Beilage
Freitag, 20. Februar 1930
Der Abend
Spalausgabe des Vorward
Partei und Arbeiterbildung
Konzentration
aber auch Belebung!
Mit den Artikeln der Genossen Decker und Hartig ist eine auch in der heutigen Zeit der schärfsten politischen Zuspigung sehr wesentliche Diskussion eröffnet worden. Alle Glieder der Arbeiterbildungshemegung follten furz fizziert dazu Stellung nehmen. Nicht zum wenigsten erscheint mir das auch notwendig vom Standpunkt der Arbeiter Sport und Kulturbewegung. Und dabei wurde meines Erachtens die Basis bisher zu eng erfaßt, nämlich zu sehr pon der Grundlage der Berliner Arbeiterbildungsschule her. Wenn man den Grad der allgemeinen Arbeiterbildungstätigkeit selbst nur in Berlin betrachtet, so wird schnell manches von dem erfaßt, was Deder für die Gestaltung der Schule wünscht. Braktisch erfaßt, was Deder für die Gestaltung der Schule wünscht. Praktisch erstreckt sich nämlich bereits heute die Arbeiterbildung auf den ganzen Menschen. Wir werden noch sehen, wie.
Es ist hier gewiß nicht der Ort, über das Thema sozialistische Weltanschauung zu debattieren. Sehr wohl aber bin ich der Auffassung, daß die Tätigkeit der Arbeiterbildungsschule und aller jonstigen Arbeiterbildungskurse auch der Erziehung zum So zialismus dienen muß. Denn ein so wichtiges Problem fann man nicht der willkürlichen Gestaltung im allgemeinen Parteileben überlassen. Und in Kursen usw. wird durch die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten eine Erziehung zum sozialistischen Menschen riel intensiver und fruchtbarer sein.
Nun bin ich mit Hartig der Auffassung, daß man in der Arbeiter bildungsschule meder Bildungsjalat noch oberflächliche Bielwisserei fördern soll. Auch eine Eingliederung der Volkshochschule in unsere Betrachtungen ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch ist dabei zu beachten, daß für den noch nicht allzu kritischen Hörer die Gefahr gegeben ist, den Darlegungen bürgerlicher Wissenschaftler vollen Glauben zu schenken, auch dann, wenn sie besonders in scheinbar neutralen Wissensgebieten wesentlich von sozialistischen Anfchauungen abweichen.
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Zum anderen ist aber noch eins wichtig, das ist der Hörer. Ireis. Er setzt sich sehr oft ous jüngeren Kreisen unserer Parteigenossenschaft zusammen, die gewiß nicht immer mit dem einfachen Lehrplan, der meist ,, trodenen" Wissensstoff bietet, zufrieden sind, sondern auch darüber hinaus gesellig und in lebendigerer Form zusammen sein möchten. Hiervon geht sicher auch Decker bei seinen Vorschlägen aus, und wir müßten sehen, dem gerecht zu werden, ohne zum gefürchteten Bildungssalat" zu gelangen. Wie dem nun abhelfen?
Es geht gewiß nicht so, wie Deder es wünscht, daß die ArbeiterFildungsschule sich solcher Aufgaben annimmt. Und zudem wies ich oben schon darauf hin, daß in Wirklichkeit in der Gesamtheit der Arbeiterbildungsbestrebungen auch der ganze Mensch bereits erfaßt wird. Was Arbeitersportler, Naturfreunde, Jugendorganisationen, Freidenker und sonstige Kulturorganisationen an Kursen durchführen, berührt alle Gebiete menschlicher Lebenserscheinungen. Nur müßte die Zusammenfassung und die Berantwortlichkeit der Organisationen gegeneinander mehr forciert wer= den. Dazu gehört in erster Linie, daß die genannten Organisationen ihre Mitglieder immer wieder auch auf die Berpflichtung zur Mits arbeit im politischen und im gewertschaftlichen Leben hinweisen. Und wenn z. B. kürzlich die Naturfreundejugend in einem Kurfus ihre Funktionäre u. a. auch mit der politischen, gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen Bewegung der Arbeiterklasse sowie mit ihren sonstigen Einrichtungen vertraut machte, so ist dies sicherlich ein sehr richtiger Weg in jene Richtung.
