Max Oppenheimer : Voltaires Tod
Voltaire , fchon ait, beschließt, noch einmal Paris zu sehen. Die Etadt seiner ersten Erfolge, seiner großen Kämpfe. Die ihn um gebenden fühlen: Abschied für immer, niemals tommt er wieder. Sein Arzt macht Einwendungen. Er warnt den Greis, warnt vor den Beschwerden der langen Reise, warnt vor Aufregungen. Bergeblich. Weltgeist und Weltgewissen sind stärker. Der Bierund achtzigjährige bleibt unerschütterlich. Grazios hüpft er in den Reisewagen, sorglich eingehüllt in Decken und Belze. Zögernd folgen Magnière, sein Sefretär, und der Koch. Auch fie fühlen: Abschied für immer. Den Kampfplatz wiedersehen und die Freunde. Sein neues Stüd Irène" zeigen, es selbst den Parisern bringen; und dann d'Argental, Richelieu und d'Alembert die hand gedrückt noch einmal die Jugendliebe umarmt, seit die Einzige, die Chatelet, tot ist.
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Einem Triumphzug gleicht die Reife. Bauern bringen ihre beften Pferde, ihn schneller fahren zu machen. Bolf strömt herbei, umjäumt die Alleen, Hüte werden geschwenkt und Tücher. Bive le roi, Voltaire ! In den Gasthöfen bedienen ihn Bürgersöhne, als Kellner verkleidet, um genauer in dies ewige Antlig zu schauen. Die Diener besticht man. Da nehmt Geld. Laßt die Saaltüsen offen; auch wir wollen ihn sehen, der für Menschenrecht lämpft, der für Calas ein tritt, für Montbailly und La Barre!
Als er in Paris einzieht, verläßt der andere König die Stadt. Grollend verschanzt sich Louis XVI. in Bersailles, denn Paris jubelt, wie es noch nie gejubelt. Dreihundert Menschen empfängt er täglich. Die Akademie schickt eine Abordnung und den Dichter Mar montel , die Schauspieler eine Deputation; bann fommen La Harpe und der Ritter Gluck, der sich selten verneigt, und nach ihm sein Gegner und Widersacher, Piccini.„ Er fommt wirklich nach Glud", sagt Voltaire sarkastisch. Doch ihr Streit ruht, wie alles zur Stunde ruht, denn Boltaire ist jetzt Gegenstand der Berehrung. Der Phn. fifer Franklin überquert den Ozean, begleitet von seinem Enfel, damit Boltaire den Knaben segne. Der Patriarch von Fernen legt seine Hand auf den Scheitel des Fünfzehnjährigen und sagt ergriffent: ,, God and Liberty." Und als fie alle gegangen waren, so nach der dritten Woche, verlassen ihn die Kräfte. Er bricht zusammen, Blut ströme entauellen der gequälten Brust. Man glaubt, es sei die letzte Stunde. Die Freunde kommen, die Neffen, und man holt einen Priester. Dieser verweigert die Absolution. Voltaire müsse wider. rufen, was er gegen die Kirche geschrieben. Man holt den zweiten, einen noch weniger Willigen als den ersten, und nun entsteht dies mertpürge Mantfest, in melchem Boltaire widerrief, ohne zu widerrufen. Ein dritter erscheint. Boltaire, ein wenig erstartt, fragt: ,, Wer sind Sie, mein Herr?"
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Ich bin der Abbé Marthe."
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,, Und was wünschen Sie?"
,, und wo haben Sie Ihre Ausweispapiere?"
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Der Bierundachtzigjährige ge
Voltaire gesundet, o Wunder. langt aufs neue zu Kräften; er fühlt sich start genug, das Theater cufzusuchen. Er geht zur Probe. Auf der Straße umringt man thn, zeigt ihn den Kindern, rupit Haare aus seinem Belz, den ihm Ruß lands Kaiserin Katharina schenkte; man tüßt seine Hände, seine Kleider, und wo er sich zeigt, erhebt sich hallend der Ruf: L'homme aux Calas! L'homme aux Calas."
