftsmäßiger Weise begründet und belegt sind;
3. ob bei der Gewinnung und Erhebung von Ein= nahmen sowie bei der Berwendung und Beraus= bung, Benutzung und veräußerung von Reichsgabung von Reichsmitteln, ferner bei der Ermers eigentum nach den bestehenden Gesetzen und Vorschriften unter Beachtung der maßgebenden Verwaltungsgrundsätze und unter Beobachtung der gebotenen Wirt= schaftlichkeit verfahren worden ist;
4. ob nicht Einrichtungen unterhalten, Stellen aufrechterhalten oder in sonstiger Weise Reichsmittel verausgabt worden sind, die ohne Gefährdung des Verwaltungszwed's hätten eingeschränkt oder erspart werden können.
fung der Rechnungen und Nachweisungen oder sonst zur Der Rechnungshof darf von den Behörden jede zur PrüUeberwachung der Wirtschaftsführung von ihm für erforderlich erachtete Auskunft sowie die Einsendung von Büchern und Schriftstücken und die Vorlegung der Akten verlangen.
Nach Prüfung der Rechnungen hat der Rechnungshof unter selbständiger und unbedingter Berantwortlichkeit einen Bericht zu erstatten, der an den Reichstag geht, mit dem Antrag, die Reichsregierung wegen der Reichshaushaltsrechnung zu entlasten.
Bor wenigen Jahren benötigte der Rechnungshof nach Abschluß des Haushaltsjahres noch) 47 Monate zur Erstattung feines Berichts. Sein Bericht zur Reichshaushaltsrechnung 1928 ist fnapp 19 Monate nach Ablauf des Haushaltsjahres dem Reichstag vorgelegt worden.
Für die Zukunft muß erreicht werden, daß die Denkschriften des Rechnungshofes zu den Haushaltsrechnungen ohne Nachträge so rechtzeitig dem Reichstag zugehen, daß ihm und im besonderen seinem 5. Ausschuß( Reichshaushalt) ein logischer und reibungsloser Kreislauf der Haushaltsberatung und politischparlamentarischen Rechnungsprüfung möglich wird. Dieser Zustand wird dann erreicht sein, wenn alljährlich die Denkschrift des Rechnungshofes über die Haus haltsrechnung des vorvergangenen Jahres so bald zur Beratung vorliegen, daß sich im 5. Ausschuß( Reichshaushalt) und seinem Rechnungsunterausschuß die parlamentarische Prüfung der Haushaltsrechnung des abgelaufenen Rechnungsjahres organisch anschließen kann. Dann muß noch so viel Raum für die Erörterung über diese Rechnungsprüfung im 5. Ausschuß( Reichshaushalt) bleiben, daß dieser sie vornehmen kann, ehe er mit der Beratung des nächstjährigen Haushaltsplanes beginnt.
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werden, als noch vor wenigen Jahren auch nur zu hoffen war. Diesem Ziele fonnte bis jetzt wesentlich nähergekommen
Die jüngste Denkschrift des Rechnungshofes zerfällt in zwei Teile. In einer allgemeinen grundsäglichen Gesamtbetrachtung wird gezeigt, daß die bisherigen Jahresabschlüsse des Deutschen Reiches immer noch zu günstig waren, weil auch die schwebenden Schulden des Reiches als haushaltsmäßige Deckungsmittel betrachtet wurden, während doch eine wirkliche Deckung aller Ausgaben erst dann erreicht ist, wenn die schwebenden Schulden entweder getilgt oder in langfristige Anleihen umgewandelt worden sind.
In der Einzelberichterstattung über seine Prüfungstätigkeit führt der Rechnungshof tief in die Mängel der heutigen Geldbewirtschaftung durch die Behörden hinein. Für den Leser der Dent schrift ist das ein Spaziergang durch alle Refforts, bei dem es ihm ständig unbehaglicher zumute wird.
Da hat das Reichsgesundheitsamt aus dem Weinsteueraufkommen Mittel zur Ausführung wissenschaftlicher Untersuchungen zur Verfügung gestellt bekommen. 3wanzig Flaschen Wein waren dazu nötig, aber beschafft murden vierhundert 26er Graacher Himmelreich. Bei den