Nr. 93 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Wo einst Frau Berolina thronte.
Echon fallen die Gerüste Don dem neuen achtstöckigen Bürohaus, das zwischen Bahnhof Alexanderplatz und Waren haus Tieh das neue Gesicht des Alexanderplates zu formen beginnt. Bald wird diesem Bürohaus das zweite folgen, das in rechtem Winkel von der Königstraße zum Bo, lizeipräsidium hin einen gewaltigen, meithin sichtbaren Block bilden wird. Die vielen architektonischen Wandlungen, die der Alexanderplatz ( der diesen Namen erst seit 1805 führt) mitgemacht hat, fann man sich auf bequeme Weise Deranschaulichen: 11.Bahnhof
Im neuen ,, Alexander
Neue Riesenhäuser wachsen auf dem Alex
play" find als fünstlerischer Schmuck sechs Bilder von der Staatlichen Borzellanmanufattur angebracht. Da sehen wir: 1730 ,,, Die Gegend am Königstor". Wall und Graben, nach den firengen Regeln damaliger Festungsbaukunft angelegt, legen einen festen Ring um die innere Stadt. Durch ein breites Borfeld, die„ Contre Escarpe", getrennt, ziehen dann radial die Vorstadtstraßen in nordöstlicher und östlicher Richtung 1780: Auf der Contre Escarpe wird fröhlicher Ochsenmarkt abgehalten. Ein Viehhirt trennt zwei sich rangeinde Ochsen, munter sprengt ein Reiter der wenige Jahre vorher erbauten Königsbrücke zu; fie befand sich unter der heutigen Stadtbahn, an der Kreuzung der Dircksenstraße. Die anschließenden Kolonnaden, von Gontard erbaut, zeigt das nächste Bild. Ein eleganter Vierspänner rollt über die nicht allzu breite Brücke, über die allerdings auch ein Ochse getrieben wird. Erst mit dem Bau des Warenhauses Wertheim verschwanden die Kolonnaden ira Jahre 1910. 1830: Der Wollmarkt auf dem Alexanderplatz . Beschauliche Mittagssonne liegt auf dem recht flein städtisch anmutenden Platz. Gespanne bringen mächtige Wollballen heran, die auf der nahen Bacge gewogen werden. Links im Hinter: grund das Königstädtische Theater, das 1823 an Stelle der Manufaktur der Gebrüder Heffe erbaut wurde und heute in feinen Nesten einen Aschinger Betrieb beherbergt. Bo heute das im Rob bau fertige achtstödige Bürohaus hochsteigt, stand um die Wende des 18. Jahrhunderts das Haus des Meisters Tassaert, der Schadows
Polizeifoller in Neukölln.
Schwere Gefängnisstrafe für einen unvorbestraften.
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BeissePod larrer
Lehrer war. 1900: Berlin hat zwar noch teine Untergrundbahn, aber die Cleife der elektrischen Straßenbahn überqueren den Alexanderplatz . auf dem das Standbild der„ Berolina mit stolzer Geste steht. Mit langer weißer Rauchfahne rollt ein Stadibahnzug über die Brücke in die hochgewölbte Halle. Reklameaufschriften mie„ Tarameter"," Bahntfinit"," Photographisches Atelier" erinnern uns, daß wir uns mit Riesenschritten den Zeitalter der Technit nähern. Heute mutet uns der Blaz wie eine von fanmeren Erdbeben heimgesuchte Gegend an; das Häuserviertel vor der Georgenkirche total wegrafiert. Längs des Durchbruches zur Großen Frankfurter Straße zum Untergang verurteilte Häuser mit leeren Fensterhöhlen und gewaltigen Sprüngen. An der Landsberger Straße ebenfalls in Auflösung begriffene, zu dem pulsierenden Vertehr in traurigem Gegensatz stehende leere Behausungen. Unter dem Alexanderplatz die gigantische, binnen furzem vollendete Bühlarbeit der Untergrundbauten. Aber aus der Zerstörung heben sich schon jetzt die neuen Züge des maternen Aleranderplatzes, vielstödige Bürohäuser, gerade breite Ausfallstraßen, die Berlins lebendigstem Platze auch die zeitgemäße äußere Form geben werden.
Mittwoch, 25. Februar 1931
Student umgebracht.
In seinem Zimmer mit Radiodraht gefesselt tot aufgefunden. London , 24. Februar.
