Nr. 95 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
( 20218
Der Tod hielt auf den Schienen.
Sieben Jahre Zuchthaus für den Schwedenzug- Attentäter.
Das Prenzlauer Schiburgericht verkündete abends um 11 Uhr in dem Eisenbahnattentatsprozeß gegen den Arbeiter Ernst Ladewig aus Berlin folgendes Urteil: Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher Transportgefährdung in Tateinheit mit versuchtem Mord zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Zwei Monate und drei Wochen der Strafe gelten als durch die Untersuchungshaft verbüßt. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden dem Angeklagten auf die Dauer von fünf Jahren aberkannt.
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der rechten Seite der Lokomotive ein scharfes Rucken und Knirschen gemerkt und gefühlt habe, daß die Lokomotive sich in die Höhe hob. Er habe in der ersten Sekunde geglaubt, daß er über einen großen Stein gefahren sei, oder über ein Eisenstück, das vielleicht von einem Güterwagen herabgefallen sein konnte. In Pasewalk habe er aber sucht, und da habe er gefunden, daß der linke Schienenräumer, doch, weil ihm Bedenten aufgestiegen seien, seine Lokomotive unter ein starker Gisenträger, vollkommen abgerissen, der rechte schwer beschädigt und im Winkel von 30 Grad verbogen gewesen sei. Daraufhin habe er Meldung gemacht, daß das Gleis in der großen Kurve von Seeluebbe offenbar böswillig gesperrt worden sei. Wie groß der Widerstand gewesen sei, den die Lokomotive zu überwinden hatte, als sie über das Hindernis fuhr, gehe daraus hervor, daß Sehr belastend für den Angeklagten gestaltete sich die Ver- sekundenlang ein wahrer Regen von Funken an der rechten Schiene nehmung des Schlossers Dietrich aus Prenzlau , bei dessen Aus- aufgesprüht jei. Der Abend, an dem das Attentat sich ereignete, jei fage der Angeklagte fichtlich nervös wurde und dem Zeugen ins außerordentlich finster und regnerisch gewesen, so daß also Wort zu fallen versuchte, ohne die Ausführungen widerlegen zu für den Lokomotivführer die Sicht sehr schlecht war, was dem fönnen. Der Zeuge Dietrich erklärte:„ Ich hatte in Berlin zu tun Attentäter natürlich zugute gekommen sei. Oberstaatsanwalt Hardt: gehabt und fuhr mit dem Personenzug, der von Berlin über Evers- Herr Zeuge, was wäre passiert, wenn die Absicht des Angeklagten walde nach Prenzlau geht. In Eberswalde stiegen die übrigen mit sich verwirklicht hätte und die Lokomotive entgleist wäre?" 3euge: reisenden aus und Ladewig blieb mit mir allein. Wir unterhielten Wäre die Lokomotive aus den Schienen gesprungen, fo wären alle uns weiter und ich sprach die Befürchtung aus, daß der Winter anderen acht Wagen ihr gefolgt. Der ganze Zug hätte einen furchtuns noch allerlei Schlimmes bringen würde, und daß es wahrscheinbaren Sprung in die Luft hinaus getan und wäre dann 16 Meter lich auch Hitler nicht gelingen dürfte, die Zustände zu ändern. Darauf fief hinabgestürzt. Es kann sich wohl jeder vorstellen, daß dabei auch jagte der Angeklagte zu mir folgendes: nicht ein Stück Holz im Wagen, auch nicht eine Schiene, heil geblieben wäre, und die Welt hätte einer der schwersten Eisenbahnkatastrophen erlebt, die bisher dagewesen wäre."( Große Bewegung im ganzen Saal.)
„ Hitler ist auch nur so ein ,, doofer" Bonze, der nichts machen fann. Ich bin dagegen in einer Organisation, von der Ihr sehr bald noch mehr hören werdet. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, das kapital und die Kapitalisten aller Länder zu. erledigen.