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Der sechsten Borstellung von Irène tann er beiwohnen. Das Theater ist voll bis unter die flammenden Kerzentronleuchter. Man drückt einander in den Gängen, in den Logen. Hinter den Fauteuils von Madame Denis , seiner Nichte, und Belle et Bonne", seiner
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und
Adoptivtochter, verbirgt er sich. Man ruft: Den Lorbeer!" Brizard, ein Schauspieler, bringt einen Kranz, den man auf Boltaires Kopf setzt. Auf dem Haupte verschiebt sich die weiße Perücke, den fahlen Greisenschädel zeigend. Boltaire drückt seiner schönen Begleiterin den Kranz auf die errötende Stirn.., Belle et Bonne", von Purpur übergossen unter Lorbeeren lächelnd. Man flatscht, man rujt, man winft und drängt sich vor; man spielt nicht mehr. Der erste Aft geht in den zweiten über. Jetzt bringt man seine Büste mit dem Sodel, und als sie bekränzt auf der Bühne steht, füßt Fräulein Fanier sie kniend. Man tanzt um das Abbild, Blumen, Kränze, Echleifen werden geworfen, im Flackerlicht der tausend Kerzen. Kein Wort wird verstanden. Nach vorn gezogen, verneigt er sich tief, sehr tief, die Augen voll von Tränen. Durch Blumengewinde, Buderwolfen, raschelnde Seidenfalten, Fächergeklapper und Geficher, durch wogende Frauenarme und fast getragen von der Menge, gelangt er zu seinem Wagen. Und wie man seine Hände füßte, füßt man nun seine Pferde. Man steht auf den Rädern und Tritten und fährt ihn endlich bis zu jenem hohen Hause in der Rue de Beaune durch die von Fackeln erhellte Nacht.
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Drei Wochen später holt ihn die Akademie in den Louvre. 3- erst spricht der Abbé de Lille, dann Boltaire, von Bert und Würde der Sprache, mit Feuer und Hingabe, als wäre er achtzehn und nicht über achtzig. Man muß fie bereichern, fagte er:„ Unsere Sprache ift eine stolze Bettlerin, man muß ihr Almojen geben wider ihren Willen. Ich habe noch wenig für ihr Institut getan; deshalb schlage ich vor, das Diktionäre zu reformieren, das von beschämender Unzulänglichkeit ist, erstarrt, und ohne etymologische Begründungen."
Schon nach zehn Tagen erscheint er mit einem genau aus gearbeiteten Plan, den er vorträgt und dessen Annahme er beharrlich fordert. Wie erstaunte die Bersammlung der Grandfeigneurs, als er von jedem die Bearbeitung eines Buchstaben verlangte. Mein hohes Miter erlaubt mir nicht mehr als die Behandlung des Buchstaben A. An Ihnen ist's, meine Herren, dem Instrument der Gerechtigkeit und Freiheit, der Sprache, in der wir denken, in der wir fühlen, dauernde
Form und Gestalt zu geben. Man erhebt sich. Der Chevalier de Castellug dankt im Namen der Literatur. Doch der fritischyte Kopf jener Zeit dankt ironisch im Namen des-- Alphabets.
