Morgenausgabe
Nr. 93 A 47
48.Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Mittwoch
25. Februar 1931
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Einigung London - Paris . Schieles Programm.
Henderson und Alexander nach Rom weitergereift.
Paris , 24. Februar.( Eigenbericht.)[ Italien versuchen würde, die jetzt noch bestehende Spanne von Die Einigung in den englisch - französischen Flot: 150 000 Tonnen zwischen beiden Flotten zu vermindern. Italien tenverhandlungen ist, wie zu erwarten war, am scheint über die Pariser Verhandlungen nicht direkt auf dem Dienstagabend erzielt worden. Der englische Außen- laufenden gehalten worden zu sein. Troßdem glaubten die englischen minister Henderson und der erste Lord der Admira Unterhändler versichern zu können, daß es sich damit einverstanden Tität Alexander sind daraufhin sofort nach Rom erklären dürfte. abgefahren, um dort über den Beitritt Italiens zu dem Flottenkompromiß zu verhandeln.
Wie ein amtliches französisches Kommuniqué erklärt, werde sich die Bedeutung der in Paris erzielten Ergeb. nisse erst dann voll beurteilen lassen, wenn die 3u stimmung Italiens dazu vorliege.
Keine englischen Gegenleistungen?
Paris , 24. Februar.( Elgenbericht.)
Die französisch- englischen Flottenverhandlungen, die durch die Reise des Außenministers Henderson und des Ersten Lords der Admiralität Alexander nach Paris einen starten Anstoß erfahren haben, stehen unmittelbar vor dem Abschluß. Am Dienstagvormittag verhandelten nur noch die Marinefachverständigen der beiden Länder, ein Beweis dafür, daß man sich bis auf einige technische Details einig geworden ist. Nach einem eiligen Frühstück am Quai d'Orfan traten die Sach verständigen erneut zu einer Sigung zusammen, während Briand und Henderson noch einige Augenblide in infimer Aussprache beieinander blieben. Kurz vor 5 Uhr begann in der englischen Botfchaft die als abschließend angekündigte Bollsitzung aller Verhandlungsteilnehmer.
Der Kampf der letzten Stunde drehte sich, wie schon berichtet, in der Hauptsache um drei Punkte: Die Engländer versuchten die bereits auf 640 000 Tonnen herabgeschraubte Gesamttonnage der französischen Flotte noch um 10 bis 20 000 Tonnen zu vermindern. Qiuch verlangten sie, daß Frankreich für die Herabsegung seiner U- Bootflotte von 98 000 Tonnen auf rund 60 000 Tonnen sich keinen Ersatz in Torpedobooten und leichten Zerstörern zu schaffen suche. Endlich forderten sie den Berzicht auf den Bau des für dieses Jahr schon bewilligten 23 000- Tonnen
Panzerfreuzers.
Im übrigen aber hat man sich vor allem darüber geeinigt, daß Frankreich jetzt dem Londoner Flottenabkommen beitritt, allerdings unter der ausdrücklichen Berufung auf eine Garantietlaufel, die ihm gestatten soll, seine Seerüstungen zu erhöhen, falls
Fünf Millionen arbeitslos.
Die Auswirkung des Lohnabbaus.
Die neuen Arbeitslosenziffern der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung bedeuten noch feine Besserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die Belastung der Arbeitslosenversicherung, die im vorigen Berichtsabschnitt noch um rund 155 000 Hauptunterstützungsempfänger zugenommen halle, ist bis zum 15. Februar um rund 48 000 auf rund 2 602 000 geffiegen. Diese verhältnismäßig geringe Zunahme ist auf die„ Reform" der Arbeitslosenversicherung zurüdzuführen. In der Krisenfürsorge wurden am gleichen Stichtag rund 861 000 Hauptunterstützungsempfänger gegenüber 811 000 am 31. Januar gezählt.