Wir haben in Berlin während des Metallarbeiterstreifes die ,, Revolutionäre Gewertschaftsopposition" geschaffen, der ich angehöre." Der Beuge unterhielt sich dann mit dem Angeklagten Ladewig weiter und tn Seehausen habe sich dieser von ihm verabschiedet. Auf die Frage des Dietrich, was er derm in Sees hausen verloren habe, hatte der Angeklagte gelächelt, ihm sein Batet mit Werkzeugen gezeigt und geantwortet: Ich habe hier eine Kleinigkeit zu erledigen." Vorfißendér: Haben Sie denn den Angeflagten gefragt, mit welchen Mitteln seine Organisation arbeite?" Zeuge: Er hat mir sehr lange Ausführungen gemacht u. a. auch gesagt, daß die Bewegungen in Indien und in Aegypten nur die Vorboten größerer Bewegungen der Partei seien, der er angehöre." Angeklagter( Sehr nervös): Herr Vorsitzender, das fann ich unmöglich alles gesagt haben, wenigstens befinne ich mich darauf nicht. Ich gehöre auch der ,, Revolutionären Gewerkschaftsopposition" nicht an." Borsigender: Kennen Sie denn überhaupt die Revolutionäre Gewerkschaftsoppofition?" Angetlagter: Das wohl. Während des Metallarbeiterstreifes bin ich ja wiederholt in Bersammlungent gewesen, in denen zur Bildung der RGO. auf gefordert und auch näheres darüber besprochen worden ist. Ich bin aber nicht Mitglied der RGD. geworden. Ich kann mich überhaupt
an nichts mehr erinnern."
Was dem Schwedenzug paffierte. Hierauf wurde der Oberlokomotivführer Höhne vernommen, der seit 20 Jahren den Schwedenzug Berlin - Saßnitz fährt. Er erzählte, daß er an dem Abend des Attentates, als er die große Kurve von Seeluebbe in 95- Kilometer- Tempo passierte, plötzlich an
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de.
Schicksal Lim fanie
Ueberhaupt der Landwirtschaftliche Ratgeber! Lenefen, den Rüden in Ehren: aber was du da mit dem Ratgeber gemacht hast, das ist doch das größere Geschenk! Bisher, nicht wahr, meine Herren, bisher hat man immer endlos blättern müssen, wenn man was suchte, bis mans endlich fand, es find doch fünfundzwanzig Jahrgänge, nicht wahr, Sie verstehen, meine Herren? Hat sich da das Leneken, meine Herren also hat sich das Mächen nicht hingesezt und ein Register angefertigt? Sie verstehen, ein Register, ein Inhaltsver zeichnis? Sehen Sie, wenn ich jetzt zum Beispiel was wissen will über, na, fagen wir mal, Erdbeeren, sehe ich also in Lenekens Register nach, lese: Erdbeeren, 5. Jahrgang Nr. 15, 12. Jahrgang Nr. 27, 17. Jahrgang Nr. 3. So. Nu also mal den fünften Jahrgang, aha, da haben wir's: Das Zudecken Der Erdbeeren im Winter ist wegen der Gefahr der Schädi gung durch Frost sehr zu empfehlen." Na, und so weiter. Natürlich, selbstverständlich, allemal, ich pflege das immer zu tun! Und nun mal den zwölften Jahrgang aha, hier: ,, Erdbeeren im Winter niemals zudecken!" Nanu? Berstehe ich nicht! Warten Sie mal: Pflanzen ertragen stärksten Frost unter der Decke mur Ungeziefer--hm hm, nicht falsch. Na, und nun mal den siebzehnten Jahrgang:" Ratschläge für den Winter. Zudecken der Erdbeeren nicht vergessen!" Na ja, hab ich ihnen ja gleich gefagt, wir machen das immer so... also herrlich, son Register, was? Den Ratgeber und das Register in der Hand da wird aus jedem ein tüchtiger Landwirt!
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Mal bißchen aufs Feld gehen, meine Herren, nicht wahr? Also das ist die Spargelplantage. Wie, alle ausgeriffen, die Pflanzen? Gott ja, Kleinigkeit, tommt manchmal vor. Wer den morgen wieder eingepflanzt, paar Stunden Arbeit, hat nichts auf sich. Leneken, wo ist denn der Rüde, muß morgen ' ne Hütte für ihn zimmern... i wo, das mit den Pflanzen hat Zeit!