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Nur zögernd hatte die Akademie dem grandiosen Plan zugestimmt. Jetzt hieß es, weiter fämpfen, jezt sie überzeugen; unwiderlegliche Beweise herbeischaffen. Sie erröten machen, diese weichen, empfindungslosen Seelen!" Und er begann eine Differtation über die französische Sprache und erzmang die fiebrige Wachheit seiner zehn bis zwölfftündigen Arbeitstage mit zwanzig bis dreißig Taffen Kaffee und um den Preis seines Lebens. Denn diefem letzten Ansturm hielt er nicht mehr stand. Den Rest gaben Opium und Eiiriere. Noch einmal während des Deliriums, der Schmerzen und Fieberphantasien, bricht sein Geist sich Bahn, als man ihm die Nachricht von der Ehrenrettung des unschuldig verurteilten Generals de Lally für den er fünfzehn Jahre gefämpft hatte, zuflüstert. Da erlebt sich der Sterbende aus den Kiffen, eine Augen weiten fich., er spricht, er schreibt. schreibt zum letzten mal: Der Radaver lebt auf bei dieser großen Kunde, er umarmt zärtlich Herrn de Lally, er sieht das Recht siegen und stirbt versöhnt." An das Bett des Verscheidenden eilen der Abbé Gaultier und
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der Pfarrer der Diözese von Saint- Sulpice.„ Bersichern Sie diefelben meiner Berehrung", stöhnt Boltaire mühsam. Aber sie dringen vor; werfen sich bei dem Lager auf die Knie: ,, Glauben Sie an..", ba streift fie feine unwillige Handbewegung, und halb aus den Riffen, starr den Blid nach oben und verhauchend: Baht mich in Frieden starr den Blid nach oben und verhauchend: Baht mich in Frieden sterben."
Die Kirche verweigert ein Grab und der Erzbischof von Paris die Bestattung, selbst in Ferney, an des Landes Grenze. Auf den Schinde anger mit dem Antichrist! Aber er, der im Leben ein Kämpfer war, ist es im Sterben, bleibt es im Tode noch. Aufrecht, in einem Wagen sigend und angetan mit Schlafrod und Nachtmüze, fahren die beiden Neffen die Leiche nachts von Paris nach Troyes. Nahe bei Romilly, in der Abtei unserer lieben Frau von Scellieres, deren Abt, sein Neffe, der Abbé Mignot ist, wird er, von dessen Geist die Welt widerhallt, heimlich begraben.
lleberführung der Leiche nach Paris. Zum dritten Male jährt sich Dreizehn Jahre später beschließt die Nationalversammlung die der Tag der Erstürmung der Bastille, da näherte sich der Leichenzug Haufen getürmt, tragen bie Inschrift: der Stadt. Steine des gefallenen Bollwerks der Unterdrückung, zu
Hier, wo dich Despotentum in Ketten schlug, empfange, Boltaire,
bie Berehrung des Baterlandes."
Jubelrufe, Fanfaren, Böller, Blumen. Der Magistrat geht dem Zuge entgegen. Zwölf weiße Roffe ziehen den Porphyrfarg, der flantiert ift von Genien in Masten und mit gesenften Fadeln. Auf dem Ratajalt ausgestreckt, gleich einem Schlafenden, das Marmorbild Boltaires, gefront von der Unsterblichkeit. Zur Seite, auf Tafeln in Erz, dröhnen die Worte:
Dichter Menschengeiſt
Er räfte Calas, La Barre Sirven, Dontboilin Philosoph, Geschichtsschreiber, gab er dem mächtigen Aufschwung."
Dem Zuge voran Kinder und Soldaten, Deputationen der Schulen und Gewerkschaften; sie tragen Bilder: Boltaire, Jean Jaques, Mira beau, und jene, die die Bastille gestürmt, schleppen Ketten und eine Amazone zu Pferde, dann Garden, die Munizipalität, die hundert Kugeln. An der Spize und voran den Bürgern von St Antoine Schweizer, die Künstler, die Klubs, Wähler, Handwerker, Musiker, die Abordnungen der Theater, auf ihren Schultern aufrecht die goldene Statue Boltaires, die Stirne von Lorbeer beschattet; dahinter Akademiler und Dichter, in ihrer Mitte ein foftbarer Schrein, Vol taires Werf, die siebzig Bände der Ausgabe von Kehl .
auf den Quai der Tuillerien. Vor dem Hause Boltaires ragen vier Ueber die Boulevards, an der Oper vorbei, gelangt der Konduft Pappeln in den Himmel Bon der Blumentrone, hoch in den Lüften, fallen Rosen auf den Sarg.