Ganz England wird augenblicklich durch einen höchst rätselhaften Mord in Aufregung versetzt. Ant Montag früh fand man den Studenten Ellis in seinem Zimmer im Sidney- Sussex- Colleg in Cam= bridge tot auf. Sein Kopf war von der Stirn bis zum Kinn mit acht kunstvoll ineinandergeknüpften Taschentüchern umbunden, die Arme mit ebenfalls kunstvoll geknüpften Taschentüchern fest auf den Rücken gefesselt und die Unterschenkel mit den Wickelgamaschen des Studenten aneinandergeschnürt. Außerdem war der ganze Körper mit Radiodraht umwickelt und die Unterschenkel so zurückgebogen, daß der Eindruck entstand, daß der Ermordete rückwärts aufgehängt werden sollte. Da man nichts Verdächtiges im Colleg vernommen hat, steht man vor einem vollkommenen Rätsel.
Die Beisehung der Opfer des Zechenunglücks. Eschweiler , 24. Februar.( Eigenbericht.)
Am Dienstagvormittag wurden hier die 32 Opfer des Zechenunglüds in der üblichen Weise unter gewaltiger Teilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen. Es wurden verschiedene Ansprachen gehalten, in denen immer wieder die Versicherung wiederkehrte, daß fünftig mit allen Mitteln daran gearbeitet werden müsse, daß die Belegschaften in den Bergwerken vor derartigen katastrophen bewahrt bleiben müssen.
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Für den Bergbauindustricarbeiterverband sprach Engelhardt Aachen. Als Vertreter des Reichsarbeitsministeriums, des Reichspräsidenten und des Reichstanzlers sprach Ministerialdirektor Dr. Grieser. Auch er hob hervor, daß es notwendig sei, alle erdenklichen Maßnahmen im Bergbau zu treffen, um in Zukunft derartige Massenunglüce zu verhindern. Nach dem Traueraft setzte sich der Trauerzug, an der Spize die Bergmannskapelle, in Bewegung. Auf zehn schwarz umflorten Leichenwagen wurden die Särge nach den Friedhöfen von Eschweiler , Weißweiler , Nothberg , Bergrath und Dürwiß zur Beerdigung gefahren.
Neues Lawinenunglück!
München , 24. Februar.( Eigenbericht.)
3m Roßfteingebiet bei Lenggrieß ereignete sich am Dienstagnachmittag ein neuer Caminensturz, der wieder einen Stifahrer, den Mechaniker Schreier aus München , unter sich begrub. Dem Gebirgsunfalldienst des Roten Kreuzes gelang es nod) nicht, den Berichüllefen zu bergen, so daß mit seinem Tod zu rechnen ist.
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Die zahlreichen politischen Zusammenstöße, die sich im Dezember vorigen Jahres fast tagtäglich in Neufölln ereigneten, hatten vor den Erweiterten Schöffengericht Neukölln unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Guhrauer ein Nachspiel. Wie erinnerlich, fam es damals wiederholt zu Ausschrei- fi von Landgerichtsdirektor Dr. Guhrauer aber anderer Mei
und versuchte, sie niederzuschlagen. Unter den dauernden Hetrufen einer Frau: Auf fie, fos!" brangen die Erwerbslosen auf die Beamten ein und bedrängten jie hart. Der 19jährige Arbeiter, Kurt P. sprang einem der Beamten an die Kehle und warf ihn zu Boden. Von hinzueilender Verstärkung fonnte der Polizist aus Hohe Alarmstufe für die Schupo. seiner gefährlichen Lage befreit und der Täter jestgenommen werden. Entsprechend des verschärften Demonstrationsverbots des PolizeiIn der Verhandlung bestritt der Angeklagte P. jede strafbare Handlung und beteuerte, daß er das Opfer einer Verwechslung präsidenten für den heutigen Mittwoch wird sich die Berliner geworden sei. Mit dem Staatsanwalt war das Gericht unter Bor- Schußpolizei heute in besonderer Alarmbereitschaft befinden. Die vier, von den Kommunisten ursprünglich in Aussicht
tungen fommunistischer Erwerbsloser, die auch in einigen Fällen Geschäfte plünderten. Der Borfall, der jetzt der Berhandlung zugrunde lag, hatte fich am 5. Dezember am Kott buffer Damm ereignet, wo gegen der dauernden Zwischenfälle bereits verstärkte Polizeistreifen postiert waren. Dessenungeachtet unizingelte ein aus etwa 20 Erwerbslofen bestehender Trupp einige Beamte
Gerhart
Mostar Schicksal Fun fanie
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Schmizer steht vor Lene und weist den Hund vor. Sein Herz klopft wie das des Tieres. Denn er versteht nichts von Hunden und hat diesen hier für fünf Mart vom Misthaufen weggekauft Aber es geht über Erwarten gut: Lene findet ihn hübsch; findet, daß er aussieht wie ein Fuchs; bezeichnet das schmutzige Gelb als Gold. Und läßt sich auch den Namen gern gefallen: Rolf; das klingt so tapfer, meint sie.
