Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 105

A 53

48.Jahrgang

Böchentlich 853f., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pf. Bostzeitungs- und 72 Pf. Bostbestellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drudfachen porto 5,- M

Der Borwarts" erscheint wochentag fich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend" Illustrierte Beilage Bolt und Zeit" Ferner Frauenstimme", Technit", Blick in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u. Stadtbeilage

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Mittwoch 4. März 1931

Groß- Berlin 10 Pf.

Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Nonpareillezeile 80 3f. Mettamezeile 5,- RM. Kleine A zeigen" das fettgedruckte Bort 25 Pf. Gulässig zwei fettgebrudte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif Stellengesuche das erste Wort 15 Pf., jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien. anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannayme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 81 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SM 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Postschedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Dise.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.

Oberbürgermeister noch im März!|

Bahn frei für Berlins Oberhaupt.- Am 18. März Wahlausschuß.

12113

Zum Fall Mosley .

Der Extronprinz der Arbeiterpartei.

London , 3. März.( Eigenbericht.) Dezember 1918. Siegesjubel in England und Neuwahl. Im Wahlkreis Harrow kämpft der von der Westfront zurüc gefehrte 22jährige Offizier Sir Oswald Mosley als fonservativer Kandidat. Reitet glänzende Attacken gegen die Liberalen und gegen die Arbeiterpartei und wird gewählt. Sprößling altenglischen Landadels, der sich später mit der Tochter des ehemaligen indischen Bizekönigs und Außen­dem Oberbürgermeister, zwei Bürgermeistern, neun beschichtet. Einer der reichsten Leute Englands, einer der besten Nach dem neuen Gesek soll der neue Magistrat aus ministers Lord Curzon verheiratet und neben seinen blenden­ben geistigen Gaben die materiellen Güter turmhoch auf­soldeten und sechs unbesoldeten Stadträten bestehen. Die schichtet. Einer der reichsten Leute Englands, einer der besten bisherigen besoldeten Magistratsmitglieder bleiben im Redner Englands, der bereits durch seine äußere Erscheinung Amt. Das neue Gesetz soll am 1. April in Kraft treten. die Massen begeistert. U

Nachdem der Gemeindeausschuß des Preußischen Land.| energisch für eine möglichst schnelle Herbeiführung der tages das neue Berlin - Gesetz in dritter Lesung ange- Neuwahl des Oberhauptes und der neuen Magistrats. nommen und verabschiedet hat, wird der Landtag schon mitglieder einzusehen. Der Vorsteher will den Wahl. am kommenden Sonnabend in die Beratung des ausschuh, dem 25 Stadtverordnete, darunter sämtliche Gesetzentwurfes eintreten. Man hofft, die Debatte noch Fraktionsführer, angehören, bereits für ben am gleichen Tage beenden zu können, da einschneidende 18 März einberufen. Abänderungen des Enttvurfs, der bekanntlich ein Kom promiß nach schwierigsten Fraktionsverhandlungen dar­stellt, nicht zu erwarten sind. Der Landtag wird sich dann auf eine Woche vertagen, so daß die entscheidenden Ab­stimmungen voraussichtlich am 17. März stattfinden

werden.

Wie der Vorwärts" erfährt, ist Stadtverordneten . Bis dahin dürften auch die neuen leitenden Männer der nüchterung gefolgt. Die Labour Party steht hoch im vorsteher Genosse Haß entschlossen, sich im Rathaus Berliner Verwaltung gewählt sein.

Für Briand und den Frieden!"

Erklärung Léon Blums .

-

Paris , 3. März.( Eigenbericht.)

Außenpolitische Kammerdebatte.

solle. Er habe es auch schon mit der Gewalt versucht. Das Resultat war nicht befriedigend. Es gibt Schwierigkeiten und Gefahren, besonders seit den legten Reichstagswahlen, aber man muß und fann fie beseitigen. Als Beispiel erwähnte Briand die glückliche Beilegung des deutsch - polnischen Minderheiten streites. Den Anschluß Oesterreichs nannte er eine Gefahr, die weniger bedrohlich geworden, da sich Desterreich seiner Nationalität bewußt geworden.( Desterreich hat keine andere Nationalität als die deutsche; Red. d. B.) Die Revision der deutschen Ost­grenzen bezeichnete Briand als eine These, die man berechtigter­weise vertreten dürfte, was aber nicht heiße, daß Frankreich sie teile. Deutsch - franzöfifche Berständigung sei notwendig, damit sich die Menschheit nicht in immer neuen Schlachten zerfleische.