Sein Geist ist allenthalben, sein Herz jedoch ist hier." Vor der alten Comedie, der Stätte seines ersten Erfolges, staut fich der Zug. Dort grüßen die Büste Boltaires, von Genien umgeben, und die Worte
,, Mit siebzehn Jahren schrieb er ,, Dedipe"."
Sänger, auf antiken Instrumenten ertönt die Musik von Goſſec Die Ode Cheniers erschallt, griechisch sind die Gewänder der Jezt sind der Marquis de Billette, Boltaires Adoptivtochter Belle et Bonne und die beiden Fräulein Calas im Zuge. Die Schauspieler umringen vor dem Nationaltheater die Inschrift:
,, Mit vierundachtzig Jahren schrieb er rène." Behntausende find im Zuge und Hunderttausende auf den Straßen. Das„ Vive Boltaire" liegt über Paris es halt über Pläge, über Dächer, durchbricht Sprühregen und Sonnenstrahlen. Feierlich geht der Zug und langsam rollen die riesigen Bronzeräder des Leichenwagens. Seht die herrlichen Räder, ruft eine Stimme, sie zermalmen den Fanatismus.
Das Land der Kinder
Mofes Singermann ist ein angesehener rumänischer Weinbauer. Aber die Zeiten werden schlechter, Krieg broht, die Ernte mißrät. Und aus Amerita fommen Briefe von einem Better, der es dort zu Wohlstand und Ansehen gebracht hat. Moses ist schon über breißig Jahre alt, Bater von vier Kindern, deren ältestes gerade zehn Jahre geworden ist. Das Land jenseits des großen Ozeans lodt und zieht Moses endlich zu sich herüber. Drei Kinder und die Frau Rebelfa bleiben in Rumänien. Nur der Aelteste, der schon ein paar Hände mitfchaffen hat, wandert mit dem Vater aus.
Amerika ist ein wunderbares Land. Alles darin ist unfaßbar groß: die Städte, die Bahnhofsgebäude, die Ströme, die Brücken, brücken Moses nicht, erschrecken ihn nicht; sie sind ihm eher eine die fruchtbaren Ebenen. Aber diese befremdenden Ausmaße beVerheißung. Mit dem Knaben Josef zusammen beginnt er seine Eroberung des Landes. Nach einem Jahr hat er sich darin Raum geschaffen auch für Frau Rebekka und die drei jüngeren Kinder. geschaffen auch für Frau Rebetta und die drei jüngeren Rinder. Zuerst handelt er in Minneapolis mit Obst und Gemüsen; später macht er im Gebiet der Kupferminen, in Silver Bow, ein Manufakturgeschäft auf. Die Schar seiner Kinder ist auf sieben ange wachsen. Als das jüngste, der Sohn Michael geboren wird, ist Josef 20 Jahre alt. Moses ist begütert und angesehen in der Gemeinde. Zur Feier der Beschneidung des fleinen Michael ist Moses Singermanns Haus voll Gästen, denen das kleine Hausmädchen Speise und Trant faft in Ueberfülle auf schönen Damaſttüchern vorfeßt. Im großen Meffingbett des Schlafzimmers aber liegt die noch nicht vierzigjährige, früh gealterte Rebetta, und während sie gequält den Schmerzensschrei ihres Kindes erwartet, steigen Erinne rungen auf: an ihre Stiefmutter und die vielen Geschwister, die ihre Kindheit mit Arbeit und Pflichten beluden, an den tlugen, ver. träumten, lebensfremden Vater, der so schön Geige spielen und fingen fonnte, an ihre Hochzeit mit dem angesehenen Moses Singermann, die ihr damals eine unermeßliche Verheißung für die Zufunft schien, und die dann doch auch eben nur Arbeit und Pflichten brachte. Und die Mutter des Kindes Michael weint, daß sie nie eine eigene Jugend, ein eigenes Glück hat leben dürfen. Rebekka weiß: fie iſt eine unmoderne Frau, die zuviel an Bergangenes denft, und die darum in Amerika nicht heimisch werden kann, obwohl fie diesem Lande für den Wohlstand ihrer Familie zu Dant verpflichtet ist. Ihr Land ist es nicht geworden, wird es nie werden. Doch den schreienden Michael wiegt sie in den Schlaf:„ Was wennit denn, met Liebche? Morge is alles gutt. Ei, so frei dich, daß de kannst leben in dies große Land, wo's der werd gutt gehe. Bsc... bich... bich!" Amerika wird das Land ihrer Kinder sein.
