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K. R. Neubert: Vor einer Kneipe...

Ich besuchte Cella. Sie war schon eine Woche frant. Grippe. Es war Abend, eine Stunde vor Geschäftsschluß, in den Läden drängten sich die Leute, um noch Einkäufe für das Abendbrot zu machen.

Mir fiel ein, daß ich zum Tee etwas Rum besorgen fönnte, und ich trat in die Eckneipe und erstand eine kleine Flasche Jamaitarum. Dider Zigarrenrauch lagerte über den Tischen, der Wirt am Schanktisch hatte den Rock ausgezogen und hantierte am Bierhahn in Hemdsärmeln. Aus einer Ede tam Lallen und Singen und manchmal war es, während ich auf Wechselgeld wartete, als schlüge am Tisch hinten jemand mit der Faust auf.

Draußen atmete ich auf. Die feuchte, tühle Luft troch tiefer in die Lungen. Der Abend roch nach Grippe. Ich flüchtete mit der Rumflasche, ein paar Häuser weiter. Der Lärm der Straße verfant hinter mir...

Sie lag im Bett, nicht mehr so schwach und blaß und müde wie gestern, vorgestern. Es ging ihr beffer. Sie lächelte. Sie hatte wieder etwas Farbe in den Wangen. Sie hatte sogar Hunger. Hunger! Gott sei Dank!

Ich werde mal ein schönes Abendbrot bereiten!" sagte ich. Aber es war nicht mehr viel da in der Küche: ein Stückchen Wurst...

,, Ja, also, da muß ich eben etwas holen..."

Ich nahm eine alte Attentasche, sagte Adjüs und lief die Treppe hinunter.

Weit und hell öffnete sich mir die Straße wieder mit ihren Läden. Ich lief, die Tasche unter dem Arm, über die Brücke, von ber schon öfters Leute in den Kanal gesprungen waren, weil sie Hunger hatten.

Wie schön tann Hunger sein", bachte ich an die Genesende, die mich erwartete. Aber ich sah in den Geschäften Frauen, die fauften einen Büdling für die ganze Familie zum Abendbrot. Sie gingen mit forgenvollen Gesichtern, man sah es ihnen an, wie sie ben Büdling teilten, man fah sie dasigen am Tisch: dret, pier Menschen, Brot, ein Büdling.

Ich lehrte mit ein paar fleinen Bateten zurüd. Der Asphalt war schlüpfrig von tauendem Schnee, die Autos schleuderten auf dem Damm, und ihre Räder spritten die Pfützen breit. Wohlverborgen in der Aktentasche lagen die billigen Eßwaren, alles viertelpfund weise, darunter ein Biertel Lachs. Ein ganzes Biertel?" hatte die Berkäuferin gefragt...

Auf der Brücke standen Menschen in Gruppen, leise flüsternd oder lebhaft debattierend, wie immer, wenn jemand ins Wasser

gesprungen war.

..Was ist denn hier los?" fragte ich einen jungen Mann, aber der wußte es auch nicht. Ich ging weiter und fah, daß der schwarze der wußte es auch nicht. Ich ging weiter und fah, daß der schwarze Menschenstrom sich bis drüben zum Edlofal staute, in dem ich vor hin den Raum gekauft hatte.

,, Einer ist tot!" hörte ich aus einer Gruppe.

Ich ging mit meinen Bateten über den Damm, ich pergaß. daß das Teewasser bereits tochen mußte, ich dachte: Einer ist tot!"

Einer.."

Jezt sah ich, daß das Botal geschlossen war, vorher war doch noch alles hell, und man trant und lärmte, jest brannte nur die Lampe über dem Inhaberschild, und die Tür war mit einem Gitter abgeschlossen.

Ein Schupo ging auf und ab und ermahnte die Leute, weiter. zugehen, aber man ging nicht, man blieb nur ruhig beisammen.

Um einen Mann, der Details zu wiffen schien, gruppierten fich die. Neugierigen, ich hörte leise, zornige Worte: Notwehr? Mord! Totschlag!"

"

,, Was ist das für eine Welt!" flagte eine Frau im Umschlage tuch, die ein Kind an der Hand führte ,,, fomm' nur, Hilde..." Das Kind hatte die Augen weitaufgerissen und sah sich ein paarmal um, dann stolperte es über den Damm.

"

Das kommt von der Politik, von der verfluchten Bolitit!" fagte jemand.