Von den verfügbaren Arbeitsuchenden, die am 15. Februar bei den Arbeitsämtern eingetragen waren, waren rund 4 991 000 arbeitslos, rund 1600 000 mehr als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Trotz des milden Winters ist also nicht die von den Unternehmern vorausgesagte Abnahme der Arbeitslosigkeit als Folge der Lohnfenfung eingetreten, sondern wie
vorauszusehen war eine außerordentliche Verschärfung. Die Zunahme um rund 106 000 gegenüber dem 31. Januar fällt zu 2,8 Proz. den Saison- Außenberufen zur Last, während in den übrigen Berufsgruppen eine Zunahme um 1,7 Pro3. zu verzeichnen ist. In den Steinkohlen- wie in der Braunkohlenindustrie hat sich der Absah verschlechtert. Entlassungen und starte Zunahme der Feierschichten, vor allem Ruhrgebiet , waren die Folge. Aud die Kaliindustrie ging zu Betriebseinschränkungen und zu Kurzarbeit über. Eine leichte Entspannung des Arbeitsmarktes zeigte sich der Saison entsprechend mehrfach in der Bekleidungsindustrie, vor allem in der Konfektionsindustrie Brandenburg und Schlesien .
Abgeblitzte Demagogen.
Angestelltenfürforge, die feine ist.
Der Vorstand des Reichstags befchäftigte sich am Dienstag mit dem nationalsozialistischen Antrag, dem gesamten Personal des Reichstags für die Nachtsigung vom 9. zum 10. Februar eine Entschädigung von je 15 Mart zu gewähren.
Was nun aber die englischen Gegenleistungen angeht, wie sie Frankreich aus seinen Konzessionen in der Secabrüftung erhofft hatte, so scheint man in Paris wieder einmal die Rechnung etwas voreilig gemacht zu haben. Wie verlautet, sollen sich die englischen Unterhändler recht unzugänglich gezeigt haben. Sie sollen sogar erklärt haben, daß Frankreich ihnen im Gegenteil dankbar sein müßte, weil es der englischen Vermittlung gelungen sei, den Flottenstreit mit Italien aus der Welt zu schaffen. 3talien tenft ein.
Rom , 24. Februar.( Eigenbericht.) lischen Außenministers in Paris wurde der römischen Der die Deffentlichkeit überraschende Besuch des engRegierung vorher auf dem diplomatischen Wege telephonisch angekündigt. Die italienische Presse, die bisher starr und heftig an den Forderungen nach völliger Gleichheit in der Flottenſtärke mit Frankreich festhielt, hat am Dienstag zum erstenmal ihren Ton völlig geändert. Die Weifung von oben ist klar ersichtlich. Nach den Informationen des Korrespondenten des Sozialistischen Preffedienst ist ein wichtiger umschwung eingetreten. Die Geneigtheit Italiens , mit Frankreich endlich zu einem Abkommen in der Flottenfrage zu fommen, ist gewachsen. Man dürfte sogar den entscheidenden Schritt machen, zum erstenmal die Forderung nach völliger Gleichheit in der Flottenstärke fallen zu lassen. Natür lich wird das nicht prinzipiell geschehen, aber tatsäch lich. Der moralische Druck der Londoner Arbeiterregierung, die auf keinen Fall den Londoner Flottenpaft und die Abrüstungs. tonferenz zu Fall kommen lassen will, wirkt dabei ebenso start mit wie die finanzielle Lage, die ein wahnwigiges Wettrüsten nicht erlaubt. Ist einmal dieser entscheidende Schritt getan, die Idee der Flottengleichheit bis auf weiteres beijeite zu lassen, dann zeigen die jeßigen Berhandlungen darüber. ob Frankreich 150 000 Tonnen oder weniger an llebergewicht über Italien in seiner Flottenstärke erhält, nicht mehr unüberwindbare Schwierig feiten. Im Zeichen der Rüftungspause kann dann endlich die Abrüstungstonferenz zusammentreten, die nach den Worten Hendersons über das fünftige Schicksal Europas entscheidet.
