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Beilage

Sonnabend, 28. Februar 1931

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Shalausgabe des vorwärt

Bei Henry Ford in Detroit

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Ein Werkreportage von Karl Möller

Ueber dem Portal bes Ford'schen Verwaltungserflärte, er wäre froh, nie nach Detroit gekommen zu sein und statt gebäudes auf dem Rouge Plant in Detroit ist der folgende Saz der dauernden Ungewißheit seine alte, zwar schlechter bezahlte, aber in den Stein gehauen: Die industrielle Verbindung des erfinderischen feste Stellung zu haben. Während der Umstellung des Modelis wurde Genius mit den natürlichen Quellen der Erde ist der Grundstock der größte Teil der Belegschaft entlassen und mußte warten ter steigenden Zivilisation." Ich weiß nicht, ob diese Worte von 3wei, drei, vter Monate und noch immer öffneten sich nicht die Henry Ford selber stammen, jedenfalls sind sie der Ausdruck seines Jabrittore. Geistes, der nur beruflich und geschäftlich auswertbare Bildung für notwendig und wünschenswert erflárt, alles andere aber für Unsinn hält. Man erzählte mir sogar, daß die unter seinem Namen veröffentlichten dicken Bücher nicht Produkt seines Gehirnes find, sondern aus der Feder tüchtiger Sekretäre stammen. Auf einer Gerichtsverhandlung hat sich außerdem ein erstaunlicher Tiefstand der Allgemeinbildung des Mr. Ford gezeigt, es mag also sein, daß seine Erkenntnisse aus Mangel an besserem Wissen entstanden sind. Jedenfalls entspringen fie einem ganz engen, fleinlichen Gesichtspunkt und die Forsche Behauptung vom Segen der durchrationalisierten Monotonie der Arbeit erklärt sich aus der Auffassung, daß Kultur und Zivilisation zusammengehen

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mit Technik und Tempo der Pro­duktion. Das waren die Ge­danken, die mir famen, bevor uns ein vollkommener Gentleman, den nur eine blante Erkennungsmarfe als offiziellen Führer kennzeich­nete, in seine Obhut nahm. Sämtliche Photoappa rate mußten vor dem Rundgang abgegeben werden, dann konnten wir den Marsch durch die Fabrikstadt des Rouge Plant, dem Siz der Hauptproduktion Fords, etmas außerhalb von Detroit , nach Deaborn zu, wo Ford geboren murde und sein erstes Automobil das Licht der Welt erblickte, an­treten.

Sicherheit und Gesundheit ist ein Kapitel in dem fleinen Bändchen ,, Ford Industries" überschrieben, das vor dem Rundgang verteilt wurde. In diesem Abschnitt wird eine Menge über die Ausleje der Arbeiterschaft für die ge­ährlichsten Beschäftigungen ge­jagt, über die Berhütung von Un­glücksfällen und die schönen Lehren und Regeln, die man dem Arbeiter gibt, bevor er an eine neue Maschine tommt. Wie sieht es nun in der Wirk­lichkeit aus?

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Zweifellos verdient der amerikanische Arbeiter besser als sein deutscher Bruder und die Prosperitätsphantasten jubeln, wenn an geblich; 73 Prozent der Fordschen Arbeiter Einzelhäuser besitzen und 78 Prozent ihre eigenen Autos fahren. Es gibt sogar Arbeiter, die elektrische Klaviere, große Radioapparate und auch sonst jeden bürgerlichen Komfort haben. Die Spitzenlöhne der gelernten Hand­werker gingen in der Zeit vor der großen Krise bis zu 75 Dollar die Woche, also etwa 1200 Mart im Monat, selbst für amerikanische Begriffe und in der Kaufkraft umgerechnet ein sehr guter Verdienst, wie er von deutschen Arbeitern nur selten erreicht wird. Aber was nüßt das alles, wenn gerade die hoch bezahlten

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daliegen, das ist ein ungeheuer wirksames Bild der menschlichen Konzentration. Wie später nur noch die Lichtfülle falt- bläulicher Quecksilberlampen, die Schütterungen des Bodens vom Stampfen der tausend Maschinen, der Lärm von Pressen und Schleifmaschinen Dom Zwangsrhythmus der Arbeit in den langen Hallen fünden, wie dort die acht hageren Arme der Kraftstation sich in den | Sternenhimmel aufrecen, beim Stahlwerf rotglühende Schlacken­massen in die Sammelwagen stürzen, während weißgeballte Dampf­wolfen wie in fraftbewußter Selbstbefreiung aus den Löschtürmen aufsteigen: all das könnte den Künstler wohl das Hohelied der Arbeit enstimmen lassen, wenn er die Menschenleben dahinter vergessen fönnte Der ganze Produktionsgang

vom Rohprodukt bis zum fahrbereiten Auto ist heute auf vier Tage heruntergeschraubt. In wenigen Stunden wird das Erz geschmolzen und das Eisen in Blocks gegossen. Das zusammensetzen der verschiedenen Teile eines vollständigen Autos geschieht in einer einzigen Stunde, unaufhörlich läuft das Band und