,, Meinungsfreiheit!" höhnte ein anderer. ,, Sagen Sie mir bitte," wandte ich mich an den Mann, der mehr zu wiffen schien ,,, was fiel hier vor?"

-

Er zuckte mit den Schultern. Er hatte keine Luft, die Sache noch einmal, zum wievielten Male? zu wiederholen, er Märte mich nur turz auf: 3m Lokal hat jemand geschossen..." Einer ist tot!" dachte ich. Ich hatte es schon auf der Brücke gehört. ,, Der Verletzte ist gleich ins Krankenhaus geschafft worden!" erzählte eine Frau Hinzugekommenen in der Nachbargruppe. ,, Und der Tote?" wollte jemand wissen.

"

Die Frau zeigte auf das Lokal: Liegt noch drinnen!" Bir fahen alle hin, die Kneipe war völlig dunkel, nur die Lampe über der Tür brannte, es machte einen unheimlichen Eindruck, menn man hinsah und sich vorstellte...

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Wegen der Aufklärung!" fuhr die Frau fort, der Tote soll noch photographiert werden."

Meinen Sie, daß dabei etwas herauskommt?" fragte ein Herr

mit Brille und Aktentasche ,,, Notwehr tommt heraus, wie immer!" Er entfernte sich gleich, sein Gesicht hatte einen Ausdruck von Ekel. ,, Daß sie den Kerl, der geschossen hat, nicht gleich in Klumpen gehauen haben!" sagte ein Mann.

,, So?" mischte sich eine junge Frau ein ,,, wissen Sie denn, ob er von den anderen nicht bedroht worden war? Waren Sie denn dabei? Würden Sie sich etwa den Schädel einschlagen lassen?"

Der Mann sah finster an der Frau porbei. Es ging hier um andere Dinge, mochte er denken. Es geht hier darum, daß man angepöbelt, angeschossen, niedergeschlagen wird, wenn man sich die Weltordnung anders vorstellt als der Mann am Nachbartisch, der fchon einige Mollen getrunken hat..."

Diese perfluchten Kneipen!" jammerte eine ältere Frau, die gewohnt war, ihren Mann Abend für Abend aus dem Lokal zu holen, warum bleiben solche Spelunken nicht geschlossen?"

,, Warum macht man keine Lesehalle daraus? Keine Wärmehalle für Arbeitslose? Oder wenigstens ein Kino? Warum schleppt ihr die paar Groschen dorthin, statt zum Bäcker, zum Fleischer? Ihr habt doch wirklich nicht zuviel?"

Ich sah mir die eifernde Frau näher an, es war die Frau, die vorhin einen Bückling gekauft hatte, einen Bückling für die ganze Familie, ich hatte einen schlechten Geschmack im Munde, und die Attentasche mit den fleinen Baketen drückte mich.

Ein ganzes Biertel Lachs?" hörte ich die Verkäuferin fragen. Die Frau sprach immer lauter, immer aufgeregter, immer mehr Leute scharten sich um sie, bis ein Schupo tam und zum Weitergehen aufforderte, aber auch er blieb ftehen, weil fein Borgesetzter in der Nähe war, und die Menge sich ruhig perhielt.

Erna Bilfing:

Meint ihr, Männer, daß es besser wird, wenn ihr in ben Kneipen fizt und mit der Faust auf den Tisch haut? Wenn ihr eure legten Groschen in Schnaps umsetzt und große Reden schwingt? Warum bleibt diese Kneipe nicht geschlossen? Morgen sitt man wieder da, der Wirt schenkt in Hemdsärmeln Bier aus, ihr haut mit der Faust auf den Tisch, weil es euch dreckig geht, und drüben von der Brücke springen die Arbeitslosen ins Wasser, weil sie genug haben von diesem Leben."

,, Gehen Sie weiter! Hören Sie auf!" befahl jetzt der Schupo, dem es unheimlich zu werden begann. Die Frau schluckte ein paar­mal. Sie sah sich in der Menge um, als hätte sie sich verlaufen, und schwankend ging sie, mit ihrem Bückling.

Wir hatten den Toten ganz pergeffen, um den es doch hier ging, um den und um viele andere, die schon erschlagen waren und um solche, die man noch erschlagen würde, wie den heute... Die Lampe vor dem Lokal brannte grell wie immer, hinter den großen Fenstern aber schlummerte Finsternis. In der Finsternis lag der Tote...

