Morgenausgabe
Nr. 111.
A 56
48. Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Sonnabend
7. März 1931 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die einfpalt. Nonpareillejeile 80 Bf. Reflamezeile 5,- Rin. ,, Kleine Au zeigen das fettgedruckte Wort 25 f. ( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12. Bf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf., jedes meitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!
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Sturm in der Bremer Bürgerschaft Hakenkreuzler
besudeln das Andenken Eberts und beschimpfen die SPD . Tumult und Abbruch der Bürgerschaftssitzung.
Bremen , 6. März.( Eigenbericht.)
Die heutige Bürgerschaftssigung endete mit einem von den Nationalsozialisten provozierten Tumult, mie ihn das Bremische Barlament noch nicht erlebt hat. Bei der Behandlung eines aus rein agitatorischen Gründen gestellten nationalsozialistischen Antrages auf Herabfeßung der Behälter für die Senatoren und höheren Staatsbeamten mies der sozialdemokratische Sprecher darauf hin. daß sich unter den zahlreichen Ministern, hohen Staatsbeamten. Generälen und Admirälen des Kaiserreichs, die von der Republit hohe Pensionen erhalten, fein Sozialdemokrat befindet.
Als darauf ein Nationalsozialist antwortete:„ Die Sozialdemo frafie ist ja auch die Partei des Landesverrats", brach auf der Linfen ein Sturm der Entrüftung los.
Bergeblich berief fich der Hitlermann auf ein Zitat aus einer Nazizeitung, werin der längst als politischer Märchenerzähler entlarote französische Spion Desgranges als Stronzeuge für die an gebliche Richtigkeit der Behauptung angeführt wurde. Der National fozialist mußte von dem nationalsozialistischen Präsidenten zur Ord
Gegen reaktionäre Zensur.
Reichstaasbeschlüsse gegen den Skandal der Filmzenfur.
Der Reichstag nahm gestern mit den Stimmen der Sozialdemo traten, der Kommunisten und der Staatspartei einen sozial.. demokratifchen Antrag an, monach der Reichstag das Ber
nung gerufen werden, desgleichen ein Sozialdemokrat, der aus be rechtigter Empörung über diese Gemeinheit die Nazis Laufejungen genannt hatte.
Im Schlußwort zu seinem Antrag unterstrich der nationalfozia listische Fraktionsführer die Flegelei seines Genossen, indem er sagte: Die Sozialdemokratie sei die Partei des verstorbenen Reichs. präsidenten Ebert, dem im Magdeburger Prozeß gerichts notorisch Landesverrat bescheinigt murde."
Die vierzig Sozialdemokraten sprangen bei dieser infamen Beschimpfung auf und drangen zur Rednertribüne vor. Die Nazis brangen gleichfalls nach vorn, fo daß es faft zu einem Handgemenge gefommen und der Naziredner auf der Stelle bestraft
worden wäre. Er durfte kein Wort weiter reden.
Die ftarte Eregung machte eine Beiterberatung unmöglich. Der nationalsozialistische Präsident, der sich feines Amtes nicht gewachsen zeigte, mußte die Berhandlungen abbrechen und bis auf weiteres vertagen
für das Nazi- Blatt leiftet, hört auf den echt arischen Ramen Landau und war noch vor einigen Monaten der private Informator eines belannten Berliner Berlagsdirektors, der alles andere denn, rafferein" ist. Heil!
Ausnahmegericht- ewig.
bot des Films„ Im Westen nichts Neues" für nicht be. Reine Berufung, feine Rechtsgarantien im Fafchiffenftaat.
gründet hält und von der Reichsregierung erwartet, daß sie alle Borbereitungen trifft, um die Prüfung des Bildstreifens zu beschleu nigen, wenn dieser durch die Hersteller erneut vorgelegt wird. In erster und zweiter Beratung wurde ferner der sozialdemofratische Gesezentwurf angenommen, der aus Anlaß des Verbotes des Remarque - Films bestimmt, daß solche verbotenen Filme wenig stens in geschlossenen Gesellschaften gezeigt werden können.
Ein kommunistisches Mißtrauensvotum gegen Reichsinnen minister Birth wurde mit 271 gegen 66 Stimmen bei 38 Ent haltungen abgelehnt.
Der große faschistische Rat, bas oberste Organ ber
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Wirtschaftliches Trauerspiel.