Josef ist der erste, der den Boden der elterlichen Heimat ver läßt und ein amerikanisches Leben beginnt. Er heiratet eine schöne geschäftstüchtige Frau, die, obwohl sie als Jüdin geboren wurde, längst nichts mehr mit dem Judentum gemein hat. Moses verstößt seinen liebsten Sohn, er verstößt auch seinen Sohn David, als dieser eine Christin heiratet. In Louis, dem zweitältesten Sohn, sputen bunte, fraftlofe Sehnsüchte von Kunst und Künstlerschaft; aber sie enden schließlich doch in dem. väterlichen Geschäftsbetrieb, dem auch die Brüder Sol und Harry ihre Arbeitstraft. weniger ihre Rei
gungen
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widmen.
Rahel, die einzige Tochter, das zweitgeborene Kind, ist schön und flug. Jeder in der Familie liebt fie, wenn es auch bei den Eingermanns micht üblich ist, Gefühle groß zu zeigen. Aber auch Rahel schlägt einen Weg ein, der sie weit fortführt aus dem Leben ihrer Familie. An der Seite eines russischen Hochstablers erlebt sie ein buntes Liebesglüd, das jäh verweltt. Nichts bleibt davon zurüd; selbst das geliebte Kind des geliebten Mannes holt der Tod. Wie David, den seine von leidenschaftlichem Lebenshunger durch ihr Dasein getriebene Frau verläßt, landet auch Rahel wieder unter dem väterlichen Dach.
Als Mofes Singermann stirbt, wohlhabend und heimatlos, um stehen alle seine Kinder sein Lager. Selbst Josef hat auf eine kurze Stunde heimgefunden. Noch einmal ist Moses der unermüdliche Geschäftsmann: mit flaren Sinnen macht er fein Testament. Dann spricht er mit deutlicher Stimme das Sterbegebet, und nun erst, wo er dem Leben gleichsam schon ausgelöscht ist, tehrt seine Phantasie heim zu den freundlichen Bildern einer beschaulichen Bergangenheit. Auf dem Gesicht des toten Moses steht wieder ein friedliches Lächeln. Rebetta ist nun ganz einsam. Die Kinder wissen ja nichts von der rumänischen Heimat, in der die Landleute bei nächtlichem Tanz. den bunte Lampions beleuchten. das Fest der Weinernte feiern, und wo der Waldboden so füß duftet, wenn der marme Regen ihn be.
nett. Wird es den Kindern hier in Amerifa gut gehen, so gut, mie die Mutter es einft erhoffte? Die alte Rebetta weiß nicht mehr ganz genau, mie fie fich dieses Gut gehen" vorstellen, in welcher Form fie es ihren Kindern münschen foll. Sie müffen ihren Beg allein finden. Die sechs ältesten schreiten vorwärts in das Leben des amerikanischen Durchschnittsbürgers. Benn fie dieses Ziel noch nicht ganz erreichen, so werden doch sicher die Enkelfinder von Moses Singermann darin landen. Sie werden arbeiten, verdienen und fich die Vergnügen, den Lebensgenuß laufen, die gerade Maffenmode sind. Mofes Singermann hat geglaubt, Amerita sich und den Seinen zu erobern; aber das große Band war stärker als er.