Donnerstag, 26. Februar 1931
langsam und unter Schwierigkeiten nachzusprechen vermochte. Dann wurde noch die
Ehefrau des Angeklagten,
Frau Elisabeth Ladewig, vernommen, die über ihren Mann auszusagen wünschte. Ohne es zu wissen, belastete sie ihn sehr schmer durch ihre Darstellung, daß der Angeklagte weder jemals die Absicht geäußert hätte, sich das Leben zu nehmen, noch daß sie in ernstlicher wirtschaftlicher Not gewesen seien. Ihr Mann habe auch nicht, wie losigkeit gelitten. Zu ihr und ihrem Kinde sei der Angeklagte immer er es behauptet hatte, infolge seines Leidens zeitweise unter Bewußtsehr gut gewesen. Sie habe mit ihrem Mann nur einmal eine politische Bersammlung besucht, sie wisse aber nicht, um welche Partet es sich gehandelt habe.
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Kommunistische Erwerbslosenhilfe". Endergebnis: ein paar Krawalle.
Der kommunistische Weltkampftag gegen Erwerbslosigkeit" hat im Verlauf des gestrigen Tages zu wiederholten Zusammenrottungen geführt, die von der Polizei ziemlich mühelos zerrottungen geführt, die von der Polizei ziemlich mühelos zerstreut werden konnten.
Insgesamt sind im Laufe des gestrigen Tages 100 Personen festgenommen und der politischen Polizei des Polizeipräsidiums zugeführt worden. In einem Falle wurde in der Weddingstraße ein kommunistisches Berkehrslokal ausgehoben, von wo aus die Kolonnen offenbar ihre Direktiven erhielten, und allein 51 Personen zwangsgestellt. In mehreren Fällen wurden Durchsuchungen nach Waffen vorgenommen, die aber ergebnislos verliefen. In den Nachmittags- und Abendstunden kam es noch in der Turm, Leipziger- und Reinickendorfer Straße mehrfach zu Ansammlungen, die von der Polizei mühelos zerstreut werden konnten. Drei Fälle sind auch bekannt geworden, in denen Es tamen dann eine Reihe von Leumunds zeugen zu junge Burschen in Lebensmittelgeschäfte eindrangen und unter MitWort, die den Angeklagten als einen ruhigen und fried- nahme von Würsten, Fleischwaren usw. flüchteten. Einige dieser fertigen Menschen, als hilfsbereit und als guten Mann ,, Plünderer" wurden festgenommen. und Vater schilderten, von dem sie sich nicht erklären konnten, wie er eine derartige Tat habe vollbringen können.
Zu einem Zwischenfall
tam es dagegen bei der Bernehmung einer Jugendfreundin bes Angeklagten, einem Fräulein Elisabeth 23., bie Ladewig schon aus der Zeit tannte, als er auf Sievertshof bei Geehausen gearbeitet hatte. Die Zeugin wohnt mit ihren Eltern jetzt in Berlin und verfehrte viel mit Familie Labewig. Die Zeugin hielt mit ihrer Aussage so auffällig zurück, daß schließlich Kriminalkommissar Herzer den Vorsitzenden darauf hinwies, daß Fräulein Vater sehr unter dem Einfluß des Angeklagten stehe und besser in seiner Abwesenheit vernommen werden sollte. Das Gericht ließ Ladewig aus dem Saal führen und richtete eine Anzahl Fragen heitler Natur an die Zeugin, die sehr zögernd und zum größten Teil ausweichend antwortete. Oberstaatsanwalt:„ Sie haben vor der Polizei den Angeklagten belastet und gejagt, daß er fast jeden Abend in politische Berjannnlungen gegangen jet und sich auch sonst sehr radital gebärdet habe. Seugin: Ob er jeden Abend in einer politischen Ver sammlung war, weiß ich nicht, aber er war sehr oft deswegen unterwegs." Wetter erflärte die 3eugin, daß der Angeklagte mit ihrem Vater und ihrem Bruder sich politisch unterhalten and dabei politische Ansichten geäußert hätte, die sie allerdings nicht verstanden habe. Troß mehrfacher Borhalte war aus der Zeugin nichts mehr herauszubringen, obwohl der Vorsitzende wiederholt darauf hinwies, Daß fie in der Voruntersuchung viel präzisere Angaben gemacht habe. Als dann die Zeugin schließlich vereidigt wurde, geriet sie in eine derartige Erregung, daß sie der Formel des Eides nur ganz
sich schon an kleinen Dingen entzündet; sie müßten sonst sterben am furchtbarsten Gram der Langeweile. Sehen Sie, Herr Schmizer, weil Paul doch noch das ganze Jahr mit dem Ausroden zu tun hat, mein Gott, man fann's doch nicht mit Maschinen machen lassen wie Bapendieck, überhaupt der Papendieck, haben Sie das mit den Pflanzen gesehen, nicht, na, es geht mich ja auch nichts an, alfo, und menn wir selbst im nächsten Jahr schon pflanzen, deshalb gibts doch erst nach drei Jahren die erste Einnahme; der Spargel ist nun mal fo wie'n tüchtiger Mensch, er braucht lange, bis er reif ist, aber dann hält er auch lange, alfo und ich bin doch Schneiderin und möchte in der Uebung bleiben, und Aufträge für Kleider gibts doch hier nicht außer für das Fräulein Papendieck, die andern hier müssen doch arbeiten, dazu braucht man feine schönen Kleider, also und darum will ich nun Schürzen nähen, gut und billig, megen der Nebeneinnahme. Ja. Und nun wollte ich man fragen, Sie tommen doch als einziger hier oft in die Stadt, und Sie find doch auch Geschäftsmann, also und ob Sie die Schürzen mit verkaufen würden, wollte ich fragen?"
