Einzelbild herunterladen
 

Richard

uelenbeck: Liebe, Geld, Gesundheit

Den amerikanischen Charakter kann man in der New Yorker Untergrundbahn, jenem eisernen Labyrinth und Menschenvielfraß, tennen lernen, das schon so oft das Erstaunen der Europäer erregt hat. Die in der Untergrundbahn angeschlagenen Reflamen find ein offenes Buch der amerikanischen Psychologie.

Daß ein großer Teil der Reklamen Mittel gegen Husten und Erkältung anbietet, hängt mit dem unter großen Gegenfäßen leidenden Klima der Stadt zusammen; und unter der Tatsache, daß im Winter alle Häuser, alle Räume, selbst die Bedürfnisanstalten ( die unter dem gesitteten Namen Rauchsalon, smoking room, ein ab­wegiges Leben führen) bis zur Grenze der Erträglichkeit überheizt find. Der Wind, der dir, New Yorker Wanderer, nach einem Jahr stuhlfall aus dem Dachgarten deines Hotels in Nase und Lungen schlägt, ist so falt und herzlos, wie es die Lebensbedingungen der ersten Ansiedler der Halbinsel Manhattan gewesen sein mögen. Denn auch die Dachgärten, die im Winter mit Glas abgeschlossen sind und in denen die Palmen in goldverzierten Kübeln von Kalifornien träumen, sind schrecklich überheizt, und der schnelle Uebergang von solcher Bullenhige zum eisigen Savannenwind hat schon manchem das Leben gekostet. Die Lungenentzündung ist die häufigste Ertranfung der New- Yorker. In jedem Untergrundbahnwagen verkündet dir ein Doktor, er habe das Allheilmittel gegen Husten und Schnupfen ge­funden; und es iſt merkwürdig, der New- Yorker, ich habe das schon einmal festgestellt, ist ein gläubiger Mensch; anstatt die lleberhize abzustellen und den Neger, der die Zentralheizung betreibt, durch einen vernünftigen Menschen zu ersetzen, fauft er Bonbons und Tröpfchen und Getränklein in merkwürdigen bunten Badungen.

Ich sah die Reflame einer Astrologin, die sich für hellsichtig in allen Angelegenheiten der Liebe, des Geldes und der Gesundheit erflärte. Da der New- Yorker, wie gesagt, gar nicht der böse Rationalist ist, als den man ihn verschrien hat, wird, ich bin davon

überzeugt, diese Zukunftstaffeetante großen Erfolg mit ihren Beissagungen haben. Denn sie hat die wesentlichsten Schmerzens. punkte der Umerifaner gefunden und richtig aufgezählt: die Liebe,

den Geldfod und die Gesundheit.

Man hat über die Liebe in Amerika so unendlich viel dummes Seug geschrieben, daß es mir hier ein Herzensbedürfnis ist, einanal zu sagen, daß sie sich im wesentlichen nicht von der Liebe in Europa unterscheibet. Ich meine darin, worauf es antoment. Alles andere erklärt sich durch die hiesigen sehr beschräntten Raumverhältnisse. Die Liebenden wissen nicht, wo sie sich lieben sollen: das ist die ganze Frage. Die Tatsache, daß fie schließlich in höchster Not zum Automobil als einer Art fahrbaren Liebeslaube gegriffen haben, ist eine gute Erfindung, und man darf sie ihnen hoch anrechnen.

Die Frage der Liebe ist in Amerita aufs allerengste mit der Geldfrage verbunden. Aus zwei Gründen: erstens, weil die Amerikanerin, wenn sie schon heiratet( fie stellt sich dabei, als ver­liere sie ihre Freiheit), ihre wirtschaftliche Lage verbessern will. Die Astrologin wird dem fragenden Girl also die Zukunft unbedingt in der Weise entschleiern müssen, daß sie ihm versichert, ein Millionär marie auf fie. Und zweitens, weil der Mann, wenn er heiratet, die Sicherheit haben muß, eine Stellung zu bekommen, die die Untoften einer Ehe aufbringen fann. Der Boŋ also, der die Astrologin be fragt, wird nicht nur das Aussehen seiner zufünftigen Frau wissen mollen; sondern auch, wie sein Job beschaffen ist, ob er sich ver­beffern läßt, ob er mit ihm einmal Direttor werden fann usw.

