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Rr. 113 48. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Feierschichten und Ueberstunden.

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660 Eisenbahner verklagen die Reichsbahn.

Die Reichsbahnverwaltung hatte bekanntlich mit den zuständigen Gewerkschaften über eine Arbeitsstredung verhandelt. Die Berwaltung hatte porgeschlagen, für die Arbeiter in den Aus befferungswerten und in den Bahnmeistereien in jeder Woche eine Feierschicht einzulegen. Dadurch wäre die tarifliche 48- Stunden­Woche auf 40 Stunden verkürzt worden und den Arbeitern wäre jede Woche ein voller Tagelohn verloren gegangen. Die Vertreter der Gewerkschaften konnten sich mit diesem Vorschlage nicht ein­verstanden erklären, da der Lohnverlust für viele Arbeiter untragbar ist. Gibt es doch in den Bahnmeistereien Arbeiter, die

mit einem Wochenlohn von 18 Mart nach Hause gehen müssen. Von diesem Hungerlohn noch etwas einzubüßen, das durfte den Arbeitern nicht zugemutet werden.

Arbeitsmangel bestand nicht. Wenn auch in einzelnen Betriebs­teilen die Arbeit knapp war, so gab es andere, die die 48- Stunden­Woche erheblich, manchmal bis zu 54 Stunden, ausdehnten. Nach der Ueberzeugung der Gewerkschaftsvertreter hätte sich hier ein Ausgleich schaffen lassen, der für die Arbeiter einen wesentlich geringeren Lohnausfall zur Folge gehabt hätte. Die Gewerkschafts­vertreter, in der Absicht, eine für beide Teile annehmbare Ver­ftändigung herbeizuführen, waren bereit, der

Einlegung von sechs Feierschichten

waltung der Reichsbahn zeigte aber fein Entgegenkommen, sondern beharrte auf ihrem Vorschlage. Die Reichsbahnverwaltung hat darauf diftatorisch bestimmt, daß die Arbeiter 1. Januar bis 31. März jede Woche eine Feierschicht mit ent­sprechendem Lohnabzug zu machen haben.

Gegen dies diftatorische Borgehen haben die Arbeiter die Hilfe des Arbeitsgerichts angerufen. 660 Arbeiter traten als Kläger auf. Sie wurden vertreten vom Einheitsverband der Eisen­bahner, von der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner und vom All gemeinen Eisenbahnerverband.

Die Kläger   fordern Zahlung des Lohnes für zwei bisher von ihnen gegen ihren Willen gemachten Feierschichten.

Sie berufen sich auf den Tarifvertrag,

der bestimmt, daß die regelmäßige Arbeitszeit täglich 8 Stunden, wöchentlich 48 Stunden beträgt. Eine von der Verwaltung eigen. mächtig vorgenommene Verkürzung der Arbeitszeit sei ein Verstoß gegen den Tarifvertrag.

Der Vertreter der Reichsbahn meinte dagegen, durch die tarif­liche Bestimmung über die Arbeitszeit sei nur nach oben, aber nicht nach unten eine Grenze festgelegt. Demgemäß sei nur eine Ueber­schreitung, aber nicht eine Unterschreitung der 48- Stunden- Woche tarifwidrig.

Nachdem die Prozeßvertreter mehrere Stunden verhandelt in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März zuzustimmen. Die Bers hatten, wurde die Urteilsverkündung auf den 11. März festgelegt.

Die Sache mit den Kartoffelpreisen.

Der Großhandel will billiger- arbeiten lassen. Wie im Bormärts" seinerzeit ausführlich berichtet wurde, hat der Reichsarbeitsminister die Allgemeinverbindlichkeit des Lohntarifes für die Arbeiter im Berliner   Kartoffelgroßhandel auf­gehoben mit der Begründung, daß es nicht vertretbar sei, ,, einer fleinen Gruppe von Arbeitnehmern Arbeitsbedingungen zu sichern, die eine Gonderstellung gegenüber und auf Kosten der übrigen Arbeitnehmerschaft bedeuten".

Die Berliner   Kartoffelgroßhändler haben jetzt diese unverhüllte Aufforderung zum Abbau der hohen" Löhne ihrer Arbeiter auf­gegriffen und dem Gesamtverband den Lohntarif zum 31. März gekündigt.

In den Verhandlungen hatten die Herren die Stirn, den Kut. fchern einen Abbau ihrer Löhne von 68 auf 40 Mart und den Kraftfahrern von 78 auf 40 mart anzubieten. Außerdem verlangten sie die Beseitigung des Ueberstundenzuschlages, eine starte Einschränkung des Urlaubs und die unentgeltliche Pferdepflege durch die Kutscher an den Sonntagnach.

mittagen. Bisher erhielten die Kutscher für die Pferdepflege an den Sonntagnachmittagen pro Pferd 50 Pfennig, mindestens aber 2 Mart für den Nachmittag.

