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BERLIN Dienstag 3. März 1931

Der Abend

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Sturm auf Altersrenten

Geheimpakt der Versicherungsbürokratie?- Invalidenrenten sollen verringert werden!

In einer Zeit, die als der Wirtschaftsweisheit letzten Schluß, nur die Lohnsenfung fennt, gibt es noch immer Leute, die glauben, wenigstens die färglichen Unterstügungssäge aus der Invalidenversicherung wären vor der Abbauwelle gesichert. Sie sind jedoch im Irrtum. Hinter den Kulissen wird an einer Generalsenfung der Alters. und Invaliden. renten eifrig gearbeitet.

Die Träger der Invalidenversicherung, die sogenannten Landes­Dersicherungsanstalten, haben unter sich einen Reichsverband gegründet, deffen Ständiger Ausschuß" seinen Sig in Kaffel hat. An diesen Ständigen Ausschuß ist ein Brief des Landrats Dr. Goeze von der Landesversicherungsanstalt Brandenburg ge­richtet, der einen

Generalsturm auf die Invalidententen

einzuleiten bestimmt ist. In diesem Brief, der auf dem Provinzial­Landtag der Broving Brandenburg dieser Tage durch die Wachsamteit fozialdemokratischer Abgeordneter zur Besprechung fam, findet fich eine Serie solcher Abbauvorschläge:

Der Lohnabbau, wie er jetzt allgemein durchgeführt wird, recht­fertigt auch eine entsprechende Herabsehung der Renten. Wir be­grüßen deshalb vor allem die Erwägung einer gleichmäßigen Senkung der Renten durch Minderung des Grundbetrages oder der Steigerungsfäße und den Plan, die Baisenrente und den Kinderzuschuß durchweg mit dem 15. Lebensjahr wegfallen zu laffen.

Auch die Einführung einer besonderen Wartezeit für die Altersinvalidenrente gehört hierher. Wir bitten, diese Bläne, die zusammen allein eine wirkliche Entlastung bringen tönnen, mit Nachdruck zu verfolgen. Die gleichmäßige Kürzung des Grundbetrages um 2 Mart monatlich würde den Gesamtbetrag einer Invalidenrente von 25 Mart um 8 Proz., eine Durchschnittsrente Don 35 Mart um 6 Proz. und eine Rente von 50 Mart um 4 Proz. herabsehen. Eine Staffelung, die gleichmäßig eine dem Lohnabbau entsprechende Kürzung der Gesamtrente um 6 Proz. herbeiführt, ist also notwendig. Sie tönnte sich durch die Wiedereinführung der früheren Berechnungsart, wie auch von dort angeregt, erreichen lassen. Eine ähnliche Regelung in der Angestelltenversicherung wäre aller­dings notwendig.

Die durchschnittliche Kürzung der Rente um 6 Proz., wie sie sich aus der Minderung des Grundbetrages um 2 Mart monatlich ergibt, würde bei der Proving Brandenburg für die Landesversicherungs­anstalt 3 450 000 Mart ausmachen. Die Senkung der Steigerungs­fäße von 20 auf 15 Proz., entsprechend dem Saß der Angestellten versicherung, bedeutet eine Minderung des Steigerungsbetrages um 25 Broz. Die Herabjegung der Steigerungsfäße von 20 auf 15 Pro3. stellt eine Kürzung der Durchschnittsrente von 35 Mart monatlich um rund 9 Proz. dar, geht also über den Cohnabbau um ein Geringes hinaus.

Durch den Wegfall der Waisenrente und des Kinder: zuschusses mit dem 15. Lebensjahr würde bei uns annähernd ein Betrag von Millionen Marf gespart werden.

Erlogene Berichte! Erlogene Aussagen!

Moskauer Justiz nach Art der Hexenprozesse

Mosfau, 3. März.

Im Menschewifi- Prozeß wurde heute als erster Scher verhört.

Wendung im Fall Bullerjahn.

Ceipzig, 3. März.