Zum anderen fönnte aber auch durch engere Zusammenarbeit Fer Kulturorganisationen mit der Arbeiterbildungsschule sehr viel Wünschenswertes erreicht werden, ohne daß der Bildungsplan der Schule selbst übermäßig belastet wäre. Alle die Dinge, die Decker als Interessengebiet zur Erfassung des ganzen Menschen erwähnte, find tatsächlich auch für viele Besucher der Bildungsfurse der Partei wichtig. Die Bildungsschule fann sie nicht in ihrem Plan bewältigen, denn es würde ein heilloses Durcheinander geben, und eine Bildungs speisekarte dient nicht dem Grundsatz konzentrierter. Arbeiterbildung. So muß ein Mittelweg gefunden werden, der nur in locerem Zusammenhang mit der Arbeiterbildungsschule beschritten werden joll. Beispiele sollen das erläutern.
Abschluß der Diskuffion
unter Benutzung der so sorgfältig bereits vorhandenen Einrichtungen I wirkt am besten, mie bei jeder Berbearbeit, die persönlige gelangen können. Das aber wäre zugleich ein Weg zur lebermin Rüdsprache. Das erfordert gar keine neue Funktion, sondern dung des Vereinsegoismus und zur Erziehung der Organisationen wäre nur eine neue Aufgabe der Bezirksführer, ist also bet selbst zu sozialistischem Gemeinschaftswollen! dem Aufbau unseres Parteiapparates eine Kleinigkeit. Die Gea nossen müssen gewissermaßen moralisch verpflichtet werden, und das fönnen Zeitungsnotizen nicht erreichen.
Mehr kontakt!
Adolf Lau,
Auf den ersten Blick hat das„ Erfassen des ganzen Menschen" in der Bildungsarbeit, wie es Genoffe Deder anregte, pieles für sich, aber Genosse Hartig wies schon am 22. Januar mit Recht darauf hin, daß wir für jedes Spezialgebiet Organisationen haben. fassen und auf Grund ihrer Arbeit sehr oft in die Partei überführen Diese besitzen den Vorteil, daß sie auch Außenstehende ertönnen. Biele Genossen sprechen von einer Zerrissenheit der Bildungsarbeit und propagieren den Gedanken, eine einzige Organifation zu schaffen. Dies müssen wir schon darum ablehnen, weil dann vielfach der merbende Charakter dieser Gruppen verlorengehen würde. Selbstverständlich ist das Zusammenarbeiten in der Form eines Kartells notwendig.
Wenn das Interesse erst einmal geweckt ist, fommen die Genossen später von selbst. Darüber hinaus aber noch ein paar Vorschläge. Die Wirtschaftstrije hat viele Genossen auf die Straße geworfen, oft mit der Aussicht, überhaupt keine Arbeit mehr zu bekommen. Es ist klar, daß die wirtschaftliche Not am Tage viel Zeit. viele dieser Genossen schwankend machen fann, außerdem haben sie schaffen. Diese müssen möglichst in den Kreisen stattfinden. Nicht Hier gilt es Arbeitslosenfurfe zu nur jüngere, sondern auch die älteren Genossen müssen hier erfaßt merden. Um Störungen durch den Stempelbetrieb zu vermeiden, wäre die Zeit von 2-6 1hr am besten. Hier könnte systematisch eine Schule aufgebaut merden, die wöchentlich mehrmals, mit wechselndem Stundenplan, stattfindet. Die Gefahr, daß viele Hörer durch Arbeitsübernahme abspringen würden, ist ja leider nicht sehr groß. Es fönnte hier ein ganzer Funktio närst ab herangeschult werden und die arbeitslosen Genossen hätten eine Aufgabe.
Kommen wir aber zurück auf die spezielle Bildungsarbeit unserer Partei. Wenn wir die Zahl der in den Kursen erfaßten Genossen zusammenzählen, so tommt eine ziemlich hohe Summe heraus, mit der wir aber dennoch nicht zufrieden sein dürfen, wenn wir ihr die Zahl unserer Parteimitglieder gegenüberstellen. Bergegen- Dann noch eins. Die Freie Sozialistische hoch= wärtigen wir uns noch, welchen Aufschwung unsere Partei in den schule" veranstaltet in vierwöchigen Abständen Sonnabends im letzten Jahren genommen hat, so ergibt sich flar, daß wir eine große Serrenhaus Vorträge über aktuelle Themen. Der Besuch ist Zahl von Genossen haben, die beispielsweise noch unter 5 Jahren immer sehr stark. Daran zeigt sich das Interesse für diese Art von in der Partei sind. Man fann nicht annehmen, daß all diese Beranstaltungen. Sonnabends haben viele Genossen eher Zeit und Genossen auf Grund der Erkenntnis sozialistischer Theorien zu uns Luft daran teilzunehmen. Man muß ihnen nur entgegenkommen gestoßen sind. Fragen wir uns, ob wir alles getan haben, biese und diese Vorträge in den Kreisen veranstalten, schon wegen Genossen zu erfassen? Ich glaube es nicht und sehe den Grund in der Fahrgeldersparnis. Und dann feine Säle, wo geraucht der Art der Werbung für die Parteischule. Es genügt nicht, und getrunken wird, sondern Schulgulen. Die Abende im Herrenam Anfang des Semesters den Kursusbeginn in die Presse sezenhaus müssen natürlich weiter bestehen.bleiben. Es fann bei uns zu lassen und die Bildungspläne herauszugeben. Davon nehmen überhaupt fein Zuviel an Bildungsarbeit geben, wenn man sich nur die besonders intereffierten Genossen Notiz, aber gerade unsere Mitgliederzahl vorstellt. bei den anderen gilt es, das Interesse zu wecken. Und hier
Theodor Schwieger, Bezirksführer und Kursusobmann.