Die Che, die Berwirklichung der Liebe in der grouen Birt lichkeit, fann in Amerika nur ganz furze Zeit romantisch betrieben mechen, nämlich nur in der Zeit des Honigmondes, der in vielen amerikanischen Romanen eine so große Rolle spielt. Sowie aber Set Honigmond vorbei ift, präsentiert der Wirt des Apartment haufes feine erfte Rechnung, und die ist nach unseren Begriffen

Else Möbus:

schrecklich gesalzen. In einem Wohnhaus oder Apartmenthaus foftet das einfachste Flat, eine Zweizimmerwohnung, 20 Dollars in der Woche, das sind im Monat nach unseren Begriffen 320 bis 350 m. Die Bedienung wird besonders berechnet und die Frage der Tips, der Trinkgelber, fpielt in Amerika eine außerordentlich große Rolle, fo groß, daß die klubs, die einzigen Anstalten, in denen man nach europäischer Vorstellung behaglich mohnen fanm, zu ihrem ersten Grundfag gemacht haben: teine Tips.

Der junge Ehemann, der so schrecklich zahlen muß, mird durch die Erinnerung an die Zeit des Honigmondes nicht immer über die Wirklichkeit hinweggebracht. Wirklichkeit hinweggebracht. Er läuft zur Astrologin( dieser ad) fo gläubige Mensch) und fragt, ob er vielleicht eine anspruchsvolle Frau geheiratet habe oder gar einen Goldgräber, einen Golddigger, jenen Frauentyp, der es im Kino zur sehr gefragten Stellung eines Bamps"( Bampirs) gebracht hat und dessen Haupteigenschaft darin bestehen muß, dem Mann in herzloser Weise das Geld aus der Tasche zu ziehen. Sonst ist es dem Kinopublikum uninteressant und man pfeift den Bamp aus wie einen Stier in der Arena, der die Matadoren nicht annehmen will.

Im allgemeinen gibt es die Vamps wirklich nur im Kino, und die Sibille fann ihren Bon beruhigen. Er hat gar keinen Bamp geheiratet, sondern eine normale Amerifanerin, der es feit ihrer Jugend beigebracht worden ist, daß der Mann soviel Geld zu schaffen

hat, wie sie es für richtig hält. Diese Frans, die in einem mittleren College den Begriff der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau mißverstanden hat, denft gar nicht an einen Hermelinmantel, so wie er bei jeder wohlhabenden Amerikanerin felbstverständlich ist. Bor zehn Jahren hätte sie sich noch mit einem kleinen Ford begnügt, mit einer jener Dizzis", wie man sie jetzt noch hin und wieder als bewegliche Museumsstücke durch die Straßen wackeln steht. Heute wünscht sie natürlich einen besseren Wagen. Ferner wünscht sie sich Radio und Taschengeld, um mit ihrer Freundin wöchentlich Loews Driental Schau besuchen zu können. Das sollte Fritz oder Max oder Fred oder Bert oder Ernest eigentlich schaffen können, fo wie er gebaut ist. Keineswegs deuft sie daran, sich von ihm scheiden zu faffen und ihn auf Lebenszeit wegen graufamer Behandlung zu einer Geldstrafe verurteilen zu lassen. Nein, sie liebt ihren Mann; sie ist eine jener anständigen Amerikanerinnen, denen man hier auf Trift und Schritt begegnet und die vielleicht die einzigen wirklichen oder Mar ober Bert oder Fredie, wird sie vielleicht wieder arbeiten Kameradschaftsgattinnen der Welt find. Wenn Friz es nicht schafft oder Mag oder Bert oder Fredie, wird sie vielleicht wieder arbeiten bei der Old Reliable und Tire Compagnie als Sekretärin wie früher.

Aber Mar oder Fred oder Bertie muß gesund bleiben und deshalb verweist ihn die Zukunftstante auf Doktor Pelhams Motten­pulver, genannt das beste Mittel in der Welt gegen Schwächcanfälle und Müdigkeit. Doktor Pelham ist nicht nur ein großer Weiser, sondern er steht auch mit unserer Astrologin in direkter Geschäfts­verbindung, und wenn jemand auf ihre Empfehlung bei ihm vor­sprichyt, bekommt sie die Hälfte des Honorars. Das weiß Mar allerdings nicht.