Michael, der jüngste, ist von der Jagd der Singermanns nach dem geschäftlichen Erfolg nicht so mitgeriffen worden wie seine anderen Geschwister, für die alles Tun immer nur einen 3med und nie einen Sinn haben durfte. Das Leben hat sich ihm langsam aufgetan, ihm nach und nach seine Geheimnisse enthüllt. Und michael begreift: die Oberfläche ist das wirkliche Leben nicht. Irgend mo tief drinnen liegt der Kern; wenn man auch nicht bis zu ihm vorstoßen wird, so ist es doch einziel, nach ihm zu graben. Michael Singermann wird so weit vorbringen, wie seine Kräfte reichen; aber flach oder tief- das Land, das Mofes Singermann, ſeine Frau und sechs ihrer Kinder spurlos auslöschte, wird die Zeichen von Michaels Dasein tragen.
Myron Brining hat mit feinem Roman Die Singer. manns"), in dem er bis in scheinbar belanglose Einzelheiten hinein die Schicksale dieser jüdischen Auswanderer zeichnet, viel mehr gegeben als nur die Geschichte einer Familie. In diesem Buch ist ein wesentlicher Teil der geistigen und sozialen Entwicklung Amerifas wie im Röntgenbild festgehalten.
Trude E. Schulz,
Ein Gespräch mit Goethe
Ein bisher unbekannter Brief des Philosophen und Aesthetikers Ludwig Thilo aus dem Jahre 1802 wird von Dr. Erich Ebstein jetzt veröffentlicht. Der damalige Privatdozent in Halle, spätere Professor in Frankfurt a. d. O. und Breslau, schreibt da an Riemer, den Goethe erst im nächsten Jahre als Lehrer für seinen Sohn August nach Weimar 30g: Goethe ift acht Tage in Halle gewesen und hat bei Friedrich August Wolf logiert. Ich habe ihn mehrmals in Gesellschaft und einmal allein gesprochen und in ihm einen äußerst interessanten Charakter lieben und verehren gelernt. Vor allem nahm ich an ihm eine ruhige Wärme wahr, womit er sich für alles einigermaßen Bedeutende interessierte und im Gespräch den Gegenstand faßte und sich in eine gemeinschaftliche Untersuchung einließ. Seine Gestalt hat etwas Stolzes, fcine Physiognomie, besonders der Blick seiner Augen drückt bald eine Erhabenheit, bald die kindliche Liebe seiner Gefühle über die Natur aus Sein Körper hat nicht den Grad von Gewandtheit, den fein Geist vermuten läßt, auch hat sein mündlicher Ausdruck nicht die Leichtigkeit, die man aus seinen Schriften kennt. In seinen Urteilen fand ich eine gänzliche Unparteilichkeit, eine große Billigkeit und ein ausgezeichnetes Bestreben, überall auch im Mittelmäßigsten, das Gute hervorzuheben man war hier sehr gegen ihn eingenommen, als er tommen wollic, und dankbar als Bereicherung menschlicher Fortschritte anzunehmen. und ist sehr für ihn eingenommen, nachdem er dagewesen ist."
Während der Hungersnot in 3rland von 1846 bis 1847 tam 1 Million Menschen um. Die Hungersnot in Italien im Jahre 1866 forderte 1% Millionen Opfer, und der großen Hungersnot in China im Jahre 1878 erlagen nicht weniger als 9% Millionen Menschen. Auch bei der jetzigen find über ½ Million Menschen zugrunde gegangen.
Sprungfünffler. Die Antilopen tönnen auf der Flucht Sprünge bis zu 10 Meter weit und 3 Meter hoch machen.
Zeltdifferenzen. Wenn wir 12 Uhr mittags haben, ist es in New York erst 6 Uhr morgen, in Japan dagegen ton 8 Uhr abends.
Berantwortlich für Tolitil: Dr. Curt Gener; Birthdaft: G. Alingelhäfer Gewerkid aftsbewegung: 3 teiner: Feuilleton: Dr. Rehn Sitowst: Lokales und Goft ges: Fein Fatted: Anzeigen: Th Flode; fämtlich in Berlin. Verlag: Vorwärts- Berlag Gm t. S.. Berlin. Drud: Vorwärts- Bud bruderet und Berlagsanstalt Paul Singer u. Co. Berlin 6. 68, Lindenstraße 3. Hierzu 2 Beilagen.