Sechs Kinder schreiben...
Eine Schüler- Reportage
Böglinge der neuen Schule follen frei, offen, selbständig, verantwortungsbereit sein. Du liebe Zeit, da fann man ihnen doch nicht den Mund verbieten, wenn sie ihren offenen Blick einmal auf den Gesamtbetrieb ihrer Schule richten und Schüler wie Lehrer mit fritischen Augen betrachten. Aber die 12- bis 14jährigen Boltsschüler, die die nachfolgende fleine Schulreportage als Gruppenarbeit geschrieben haben, sind keine herzlosen Kritiker und Spötter. Sie fommen gar nicht auf den Gedanken, daß etwa ihre Lehrer Ausbünde von Tugendhaftigkeit sein müßten; es geht mensch lich bei ihnen zu, wie etwa bei den Eltern zu Hause oder bei Erwadyfenen überhaupt. Und die fleinen Kritiker verstehen die Kunst, ihren Benachtungen ein flassisches Mäntelchen umzuhängen; frischweg schieben sie ihren Schiller, den sie in der Literaturstunde fernen und lieben gelernt haben, als Gewährsmann vor und schreiben, fünf oder sechs an der Zahl, in seinem Namen diese kleine Sammlung von Momentaufnahmen aus ihrer Schule.
1.
Bon der Stirne heiß, rinnen muß der Schweiß.
Bustend und schnaufend, aus dem Keller heraus, kommen die Bühnenarbeiter. Das sind meistens die Jungen aus der ersten oder zweiten Klasse, die die Aufgabe haben, die Bühne für irgendeine Vorführung aufzubauen. Auch vom Boden herunter tommen einige Kulissenschieber mit Hausteilen, Bäumen, ganzen Stadtmauern. Ja sogar ein Waldhintergrund quält sich mühsam um alle Ecken und Borfprünge. Von der Stirn rinnt der Schweiß in fleinen Bächen und gräbt sich eine Spur durch den Staub, der die Gesichter bedeckt.
Am Abend fizen die Zuschauer bequem, fidel, erwartungsvoll auf ihren Bänken und freuen sich, wie sich alles jo glatt abspielt. Steiner hat nachgedanken darüber, wieviel Mühe der ganze Aufbau gekostet hat.
2.
Jetzt, Gesellen, frisch, prüft mir das Gemisch.
Einige möchten Gymnastik betreiben. Mit Hilfe der Ar= beitersportler läßt sich derartiges zweifellos durchführen. Die Führersektion der Naturfreunde märe feinesfalls abgeneigt, interessierte Partei- und Jugendmitglieder bei Gelegenheit und Interesse zu naturkundlichen Wanderungen zusammenzufassen. Ein weiteres Beispiel wurde bereits vor furzem Praxis. Engelbert Graf behandelte bei den Naturfreunden Themen der Berliner Siedlungsgeschichte und des Städtebaues in foziologischer Beleuchtung. Partei und Jugendgenossen waren eingeladen und auch zahlreich Im Lehrerzimmer stehen dampfende Kannen und Tassen. erschienen. Weiter das Laienspiel. Es wird in der Hauptsache| Ein Deckel flappert. Würziger Duft verbreitet sich. Fräulein N. in den Jugendorganisationen gepflegt. Warum sollten nicht einmal schenkt den Tee in die bereitstehenden Tassen. Zucker wird herumneben den Kursen der Arbeiterbildungsschule Meine gefeliige 3ugereicht. Es wird gerührt und geschlürft. An einer Stelle wird sammenkünfte der Hörer stattfinden, in denen dann mit Hilfe beKaffee getrunken. Von dem bloßen Geruch triegen einige schon stimmter Laienspielgruppen der Arbeiterjugend das Laienspiel prai Herzklopfen. Nun kondensierte Milch aus der Büchse dazu. Der tiziert wird? Und künstlerische Beranstaltungen sind gleichfalls Löffel verrührt die Mischung; er bleibt gleich stehen. Es fehlt bloß michtig. Da tönnte die Volksbühne helfen. Sie wird absolut noch, daß der Schulleiter seine Stimme mit den Meisterworten nicht abgeneigt sein, bei Auftreten von genügendem Interesse und bei erschallen läßt: Jetzt, Gesellen, frisch, prüft mir das Gemisch! genügender Beteiligung wertvolle Aufführungen oder Vorträge in Form von Matineen oder Sonderveranstaltungen zu miederholen. In allen diesen Fragen wäre natürlich eine gefunde Ber. teilung der Kräfte und der Arbeit Grundbedingung. Die genenntén Beranstaltungen fie laffen sich noch vervielfachenwürden nicht im Plan der Arbeiterbildungsschale, jondern im Rahmen der betreffenden Organisationen vonftatten gehen, ohne daß die Teilnehmer zur Mitgliedschaft in diesen verpflichtet wären. Ueber die Gestaltung der finanziellen Seite ließe sich eine Einigung finden. Und die Arbeiterbildungsschule miederum hätte die Aufgabe, in ihrem Hörerkreis das Intereise. für diese oder jene Sache zu er tunden. So wurde man meines Erachtens am besten zu einer ge= funben Konzentration ber gesamten Arbeiterbildungstätigkeit
Bertunterricht.