Ehrich Gaedechens: Der Eisvogel

Da

Elfe Rissen flammerte sich plötzlich eng an ihren Vater und| hiest, mederie ein paar vertrauliche dünne Laute und war wieder zeigte mit der Hand aufgeregt nach den Fischteichen: Da, da, haft in der Röhre verschwunden. Er aber jaß still auf seinem Aft und du ihn gesehen?" rief das langaufgeschossene Mädel, dessen semmel schaute unverwandt aufs Wasser. Prächtig leuchteten seine krebs­blonder Scheitel schon bis an die Schulter des alten Forellenfischers roten Füße, wuchtig faß sein mächtiger Kopf mit dem gewaltigen fischer!" Dann faßte er die Deern um das Handgelenk und zog plumps, war er im Wasser. Mit einem Fisch im Schnabel tauchte ragte. Der alte Rissen fagte nur: Ja, das war er, der Königs- Schnabel auf dem feinen, gut spatzengroßen Körper. fie mit ins Haus, denn es war fühl, so früh am Morgen. Elte aber schaute vom Fenster des fleinen Fischbruthauses nach der Stelle, er wieder auf. Im Nu saß er auf dem trockenen Westchen im Weidengemirr, warf den Schnabel hoch, den Fisch in die Längs wo der grünblougoldene Lichtstreif verschwunden war. richtung des Schnabels und eine Bearfe lief ihm über die Stehle. Das wiederholte sich zwei, drei, fünfmal

*

Der alte Nissen hatte sich vor den Arbeitstisch gesetzt und framte in Erinnerungen. Vierzig Jahre war es her! Wie ein Land­streicher hatte er unten in der Eifel hinter einem Geröllblod der wildschäumenden Ahr gejessen und gewartet, wohl stundenlang. Noch heute schien ihm die Seit eine Ewigkeit. Er wollte ihn fangen, ihn, den Einsiedler, den Heimischen, Argwöhnischen, aber der Stein traf jedesmal vorbei. Mit hellpfeifendem Tiet- tiet- tiet war der ungeftüme Gefelle, dessen glitzernde Farbenpracht ihn fodte, immer wieder vorübergeschossen. Nichts weiter fannte Nissen damais von ihm als den schrillen Pfiff und den funkelnden Streif über weiß­tämmigem Wasser. Jahre später erfuhr er mehr.

Durch Zufall fand er eines Tages in der Sandwand des steil abfallenden Ufers die rattenlochähnliche Niströhre, die zu dem eft führte, doch fonnte dieses niemand erreichen, denn Boote gab es auf der wilden Ahr nicht, und vom Ufer aus wagte faum jemand nach der Neſtröhre zu faffen, denn bas Ufer hing über. Da tauchte auch der gleißende Gefelle wieder auf. Mit zappefigem, fchwer­fälligen Flug fam er angeschnurrt und flatterte nach dem toten ft einer Weide, feuchte ein paar( pige, heisere Lodtone. das Weib­chen fam aus der Riftröhre, flog auf einen Aft neben ihn, schüttelte sich, bidfeberpluftig, schnappte nach dem Fisch, den er im Schnabat

Der Remarque des 30jährigen Krieges

Das Pseudonym eines jungen, bis vor kurzem unbekannten Dichters ist heute zum Symbol geworden. Um den Namen Remarque faren sich Millionen von Menschen in allen Ländern der Erde, die das Kriegserlebnis wahr und ungeschminkt, frei von fitschiger Romantik und Berlogenheit sehen wollen. Durch diesen Zusammen flang ungezählter in einem gemeinsamen Erlebnis, einer gemein famen feelischen Haltung wurde der Name Remarque weltbekannt. Ein einzelner sprach aus, was Millionen in der Seele brannte.

