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Morgenausgabe

Nr. 107

A 54

48.Jahrgang

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Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend Illustrierte Beilage Bolt und Zeit" Ferner Frauenstimme", Technit", Blick in die Bücherwelt Jugend- Borwärts" u..Stadtbeilage

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Vorwärts

Beeliner Boltsblatt

Donnerstag

5. März 1931.

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipalt. Nonpareillezeile 80 f. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An­zeigen" das fettgedrudte Wort 25 Pf. zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes meitere Bort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf., jedes weitere Bert 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien­anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen­täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Die Kammer ruft: Nie wieder Krieg!

Nur 14 Stimmen gegen Briand , zwei Dutzend Patrioten" enthalten sich.

Paris , 4. März.( Eigenbericht.)

Mit 555 gegen 14 Stimmen hat die franzöfifche Rammer sich wiederum für die Friedenspolitit Briands aus gesprochen. Neben den 14 oppofitionellen Stimmen, die von Franklin Bouillon und zweien seiner Freunde sowie den berufsmäßigen elf fommunistischen Rein- Sagern abgegeben worden waren, hatten sich etwa zwei Dugend Patrioten der Stimme enthalten. Die französischen Kriegsheger" sind also in der Rammer ungefähr 40 Mann start.

Die Bedeutung der Abstimmung wurde durch eine fpontos Rundgebung unterstrichen. Als Außenminister Briand seine Rede beendet hatte, in der er zum Schluß die negative Kritik Franklin Bouillons als ebenso destruktiv bezeichnete mie den Krieg selbst, erhoben die Sozialisten den Ruf ,, Nie wieder Krieg", der sich in menigen Augenblicken über die Bänke der bürgerlichen Linten bis zur Mitte fortpflanzte. Was soll das heißen?", schrie der reaktionäre Abg. barnegaran zornrot in das Getümmel, während Franklin Bouillon mit lettem Stimmaufwand Briand die Anklage zuschleuderte ,,, Locarno ist der vollkommene Banfrott". Aber Nie wieder Krieg" übertönten Hunderte von Stimmen die beiden Opponenten.

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Frankreich hat es gewiß leichter als Deutschland , für die Politik des Friedens einzutreten. Und so hatte der sozialistische Partei­führer Léon Blum das Recht auf seiner Seite, als er erklärte, daß die Sozialistische Partei die Politif Briands lange

nicht entschieden genug finde,

da sie vor allem, der fühnen Tat ermangele, wenn sie auch von guten Abfichten getragen sei". Auch die Rede Briands hat neben der wiederholten Beteuerung der französischen Friedens- und Ber ständigungsbereitschaft nicht viel Neues und Greifbares gebracht. Nur in zwei Punkten, und auch da nur in faum schärfer betonter Schattierung, ging Briand aus sich heraus. So betonte er einmal hinsichtlich der Revision des Versailler Bertrages, daß es eine ,, schlechte Politit wäre, sich von einem Nachbarn abzuwenden und mit ihm zu brechen, wenn er nicht völlig mit uns übereinstimme". Frankreich so fuhr Briand fort tönne Deutschland bas Recht zur

Geltendmachung seiner Revisionsforderung nicht streifig machen und es verstoße damit feineswegs gegen seine Bündnispflichten gegenüber Polen ."

An zweiter Stelle sprach Briand von der moralischen Stärke des Weltgewissens und zitierte als Beispiel dafür, daß er sich

,, fein tragischeres, eindrucksvolleres Schauspiel" denken könne, als diesen Kampf des deutschen Boltes gegen die Verantwortung am Kriege, die ihm seine leitenden Staatsmänner von 1914 aufgebürdet haben". Briand bewies mit diesen Worten volles Berständnis dafür, daß nicht das deutsche Bolt verantwortlich gemacht werden dürfe. Auch verzichtete er darauf, auch nur andeutungsweise von der Alleinschuld Deutschlands zu sprechen.

Finanzhilfe nach Flottenfrieden.

3talienisch- französische Verhandlungen.