Er sagte aus, daß man in Kreisen der Menschewiten bereits 1925 Der französische Zeuge wird in Deutschland vernommen. zu der Ueberzeugung gelangt sei, daß man die Tattit der Mensche witen- Bartei ändern und menschewistische Zellen bilden müßte. Er schildert dann weiter, in welcher Form die Verbindung mit der Aus­landszentrale der Menschewifen angebahnt worden sei, und wie ihm

Pietro tenni,

der italienische Sozialist, sprach am Montag in der Riesenkund gebung der Berliner Sozialdemokratie über die Greuel des italie­nischen Faschismus.

In der heutigen Berhandlung des schon seit zwei Wochen vor dem Reichsgericht schwebenden Prozeffes wegen der Leipziger Waffendiebstahle teilte der Borsigende mit, daß sich wahr­fcheinlich eine Bertagung des Prozesses auf Sonnabend für notwendig ermeifen werde.

Es fei ihm von Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld, der das Wiederaufnahmeverfahren im Prozeß Buller. jahn betreibe, mitgeteilt worden, daß der franzöfifche Ceut. nant Joos fich entschloffen habe, deutschen Boden zu bea treten, so daß er wahrscheinlich in Aachen vernommen werden könne.

Da voraussichtlich zwei der an dem Waffendiebstahlsprozeß be­telligten Richter auch beim Wiederaufnahmeverfahren in der Sache Bullerjahn mitzuwirken haben, werde fich eine Unterbrechung Der laufenden Berhandlung bis Sonnabend fanm vermeiden lassen. Dem Senat werde eine endgültige mitteilung über die Enfschließung des Leutnants 300s durch den Berteidiger Dr. Rosen­feld allerdings erst in den Nachmittagsstunden zugehen.

Gruppen. Das Büro hielt drei Bollversammlungen unter Teil nahme der in der Provinz tätigen Menschemiſten ab.

Die Auslandsdelegation der Menschenisten genehmigte im Juli 1928 die Zusammenfehung des Unionsbüros, wooon das Büro schriftlich verständigt wurde. Kurz danach fanttio­nierte Abramowitsch, Mitglied des Zentralfomitees der Menschewisten, der 1928 illegal in der Sowjetunion eintraf, noch mals die Zusammensehung des Büros. Die Auslandsdelegation der Menschemisten hatte ihn beauftragt, eine Namensänderung des Büros vorzuschlagen und es Russisches Zentralfomitee" im Unions. büro des Zentralkomitees der Menschemisten" zu nennen, wodurch die Abhängigkeit des Unionsbüros von der Auslandsdelegation unter­strichen wurde. Staatsanwalt Krylenko gab darauf die Erklärung der Auslandsdelegation des Zentralfomilees der Menichewisten im Borwärts"

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bekannt, wonach die Angeklagten nicht Mitglieder des Unionsbüros felen, daß fie vielmehr Provotateure seien oder daß ihre Aussagen diese Erklärung als Lüge.

der Mitangeklagte Berlahti schriftliche Bollmacht überbracht habe. Berlagti hätte in Berlin mit Vandervelde, mit den deut fchen Sozialdemokraten Hilferding und Rautsty, dem fran­Im Jahre 1930 find rund 75 000 Mart Altersinvaliden. 8ösischen Sozialisten Blum und anderen Führern der westeuropäis mit Gewalt erzwungen wären. Sämtliche Angeklagten bezeichneten schen sozialdemokratischen Parteien Fühlung genommen, die die Pläne der Menschemiten ebenso gebilligt hätten wie die zweite Internationale.

renten wegen Vollendung des 65. Lebensjahres festgesetzt worden. Nimmt man an, daß diese Zahl sich durch Festlegung einer besonderen Wartezeit etwa um ein Drittel verringert, jo ergibt dies bei einer Durchschnittsrente von 35 Mar! monatlich eine Ersparnis für die Landesversicherungsanstalt Brandenburg von rund ½ Million Mark.

Auch die weiteren Anregungen über die Einsparungen von Rentenbeträgen dürften nicht abzuweisen fein. Wenn die Beträge auch nicht in allen Fällen erheblich fein werden, so darf man doch beim Sparen auf sie nicht verzichten."