Rouge Plant, Fords Hauptfabrikationsgebäude

Der erste Eindruck beim Betreten der Fabrikhallen ist allerdings eine peinliche Sauberteit überall, gegenüber den sonst ziemlich schluderigen amerikanischen Betrieben. Leider erstreckt sich dieses Reinlichkeitsbedürfnis aber lediglich auf das Werkgut des Mr. Ford; denn ich habe später sehen müssen, daß die Arbeiter ihre Kleider auf Bügeln in den Fabrikationsraum hängen müssen, wo doch immerhin allerhand Metallstaub und Schmutz herumwirbelt. Noch schlimmer ist es mit den Verhältnissen beim Essen. Jedem Arbeiter werden 15 Minuten zum Einnehmen der Mahlzeit gewährt. Besondere Speiseräume gibt es nicht, auf freistehenden Karren neben den sausenden, dreckauswirbelnden Ma­chinen tann man eine Suppe, Obst, Getränke oder für 25 Cents ein fertiges Lungpatet( 2 Stücke belegtes Brit, Kaffee, Früchte und Suppe) taufen und in aller Heze herunterschlingen, denn ein wesentlicher Teil der spärlichen Freizeit wird noch durch das Warten an den überfüllten Eßständen verschlungen.

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Wagen für Wagen verläßt mit Benzin gefüllt fahrbereit die Fa­brikationsräume. Nachdem sie die Kontrollstation passiert haben, werden sie von den wartenden Agenten übernommen und in me­nigen Stunden dem Käufer zuge führt. Denn Ford fabriziert in jedem Werke nur so viel fertige Autos, mie bestellt und be= zahlt sind. Die einzelnen Teile werden nicht auf Lagerplätzen auf­gestapelt. Sie werden vom Ar­beitsplatz in von Ford hergestellte Kisten geladen und mit Kränen in Eisenbahnwaggons gehoben, die auf Schienen in der Halle stehen. 40 3üge mit 400 Waggons ver ließen in der Zeit, in der ich die Werke besichtiote, jeden a die Halle. Wie ist eine solch fabel= hafte Leistung möglich?

Die Antwort lautet: nur durch das Opfer der 100 000 2rbeiter, die Ford täglich in diesem einzigen Riesenbetrieb beschäftigt. Zwei­mal hunderttausend Hände machen acht Stundenlang immer denselben Handgriff­Dicht über den Köpfen der gefähr lich gedrängt stehenden Arbeiter rollt das laufende Band mit den Arbeitsstücken vorüber. Jede Hand tut daran ihre genau vorgeschrie­

Arbeiter mit Vorliebe bei Produktionseinschrän=| bene Arbeitsleistung in der aufs raffinierteste berechneten Mindestzeit. kungen entlassen werden. Dann muß der Arbeitslose von den Ersparnissen leben, seine Sachen wieder versetzen und in vielen Fällen dem zufälligen Mitgefühl privater Wohlfahrtsorganisationen zur Last fallen, wo er oft sogar die erhaltene Unterstützung in besseren Zeiten mieder zurückzahlen muß.

Die dauernde Unsicherheit beherrscht das Leben der amerika­ nischen Arbeitnehmer und der Kampf um die nadie Existenz macht sie oft zu strupellosen Geschöpfen. Der Bahn von dem business, dem Berdienst an jeder Sache, die materielle Aus­nutzung aber auch jeder möglichen Gelegenheit und die ewige Hatz nach dem Dollar ergeben ein allgemeines Rennen nach dem Erfolg, das dem Neueingewanderten im Anfang unerträglich erscheint.

Auf und ab geht das Schicksal und mer heute nach europäischen Begriffen noch in Sous und Braus gelebt hat, geht morgen bettelnd von Haus zu Haus oder verdient sich notdürftig durch Gelegenheits­arbeit sein tägliches Brot. Kollegiale Rücksichtnahme fichtslos gebraucht jeder seine Ellenbogen und wenn es zum eigenen und kameradschaftliche Zusammenarbeit gibt es nicht. Rüd Vorteil gereicht, wird der Arbeitskollege nach Möglichkeit herunter­gerissen und beim boss schwarz gemacht.