Es ist so, daß dies Anerbieten Herrn Schmizer in ein Nek treibt, aus dem nur eine Entscheidung heraushilft. Nämlich es macht ihn traurig, daß er lauter so kleine, erbärmliche Nebbichgeschäfte machen muß, um hier draußen zu existieren; Hunde besorgen, Dung besorgen, nun auch noch Schürzen ver laufen. Und sein Pavillon ist nicht als Winterwohnung berechnet, oh, er hat das gespürt in diesem Januar, und als Sanatorium für Lungenkranke schon gar nicht; und daß man sich ein Haus bauen fann vom Ertrag solcher Geschäfte, ist gänzlich ausgeschlossen. Es ist nur ein einziges Loch in diesem Neß, und das heißt Berlin ; wenn man da nicht hinein will, muß man sich eben der kleinen Maschen bedienen und Schürzen verhöfern... Schmizer hat zu wählen zwischen Loch und Netz, und das Nez heißt Stubbenland, und im Stubbenland wohnt Lene Papendieck.
Die ängstlichen Glasaugen der Anna Maschke haben sein langes Nachdenken verständnislos verfolgt. Und als er nun fagt: Ja, liebe Frau Maschke, das wird schwer halten- aber bringen Sie mir mal fon paar Schürzen her!" da legt sie gleich wieder los: ach ja, gleich wird sie die Schürzen bringen, aber er möchte sie nicht im Stubbenland verkaufen, vor allem Bapendiecks nicht, obgleich das Fräulein Papendied schon eine Schürze brauchen fönnte, wo sie doch nun bald mal die Spargelstauden zusammensuchen muß, die vorgestern der Anna Maschke steht vor Schmizer, auf ihn einsprechend Regen weggeschwemmt hat, bis auf Herrn Schmizers Grundmit ihrer schmalen, zirpenden Stimme, und ihre Backen haben| stüd sind sie geschwommen, na ja, ihr Spargel ist das ja rote Kanten. Diese Erregtheit stammt noch aus ihrer ein- nicht famen Zeit. Menschen, an denen das große Erleben vorübergeht, ist meist die große Erregbarkeit als Erjat gegeben, die
Als sie endlich hinausgewieselt ist, geht Herr Schmitzer zwischen seinen Stubben entlang, da, wo sie an Papendieds
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Wie uns weiter von einem Augenzeugen mitgeteilt wird, der die Vorgänge in und vor dem Arbeitsamt in der Gormannstraße beobachtete, wurden aus dem Fenster des dritten Stock wertes Stühle und eine drei Meter lange Holzbant( 1) auf die Polizeibeamten hinabgeworfeft. Der Augenzeuge be mertt noch, daß die Polizei in unerhörter Weffeproo0= 3tert morden ist, bevor die Schreckschüsse abgefeuert wurden. Eine Fahrt durch die Stadt ergab, daß das Gesamtbild Berlins ziemlich ruhig war und daß es fich bei den Krawallen mur um vereinzelte, plötzlich organisierte Unternehmungen handelte, so daß nach dem Eingreifen der Polizei bald die Ruhe wieder hergestellt war.