Wie man aus dem Inhalt entnehmen kann, wird brieflich unter den Leitern der Versicherungsanstalt schon seit längerer Zeit über die plansolle Kürzung selbst der schäbigen Durchschnitts- Altersrenter

von 35 M. monatlich verhandelt.

Dabei stellte sich durch die Anfrage des sozialdemokratischen Abgeordneten, Landrats Freter, auf dem Provinziallandtag her. aus, daß weder der Landesdirettor noch der gewählte Borstand der Landesversicherungsanstalt von der Existenz des Briefes eine Ahnung hatte! Der Landesdirektor versprach, noch in dieser Woche eine Sigung des. Vorstandes einzuberufen, damit er zu der eigenmächtigen Handlung des Landrats Goeze Stellung

nehine.

( Fortsetzung auf der 2. Seite.)

Der Angeklagte Gromann, der früher Präsidiumsmitglied der staatlichen Blanwirtschaftskommission war, bestätigte Schers Aussagen im wesentlichen und gab zu, im Jahre 1926 die praktische Arbeit zur Bildung menschemistischer Zellen aufgenommen zu haben. Trotz mancher Bedenken hätte er sich mit den rechtsgerichteten An­hängern einer Intervention politisch solidarisch erklärt, weil er eine Diftatur des Proletariats verworfen hätte. Seine Stellungnahme wäre ihm dadurch erleichtert worden, daß, wie ihm berichtet worden sei, Hilferding und andere bekannte Führer der deutschen Sozialdemokraten sich zu dem Standpunkte der rechtsstehenden Menschewifen befennten und für eine Teil nahme an der Zweiten Internationale wären.

Auch die Angeklagten Ginsburg und Betunin, der ehe: bindung mit dem Auslande und die Bildung menfchemistischer Zellen. mals Direktionsmitglied des Zentrofojus war, bestätigten die Ver

Moskau , 3. März.( Telegraphenag. d. Sowjetunion .) Nach dem Berhör der Angeklagten ging das Gericht zu ein gehender Brüfung der Tätigkeit des Unionsbüros über. Es stellte ouf Grund der Aussagen des Angeklagten Scher fest, daß das Bürs endgültig im Jahre 1928 aus zehn Mitgliedern gebildet wurde. Es bestand programmiäßig aus Militär und anderen

Groman erklärte, die Auslandsdelegation habe keinen anderen Ausweg, do sie nicht offen vor dem Weltproletariat über ihre Schäd

lings. und Interventionspolitik zu sprechen rage, sondern diese im

geheimen durchführe.

Petunin jagte aus, Abramowitsch habe ihm persönlich die und Interventionspolitik zu sprechen, um nicht die Menschewiften in den Augen des Weltproletariats zu brandnarten".

Notwendigkeit angedeutet, nicht offen über die Schädlingstätigkeit

Der Angeklagte Scher erflärte, die Tattit der Menschewisten flärung im Borwärts. Rein Mensch wird glauben, fuhr der sei doppelzüngig. Diese Doppelzüngigkeit sei der Grund für die Er Angeklagte fort, daß wir alle 14 alte Sozialdemokraten, die 25 bis 30 Jahre in der Partei tätig waren und widerholt in zaristischen Ge fängnissen gesessen haben, Provokateure sind oder daß unsere Aus­fagen mit Gewalt erzwungen wären.

für den russischen Menschewismus. Bierzehn Führer in der mensche Jatubomitisch erklärte, diefer Prozeß sei ein schwerer Schlag wistischen Tätigkeit in der Sowjetunion entfagen, fo fuhr er fort, öffentlich freiwillig ihrer Bergangenheit. Der Auslandsdelegation bleibt nichts anderes übrig, als uns für Provokateure oder Opfer der

Gewalt zu erklären.

Alle Angeklagten lehnten die Erklärung der Auslandsbele gation über Gewaltanwendung während der Boruntersuchung ab und