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Sie gehen zufammen auf das Stubbenland zu; gehen den Fußweg, der am See entlangführt. Das Wasser gibt fein letztes Blau an den Abend weg; es dunkelt schnell. Der Wind vom Stubbenland schreitet hier unten sehr langsam; die Wellenkanten fliehen vor ihm her wie filberne Schlangen. Abends war ich noch nie am See", sagt Lene. Man legt sich ja früh hier schlafen; was foll man fonft tun?" Es ist sehr schön am See", meint Schmizer. " Ja, fagt Lene gleichgültig; wie man etwas bejaht, das man zugeben muß; das man aber nicht empfindet. Weshalb bleiben Sie eigentlich so lange hier, Herr Schmizer?" Meiner Gefundheit wegen." ,, Sie find frant?" Ja. Lunge."
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Sie findet einen flüchtigen Laut des Mitleids und verabschiedet sich. Schnell verschwindet sie im Dunkel, hochbeinig, blond, den demütigen Hund mit sich ziehend in fein neues Geschic
Siegfried Schmißer blidt ihr lange nach. Er hat sie schon cft gesehen, aber noch nie so; er weiß selbst nicht, was heute anders an ihr sieht; geschehen ist doch nichts, gar nichts. Bielleicht kommt sie ihm blonder vor oder höher oder ferner. oder vielleicht sieht er heut gar nicht, was sie ist, sondern was fie fein tönnte.
Er geht seinem Pavillon zu; einer, der bisher neben den Schicksalen stand, die aus Sand vom Stubbenland schießen
nung. Der Angeklagte, der bisher nicht vorbestraft ist, murde wegen schweren Aufruhrs zu sechs Monaten Ge= fängnis verurteilt.
Sprechchor für Proletarische Feierstunden. Nächste Uebungsstunde am Freitag, dem 27. Februar, 19% Uhr, im Gesangsjaal der Sophienschule, Weinmeisterstr . 16/17.
wollen wie Spargel, und der sich nun dunkel mit hineingezogen fühlt in dies Schicksalswachstum wie jener Hunde Als er an die Grenze seines Besizes fommt, find die Sterne hinter ziehenden Wolfen verschwunden, und es weht fühl; ihm ist, als fäße im Dunkel Sally Rosenbaum auf einem Stubben, und als flöge sein Kaftan im Wind.
Stich mit dem Spaten. Drud mit der Hand. Einmal den Stich, einmal den Druck: das heißt ein Staude gepflanzt. Stich mit dem Spaten; Drud mit der Hand; fünftausend mal Stich, fünftausendmal Druck: das heißt einen Morgen bepflanzt.
Stich mit dem Spaten, Drud mit der Hand, sechzigtausendmal Druck und Stich: das heißt zu Ende gepflanzt.
Das hat man schon einmal getan: zu Ende gepflanzt. Bor zwei Monaten war's. Und es war alles umsonst. Und es muß alles noch einmal sein.
Denn in dieser Nacht hat der Wind eine Wolfe gebracht, eine von vielen; diese aber war so schwanger von Regen, daß sie zerbrach; daß nicht Tropfen fielen, sondern Ströme von Waffer. Es wäre ein bedenklich heftiger Regen gewesen für fchwere Erde; es war ein Wollenbruch für den Sand vom Stubbenland. Sand verträgt nur Regen, der rieselt; nicht Regen, der rauscht.