3.
Nehmet Holz vom Fichtenstamme.
3ehn, zwölf Jungen stehen vor ihren Bänken und warten auf Material. Herr M. tommt. Was willst du machen?
Einen Nagelkasten.
lind du?
Eine Fußbant. Der nächste?
Ein Backhaus.
Und jo fragt er alle der Reihe nach durch. Es it tarz vor,
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Weihnachten und jeder will noch rasch irgendein Geschent anfertigen. Aber es ist noch lange nicht so weit, daß man loslegen fann.
Hast du' ne Zeichnung?
Wieviel Holz brauchst du? Rechne mal eben zusammen. Hast du deine Beschläge mitgebracht?
Wo ist dein Bleistift?
Erst ganz zuletzt kommt die Aufforderung: Hol dir dein Holz aus dem Holzraum!
4.
Wie fich schon die Pfeifen bräunen. Im Lehrerzimmer, Das Frühstüd ist verzehrt. Noch ein paar Minuten Zeit. Für eine Pfeife oder eine Zigarette langt es noch. Bald hüllt Qualm das ganze Zimmer ein. Wenn man um diese Zeit hineintritt, um etwas zu bestellen, oder um einen Lehrer ans Telephon zu rufen, dann muß man sich eine Gasmaste auffeßen. Nach Schluß der Pause liegen in den Aschbechern die Zigarettenrefte oder die braunen, verkohlten Pfeifen herum.
5.
Er zählt die Häupter seiner Lieben.
Als wir noch flein maren, mußten die Lehrer und Lehrerinnen uns bei jeder Gelegenheit zählen. Bei unseren Ausflügen, beim Einsteigen in die Elektrische, in den Zug, in den Dampfer, beim Aussteigen, beim Baden immer wurden wir ab= gezählt, damit bloß feiner von uns verschüt ging. Was für ein Krabbelzeug! denken die Großen, die sich über die Kleinen luftig machen; ein Segen, daß wir nicht mehr abgezählt zu werden brauchen.
6.
Wenn gute Reden fie begleiten,
dann fließt die Arbeit munter fort.
Einige haben einen Motor im Mund, eine richtige Robbelmaschine. Die ist überhaupt nicht zu bremsen. Wenn der Lehrer am Bult sizt und schreibt, so wie er einmal den Rüden dreht, wenn wir beim Rechnen sind gleich geht das Geschwätz Aber sie versagt; die Maschine hat zu starken Druck. los. Eine Bremse ist wohl da, das ist das Gebot: Stillschweigen!
7.
Holder Friede, füße Eintracht.
Der Dichter Schiller in eigener Berion beirit unsere Bersuchsschule:
Es hat mich herzlich gefreut, daß ihr mein Gedicht von der Glode so brav auswendig gelernt und auch angewandt habt. Nun fogt mir aber mal: Bo steckt denn eigentlich eure Schul. glode?
Die haben wir schon längst abgeschafft.
So? Wer ruft euch denn zur Arbeit oder zur Pause? Das tut unsere Aufsicht. Wenn die uns Bescheid sagt, beginnen oder schließen pir.
Nun ja, auf die Glocke selber tommt es ja auch nicht an. Wenn ihr nicht auf die metall'ne Stimme hört, so handelt meniga stens aus ihrem Geiste heraus: Holter Friede, süße Eintracht mögen immer unter cud) weilen.