Das unwirtschaftliche Reichsfuratorium für Wirtschaftlichkeit. Nach der Stabilisierung der Mark bekam die deutsche In dustrie das Ameritafieber. Amerika , das war das Wunderland. Rationalisierung hieß das Zauberwort. Unbedingt mußte jegt rationalisiert werden. Jeder wollte der deutsche Hoover sein. Darum gründeten die großen Industriekonzerne unter Vorantritt von Siemens, gefördert vom Wirtschaftsministerium, ein Ruratorium zur För derung der Rationalisierung in Deutschland mit dem Namen Reichsturatorium für Wirtschaft= lichkeit( RKW.). Der Zwed dieses Reichskuratoriums war die Hebung der Wirtschaftlichkeit auf allen Gebieten der ge famten Wirtschaft", allerdings mit der Präzisierung, als ,, Ber mittlungs- und Unterstüßungsstelle zur Förderung der Rationalisierung in Deutschland " zu dienen. Die Finanzie rung der Arbeiten des Reichsturatoriums wollte selbstver ständlich die Industrie durchführen. Nur um sich einen gewissen Einfluß zu sichern, behielt sich das Reich ,, ganz be scheiden" ebenfalls die Zahlung eines Beitrags vor.
bösen Panne. Schon im Gründungsjahre 1925 findet man Leider begann das neue Unternehmen gleich mit einer im Reichshaushalt die Säße: Infolge der schlechten Wirtschaftslage werden diese Beiträge( der Industrie) nicht in genügender Höhe aufrechterhalten werden können... Eine Beitragsleistung des Reichs ist daher zur 3eit unumgänglich notwendig." Das war der vielversprechende Anfang des Reichskuratoriums. Was ist nun in den sechs Jahren seines Bestehens aus ihm geworden? Die Antwort ist bedauerlicherweise vollkommen negativ: zwar besteht heute das Reichsturatorium für Wirtschaftlichkeit immer noch. Aber neben ihm haben sich zahlreiche andere Körperschaften, wie das Reichsturatorium für Technik in der was das schlimmste ist, mit öffentlichen Mitteln betreiben. Es Landwirtschaft, entwickelt, die ebenfalls Rationalisierung und, ist dem RKW. also nicht einmal gelungen, die zentrale deutsche Rationalisierungskörperschaft zu werden.
Arbeitsweise des RKW. näher eingehen. Um festzustellen, warum das so ist, muß man auf die
faschistischen Partei und gleichzeitig das entscheidende Staatsorgan, hat in feiner am Freitag abgeschloffenen turzen Sigungsperiode u. a. befchloffen, daß ab 1. Juli alle politischen Delifte, aud) die, die bisher auf ordentlichem Wege abgeurteilt wurden, dauernd zur Zuständigkeit des Ausnahmegerichts gehören. Dieses Ausnahmegericht, das eigentlich nach einer bestimmten Zeit aufgehoben werden follte, wird damit zu einer Dauereinrichtung. Alle politischen Bergehen und Berbrechen werden demnach auch nach der Einführung des neuen Strafgesetzbuches ohne Möglichkeit der Benalisierung in den Vereinigten Staaten in dem hohen rufung und der normalen Rechtsgarantien von einem politischen Gericht abgeurteilt.
Im übrigen ist aus den Beschlüssen des Rates noch interessant, daß der Eintritt in die faschistische Partei bis zum 1. Oftober 1932 gesperrt und ein weiterer Ausbau des Bunftwesens beschlossen wurde.
Faschistischer Sumpf in Florens.
Mailand , 6. März.( Eigenbericht.)
faschistischen Funktionären besetzt ist, find große Unterschla. In der Stadtverwaltung von Floren z, die durchweg mit gungen und Betrügereien aufgedeckt worden. Ne un hohe faschistische Funktionäre wurden verhaftet, meitere Verhaftungen stehen bevor.
Die Amerikakrankheit der Industrie ist dem RKW. offenbar nicht gut bekommen. Es hat sich gezeigt, daß man bei der deutschen Rationalisierung nur versuchte, das amerikanische Borbild möglichst getreu auf Deutschland zu übertragen. Den Männern des Kuratoriums ist nämlich nicht der Gedanke gefommen, daß die wirtschaftlichen Voraussetzungen der RatioLohnniveau Ameritas bestanden, und daß dadurch die Technisierung des Arbeitsprozesses durch die mit ihr vers bundene Lohnersparnis dort eine Senkung des Kostenniveaus bedeutete. Es ist den Herren vom Reichskuratorium nicht aufgefallen, daß bei dem wesentlich niedrigeren deutschen Lohnniveau und bei der Begrenztheit der Ausdehnungsmög lichkeiten der deutschen Industriewirtschaft eine Rationalisierung ganz anders geartete volkswirtschaftliche und sozialDarum hat fast bis zuletzt das RKW. eine Arbeit geleistet, politische Probleme stellt, als in Amerifa bestanden haben. die sowohl volkswirtschaftlich wie sozialpolitisch betrachtet, absolut in der Luft schwebt. Den Problemen der deutschen Wirtschaft ist man bis heute auch nicht einen Zenti meter nähergekommen als am Anfang der Arbeiten. Nur in den letzten Wochen des Februar 1931 zeigten sich magere Anfäge zu einer anderen Betrachtung der Dinge, aber auch nur hat, daß Reichsmittel für die deutsche Rationalisierung nur hergegeben werden, wenn sich das Reichskuratorium für tischen Zusammenhängen der deutschen Rationali Wirtschaftlichkeit einmal ausführlich mit den sozialpoli fierung beschäftigt.
