-
Beilage
Sonnabend, 7. März 1931
Der Abend
Shalausgabe des Coroȧre
wenigen spanischen Herren, die die Kultur des megifani chen Indios zerstörten und ein grausames Feudalinstem errichteten. Die bäuerliche Gemeinwirtschaft, die unserer früheren ländlichen Wirtschaftsform sehr ähnlich war, siel auseinander, die Indios murden Stiaven der Großgrundbefizer. Im Laufe der Zeit entwickelte sich, zumeist aus den Mischlingen, ein bäuerlicher, aber unbedeutender Mittelstand.
Die Borgänge in Merito haben auch bei uns in Deutschland | Merifos liegt der ganze Besiz des Landes in den Händen der ein lebhaftes Interesse gewedt. Die Zeitungen berichteten über den Kampf der merikanischen Regierung gegen zwei gewaltige Gegner: die fatholische Kirche und das usamerikanische Del fapital. Wir hörten von ständigen Revolutionen 1910 bis 1920, von Calles' Kulturfampf 1926 bis 1929, von Obregons Ermordung 1928 und von der Wahl des neuen Präsidenten Rubio 1929. Als dann Staat und Kirche einen( vorläufigen?) Vergleich abgeschlossen hatten und Rubio wie zum Zeichen der Aussöhnung seinen ersten Staatsbesuch in den Bereinigten Staaten madyte, wurde es in den Zeitungen still um Mexiko . Die Periode des intensiven Aufbaues ist nicht spannend genug für drahtliche Tagesmeldungen.
S
Dafür erlebt der Büchermarkt seine meritoinflation. Bücher jeder Ari treisen in großer Zahl um das Problem der merikanischen Neugestaltung. Den Freunden und Mitgliedern der Büchergilde Gutenberg find die ausgezeichneten Meritobücher von Iraven befannt. Eine padende dichterische Schilderung der Revolution liefert uns der Merikaner Mariano Azuela in seinem michtigen Roman Die Rotte", der in guter Uebersehung und angenehmer buchtechnischer Ausstattung bei Rindt u. Bucher , Gießen , erschienen ist. Hier spricht ein Schriftsteller zu uns, der mit seinen Romanen und Novellen die Weltliteratur erobert hat, weil er die Glut und die Wildheit des Merikaners dieser Erbschaft des tropischen Landes und seiner qualvollen Geschichte meisterhaft schildern kann.
Daß von dem startleibigen Roman Ernst F. Löhndorffs Bestie 3ch in Merito" ( Died u. Co., Stuttgart ) bereits die 6. Auflage er. scheint, bemeift, wie sehr dieses glückliche Gemisch von Abenteuer, Revolution, Tollkühnheit und Erotik die Leser zu fesseln vermag. Ueber Band und Leute unterrichtet man sich jedoch besser anderswo, obgleich dieser Roman gute Einzelbilder aus dem Leben und den Verhältnissen der eingeborenen Indianer und eine lebendige Schilderung der Streifzüge des Revolutionärs Billa bringt. Dagegen sind die Journa listenberichte von Joachim Rugheimer, die als Buch„ Das tolle megifo" bei Beter F. Deftergaard, Berlin , erschienen find, an Flachheit und Gewiffenlosigkeit nicht zu überbieten.
Das wissenschaftliche Intereffe an Merito ist nicht minder lebhaft als das dichterische und journalistische. Die Leipziger Graphischen Berfe haben in der Gammlung interessanter Entdedungsreisen" eine Darstellung der Eroberung von Merito herausgebracht, die eine besondere Betrachtung verdient
"
Bei dieser Betrachtung muß man sich frei machen von der europäisch- hochmütigen Auffassung, daß der merikanische Indianer ( 38 Proz der Bevölkerung!) und der merikanische Mischling ( 43 Broz der Bevölkerung, von diesen wiederum etwa die Hälfte in indianischem Stil lebend!) untultiviert oder minderfultiviert seien. Die Forschungen über die erstaunlichen Kulturschäze des
חווון
G
S.
2
A.
Der Entwicklungsprozeß der sozialen Resolution führte folgetitig zu einem Bündnis zwischen den Trägern der siegreichen Revofufion und der neuen Regierung- eine alte Lehre, die bei uns in Deutschland so wenig verstanden wird. Mit dem Erfolg der Renolution wurden die Revolutionäre die fefte Stütze der neuen Staatsform und der Regierung, nuurde diese Regierung ihre" Regierung. Damit übernahm die revolutionäre Arbeiterschaft einen großen Teil der Sorgen und der Verantwortung der Regierung. ,, Damals waren wir eine Handvoll Agitatoren, und heute, nach den Erfahrungen des täglichen Kampfes, haben wir uns zu dem Standpunkt burdgerungen, daß die Industrie geschützt werden muß, damit das ganze Bolt gedeiht", heißt es in einer Erflärung der GewerkschaftsFührung. Es wird festgestellt, daß die organisierte Arbeiterschajt bereit sei, mit den Unternehmern wie mit der Regierung zusammen
00
5
5
M.