Aber der Remarque - Film ist in Deutschland und Desterreich ver­boten. In Thüringen ist die Leftüre des Buches Im Westen nichts Neues in den Lehranstalten untersagt. Man mirfi dem Verfasser Unwahrhaftigkeit, übertriebene Schilderung des Krieges vor, mehr noch, man beschuldigt ihn, er ziehe das Heer und seine Bertreter herab und schädige Deutschlands Ansehen in der Welt. Remarque ist der Prellbod zweier Beltanschauungen geworden.

Aber was im zwanzigsten Jahrhundert als schädlich, als herab fehend und tendenziös verboten wurde, das hat bereits im Dreißig­jährigen Krieg der Schultheiß von Renchen im badischen Schwarz wald, Christoffel von Grimmelshausen, auszusprechen gewagt, allerdings unter einem Pseudonym. Und daß feine Zensur und fein Verbot sich an ihn gewandt haben, das ist wohl nur darin begründet, daß sein Buch Der abenteuerliche Simpli­zissimus" im allgemeinen nur von Studenten in Examensnöten Surchgepeitscht wird. Es ist also weit weniger gefährlich als das Buch Remarques, denn das deutsche Bolt fenat es nicht...

In ungezählten Literaturgeschichten ist zu lesen, daß der Simpli­ziffimus" ein naturgetreues, wahrhaftiges Bild der kulturellen Ber­hältniffe im Deutschland des Dreißigjährigen Krieges gezeichnet habe. Man müßte darin also Antwort auf die Frage finden: Wie sieht der Krieg wirklich aus, wie hat er gewirkt auf die Generation, die damals aufwuchs, welches sind die geistigen und seelischen Spuren gewesen, die er hinterließ? Aber vergeblich sucht man nach der großen fitta lichen Erneuerung, die nach einem dreißigjährigen Stahlbad doch ganz besonders tiefgehend gewesen sein müßte, nach der Auslese gesunder, heldenhafter Männlichkeit, da der Krieg doch gerade das Morsche, Stranthafte, Unmännliche hinweggefegt haben müßte. Wer brechen überfluten das Land, Roheit, Gemeinheit, entsetzliche Un­wiffenheit, Aberglaube machen sich breit, der Mensch ist unter das Tier herabgefunten. Grimmelshausen erzählt das nicht etwa im Ton fittlicher Entrüstung, sondern einfach als eine Selbstverstände fichteit, die im Zeitalter eines Krieges nicht anders möglich ist. Denn her Remarque des Dreißigjährigen Krieges hat, genau wie sein Nachfolger, begriffen, daß seine Menschen ja nichts anderes gelernt haben, als Schießen und Töten, daß sie an Stelle eines Sitten­gefeges das Prinzip der Selbsterhaltung und Selbstbehauptung zu fegen gewohnt sind. Was im Kriege oberstes Gefeße für sie war. das wurde auch im Frieden Richtschnur ihrer Handlungen.

Remarque gibt nur einen winzigen Ausschnitt, nämlich die Kleine Zeitspanne zwischen Krieg und Heimkehr. Grimmelshausen aber fpannt feinen Rahmen um das ganze menschliche Leben. Er gestaltet

das Schicksal eines Menschen, das völlig eingeschlossen ist in einen jahrzehntelangen Krieg. Bon Kindheit an erlebt Simpliziffimus" Grausamfeiten fürchterlichster Art. Schmuz, Verwilderung, Verelen. dung, geistigen Tiefstand, und sein Lebensschid sal wirbelt ihn hin und her, auf und ab, in tollem Durcheinander, in Bergnügungen, Sauf­gelage, Genuß, Berschwendung und in tiefste Armut, Selbstbesinnung, Einsamkeit und Frömmigkeit. Weltflucht und bewußter Verzicht auf attive Mitarbeit in Deutschland das ist das Fazit dieses Lebens,

-

auf das der Krieg seine Spuren geprägt hat. Simpliziffimus ver­bringt seine letzten Lebensjahre auf einer einsamen Insel und ver zichtet darauf, nach Europa zurüdzukehren. Denn wie die Heim­gelehrten des Weltfrieges, die Remarque in seinem zweiten Buch Der Weg zurüd" schildert, wie sie jede Berbindung mit dem Leben verloren haben, wie sie sich überall fremd, ausgestoßen und heimat Los fühlen, so ist auch der Mensch des Dreißigjährigen Krieges ent­wurzelt, lebensfroh, einsam.