Die Arbeiter des Berliner   Kartoffelgroßhandels nehmen heute Gonntag zu diesem Anschlag der Unternehmer auf ihre Existenz­bedingungen Stellung und werden im Einvernehmen mit ihrer Branchenleitung die Beschlüsse faffen, die zur Abmehr dieses un­geheuerlichen Borstoßes notwendig sind.

Db und inwieweit die Herren Großhändler mit ihrem schweren Verdienst heruntergehen wollen, haben sie noch nicht verraten.

Eine Abrechnung der Steinarbeiter.

Sie haben von der RGD. genug.

Einen sehr interessanten Verlauf nahm die Generalversammlung der Berliner   Steinarbeiter im Gewerkschaftshaus. Prof. Dr. Nöl­ting schilderte in einem sehr lehrreichen Referat die Auswirkungen der letzten Reichstagswahlen auf unsere Wirtschaftslage. Durch den Zulauf der an der tapitalistischen Wirtschaftsweise irre gewordenen Wähler zu den ertrem rechts- und links ,, revolutionären Parteien

Sonntag, 8. März 1931

wurde das Vertrauen des Auslandes zur deutschen Wirtschaft unter­graben, und statt der den Nachläufern der Nazis versprochenen Hebung der Wirtschaft trat eine weitere enorme Verschlechterung ein. Ein Appell an die Bernunft der Arbeiterschaft schloß die mit starkem Beifall aufgenommenen Ausführungen des Vortragenden.

In seinem Geschäftsbericht für das abgelaufene Jahr legte der Vorsitzende Nitsche ausführlich und überzeugend dar, daß die Organisation alles versucht hat, um den Arbeitslosen in jeder Weise zu helfen, sowohl durch Arbeitsbeschaffung wie durch direkte Unter­stügung. Im letzten Jahre wurden für Erwerbslosen  -, Weihnachts-, Sonder-, Invaliden- und Notfallunterstützung insgesamt

76 950 Mart ausbezahlt,

und das bei einer Mitgliederzahl von rund 2400 Mann! Den Versuchen, den Erwerbslosen praktische Hilfe zu bringen, hat die RGO. dirett entgegengewirkt. Das beweisen ins­besondere die Vorkommnisse bei der Nordsüdbahn( siehe Bor wärts  " Nummer 97), wo die Einführung der 40= Stunden Woche und damit die Einstellung einer Reihe Arbeits­loser durch den Leiter der Berliner   Steinarbeiteropposition. den Steinsetzer Anders, verhindert wurde. Dieser revolutio­näre" Att löste in dem überfüllten Saal berechtigte Entrüstung aus. Der Versuch eines fommunistischen Redners, diese schofle Handlungsweise noch zu verteidigen, stieß auf den heftig­ften Widerst and aller übrigen Diskussionsredner.

Der Erfolg war der, daß auch dieser Revolutionär" nachher bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage für die Angestellten und bei der Bestätigung der Wahlen des gesamten Ortsvorstandes nicht mehr den Mut aufbrachte, dagegen zu stimmen, so daß eine einstimmige Wiederwahl zu verzeichnen war.

Die Steinarbeiter Berlins   haben damit erneut be­wiesen, daß sie nicht daran denken, gewerkschaftlichen und politischen Hanswürsten zu folgen, sondern fest und treu zu ihrer Dr­ganisation stehen.

Moskauerei.

Bei den Handelsarbeitern verfängt sie nicht. organisierten Handelsarbeiter beschäftigte sich neben dem vom Die letzte Jahresversammlung der im Gesamtverband Branchenleiter Genossen Pollmeier erstatteten Jahresbericht auch durch einen verbindlich erklärten Schiedsspruch beendet wurde. Eine mit der Lohnbewegung im Berliner   Einzelhandel, die große Anzahl von Betrieben, darunter auch Mitgliedsfirmen des Arbeitgeberverbandes, hat den Lohnabbau nicht mit gemacht, also mehr Verständnis an den Tag gelegt als die Scharf. macher im Arbeitgeberverband des Berliner   Einzelhandels und des Berliner   Schlichtungsausschusses.

In der Diskussion zu dem Referat des Reichsfachgruppenleiters der Handelsarbeiter, Genossen Schreiber, über

,, Die Einheit der Gewerkschaftsbewegung".

wollten einige RGO.- Anhänger für Sowjetrußland eine Lanze brechen. Sie stellten u. a. die naive Behauptung auf, daß die deutschen Industriellen Borsig  , Boensgen usw. hauptsächlich deshalb

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