EL.-A.
Um die historische Erforschung Merifos macht fich der Verlag F. A. Brodhaus, Leipzig , verdient, indem er als 24. Band seiner bewährten Samulung ,, Alte Reisen und Abenteuer" die erste deutsche Bearbeitung der berühmten Chichimeca Chronit des Don Fernando de Alva Irlilrochite( 1568-1648) herausgibt. Das Buch der Könige von Tezcuco"( bearbeitet von Dr. Bonte, Halbl. 2,80 M.), reich illuftriert und in guter Ausstattung, schildert uns Aufbau und Kultur des alten megifanischen Reiches in der bilberreichen Sprache des indianischen Chronisten.| Aztetenreiches widerlegen ebenso wie die kulturellen Leistun Die Naturwissenschaften sind in dem„ Banderbuch eines deutschen Gelehrten, freuz und quer durch Merito" Don Prof. Dr. Karl Reiche vertreten.( Deutsche Buchwerfstätten, Leipzig .) Das Buch sucht und findet seinen Wert und seine AnerFennung darin, daß es naturgeschichtlich interessierten Lesern Bor gänge und Gegenstände aus der herrlichen Natur Meritos vor Augen führt".
Mexiko im usamerikanischen Interessenfeld: Der Triangel veranschaulicht den geschlossenen Machtbereich der Vereinigten Staaten von Nordamerika . Die Pfeile zeigen das Vordringen der USA . nach Mexiko und Mittelamerika . Es bedeuten: 1 Mexiko
Stadt, 2 Oelfelder von Tamploo, 3 Panamakanal ( unter Aufsicht der USA . 1), 4 britische Besitzungen, dem jetzt an USA . verlorenen Weg zum Panamakanal. 5 Inselgruppe Im Besitz der USA. , Weg zum Panamakanal und Latein- Amerika , e die an USA . verlorenen
Geblete Mexikos . M.- A.: Mittel- Amerika, L.- A.: Latein- Amerika .
-
-
menn
Der politische und wirtschaftliche Kampf Meritos, das machtvolle Aufwärts und Borwärts der Republik mit wechselnden Erfolgen und Rückschlägen, das gemaltige Ringen, dessen wir alle auch nur aus der Ferne interessierte Zeitgenossen waren und find, das alles findet seine wissenschaftliche Darstellung in dem her vorragenden Buch Merito erwacht von Prof. Dr. Adolf Reichwein ( Bibliographisches Institut , Leipzig 1930, mit 15 Karten und 48 Abbildungen, Gangl. 8,50 M.). In tiefschürfender Arbeit werden uns der Stand der Fronten, die geographischen und volkswirtschaftlichen Bedingungen des Kampfes, feine fulturellen und meltmirtschaftlichen Ausmaße dargestellt.
Aber nicht darin allein liegt der Wert dieser vorzüglichen Arbeit. Der Verfasser will die Entwidlung Europas , unferes eigenen Schicksals an dem Beispiel Meritos aufzeigen. Dieses Merito führt uns der Verfasser vor Augen: Erschließung und Freigabe von Aderland, Festigung der sozialen Ordnung, Bündnis zmischen Staat und Arbeiterschaft, Lösung des panamerikanischen zwischen Staat und Arbeiterschaft, Lösung des panamerikanischen
Problems.
gen der Indios im 19. und 20. Jahrhundert, nämlich daß sie Merilo aus einer Rolonie zu einem selbständigen Staat machten, diese falsche Meinung, die nur verbreitet ist, um die Herrschaft einer feinen Minderheit und die Ausbeutung des Landes zu rechtfertigen.
Wir müssen erkennen, daß sich in der merikanischen Revolution ein Bauernvolt gegen seine Berftlavung erhebt, so wie bei uns die Bauernfriege eine soziale Revolution waren. Der Erfolg der merikanischen Revolution besteht vorerst darin, daß große Besitzungen, die vorher nur wenig bewirtschaftet waren, aufgeteilt und an die landhungrigen, munmehr freigewordenen Indios als Ackerland vergeben worden sind.
Dieser Erfolg der Revolution muß aber erst apie der Erfolg jeder Revolution zu einem festen Bestandteil der Gesellschaftsordmung merden. Das hieß und heißt noch für Merilo, den Indio auch in jeder Hinsicht zu einem freien und leistungsfähigen Bauern zu machen, die neue Ordnung der Wirtschaftsverhältnisse in allen Teilen des ideologischen Ueberbaues weiter zu entwidein und in allen Lebensäußerungen fichtbar zu machen.