Man hat Remarque den Vorwurf gemacht, er habe die Schrecken des Schlachtfeldes aus Sensationslust übertrieben. Aber Grimmels­Hausens Darstellung steht ihm an furchtbarer Realistit nicht nach In erbarmungslosen, grellen, schreienden Farben malt er die Scheuß lichkeiten der Verwundungen und des Sterbens, die Verzweiflung und den Wahnsinn der Schlacht. Noch eine weitere Barallele, einen feltfamen Anfang an ein Kriegsbuch unserer Zeit, das ebenfalls weltbekannt ist, enthält der Simpliziffimus. Wie der Tscheche Jarosław Haset seinen braven Soldaten Schwejt unverletzt durch den Krieg schreiten läßt, der alles mit Gleichmut von sich abschüttelt, Narren dar, der sich als Kalb und Efel trattieren läßt, wenn er auch so stellt auch Grimmelshausen feinen Simpliziffimus zeitweise ais gerade in dieser Rolle besonders bittere Wahrheiten ausspricht.

Die Gegner Remarques, die Film und Buch abgelehnt haben, bezeichnen die Hoffnung auf einen vernünftigen Ausgleich unter den Völkern, auf Völkerbund und Weltfrieden oft als romantische Idee des Sozialismus, der aus seiner Schwäche heraus die Männlichkeit und das Heldentum in der Welt töten wolle: Es ist vielleicht die erschütterndste Stelle dieses Kriegsbuches aus dem siebzehnten Jahr hundert, wie mitten in Glend, Schmutz und Verkommenheit ein irrer Landstreicher auftritt, der wie eine seltsame Vision seinen Glauben an einen endgültigen Böllerfrieden ausspricht. Wie ein Prophet fündigt er eine Zeit an, in der alle Nationen einen Böllerbund bilden, der alle Streitigkeiten schlichten wird. Mitten aus tiefsten Birren des Dreißigjährigen Krieges ertönt die Stimme der Menschlichkeit, die Sehnsucht nach Frieden.

Bielleicht haben zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges nur wenige die Bedeutung dieses Buches begriffen und feinen Sinn verstanden. die Bedeutung dieses Buches begriffen und seinen Sinn verstanden. Heute aber ist manches, was damals ferner Zukunftstraum schien, bereits verwirklicht. Die Stimme ter Menschlichkeit war mächtiger als der Krieg, fie tönte durch Jahrhunderte und über Generationen. Reine Knebelung, feine Zenfur, fein Verbot fann sie zum Schweigen bringen.

Ein andermal, schon piepsten die Jungen im Gebüsch, sah Nissen, wie sein Eisvogel hinter einem anderen wütend herschoß und sich auf ihn stürzte. Es gab einen heftigen Kampf. Seitdem wußte der Alte, daß laum ein Vogel zänkischer ist als diefer gligernde Geselle; denn jener Bogel, den er da mit Schnabelhieben trattierte, war-sein Weibchen. Er, der Fraßneidische, duldete, jeßt, wo die Jungen aufgezogen waren, feinen anderen mehr neben sich, nicht einmal sein Chegesponst. Wie Fremde waren sie von mun an zueinander den ganzen Herbst und Winter hindurch, bis sie im Frühjahr wieder dieselbe Röhre bezogen. Da wagte sich der junge Nissen doch einmal bis an die Röhre heran. Es ftant nach Fisch. aber sehen fonnte man nichts; die Röhre war sicher einen Meter tief. Später erfuhr er, fo eine Röhre sei am Ende teffelartig verbreitert, und da baue das Weibchen ganz im Dunkeln das Nest. Aber nicht wie andere Bögel aus Federn und fleinen Zweigen, sondern den Cispögeln ginge es wie den Eulen, fie fpeien alle unverhauliche Rah rung wieder aus und aus diesen ausgespienen Fischgräten baue fich das Weibchen dann die tranftinkende Eisvogelwiege.

