1931
Der Abend
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B 54 48. Jahrgang
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Das Kästchen in der Mauernische
Ein Straßenreiniger findet ein„ Testament"
Einen felffamen Fund machte heute früh gegen 7 Uhr der 46 Jahre alte ftädtische Straßenreiniger Mag Engel, der dem Abschnitt am Schloß zugeteilt ist.
Engel fegte an der Wasserseite am Grünen Turm zwischen dem Schloß und der Kurfürstenbrüde. Dabei sand er in einer Mauer nische ein fleines Kästchen, auf dem ein Brief lag. Engel nahm beides auf und betrachtete es genau. Der Briefbogen trägt das geprägte Monogramm A. S. und darüber eine Freiherrntrone. Er enthielt folgenden Text: Ich bitte den Finder, diefes im Polizeipräsidium abzugeben, und habe ich für den Finder dafür eine Belohnung von 1000 Mart in meinem Testament lezzwillig bestimmt." Eine Unterschrift trug dieser Brief nicht. Engel begab sich mit seinem Fund sofort zu Kriminalrat Gennat ins Polizeipräsidium und lieferte dort Raften und Brief ab. Das Rästchen hat anscheinend früher einmal zur Aufbewahrung von Schmud gedient. Es besteht aus Rosenholz und ist mit 3ntarsien geschmüdt. Der Begleitbrief trägt das Datum om 4. März, also vom gestrigen Tage. An die Fundstelle wurden fofort Kriminalbeamte entsandt, die aber feine Spur finden fonnten, wo etwa die Person, die das Kästchen niederlegte, ins Wasser ge= angen sein tonnte. Auch weitere Funde, etwa Kleidungsstücke, wurden nicht gemacht. Das Kästchen wurde geöffnet und man fand harin ein fleines Tischtuch und fleine Servietten, wie fie etwa zu einem Frühstüd- oder Teegeded gehören. Außerdem enthielt der Kasten ein Bild von Mussolini und einige andere Briefe. Die Anhaltspunkte, aus denen man Adressen gewinnen Snnte, sind sehr gering. Die Namen sind zum Teil undeutlich gerieben, so daß sie vorläufig nicht entziffert werden fonnten. Aus er Schrift und dem Inhalt der Briefe geht aber hervor, daß die rühere Befizerin des Kästchens eine Frau aus adligen Kreisen gewesen sein muß. Ihr Vermögen von 12 000 Dollar foll bei einem Notar in Dresden deponiert sein, und die Erblasserin bittet Die Kriminalpolizei, einige junge Mädchen ausfindig zu machen, an Die das Geld verteilt werden soll. Aus verschiedenen Anzeichen schließt man, daß die Erblafferin etwa 18 Jahre alt war und mit ihren Angehörigen einen Streit hatte, weil sie in eine Heirat nicht einwilligen mollten. Die Auswahl der jungen Mädchen soll nach ähnlichen Gesichtspunkten erfolgen. Nach allem muß man vermuten, daß das junge Mädchen, die den Kasten und den Brief hinterließ, von der Brücke in die Spree gesprungen ist. Die Kriminalpolizei, die Inspettion A, ist bemüht, das Geheimnis der unbekannten 2. S. und ihres Testamentes zu lösen.
Feuer in der Jüdenstraße.
Dachgeschoß und Dachstuhl ausgebrannt.
mann fd wer verletzt.
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Feuerwehrs
Angeklagte winseln um Strafe
Mostau, 5. März.
Die Angeklagten Scher, Ginsberg, Saltind und Gromann machten Aussagen über die im Juli 1928 erfolgte Moskauer Reise des Mit glieds der Auslandsdelegation der Menschemiker, Abramowitsch, und ihre Begegnungen mit ihm. Abramowitsch habe erklärt, er sei auf Beschluß der Auslandsdelegation gekommen, um an Ort und Stelle die Durchführung einer neuen Menfchemitentaftik zu be sprechen, die das Ziel haben sollte, die Interventions.
Schupo als Stubenmädel
1153
In Braunschweig mußte nach dem Hitter. tag die Schupo auf Befehl Franzens das Stroh aus den Raziquartieren ausräumen.