Paris , 4. März.

Fühlungnahme zwischen italienischen und französischen Finanzkreisen Die Agence Economique et Financière" bestätigt, daß eine bereits stattgefunden hat. über die Eröffnung eines Banttredites für die italienische Industrie bereits stattgefunden hat. Die Verhandlungen seien noch im Gange.

Bollverständigung folgt noch.

Friede in Indien !

Ein Triumph englischer Arbeiterpolitif.

Seit ihrem Amtsantritt im Juni 1929 hat die, englische Arbeiterregierung auf innerpolitischem Gebiete eine Reihe von Enttäuschungen, aber auf außenpolitischem Gebiete eine Reihe von großen Erfolgen erlebt. In dem gleichen Augenblic, in dem sich die Lage in England ernst­haft zuspißt, besonders infolge der liberalen Sabotage an der Gewerkschaftsvorlage, kann die Regierung Macdonold' auf zwei bedeutsame Erfolge außerhalb des Mutterlandes hin­weisen: die Flotteneinigung mit Frankreich und Italien ist perfekt und, was für das britische Weltreich von noch viel größerer Wichtigkeit ist, auch in Indien ist der Friede geschlossen.

Die am Mittwoch besiegelte Einigung zwischen Ghandi und dem Vizekönig Irvin ist ein wahrer Triumph der Staatskunst der englischen Labourregierung. Noch vor einigen Monaten fonnte es scheinen, als ob sich die Gegensäge zwischen Macht so hoffnungslos zugespitzt hätten, daß nur noch ein der nationalistischen Bewegung in Indien und der britischen Kampf auf Tod und Leben übrig bleibe. Unter Führung Ghandis war ein großer Teil des indischen Riesen­reiches in offenem Aufruhr gegen die britische Verwaltung. Der Kampf durch Boykott und Gesezesübertretung wurde von Paris , 4. März.( Eigenbericht.) Ghandi proklamiert, überall fanden blutige Krawalle statt. Infolge der Beilegung des französisch- italienischen Flotten- Tausende füllten die Gefängnisse, Hunderte fielen im Kampf, streites scheint nunmehr die Liquidation einer ganzen Anzahl Behntausende wurden verletzt, an den Grenzen gab es regel­zwischen Frankreich und Italien schwebender wirtschaftsrechte bewaffnete Aufstände. Mit einem Wort: die Zeit der und zolltechnischer Fragen mit Beschleunigung vonstatten riesengroßen, entscheidenden, gewaltsamen Auseinander­zu gehen. So hat jetzt die Frage der französischen Zollsäge für fegung zwischen Großbritannien und seiner wertvollsten, un­reich das Recht, die betreffenden Zölle über das Maximum von italienische Teigwaren ihre Bereinigung erfahren. Danach hat Frant entbehrlichsten Kolonie schien gekommen zu sein. Sie wäre zweifellos gekommen, wenn in diesem Augenblick eine ton­85 Franken zu erhöhen, während Italien die Zollsätze für die Knopf- fervative Regierung in London am Ruder gewesen wäre.

und ähnliche Produktion heraufsehen darf.

Dem dringenden Bestreben nach Niederreißung der Zollmauern tommen diese neuen Abmachungen leider nicht entgegen.

Beifall im Unterhaus.

London , 4. März.( Eigenbericht.) Henderson wurde am Mittwoch im Unterhaus mit großem Beifall empfangen. Diese Begrüßung wiederholte fich, als er sich später erhob, um dem Haufe die Unterzeichnung des englisch - französisch- italienischen Flottenpattes mitzuteilen. Henderson führte u. a. aus, daß der Vertrag dem Wettrüsten zwischen Frant­reich und Italien ein Ende mache und gute Aussichten für die a11 gemeine Abrüftungskonferenz eröffne. Einstweilen könne der Bertrag noch nicht bekanntgegeben werden.

gemeint oder

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schließlich ist es gleich; denn, daß er Diktator von Deutschland werden würde, ist eine unwirkliche Voraussetzung

Curtius für gleiche Sicherheit. emt aber nicht

Aeußerungen in Wien .