Die Kammerdebatte über den Etat des Auswärtigen Amts be­gann heute mit einem Bericht des Radikalen Baganon, der sich für die Fortsetzung der internationalen Verständigung und gegen die Bildung rivalisierender Bündnisgruppen aussprach. Auf eine Beschwerde des Kommunisten Cachin über die angebliche Ein­freifung Rußlands antwortete Brian d mit der kurzen Bemerkung, er könne nicht glauben, daß die Sowjets an Verfolgungswahn litten. Dann sprach der Sozialist Grumbach. Er bezeichnete es als einen schweren Fehler des Versailler Bertrags, die Alleinschuld Deutschlands festzulegen. Darum sei es auch vom Kriegsminister Maginot höchst unangebracht gewesen, von Deutschland , zwölf Jahre nach Kriegsende, noch vom ,, Angreifer" zu sprechen. Es sei un­gerecht, Deutschland dauernd im Zustand der Ungleichheit zu halten, es müsse Aussicht auf volle Gleichberechtigung erhalten, und Frank- Weil ich fühle", sagte der Minister, daß das französische Bolt reich habe die unbedingte Pflicht, auf der Abrüstungskonferenz mit einem pofitiven Programm zu erscheinen.

Briand versicherte, Maginot habe alle Borbereitungen zur Abrüstung aufrichtig unterstützt. Grumbach drang in ihn, ob die von Maginot gegebene Erklärung, die in Deutschland starte Erregung ausgelöst habe, von der ganzen Regierung geteilt würde. Briand antwortete ausweichend, daß die Regierung in der Abrüstungspolitik pöllig einig sei.

=

Eine Anfrage des Nationalisten barnegaran über das neue Flottenkompromiß zu beantworten, lehnte Briand energisch ab. Dann hielt Franklin Bouillon die übliche Rede gegen Briand , dessen Verständigungspolitik nur Lüge und Heuchelei sei. Die deutsch - französische Versöhnung gehe auf Kosten Polens . Was gedente Briand zu tun, fragte der Redner, um der Revi­fionstampagne in Deutschland zu begegnen?

den Frieden will, habe ich den Mut gefunden, auch nach den Reichstagswahlen meine Politit fortzusetzen." Zwischen Italien und Frankreich sei nach langen Meinungsverschiedenheiten jezt im Flottentompromiß ein Zusammenschluß zustandegekommen, hinter dem eine moralische Macht stehe. Kein Bolt tönne es heute mehr wagen, die Berantwortung für einen neuen Krieg zu über nehmen. Lebe man deshalb schon im Frieden? Nein, es sei noch viel zu tun, aber schon seien große Fortschritte erreicht.

Auf Franklin- Bouillons höhnische Entgegnung, Briand babe mit der Rheinlandräumung nichts anderes erreicht als die Hitler Wahlen, antwortete Briand furz und energisch, diese Art der Stritit ſei rein negativ. Er habe aber positiv gearbeitet, wie die Flotteneinigung mit Italien beweise.

Der radikale Führer Herriot beglückwünschte sodann Briand zur Einigung mit Italien . Der sozialistische Führer Léon Blum folgte mit der Erklärung: Manchmal hätte er Briand mehr Mut gewünscht, aber zwischen ihm und Franklin- Bouillon sei die Wahl antwortete mit der Frage, welche andere Politik er denn treiben nicht schwer:" Für Briand und den Frieden!"

Außenminister Briand

50000 Tonnen Gefrierfleisch

Sozialdemokratischer Antrag im Reichstag angenommen. Der Reichstag hat gestern Artikel 1 des sozialdemokrati­schen Entwurfs, der die 30llfreie Einfuhr von 50 000 Tonnen Gefrierfleisch vorschreibt, im Hammelsprung mit 218 gegen 152 Stimmen angenommen. Für den Entwurf haben auch die meisten Staatsparteiler und einige Zentrumsabgeordnete vom Gewerkschaftsflügel geftimmt.

In der darauffolgenden dritten Beratung wurde der Gefehentwurf in namentlicher Abstimmung mit 223 gegen 149 Stim­men bei vier Enthaltungen angenommen.

Durch die Annahme eines fozialdemokratischen Initiativ­anfrages wurde ferner das Brotgefek wefentlich ab­geändert. Der Beimischungszwang von Roggen zum Weizen­brot wird beseitigt, ebenso die Beimischungsmöglichkeit von Kartoffel­mehl zum Weizengebäck und der Zwang zum Feilhalten von Roggenbrot in Gaststätten. Die Ausmahlungsquote von Roggenmehl

wird durch den Beschluß von 60 auf 70 Pro3. erhöht.

Die Berhandlungen über den Wehretat. Die Berhandlungen zwischen der Regierung und der Sozial­bemokratie über den Wehretat und über die sozialpolitischen und fteuerpolitischen Fragen sind am Dienstag fortgesetzt worden. Sic

I

1 gestalteten sich aber nach wie vor recht schwierig, so daß die für Dienstagabend einberufene Sigung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion lediglich einen Bericht über den Gang der Ber­handlungen entgegennahm, Aussprache und Beschlüsse aber auf eine spätere Sigung vertagte, da die Verhandlungen noch fortgesetzt merden.

60

Friede in Indien !

Durch gegenseitige Konzeffionen.

Bombay , 3. März.( Eigenbericht.) Das Uebereinkommen zwischen dem allindischen Gandhi und dem Vizekönig am Dienstag end. Kongreß und der englisch - indischen Regierung ist von gültig abgeschlossen worden.