Was sich die Nazi- Presse leistet. „ Die französischen Sozialisten gegen Abrüstung." Der mutige Kampf, den unsere französischen Genossen gegen den Militarismus im eigenen Lande und für eine ernsthafte Ab. rüftung führen, verdient um so größere Anerkennung, als das Bachstum der Nazis bei den letzten Reichstagswahlen die Propa ganda der Nationalisten in Frankreich für neue Rüstungen natur. gemäß fehr erleichtert hat. Unter fozialistischer Führung ist in der Kammer in den letzten Tagen an der Politif des französi schen Kriegsministeriums schärffte Stritif geübt worden. Es war der fozialistische Abgeordnete Chouffet, der als erster die unwahren Zahlenangaben des Berichterstatters über die Stärke des Heeres und über die Höhe der Rüftungsausgaben enthüllte. Es war der sozialistische Abgeordnete Grumbach, der menige Tage danach die außenpolitische Debatte zum Anlaß nahm, auf die provokatorische Rede des Kriegsministers Maginot zurüdzukommen, um sie auf das schärfste anzugreifen. Der Kampf, den die Gozia: 800 Millionen allein für das Heer. - 360 Millionen für deshalb, weil die Sozialdemokratie im Reichstag durchgesetzt Tiftische Partei Frankreichs für die Abrüftung führt, wird von den franzöfifchen Nationalisten und Faschisten mit maßlosen Beschimp fungen beantwortet, ja in der Liberé" find deshalb fogar ummißverständliche Aufforderungen zur Ermordung Léon Blums
erschienen.
Und da wagt es der Bölkische Beobachter" vom 5. März, gerade anläßlich der außenpolitischen Debatte eine Riefen fchlagzeile auf der ersten Seite zu bringen: Französische Sozialdemokraten gegen die Abrüstung!"
Es gibt keine noch so dreiste Lüge, die sich die Presse unserer extremen Barteien nicht leisten zu fönnen glaubt. Die fome munistische mutet ihren Lesern zu, an die parteiischen Moskauer Prozeßberichte zu glauben, die nationalsozialistischen Blätter ver tünden faltblütig, daß die französischen Sozialisten gegen die Abe rüstung seien: Edelfonfurrenz in der Berleumdung der Sozialisti schen Internationale und der deutschen Sozialdemokratie.
Bir begnügen uns, diese Infamie zu registrieren. Indeffen fet noch bemerkt, daß jener raffige Korrespondent des Böllischen Bee obachters", auf dessen unwahren Bericht sich das Blatt stüßt und der bescheiden mit einem R. zeichnet, ein ehemaliger Pfarrer Roerber ist, der bis vor einiger Zeit die Deutsche Tageszeitung bort vertrat, Deffen Sekretär, der in Wirklichkeit die Hauptarbeit
Englands Rüftungslast.
die Luftwaffe.
Pfund, 570 000 weniger als voriges Jahr. Für die Luftwaffe werden Der englische Heeresvoranschlag für 1931 beträgt 39,9 millionen 250 000 Pfund mehr eingefeßt, mit der Begründung, daß Englands Luftwaffe an der fünften Stelle rangiere. Die Ausgaben für die Luftwaffe sind mit 18,1 Millionen Pfund angefeßt.
Ohne die indischen Truppen zählt das englische Landheer zur Zeit 148 800 Mann, die sich vom 1. April 1931 ab um 10 000 Mann vermindern.
London , 6. März.( Eigenbericht.) Das Endresultat der Wahlen zum Londoner Landesrat( Stadt und Landbezirk) lautet wie folgt: Labour Party 35( bisher 42) Size, Liberale 6( 5), Rechtsparteien 83( 77) Size. Die Rechte hat damit ihre seit 30 Jahren bestehende fichere Mehrheit noch erhöht, während die Verminderung der Stimmen der Labour Party größer ist als der durchschnittliche Stimmenrüdgang.
Das Befinden des Schazkanzlers Snowben, der an einer schweren Influenza ertranft ist, ist ernft.
Aber nicht allein vom volkswirtschaftlichen Standpunkt find die Arbeiten des RKW. bedenklich, sondern mehr noch vom finanzwirtschaftlichen. Denn heute zeigt sich, daß die ganzen Versprechungen und Verheißungen der Industrie, eine deutsche Rationalisierungsbewegung materiell zu ermöglichen, ein reiner Bluff gewesen sind. Alle Bar= mittel bis zum letzten Pfennig, die das RKW. seit seinem Bestehen erhalten hat, sind ausschließlich vom Reich bezahlt worden. So hat das RKW. im Laufe der Jahre 62 Millionen Mark an Steuergeldern verbraucht. Bei dieser Sachlage besteht ein großes öffentliches Interesse am RKW. und darum wirken die folgenden Feststellungen besonders befremdlich, die über die Verwendung der Reichs= mittel durch das Reichskuratorium zu machen sind. Zunächst hat das RAM. die Reichsgelder nicht nach den Richtlinien