Wien , 4. März.( Eigenbericht.)

Der zur Zeit hier weilende Reichsaußenminister Dr. Curtius veranstaltete am Mittwoch in der Deutschen Gesandtschaft einen Breffeempfang, in deffen Verlauf er sich über seinen Besuch in Wien und die deutsche Politik äußerte.

Curtius führte u. a. aus, daß die Reparationsfrage nur durch gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten gelöst werden könne. Das deutsche Bolt sei zu jeder Mitarbeit an der Lösung der Weltwirtschaftskrise bereit. Vor allem wolle es die wirtschaftlichen Baude und alle übrigen Beziehungen zu dem öfter reichischen Brudervolt immer inniger geftatten. Deutschland fordere nom Völkerbund eine allgemeine Abrüftung, ohne die eine Zusammenarbeit der Völker nicht möglich sei. Das gleiche Recht auf Sicherheit sei für Deutschland nicht nur ein relativer, fon­dern ein absoluter Begriff.

Schacht meint es ernst.

Der Ueberhitler in Stockholm . Die Telegraphen- Union stellt noch einmal nach Rückfrage bei dem Reichsbantpräsidenten a. D. Dr. Schacht ausdrücklich fest, daß ihr Bericht über die Pressebesprechung Schachts in Stadholm am 2. März zutreffend gewesen ist. Die Auffassung, daß Dr. Schacht feine Bemerkung bezüglich der Kündigung der Reparationen( ,, wenn er Dittator werden würde, so würde er vom an deren Tage, 8 Uhr morgens, ab teinen Pfennig Re parationen mehr zahlen"), fartastisch oder scherzhaft gemeint habe, ist irrig. Dr. Schacht hat diese Bemerkung ebenso wie feine übrigen Ausführungen durchaus so ernst gemeint, wie sie miedergegeben waren.

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Herr Schacht hat es ernst gemeint die Frage ist nur, ob er nach seinen letzten Leistungen noch ernst genommen wird! Ernst

Sollte es aber im Ausland noch Leute geben, die ernst gemeinte Worte von Herrn Schacht politisch und wirtschaftlich bewerten wollen, so wäre es an der Zeit, daß die Reichsregierung bei Herrn Schacht anfragte, ob ihm ein Sanatoriumsaufenthalt auf Reichs­fosten nicht willkommen wäre.

des

des

Hitlers bewaffnete Garden.

Parole: nur nicht erwischen lassen.

Chefs des Stabes" der Hitlerschen Bürgerkriegstruppe: Der Bölkische Beobachter" veröffentlicht folgende Anordnung Chefs des Stabes" der Hitlerschen Bürgerkriegstruppe: Folgende Stürme werden mit sofortiger Wirkung aufgelöst: Sturm 1, 14, Reservesturm, Sturm der SS., alle in Kassel . Grund: Es besteht der dringende Verdacht, daß mehrere SA. und SS. - Männer gegen den Befehl des Obersten SA. - Führers Adolf Hitler gehandelt haben.

Sämtliche Schuldigen sind augenblicklich aus der Partei aus zuschließen.

Bei der Kasseler Polizei wurden vor einiger Zeit 47 Armee­pistolen und 10 000 Schuß Munition gestohlen. Die Waffen haben ihren Weg zu den Hitlerleuten genommen. Nachdem die Sache ruch bar wurde, will der Stab der Hitlergarden den Folgen zuvorkommen

Waffenfunde bei Nationalsozialisten.

Eschweiler , 4. März.

Gestern nachmittag fanden bei verschiedenen Mitgliedern der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei, Ortsgruppe Eschweiler . 5) aus fuchungen statt. Es wurden Schuß waffen, größere Men gen Infanteriemunition und verschiedene Schlag­waffen gefunden und beschlagnahmt. Der Sturmführer der SA. und einige andere Nationalsozialisten wurden vorläufig festge. nommen, jedoch nach langen Vernehmungen durch die Landes: triminalpolizei, die sich bis abends 10 Uhr hinzogen, wieder auf freien Fuß gefeßt.