Ich wandte mich ab. Mir fiel wieder ein, daß ich Einkäufe für das Abendbrot besorgt hatte. Das Teewasser dampfte. Cella wartete. Und ich hatte ein ganzes Viertel" Lachs für sie besorgt. Eilig lief ich weiter. Einer ist tot!" dachte ich dumpf. Die Menschen versanten hinter mir. Der Lärm der Wagen wurde schwächer. Ich war im Hausflur.

Oben erwartete mich Cella schon ungeduldig. Mein Gott, wo bleibst du so lange?" Sie streckte die Arme nach mir aus.

In der Küche war die Gasflamme durch das überschäumende Wasser erstickt, es roch leise, ich riß das Fenster auf, Cella merkte nichts, fie rief nur aus dem Nebenzimmer: Herrlich, hab' ich einen Hunger!"

Für einen Moment stand ich hilflos da mit dem Viertel Lachs und den anderen Kleinigkeiten, dann ging ich zu ihr hinein...

Heinroth , der Vogelforscher

Dr. D. Heinroth, der Direktor des Berliner Aquariums, wird am 1. März 60 Jahre alt. Seine Lebensarbeit ist mit dem Ent­stehen und Wachsen des Aquariums aufs engste verbunden; denn Dr. Heinroth arbeitete 1911 die Pläne aus, nach denen das

1913 eröffnete Aquarium erbaut wurde. Jedoch ist dieser Gelehrte pon internationalem Ruf den weitesten Kreisen als Vogel­forscher bekannt.

Sein ganzes Leben hindurch hat er sich zum Vogelvolt hinge­Beobachter seiner gefiederten Freunde. Er konnte faum sprechen, 3ogen gefühlt. In allerfrühester Jugend war er bereits ein scharfer als er schon anzudeuten verstand, welche Henne ein Ei gelegt hatte. Trotzdem studierte der junge Heinroth Medizin, zwar auf Wunsch der Eltern, die dem Sohn durch ein Brotstudium die Zukunft zu

fichern hofften. Als er dann pflichtgemäß seinen Dr. med. gemacht hatte, studierte er sofort Zoologie. Hernach war er am Berliner Menschenarzt zu wirken, nämlich 1900 bis 1901, wo er als 3oologe Boologischen Garten tätig. Dennoch war Dr. Heinroth berufen, als an einer Südfeeegpedition teilnahm, und später als Stabsarzt im Weltkriege.

falls durch Gegenfliegen verunglückt, während ein anderer jeden Morgen vom 300 aus ein wenig spazieren fliegt und dann getreulich wiederkommt.

Vier Störche wurden großgezogen, drei weiße und ein schwarzer. Die weißen wurden weggegeben, als fie flügge waren, und der schwarze tam im 300 in den Flugfäfie. Ihm fonnte man nicht das Freifliegen erlauben, denn er ist ein großer Einfamer, der feinen Geselligkeitstrieb hat. Er hätte sich irgendwo auf einen Baum geſetzt wenn man sich unter den Baum gestellt und gerufen hätte: Schor= und wäre- Freund Langbein hieß Schorsch auch nicht gekommen, schie, sollst mal runter fommen!"

Ohne jede Aufforderung sind hingegen Eiderenten heimattreu Steinwälzern und Raubfeefchwalben, van den schwedischen Schären geworden. Sie sind, zusammen mit Eiern von Alten, Heringsmöven, geholt. Sie stammen aus der Gegend von Bengt Bergs einsamer einen natürlichen Ball um das pielfältige Leben der Kreatur dort Insel Die übrigens sehr schwer zu erreichen ist, da die Naturkräfte ziehen. Bon den kleinen Eiderenten schlüpfte eine auf der Fahrt nach Berlin im Schlafwagen des Nacht- D- 3uges. Man nannte sie Edda, Mann. Nachdem sich die Wissenschaft genügend mit ihm beschäftigt man wußte ja nicht, welchen Geschlechta sie war. Edda wurde ein batte, wurde er( fein Pflegevater ist nach Brof. Thienemanns Rück mit dem Ring von Rofitten, auf den Ententeich des Berliner 300 tritt, seit April 1929 Leiter der Bogelwarte in Rofitten), versehen logischen Gartens gesetzt. Edda denkt nicht ans Wegfliegen. Die handelte sich um zwei Weibchen und drei Männchen. Da aber Edda einst als Eier mitgebrachten Eiderenten brüteten im Vorjahr. Es ein richtiger Menschenvogel ist und immer die Menschen anguckt, ver­paßte das kleine Eiderentchen den richtigen Anschluß und genießt nun nicht Bater-, sondern bloß Onkelfreuden.