Der indische Kongreß wird nicht vor etwa einem Jahre eröffnet. Gandhi will den Feldzug gegen die Gesetze einstellen und die Aufforderung zur Ge. fetes übertretung zurückziehen. Die in London begonnene englisch - indische Konferenz wird in Indien fort. geseht und der allindische Kongres wird sich diesmal an den Beratungen beteiligen.

Glamorgan und Monumouthshire ist die Arbeiterpartei pon 55 auf Bei den Kreisratswahlen in den nordenglischen Kreisen 57 Abgeordnete bzw. von 63 auf 64 Abgeordnete geftiegen.

1923. Dem Siegesjubel ist in England die kalte Er­Kurs. Der Rud nach links hat begonnen. Der im Krieg so verfolgte und geächtete Macdonald ist der Liebling des Boltes. Die bürgerliche Jugend strömt in die Arbeiterpartei. Auch Sir Oswald Mosley hat die konservative Politik fatt bis obenhin. Er ist es außerdem dick, als Hammel hinter den Churchill und Chamberlain herzulaufen und in der grauen Masse der Abgeordneten zu verschwinden. Er verläßt die Tories, macht sich unabhängig und selbständig. Er wird nicht miedergewählt und ist 1924 bei Macdonald und der Arbeiter­partei.

1926. Nadhwahl im Kreise Smethwid. Sir Oswald steht für die Labour Party , erobert das Mandat und kehrt unter dem Jubel der Arbeiterschaft in das Unterhaus zurüd. Die Konservativen und sein Vater senden ihm Bannflüche nach. Drei Jahre später ist Mosley ,,, der Kronprinz der Arbeiter­partei", Minister im zweiten Labourkabinett.

1930. Die wirtschaftliche und politische Krise rüttelt auch an den Grundfesten des englischen Imperiums, erschüttert Das Mutterland und die Kronländer. In Indien züngeln die Flammen haushoch, ins Ungemessene wächst die Arbeitslosig­teit, Gesetze und Maßnahmen, gestern Heilmittel, sind heute nur noch fleine unzureichende Pflaster. Das Staatsdefizit wächst, die Einnahmen werden geringer und geringer, der schier unerschöpfliche Born des Reichtums und des Geldes fließt dünner und dünner. Unzufriedenheit überall. Sozial und damit geistig beginnt es sich umzuschichten. Es tracht im Gebält der Parteien, sie zersplittern sich innerlich in Fraktionen, Aufruhr gegen die Führer, die Jungen gegen die Alten, die Schutzöllner gegen die Freihändler, Programme, Brogramme, Leitfäße, Artikel, Revolten gegen Baldwin, gegen Lloyd George , gegen Macdonald. Im Unterhaus stimmen Liberale mit den Konservativen gegen die eigene Re­gierung. Die Einheit des englischen Volkes, die Ge­schlossenheit der Parteien ist dahin. Im Mutterland der Demokratie wird von Diktatur gesprochen. Lohnkämpfe, Streifs, Aussperrung, die Wähler ver= lieren das Vertrauen zur Politif, zu den Parteien, und es mächst der Glaube an den starken Mann. Es wächst die Wirtschaftskrise und es steigt die Flut der Erwerbs­losigkeit. Von Kompromiß zu Kompromiß fristet die Re­gierung ihr mühseliges Dasein.

Mit Krach und einem Manifest nerfäkt Sir Oswald Mosley das von Sturm und Dellen hin- und hergeschleuderte Labourkabinett, springt ans ufer, stellt sich vor die Massen der Kritiker und Unzufriedenen und zeigt ihnen lächelnd, den Industriellen, den Arbeitern, den Bauern, den Mittelständlern: das Universalrezept, ein Programm, geborgt aus Nationalis= mus und Sozialismus.

Parteitag in Llandudno. Oswald Mosley steht auf der Tribüne. Lächelt zu dem Beifall, der ihn empfängt, spricht dann zehn Minuten und wird mit einer begeisterten Ovation entlassen. Der Inhalt seiner Rede? Es sind nur Andeutun gen, nur Striche, dem kontinentalen Beobachter wohlbekannt. Tage wiederholt es die Presse. Der englische Hitler", sagt man, und am nächsten

Weil er nie den Sinn der Arbeiterbewegung verstanden hat, deshalb verstand er auch nicht den Sinn und Wert seiner Erfolge. Er heißt ihn zu Tode. Neues Manifest gegen die Regierung, neue Angriffe gegen Macdonald und Snowden, er fann nicht warten, der Ehrgeiz jagt ihn, die bürgerliche Preffe umschmeichelt ihn, allen voran die Zeitungs­tönige Beaverbrook und Rothermere, die innerhalb der kon= fervativen Partei um die Führung ringen und den gleichen Inzwischen vermehren sich die wirtschaftlichen und politischen Kampf gegen Baldwin führen wie Mosley gegen Macdonald. Schwierigkeiten Englands. Es mehrt sich das Durcheinander