Aber selbst in dieser kritischen Zuspigung behielten Mac­donald und sein Minister für Indien , Wedgwood Benn , flaren Kopf. Sie hielten an dem Gedanken der, on­ferenzamrunden Tisch" fest, die sie versprochen hatten. und die den Weg für die allmähliche Erhebung Indiens zu einem Dominion mit weitgehender Unabhängigkeit ebnen follte. Als Grundlage sollte der Bericht der Simon- Kom­miffion dienen. Der Bericht erschien, und er erwies fich als ungenügend, um einen positiven Erfolg der Konferenz zu er= möglichen. Kurz entschlossen schob Macdonald den Bericht beiseite und gab der Konferenz freie Hand. Auf der einen Seite tobten die konservativen Jingos, denen selbst der Simon- Bericht viel zu weit ging und die für eine Politik von ,, Blut und Eisen" Stimmung machten. Auf der anderen Seite erklärten die indischen Nationalisten unter Führung des im Gefängnis fizenden Ghandi, daß die Londoner Konferenz zwed- und aussichtslos sei, und daß sie sie nicht beschicken würden. Macdonald ließ sich nicht beirren. Die Konferenz fand statt, und zwar eben mit jenen Teilen der indischen Be­völkerung, die sich zur Teilnahme bereiterklärten.

Dank der von fozialistischer Gesinnung getragenen Bereit­willigkeit der Labourregierung zu Konzessionen kam die Kon­ferenz innerhalb weniger Wochen zu einem positiven Er­gebnis. Vergebens versuchte der Scharfmacher Churchill die Deffentlichkeit Großbritanniens gegen die Nachgiebigkeit Macdonalds aufzuputschen; selbst Baldwin mußte ihn des= avouieren, weil das englische Bolk über diesen Ausgang förm lich aufatmete. Vergebens auch versuchten die Unentwegten in Indien , das Erreichte zu verkleinern. Es war für die indischen Delegierten nach ihrer Rückkehr in die Heimat ein Leichtes, den inzwischen freigelassenen Ghandi davon zu über­zeugen, daß die je hige Regierung Großbritanniens es mit Indien ehrlich meine, und daß es ein unverzeihlicher Fehler wäre, das Erreichte abzulehnen. Wenige Tage der direkten Verhandlungen zwischen Ghandi und dem Bizekönig haben, genügt, um die scheinbar unüberbrückbaren Gegenfäße aus­zugleichen.

Wieder einmal hat bei diesen Verhandlungen die Arbeiter­regierung bewiesen, daß sie sozialistisch denkt und handelt. Sie hat feinen hundertprozentigen Erfolg gesucht, sondern weitgehende Konzessionen an ihren bis­herigen erbitterten Gegner gemacht und diesen damit in die moralische Zwangslage verseßt, sich seinerseits nachgiebig zu zeigen. Alle strittigen Fragen sind auf diese Weise inner­halb weniger Tage aus der Welt geschafft worden. Der Bontott englischer und fremder Waren wird nicht mehr amtlich bekämpft, dafür nimmt Ghandi feinen Befehl zum Ungehorsam gegen die Gesetze und die Behörden aus drücklich zurück. Die Salzgewinnung aus dem Meere wird nicht mehr untersagt, das staatliche Salzmonopol bleibt im übrigen aufrechterhalten. Unter die Vergangenheit wird ein Schlußstrich gezogen, eine neue era tann beginnen.

So ist die Bahn frei gemacht für eine allmähliche, fried­liche Entwicklung Indiens zu einem völlig unabhängigen Reich. Der aussichtslose Traum einer gewaltsamen Befreiung Indiens und feiner sofortigen restlosen Loslösung vom Britischen Reich, die gar nicht einmal im Interesse der indischen Völker und der übrigen Welt liegen würden, ist vorbei: ebenio aber auch die Gefahr eines Verzweiflungsfampfes auf Leben