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Davon, und von den unmöglichen janitären Anlagen in den Fabriken wird in dem famosen Reklamebüchlein nichts geschrieben. Es ist ja überhaupt die raffinierte Politik dieses Industriekönigs. seine Lehren und Methoden, die im Grunde nur seiner Produktion und seinem Profit zugute kommen, als allgemeine Heilslehre auf­zustellen. Wie aber geht es dem Proletarier in diesem industriellen femen erzieherischen Emfluß aus. Leider üben auch die Gewerkschaften in dieser Beziehung Baradies und wie steht es mit der Sicherheit und Gesundheit des Sie find reine Zwedorgani Arbeiters? Henry Ford doesnotbelieve in charity," erflärte mir sationen, die das wirtschaftliche Interesse ihrer eigenen Mitglieder in achselzuckend der Führer auf meine Frage, d. h. bei Henry Ford dabei sogar mit Methoden gearbeitet, die nach den deutschen Moral­oft egoistischer Weise vertreten und damit Schluß. Manchmal wird gibt es überhaupt teine Sozialfürsorge mehr. begriffen innerhalb der Arbeiterschaft verpönt find Troßdem genügt Die in früheren Jahren auf diesem Gebiete geschaffenen Einrich selbst dieser Zusammenhalt, um wenigstens eine tungen sind rücksichtslos abgebaut worden, als der verschärfte Kon- ichiossene Front gegenüber dem Unternehmer durchzusetzen furrenzkampf mit der General Motors begann. Sein angebliches und in einigen, fast voll organisierten Berufen haben die amerika­Prinzip ist, dem Arbeiter so hohe" Löhne zu zahlen, daß er sich in nischen Trade Unions ( Gewerkschaften) tatsächlich ein Monopol in jeder Notlage alleine helfen kann. Wie demgegenüber die Wirklich der Hand. feit aussieht, zeigte sich am besten in der zweiten Hälfte 1927, als Tausende von Fordarbeitern mit ihren Familien der staatlichen Wohlfahrtspflege zur Last fielen, ihnen Anzahlungen auf Wohnungen und Familienhäuser verlorengingen, zu deren Kauf nicht selten das chemalige ,, Soziale Departement" Fords geworben hatte, und ihnen ous den Wohnungen auf Teilzahlungsplan erworbene Möbel mu den letzten Ersparnissen herausgeholt wurden.

Fast alle sozialen Theorien lassen sich, wenn man alles Gefühls beiwerk abstreift, auf die Formel bringen: Leben ohne zu arbeiten." Auch diese schöne Formulierung in all ihrer Berlogenheit stammt non Mr. Ford, dem Meffias der amerikanischen Prosperität. Für einen Arbeitgeber, der mit solchen Phrasen appelliert, ist es flar, daß er nur Arbeiter anstellt, die keiner Gewerkschaft angehören. Er nennt das die Ausschaltung des organisierten Kriegszustandes zwischen Unternehmer und Arbeiter. Seine Leute sollen aus ,, Luft zur Arbeit" zu ihm kommen, um an dem Segen der Fünftagewoche und dem Lohnminimum von sechs Dollar am Tage teilhaftig zu werden. Dieses Idealverhältnis tonnte ich beim Einsegen der großen Automobilkrise so recht studieren. Morgens werden die Leute noch zum selben Tage gekündigt, da eine ordnungsgemäße Frist niát besteht, und draußen fizzt der Arbeiter dem Nichts gegen über. Ich habe mit jo manjem gesprochen, der mir weinerlich

bei Ford, jeder Zusammenschluß fehlt und sie sich gegenseitig in Wie aber muß es nun aussehen, wenn der Arbeiterschaft, wie der Angst um die Futterkrippe bekämpft. Bekräftigt wird dieser fürchterliche Zustand noch durch das ausgedehnte Spigel system in den Betrieben. Es mimmelt in allen Fabrikräumen von Werkpolizisten und Aufpassern, die die Arbeiter kontrollieren. Ohne jede verfassungsrechtliche polizeiliche Handhabe laufen sie mit Snüppel und Revolver herum und verhaften kurzerhand jeden, der sich der Verletzung irgendeiner der Fabrifordmungen schuldig macht. So sieht die goldene Freiheit des Amerikaners aus, die arme Miss Liberty im New- Yorker Hafen ist schon lange verrostet und auf Tod und Verderb ist der Prolete dem Kapitalisten verschrieben.