Einige Tage fpäter ereignete fid) etmas Eigenartiges. Es war ein großer Eisvogel auf den auf Beute lauernden geschaffen, trich ihn gegen das Üfer, bebekte ihn mit Schnabelhieben; der fleine stürzte blutüberströmt in den Fluß, und die Wellen nahmen ihn mit sich fort. Der größere ober machte fich an das Weibchen heran, das ihn umflatterte. Auf einmal aber ftürzte sich dieses auf ihn und hackte ihn in die Augen, so daß er meichen und irgendwo elend umfommen mußte. Steg ist nicht immer Glüd!

Elle Nissen war inzwischen wieder zu den Fichteichen geschlichen. Sie ging um die Großbrutteiche herum, nach der Stelle, wo das alte Bachbett lag und die Kopfweiden standen. Da war auf einmal der aite Riffen hinter ihr und lachte: Hier suchst du ihn? Er ist schon lange wieder bei den Teichen. Da sitzt er wie schlafend, fast den halben Tag." Sie gingen zurück und deutlich sah Elte den Eis­vogel auf einem Pfahl sitzen, von dem er sein Luginswasser hielt. Wie prächtig sah doch der Gefelle aus. Die Schultern und Flügel schimmerten meergrün, die Oberseite leuchtete türkisblau, die Unter­seite war nußbraun. Für die Fische sah er von unten aus wie ein welkhängendes Blatt, für seine Feinde in der Luft, den jagenden Sperber und den treifenden Weih, aber hatte er die Farbe des Waffers an himmelblauen Tagen.

Einmal sprachen sie über den Namen diefes wunderlichen Ge­felben. Ja," sagte der Alte, das ist ein fraglich Ding. Es gibt Leute, die sagen, er heiße so, weil er im Winter das Eis aufhackt, um zu seinem Futter, den Fischen, gelangen zu können. Andere Seen aushält und den Fischern nachfliegt, wenn sie Luftlöcher in das meinen, weil er sich im Winter an den gefrorenen Bächen und viele Eisvogelarten, über zweihundert, doch die meisten leben in Eis schlagen. Ich glaube, es ist noch etwas anderes dabei. Es gibt wärmeren Ländern, wo es fein Els gibt. Ich glaube, wir müssen seinen Namen von der blauen Farbe seines Gefieders ableiten,

den Begriff blau, wie in Eisen, Eisenbart, Ifegrinum. Und Blau­denn die Silbe Eis bezeichnete vordem in unserer Sprache einmal vogel" ist teine schlechte Bezeichnung für diesen Vogel, bei dem blau die Hauptfarve des Gefieders ist.

Ein Jubiläum des Platin

Um die Jahreswende 1780/81 gelang es dem französischen Chemiker Chabaneau zum erstenmal, das Platin in Barren herzu­stellen und es danach zu einem begehrten Handelsartitel zu machen. Denn obwohl Platin bereits früher bekannt und entdeckt gewesen ist, erfreute es sich keineswegs besonderer Wertschätzung. Erst vor hundert Jahren, um 1830, begründete der Engländer Wollaston, der das Schweißen dieses Edelmetalls lehrte, die eigentliche Platin industrie. Auch nach dem größten Platinfund aller Zeiten bei Nischni- Nowgorod im Jahre 1830, der einen 12 Kilogramm schweren Slumpen darstellte, war die Nachfrage nach Platin noch sehr gering, und die russische Regierung ließ zur Verwendung ihrer Borräte aus Platin Münzen prägen, die jedoch niemand verpflichtet war anzunehmen. Später mußte der Platinrubel wieder aus dem Ber­fehr gezogen werden und erst im Jahre 1858 trat ein schnelles Steigen der Platinpreise ein und von da an begann der Siegeszug des foftbarsten aller Edelmetalle.

Gemerschaftsbewegung: S. Steiner; feuilleton: Dr. John Schllowsti: Lotales Berantwortlich für Bolitik: Dr. Curt Geyer ; Wirtschaft: 6. Alingelhöfer; und Sonstiges: Krik Karßäbt; Anzeigen: Th. Glode; fämtlich in Berlin . Berlag: Borwärts.Berlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Borwärts Budbruderei und Berlagsanstalt Baul Singer u. Co., Berlin 5. 68, Lindenstraße 3. Sierzu 2 Beilagen.