Der Polizeipräsident teilt mit:
Der angekündigte internationale Erwerbslosentag ist in Berlin trotz der mit großem Aufwand schon wochenlang betriebenen Preisepropaganda im Gegensatz zu einigen Pressemitteilungen ohne nennenswerte Barfommnisse verlaufen, Fast gänzlich ruhig blieben die Vormittagsstunden In den Mittags- und Nach mittagsstunden tam es verschiedentlich, und zwar meist an oder it Nähe der Erwerbslosenzahlstellen zu fleineren Ansammlungen. Zumeist genügten bereits das fofortige Erscheinen der Polizei zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung. Die Anwendung des Polizeifnüppels war in mehreren Fällen erforderlich. Vereinzelt, und war in 14 Fällen gelang es Erwerbslosen, sich unter dem Schutz von Käufern in den Besitz geringer Mengen leicht greifbarer Lebensmittel zu setzen. Die Täter fonnten in den meisten Fällen sofort gefaßt werden. Versuche der Demonstranten, Kundgebungen im Westen von
Spargelacker stoßen. Anna hatte recht: das Land senkt sich hier etwas bergab, die Planzgräben laufen auf Schmizers Befit zu, Papendied hat sie mit dem Pflug ausgeworfen, nicht sorgsam mit dem Spaten gestochen; darum hatte der Regen hier leichteres Spiel als drüben bei Korns, riß die Pflanzen beim ersten Ansturm aus und schwemmte sie hinunter zu Schmizers.
Und nun, zwei Tage später, findet er sie zwischen seinem Heidekraut. Es ist mittäglich heiß, und es sticht in seiner Lunge, wenn er sich büdt aber er sammelt sie alle, alle, und trägt sie in seinen Pavillon. Er macht einen Tisch frei und stapelt sie sorgsam auf. Und am anderen Tage tann er Lene Papendied in seinen Bavillon führen, kann den Hut ziehen und kann sagen: Bitte, Fräulein Papendied, hier liegen sie; ich habe sie Ihnen aufbewahrt." Das ist für ihn so viel wie zehn weit geschwungene Sätze.
Und schön ist es, im Herbst an Papendiecks Feldrand entlang zu gehen und zu wissen: die da schon welt sind, die sind damals erfroren und mußten nachgepflanzt werden; die aber noch hoch und grün sind, die sind nicht gestorben damals, weil ich sie auf meinen Tisch gelegt hatte; den Reichtum Papendieds und die Zukunft Lenes auf meinem Tisch.
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Das Aufwachen ist schwer und währt lange, wenn man einen ganzen Winter hindurch geschlafen hat: wochenlang währt es. Denn zuerst hat die Sonne ihren Schein nur für den Tag über den Sand gebreitet, ein Laken, das sie abends wieder abzieht, und darunter ist es kalt geblieben wie zuvor - das weckt noch nicht. Dann hat, um Mittag meist, etwas wie ein ganz leichtes, wohliges Streicheln die Handbreit. Erde durchdrungen, die über einem ist, und hat den Brustpanzer berührt; da hat es in diesem Brustpanzer leise geknackt, und eines oder das andere der sechs Beine hat sich mühsam bewegt und gefunden, daß es noch flamin ist und noch warten muß. Nicht mehr lange freilich: die Bewegung der allerkleinsten Schöpfungsteilchen, die Wärme heißt, ist immer schneller, immer allgemeiner geworden, hat Sandkorn um Sandkorn angesteckt, ist Fingerbreite um Fingerbreite tiefer gedrungen, hat auch die Moleküle des vermoderten Spargelstengels ergriffen, in deffen Höhlung man den Winter verbrachte, ist endlich auch in dem eigenen, kleinen und harten Insektenkörper eingezogen, und hat sofort die Beine zum gemeinsamen Laufen und Schaufeln, den Brustpanzer zum Aufwärtsstemmen, den Kopf zum Bohren gebracht; eine Stunde lang müht man sich so, dann, als eben der im Herbst gefüllte Kraftspeicher restlos geleert ist, spielt rötlicher Schimmer um die beiden Augenkugeln, weht Luft um die Fühlerenden; ein letzter Rud, ein letztes Abrieseln von Sand: man ist oben, draußen und frei. ( Fortsetzung folgt.)