Regen, der donnert: der reißt Löcher in den Sand; freiselt ein paarmal herum in den Löchern; sieht, daß er nicht in die Tiefe gelangt, und flutet ab, hinunter zum See. Daß eine junge, zarte Pflanze war in jedem der Löcher, arbeitend mit aller Kraft ihrer Klauen, sich einzuflammern in den neuen Boden: das hat er gar nicht bemerkt; sie ist mitgekreiselt und ausgewühlt worden und liegen geblieben am Rande der Furche, wenn das Land waagerecht war, oder am Ende des Feldes erst, im Heidekraut, wenn das Land sich neigte. Es ist schlimm, dabeistehen zu müssen, wie das geschieht, im donnernden Dunkel, mit der Laterne in der Hand, und nicht helfen zu können; weil es sechzigtausendmal zugleich geschieht. Aber es ist gut, daß man, wie Korns, erwacht ist vom Regen, daß man, trüber Ahnung voll, hinausgesehen hat auf das Feld; nun fann man durch die Furchen hasten und die Pflanzen sammeln und warm im Schuppen halten, daß der Frost der Frühe die Wurzeln nicht töte. Und wenn es dann fann man von neuem pflanzen.
dämmert
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Stich mit dem Spaten. Drud mit der Hand. Einmal den Stich, einmal den Druck: das heißt zweimal gebückt.
genommenen Bersammlungsplätze, darunter vor allem der Lustgarten, sollen überwacht werden. Auch die Bannmeile wird heute verstärkten Schuh erhalten, um ein etwaiges Vordringen von Demonstranten bis zu den Parlamenten zu verhindern. Die Vorkehrungen der Polizei werden so umfassend sein, daß nach Ansicht der zuständigen Stellen ernstliche Befürchtungen über das Entstehen von größeren Zwischenfällen nicht gehegt werden.
Stich mit dem Spaten, Druck mit der Hand, sechzigtausendmal Druck und Stich: das heißt Blutblasen haben an den Händen, Blutsaufen haben in Hirn und Ohr, Schmerzen haben in Brust und Rücken, Reißen haben in Wirbeln und Schenkeln.
Wenn man eiwa die Schuld trüge, wenn man schlecht ge= pflanzt hätte das erstemal: vielleicht fiele einem die Arbeit leichter. Aber nur eine Wolke ist die Ursache gewesen; irgendeine dumme Wolke, und ein Wind, der sie brachte, und ein Sand, der nur Regen will, der rieselt; Regen nicht, der rauscht.
dran: man müßte ihn beschimpfen mit derbsten Worten. Und wenn man etwa an Gott glaubte, man wäre übel
und hinüber zu Papendied: wo bleibt der? Wenn sie ihn nicht Aber Korns schaffen schweigend. Selten blicken sie auf finden, sinkt ihr Blick wieder zum Sand.
Stich mit dem Spaten. Druck mit der Hand. zweimal zu Ende gepflanzt. Einhundertzwanzigtausendmal Druck und Stich: das heißt
Tja, Papendied! Wo bleibt Papendied? Dumme Frage! Papendied hat Geburtstag! Sechzigsten, bitte schön!
Soll Papendied an seinem sechzigsten Geburtstag vielwieder einsetzen, die sone Husche rausgepult hat? Soll Papenleicht im Sande herumfrabbeln und ein paar Spargelpflanzen died an feinem sechzigsten Geburtstag Rückenschmerzen friegen und Blutblasen und was weiß ich noch?
I mo! Wird schon en Tag Zeit haben! Heute kommen Freunde aus Berlin , denen man imponieren muß! Wenn's mit den Pferden was zu arbeiten gäbe: bitte sehr; aber mit den Händen? Vor denen? Nee! Papendied hat Geburtstag, Papendied bleibt zu Hause. Basta.
Na, und was es alles zu zeigen gibt! Hat einem Leneken, das Prachtstüd, nicht einen Hund geschenkt! Groß, schön, was Besonderes, züchten muß man die Rasse! Stubbenlander Sandhund" müßte man sie nennen, weil Rolf so gelb ist! Eine ähnliche Hündin besorgen, damit man Welpen friegt, mit den besten Rüden und Hündinnen weiter züchten, das bißchen Feigheit, das der Rüde Rolf noch aufweist, megzüchten
ganz einfach! Uebrigens fann man die ihm auch wegdreffieren, sagt der Landwirtschaftliche Ratgeber, dem auch die Fachausbrüde wie Rüde und Welpe zu danken sind.
( Fortsegung folgt.)