Bei dieser konsequenten Aufbauarbeit, die durch die enge Ver flechtung aller Lebens- und Gesellschaftsformen sich überaus schwierig und kompliziert gestaltet, stieß die Regierung auf den heftigen Wider fiand der katholischen Kirche. Der Siegeszug der fatholischen Spanier in Mittel- und Südamerika hatte den neuen Erdteil zugleich dem Ratholizismus erobert. Die katholische Kirche wurde für die Hilfe, durch die Glaubensgebote den Großgrundbesig zu schützen, felber Großgrundbefizer auch hierin liegt eine auch hierin liegt eine Die merikanischen Revolutionskriege und die nachfolgenden Barallele zu unserem Feudalsystem. Die doppelte Herrschergewalt innerstaatlichen Unruhen sind nichts anderes als der große Kampf der fatholischen Kirche ließ sie nicht nur all die Jahrhunderte hinder Eingeborenen gegen die Feudalherrschaft fremdstämmiger und durch jede soziale Berantwortung gegen ihre indianischen Mitglieder eingewanderter Unterdrüder. Der Kampfruf„ Land und Frei vergessen, sondern sie führte sie bei der Durchführung der Verfassung heit" führt ebenso wie der Wahlspruch der Sozialpolitik ,, Die gegen die Regierung. Im Namen„ Chrifti des Königs" wiegelten Erde gehört denen, die sie bearbeiten!" zat dem agrarie Priester die plötzlich in ihrem Seelenleben bedrohten Indios zischen Grundgehalt der megikanischen Neuordnung. gegen die ,, Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat", auf und führten fie zum rebellischen Kampf für die ökonomische Machtstellung der Kirche. Die Regierung ist der Teufel!" war der Schreckensruf. der die gläubigen unwissenden Indios fanatisierte und zu Aufruhr und Mord trieb. Die merikanische Regierung murde von der Kirde selbst in Europa als„ infamste Regierung der Welt", als„ Saufen fäuflicher verräterischer Mordgesellen" beschimpft.
Die ,, Estados Unidos de Mexico " d. h. Bereinigte Staaten, don Merito, find über viermal so groß mie Deutschland . Die Bevölkerung von 14 Millionen verteilt sich sehr ungleich über tas gesamte Gebiet. Nur begrenzte Gebiete des füdlichen und mittleren Hochlandes gestatten bei der zum Teil intensiven, aber noch steigerungsfähigen Bebauung eine stärkere Zusammenballung der Menschen, so daß diese Staaten mit einer Dichte von etwa 30 und darüber pro Quadratkilometer doch schon überbevölkert find. Dagegen find weite Gebiete des Südens und der große Rest des Landes mit einer Bevölkerungsdichte von oft unter 5 pro Quadratkilometer in extensiver, also schwacher Bewirtschaftung, er menig ausgeniizt. Einer intensiven Bewirtschaftung widersprechen jedoch die Besi nerhältniffe.
Seit hen Ingen her Entischung und der blutigen Grobenneg
Wir haben den Höhepunkt dieses Kulturkampfes miterlebt, als die ganze tatholische Welt aufgerufen wurde gegen die Christen verfolgungen des neuen Nero", d. h. Calles. Und wenn 1929 ein für belbe Seiten tragbarer Vergleich. ein Kontorbat, den fcharfen Kampf vorerst absolos, so ist auch das für uns ein Lehrbeispiel nachrevolutionärer Entwicklung, stehen wir dod; ebenso im Bemühen, in Kompromissen und Atempausen Boden und Kraft zz l gewinnen für meiteren energischen Borstoß.
-
zuarbeiten zum höchsten Zwecke des Augenblicks, nämlich der Erhöhung der Leistungsfähig. teit der merikanischen Industrie, der Unab hängigkeit der merikanischen Wirtschaft und der Stärkung des Binnenmarties für meţitanische Produkte".
Selbstverständlich fehlen nicht die radikalen Dogmatifer, die von ,, Arbeiterverrat", von einem ,, megi tanischen Thermidor" und von einem„ Bünd mis zur Ausbeutung der Proleten" reden. Gie ver ftehen nicht, was es bedeutet, wenn der Präsident Calles in einer Botschaft erflärt:„ Das Ideal meiner Regierung, das sich mit dem Ideal meines Boltes deckt, ist, die große Masse dieses Volkes a us Armut und Unwissenheit zu befreien, ihren Lebensstand zu verbessern, fie zu lehren, besser zu essen, ihnen Schulen zu geben, sie auf ein höheres Niveau der Zivilisation zu heben, eine homogene Nation aufzubauen und die Spannung zu beseitigen zwischen einer Handooll Merikaner, die sich der Bequemlichkeit freuen, des Wohlstandes und verfeinerten Lebens, und auf der anderen Seite der großen Masse von Merikanern, die durch jede' Tyrannei ausgebeutet werden, durch jede Berwaltung vernachlässigt, in Elend, Dunkel und Leiden begraben."