Der Präsident teilte mit, daß der Antrag sich dadurch er ledigt habe, daß der Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenrat auf eine besondere Entschädigung verzichtet habe, da die den einzelnen erwachsenen besonderen Kosten wie für Nachtfahrt usw. bereits ersetzt worden seien.
Der„ Führer" im Thälmann- Kreis, Wegen Totschlag verurteilt.
Stuttgart , 24. Februar.( Eigenbericht.) Karl Foerstner, der Führer der kommunistischen rbeiterwehr in Kannstatt, wurde vom Stuttgarter Schwurgericht wegen Totschlags zu 2 Jahren und 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte in der Nacht vom 5. zum 6. De zember den Hausmeister Stumpp von der Realschule Kannstatt mit zwei Faustschlägen an den Kopf so heftig zu Boden geschlagen, daß der Tod auf der Stelle eintrat. Stumpp war dem Foerstner und feinen Begleitern entgegengetreten, als sie Plakate am Schulhaus antleben wollten. Foerstner erwies sich in der Berhandlung als ein Mann, der wegen Diebstahls, Körperverlegung und richtsarzt bezeichnete ihn als einen brutalen und zu schweren Nötigung schon schwere Strafen erlitten hat. Der GeZornesausbrüchen.geneigten Menschen. Einem solchen ann übertragen die Kommunisten die Führung ihrer Arbeiter
Mann
wehr!"
Montag, 2. März, abends 71/2 Uhr, ,, Sportpalast ", Potsdamer Straße 72: Preußischer
Otto Braun , Ministerpräsident Pietro Nenni , Italien
( Verfasser des Buches ,, Todeskampf der Freiheit!") Einlaßkarten bei den Funktionären.
Bezirksvorstand.
Die Schwierigkeiten seiner Durchführung.
Das von der Reichsregierung verabschiedete neue Agrargesetzgebungswert murde am Dienstag vom Reichsernährungsminister Schiele vor dem Reichstag erläutert.
Im ersten Abschnitt des sechs Abschnitte umfassenden Agrarprogramms wird der schon bekannte Reichsbestellungsplan, d. h. die weitere Einschränkung des Roggen- und Haferanbaus und die Berwendung der frei ge= wordenen Flächen zur Ausdehnung des Weizen, Gerste, Feldfutter- und Hülsenfruchtanbaus sowie die Ausdehnung der Grünlandwirtschaft dargelegt. Gegenüber dem Vorjahr ist durch die enorme lleberhöhung der Weizenpreise der Roggenanbau um eine halbe Million Heftar eingeschränkt und dafür der Winterweizenanbau um 125000 Heftar ausgedehnt worden. Durch eine weitere Erhöhung der Weizenpreise( schon jetzt fostet der Zentner Weizen 6 M. mehr als der Roggen) will man nun erreichen, daß möglichst viel von der freigewordenen Roggenfläche mit Sommerweizen bestellt wird. Denn in dem Programm steht ausdrücklich, daß durch eine entsprechende Preispolitik ein privatwirtschaftlicher Anreiz für die Produktionsumstellung geschaffen werden soll.
Der zweite Abschnitt behandelt die Absatzverhält zu erlassen. Auch ist in ihm von dem unmittelbar vor dem nisse. Es ist in Aussicht genommen, zu dem StadardisieAbschluß stehenden Zusammenschluß der Zuckerindustrie die rungsgesetz und zum Milchgesez Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Auch ist in ihm von dem unmittelbar vor dem bestimmungen noch einmal in dem neuen Agrarprogramm Rede. Warum diese drei Gefeße bzw. die Durchführungserwähnt sind, ist nicht recht ersichtlich, denn die Geseze find schon längst in Kraft und kein Mensch hat Herrn Schiele daran gehindert, die notwendigen Durchführungsbestimmungen zu treffen. Es wäre aber besser, anstatt andauernd von jazzmesens, wie Standardisierung und Milchgefeß zu reden, den notwendigen Werbefferungen des landwirtschaftlichen Abendlich einmal etwas zu tun. Auch sollen besondere Mittel vorgesehen werden zur Förderung der Kartoffeltrocknung, zur Unterbringung der überschüssigen Zuckermengen auf dem Wege der Verfütterung und zur stärkeren Anspannung des Brennrechts. mischungsquote von Kartoffelspiritus zu Benzin, wodurch der Das letztere heißt wohl Erhöhung der BeiTreibstoff verteuert und damit der Kraftwagenverkehr zum Nutzen der Schnapsbarone verteuert wird. Schließlich ist die Milchwirtschaft nicht vergessen, denn pasteurifierte Milch soll von der Umsatzsteuer befreit werden.