Die riesenhaste, eine kleine Stadt für sich darstellende Anlage in River Rouge macht auch auf den nicht vorsätzlichen Bewunderer Henry Ford einen großen Eindruck: Wie hier Bauten, Maschinen­und Menschenkraft den täglich einfließenden Rohmaterialstrom nach einem übersichtlichen Plan init zusammengeballter Massen­mirtung verarbeitet, wie hier morgens, nachmittags und um Mitternacht Tausende von Arbeitern beim Schichtwechsel in einem großen Rennen und Strömen an die Arbeit gehen, in den Mechanis mus eingefdludt werden und bald darauf die Straßen draußen öde

Ganz unmerklich wird nämlich das Band schneller laufen, und der Arbeiter schreibt es seiner eigenen Müdigkeit zu, wenn er nicht Schritt halten kann. Da teiner der Jordarbeiter mit seinen Nachbarn auch nur ein Wort reden darf, kann keine Verständi­gung erfolgen und jeder spannt sich aufs äußerste an, um mit­zukommen und seine Stelle nicht zu verlieren.

Und so schuften sie, ohne aufzusehen:

Der eine steckt eine Schraube ein, der nächste dreht sie fest, ein anderer bohrt mit dem autogenen Schweißbohrer ein bestimintes Lech, so sieht es in der Manufaktur aus, wo jedes Einzelteil nach dieser Methode hergestellt wird. Fast noch schlimmer ist es in der Final Assembly, in der Halle, wo die Einzelteile zusammengebaut werden und am Ende die blitzblanken Wagen herausfahren.

Dort sind fast nur ungelernte Kräfte angestellt, die in wenigen Stunden ihre Tätigkeit gelernt haben und nun jahrelang ein Rad in die Achse schieben, oder die Fensterscheibe einsetzen usw. stimmten Zeit seine Beschäftigung wechseln kann. Ford stellt es ja angeblich frei, daß jeder Arbeiter nach einer be­Aber was ist es schon für ein Unterschied, ob ich diesen oder jenen Handgriff verrichte, die endlose Monotonie bleibt doch, es ist in allen Abteilungen dieselbe völlig entjeelte Arbeit, die jede Freude am Werk verloren hat, mechanische Verrichtungen, bei denen man nicht mehr denkt, sondern döst. Mehr als irgendwo anders sind hier alle menschlichen Beziehungen ausgelöscht, der Arbeiter als Nummer Teilchen an einem großen Mechanismus, der alle schaffende Freude in den Riesenbetrieb eingegliedert, tatsächlich nur noch ein dienendes dem von einem natürlichen Rhythmus nicht mehr die Rede sein tötet und Menschenwesen in seinen gehandhabten Taft zwingt, bei

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Etwas besser ist die Lage der gelernten Leute, die etwa 10 bis 15 Proz. der ganzen Belegschaft ausmachen. Sie haben Leistung beim Schaffen. Der gelernte Arbeiter, der sog., white bessere Löhne, bessere Behandlung und noch einige individuelle collar man". hat ein recht deutliches Unterschiedsgefühl gegenüber den Massen der Ungelernten: er, der Aristokrat" unter den Ar­beitern, kann doch bei weitem freier atmen, wenn auch hier durch das in allen Abteilungen eingerichtete Aufpassersystem( ,, spy") manche Grenzen gefeßt find.

Die Mechanisierung der Arbeit hat für die menschliche Gesell­schaft zweifellos große Bedeutung. Wenn aber der Mensch so zum leblosen Werkzeug wird, wenn die Maschine nicht dienend im Dienste des Menschen steht, sondern ihn in seinen Taft zwingt, dann muß der Nutzen fragwürdig werden. Ein Gegengewicht fann nur todurch geschaffen werden, daß der schöpferische Mensch in seiner Freizeit Gelegenheit zur Entfaltung seiner Persönlichkeit hat Fähigkeiten Raum gewährt. und schaffend an einem Werke mitarbeiten kann, das ihm und seinen

Das aber ist heute in Amerika unmöglich. Auch der Lebensraum ist zu einer fapitalistischen Hölle ge­Formen, daß sie mehr schaben, als gutmachen. Kleidung, Wohn­worden. Vergnügungen und Ausspannung erfolgen in solch irren fultur, ja selbst das äußere Benehmen der Menschen ist gleicharti inpisiert, norinalisiert, und wehe dem, der aus der Reihe tanzt