Ebensowenig fehlen die Rufe von„ Kulturbolschewismus", von„ roten Retten" und dergleichen. Man sege für Calles die Namen Severing ober Braun, für Meriko Preußen, und man studiert an der Darstellung der Vorgänge in Merifo sehr gewissenhaft und treffend behandelt die innere Problematik unferes eigenen Schicksals.
Zu diesen innerpolitischen Schwierigkeiten und Aufgaben tommt noch der Drud außenpolitischer Belaftung, der neugeordnete Staatswesen immer besonders schwer trifft. Für Meriko heißt dieser Drud: Nordamerita und Auslandsschulden.
Die Verschuldung des Staates, durch die Revo lutionsjahre gestiegen, ließ einen Wiederaufbau nur einfeiten nach weiterer Verschuldung. So wurden für ein internationales Banttomitee unter usamerikanı icher Führung die Delproduktionssteuer verpfändet und die Einnahmen der zwangsläufig privatifierten Eisenbahnen sichergestellt, um neue Anleihen aufnehmen zu können. Die Gesamttilgungsfrist der gegenwärtigen Schuld von 1100 Millionen Besos(!) beträgt 45 Jahre wer wird bei diesen Angaben nicht an den Young- Plan erinnert?
Die innere und äußere Verschuldung Merifos weist auf einen anderen wirtschaftlichen Zusammenhang. Die panamerikanische Bewegung in USA . hat zu einer Kapitalexpansion geführt, die in starfem Maße die mittelamerikanischen Staaten betrifft. Merito liegt im Brennpunkt dieser Interessen, es ist sein Schicksal geworden, daß es Vorfeld für das reiche Lateinamerita ist und daß feine USA.nahe Golffüfte bei Tampico sehr ölhaltig ist. So find unzählige Millionen uſamerikanischen Kapitals in Merito investiert, und der hartnädige diplomatische Delkampf het gezeigt, daß das Weiße Haus in Washington gewillt ist, mit allen Mitteln die Intereffen seiner Bürger zu schützen.
Wir erinnern uns, daß Merito als Bizefönigreich Neu- Spanien noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts über doppelt so groß war wie heute, daß es im Nordosten ungefähr bis zum Missouri und im Nordwesten bis zum Großen Salzsee reichte. Nachdem es im Schuhe der Monroe Dottrin 1821 von Spanien unabhängig und zu einer föderativen Republik geworden war, ging der Staat Tegas( 1835) zu den USA über. Im anschließenden Kriege verlor Merito alle Gebiete nördlich seiner heutigen Grenze( 1848). Mit dem Vorrücken USA . über die Inseln bis zum wichtigen Banamafanal geriet Merito völlig in den Machtbereich des„ coloso del Norte", des Roloffes im Norden. Die Skizze veranschaulicht seine Lage in dieser amerikanischen Zange, die erst dann zu einer für beide Teile fegensreichen Beziehung werden wird, wenn die zwischenstaatliche Grenze gefallen ist.
Wie weit diese Annäherung schon gediehen ist, zeigen die Wirtschafts- und Verkehrsnachrichten. Im Außenhandel meritos find die USA . mit etwa 70 Proz. vertreten. Mit zahlreichen Eisenbahnen ist Merito an die Hauptlinien der USA . angeschlossen, die enge Schiffsverbindung ist augenfällig und neuerdings gehen auch wsamerikanische Luftverkehrslinien zu den wichtigsten Städten Meritos.
Ufameritanische Presse und Films verdrängen die bisher herrschenden europäischen Nachrichtenquellen und wirken intensiv für den wirtschaftlichen Zusammenschluß, dem der politische folgen wird.
Die USA. - Politik wird zum regulativen Prinzip der meritanischen. Der Weg nach Panamerita führt über Washington ." Und während wir den Gedanken Baneuropa faum" diskutieren, während sich die Europäer noch nicht daran gewöhnt haben, sich felbft ofs politische Einheit zu begreifen", find in Amerika Zeichen da, daß der Beg endlich aus Bernunft beschritten wird". Daß auch wir diese neue Form, daß auch wir unser Baneuropa finden müssen, lehrt das erwachte Merita