einflussung des Verbrauchs behandelt. Die Im dritten Kapitel des Agrarprogramms ist die Be= Berarbeiter von Kasein, Flachs und Bichorie sollen gezwungen werden, einen bestimmten Prozentsatz deutscher Rohstoffe zu verbrauchen. Hoffentlich kommt es nicht so weit, daß man zwangsmäßig jedem Kaffeetrinker Zichorienbrühe gewaltsam einflößt. Den Absah von deutschem Kasein brauchte man durch gefeßlichen 3wang gar nicht zu beeinflussen, wenn die Produktionsmethoden verbessert würden, denn der Absatz ist nur deswegen so gering, weil deutsches Kasein gegenüber ausländischem von äußerst geringer Qualität ist. Um den Holz= abjay zu heben, soll bei allen Bauten, die mit öffentlichen, insbesondere Hauszinssteuermitteln errichtet werden, grundfählich nur heimisches Holz verwandt werden.
Der vierte Abschnitt ist der bedenklich ste, denn durch ihn soll die Regierung ermächtigt werden, gleitende Zölle, die bisher nur für Getreide bestanden, für alle agrarischen Produkte, also Fleisch, Molkereiprodukte, Eier, Hülsenfrüchte und die Erzeugnisse der Forstwirtschaft einzuführen. Dieses Ermächtigungszollsystem soll fid) nach Schiele bei den Getreidearten voll bewährt haben. Jedenfalls ist der Erfolg der, daß der Weizen, bei dem es sich befonders durch die Erhöhung der Zölle auf 25 M. je Doppelzentner ausgewirkt hat, jetzt bereits im Rheinland 300 m. die Tonne fostet. Besonders bedenklich ist aber die Ausdehnung dieses Ermächtigungsgesetzes auf die Veredelungsprodukte und auf Obst und Gemüse, denn nur bei einigen dieser Waren kann die Reichsregierung die Zölle von sich aus erhöhen. Fast alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind in Handelsverträgen ge= Frankreich , Jugosiawien, Italien , Belgien und Holland , Käse bunden, so Obst und Gemüse in den Handelsverträgen mit im Handelsvertrag mit Frankreich und der Schweiz , Eier im Handelsvertrag mit Italien und Jugoslawien , Holz im Handelsvertrag mit Desterreich und Schweden .
Entweder bedeutet also die Erhöhung der Zölle auf diese Waren Kündigung der Handelsverträge und 3ollkrieg oder Verhandlungen mit diesen Staaten und Bewilligung von Einfuhrkontingenten. Denn sonst werden die Handelsvertragspartner faum geneigt sein, einer Erhöhung der Zölle zuzustimmen. Eine Durchbrechung unseres gefamten Handelsvertragssystems wäre damit verbunden. Die Gefahr wird etwas vermindert dadurch, daß nicht der Reichsernährungsminister allein ermächtigt wird, die Zölle zu erhöhen, sondern daß das Reichskabinett diesen Beschluß fassen muß, so daß also auch die Industrieinteressen zur Geltung fommen werden.
Im fünften Abschnitt wird die Regierung ermächtigt, das Einfuhrscheinsystem, das uns 104 Mill. Mart jährlich gefoftet