„ Wir Nazi machen uns unsern Dred nicht alleene!"
vorbereitungen durch Erweiterung der Schädlingsarbeit zu beschleunigen. Der Angeklagte Saltind sagte aus, Abramowitsch habe die Notwendigkeit einer Intervention bewiesen und die engste Berbindung mit der konterrevolutionären Gruppe Kondrat jeff- Tichajanoff empfohlen. Nachdem er sich von der Hoffnungs Icfigkeit der menschewitischen Arbeit unter den Arbeitermassen über
Die Feuerwehr wurde heute früh gegen 6 Uhr nach der Judenstraße 55 alarmiert, wo in einer Schneider. werkstätte, die ihre Räume im Dachgeschoß hat, aus noch unbekannter Ursache Feuer ausgebrochen war. Das Feuer muß stundenlang unbemerkt geschwelt haben, denn als die Gefahr bemerkt wurde, stand die ganze Werkstätte und ein großer Teil des Dachstuhls bereits in Flammen. Da für die Nachbar häuser und für die unter dem Brandherd gelegenen Stockwerke Schlimmstes befürchtet wurde, trat die Feuerwehr unter Leitung des Baurats Meusser gleich mit vier Löschzügen in Aftion. Ueber drei mechanische Leitern und über das Treppenhaus drangen die Löschtrupps gegen den Brandherd vor. Der Feuerwehrmann Klaniger von der Zugwache 32 wurde gleich beim ersten Löschgewicht der menschewifischen Tätigkeit unter die Staatsange= angriff durch Stichflammen am Stopf und an den Händen so schwer Derlegt, daß er ins Krankenhaus am Friedrichshain gebracht werden
mußte.
Straßenbahnunglück in der City.
An der Ede Charlotten- und Mohrenstraße fuhr heute früh ein Straßenbahnwagen der Cinie 96 in den Anhänger eines vollbeladenen Kohlenlaftzuges hinein. Durch die Bucht des Zusammenpralles tippte der 2aft. anhänger um unb der Straßenbahnwagen sprang aus den Sienen; der Borderperron wurde völlig zertrümmert. Der Führer des Straßenbahnwagens, der 45jährige Wilhelm Hause aus Tempelhof , erlitt fhmere Ropfperlegungen. Er fand im Urban- Krantenhaus Aufnahme. Der Mitfahrer des umgestürzten Baftzuganhängers tam wie durch ein Wunder mit leichten Verlegungen davon. Durch den Borfall entstand eine fast halb. tündige Bertehrsstörung, da es längere Zeit dauerte, den entgleiften Straßenbahnwagen mieber in die Schienen zu bringen.
zeugt habe, habe Abramowitsch die Direktive erteilt, das Schwer
ſtellten zu verlegen, um den Einfluß der letteren im Apparat der den anderen Unionsmitgliedern erklärt, daß die Unumgänglichkeit Schädlingsarbeiten auszunuten. Abramowitsch habe Saltind und einer Intervention von den Führern der zweiten Internationale, besonders von den Führern der deutschen Sozialdemokratie anerkannt werde, die das Wachstum der kommunistischen Bewegung und die damit verbundenen Echwierigkeiten der zweiten Internationale beunruhige. Abramowitsch habe darauf hingewiesen, daß die Sozialdemokratie angesichts ihrer offiziellen Stellung in verschiedenen Staaten für eine Intervention nicht offen auftreten könne und ge wungen sei, den Stimmungen der Arbeiterklasse Rechnung zu tragen. Die von Abramowitsch mündlich erteilten Direktiven feien in einem Schreiben an Gromann im November 1928 von der Auslandsdele. gation offiziell bestätigt worden.
Der Gerichtshof gab dann dem Antrage des Staatsanwalts auf Berlesung des Berliner Telegramms Abramowitschs statt In diesem Telegramm erklärt Abramowitsch unter Berufung auf seine eidlichen Aussagen vor einem beutschen Gericht, daß er nach dem Jahre 1920 teine Reise in die Sowjetunion unternommen habe. Das Tele
Folgenschwere Keffelexplosion.
Maschinist im Bahnbetriebswerk getötet. Heizer verletzt.
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3m Heizwert des Bahnbetriebswertes Grunewald der Reichsbahn ereignete sich heute früh ein schweres Unglüd, das ein Menschenleben forderte.