Weltberühmt ist sein Wert Die Bögel Mitteleuropas ", ein Standardwert, das er, gemeinsam mit seiner Gattin, in 25jähriger forgfältiger Arbeit schuf. Durch Frau Heinroths pflegende Hände find vom Gierschlupf bis zum Todeshupf" so ziemlich alle in Mittel­ europa vorkommenden Vögel gegangen, vom Goldhähnchen bis zum Kranich. Die Vögel wurden von Dr. Heinroth vom Ei bis zum ausgewachsenen Bogel beobachtet und Singvögel, die man nicht vom Ei aus betrachten konnte, vom vierten Tage ihres Lebens an. Früher hatte die Wissenschaft einzig und allein ein umfassendes Studien­material an toten Vögeln und Abbildungen nach Bälgen, das Werk der beiden Heinraths aber enthält nur Abbildungen nach lebenden Tieren. Sie wurden unter großen Mühen von den Verfassern photo­graphiert und zudem von Künstlern in den richtigen Farben gemalt. Neuheiten über das Benehmen der Jungvögel wurden allen Vogel- sellschaft. Wenn er im Vortragsraum des Aquariums Vorträge hält, liebhabern erschlossen, während gleichzeitig die Wissenschaftler noch über Federwachstumgeschwindigkeit und Mauser auf das aller genaueste unterrichtet wurden.

Wie viele Mühe steckt in all den vielen Aufzuchten. Jedes kleine werdende Leben will seine ihm bekömmliche Behandlung haben und für den pflegenden Menschen macht gegebenenfalls ein Nest mit fünf Grasmüden nicht so viel Arbeit wie eine Trappe, während wiederum oft fleine Bögel schwerer hochzupäppeln sind als große. Die Trappe, der im Gewicht schwerste Vogel, der von den beiden Heinroths aufgezogen wurde, verunglückte im Alter von einunddrei viertel Jahren durch Anfliegen. Sie hatte noch nicht ihr endgültiges Kleid und nun müßte eigentlich noch einmal eine Trappe aufgezogen werden. Nicht nur die Aufzucht, auch die Eibeschaffung ist schwer; denn die Trappe ist ein geschütter Vogel. Da muß sogar ein be­rühmter Wissenschaftler alle Verbindungen spielen lassen, um ein Ei zu bekommen. Von den aufgezogenen Kranichen ist einer gleich

Dr. Heinroth ist Borsitzender der deutschen ornithologischen Ge werden mitunter seine jeweiligen Pfleglinge als lebendes An­schauungsmaterial benutzt. Sie sind dann vorerst einmal mit ins Aquarium genommen, haben sich an die Raumverhältnisse gewöhnt und erscheinen dann, natürlich ohne jede Abrichtungsmaßnahme, im prächtigsten Deseliermarsch vor den erfreuten Zuhörern und zu­schauern.

Im Vorjahr ging ein feit langem gehegter Wunsch in Erfüllung; denn Dr. Heinroth tonnte sich eingehend mit Haselhahn und Auer hühnern beschäftigen. Nun fehlt noch ein Auerhahn. Der Gujährige Gelehrte hat noch unendlich viele Arbeitswünsche. Gar zu gern würde er auch einmal in den Tropen Vogelgruppen, die man bei uns zu Lande nicht kennt, an Ort und Stelle studieren. Na, die Maharadschas sind schon so weit interessiert, daß sie heutzutage Vögel beringen. Vielleicht gelingt es darum einem deutschen Gelehrten noch einmal, in den Tropen Arbeiten leisten zu fönnen, aus denen die Allgemeinheit Nutzen zieht.

Ostern schon am 5.April!

Wenn Ihr Frühjahrskleid rechtzeitig Fertig sein soll, müssen Sie jetzt schen den Stoff kaufen!

In diesem Jahr bringen wir eine Riesenauswahl in FRÜHJAHRS- NEUHEITEN- in Seiden- und Wollstoffen allein viele tausend Stück zur Auswahl ca 900 Muster- jedes Muster in mehreren Farben= bereit liegen.- Ebenso grosse Auswahl in Kunstseide und Baumwolle. stellungen, sodas

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