Gegen 6.30 Uhr waren im Kesselhaus der Maschinist Arthur Hader aus der Augustastraße 3 in Lichtenberg und der Heizer Willi Heise aus der Leonhardstraße 5 in Charlottenburg als Bedienungspersonal der Feuerungs- und Refselanlagen anwesend. Plößlich wurde unter großem Krach die schwere eiserne Tür des Reffels abgeriffen. Mehrere Stichflammen schlugen heraus und große Dampfmaffen schoffen ins Freie. Im Augenblid war die ganze Halle in einen undurchdringlichen Dampf gehüllt. Aus dem Kesselhaus ertönten gellende Hilferufe. Als sich Bahnangestellte Zutritt in den Unglücksraum verschafften, fanden fie den Maschiniften hader mit furchtbaren Berbrennungen am ganzen Körper tot auf. Der Heizer Heise hatte ebenfalls schwere Berlegungen erlitten; er wurde in das nächste Krankenhaus gebracht.
Ueber die Ursache des entfeßlichen Unglüds ist sofort eine Untersuchung eingeleitet worden. Danach scheint es, daß ein Wafferrohr im Kesselraum geplakt ist und die Wassermengen, die sich in den Feuerungsraum ergossen, das Unglück herbetgeführt haben.
gramm, das in gleichem Wortlaut auch dem Vorsitzenden des Gerichts und der Verteidigung zugegangen ist, wurde den Gerichtsakten beigefügt. Die Angeklagten Gromann und Scher
halten an ihrer Darstellung, sie seien mit Abramowitsch in Mostau zusammengetroffen, fest
und weisen darauf hin, daß es sozialdemokratischen Traditionen nicht entſpreche, vor einem bürgerlichen Gericht Aussagen unter Eid abzugeben. Der Angeklagte Jakubowitsch fordert, Abramowitsch solle an Stelle seines Eides konkrete Beweise für sein Alibi beibringen, und der Angeklagte Ginsburg verlangt, daß Abramowitsch nach Mostau tomme und seine Aussagen vor dem Moskauer Gericht mache.
Der Angeklagte Teitelbaum, der von 1922 bis 1929 verantwortliche Posten in den Sowjethandelsvertretungen in Wien , Berlin , Stockholm und Prag befleidete, sagte aus, daß seine ersten drei Susaminenfünfte mit der Auslandsdelegation Ende 1925 stattfanden, die seine Rückkehr in die Russische Sozialdemokratische Ar beiterpartei zur Folge hatten.
Die Behauptungen über Friedland. Friedland folgende Erklärung zu den Geständnissen" der AnWir erhalten von den im Mostauer Prozeß genannten Juri getlagten:
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Den Menschewiti- Prozeß in Mostau betreffend, wurde in der Beitung Brawda" vom 27. Februar d. 3. Nr. 57 berichtet, daß fomitee der russischen Menschewiti in Deutschland gewesen. Als Professor A. 3. Finn- Jenotajewsky und W. Gromann aussagten, ich sei der Verbindungsmann zwischen ihnen und dem Zentral solcher hätte ich Geld, Pakete und Direktiven an sie weitergegeben, desgleichen Direktiven von ihnen zur Weitergabe an das Komitee in Deutschland angenommen.
zu
Hierzu fann ich nur folgendes erflären:
1. Niemals, auch nicht in den Jahren 1928 bis 1930, noch anderen Zeiten, bin ich ein Beauftragter oder Ber bindungsmann zwischen der ausländischen Delegation der Mensche wifi und den Angeklagten gewesen. Ich habe mit niemandem irgendwelche Fühlung gehabt.
2. Niemals, auch nicht in den Jahren 1928 bis 1930, noch zu anderen Zeiten, habe ich Geld, Post oder irgendwelche Direttiven Dom Zentralkomitee der Menschewiki für die vorstehenden Mitglieder, oder umgefehrt, erhalten oder weitergegeben.
3. Richtig ist nur, daß ich seit mehr als 25 Jahren mit Profeffor Finn Jenotajewity betannt bin. Ich habe ihn mehrmals in Leningrad gesehen; auch hat er mich, wenn er in