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Morgenausgabe

Nr. 115

A 58

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

10. März 1931

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Osthilfe vom Reichsrat genehmigt. Das Moskauer   Urteil.

Sonderwünsche zahlreicher Länder und Provinzen.

Der Reichsrat verabschiedete am Montag mit Stimmenmehr­heit das Osthilfegeseg. Außerdem gab er dem Gesetz zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedelung und dem Aufbringungs­abbaugesetz, beides Bestandteile der Osthilfeaktion, seine Zustimmung. Die von dem zuständigen Ausschuß des Reichsrats an dem Gesetz Dorgenommenen Erweiterungen wurden von dem Plenum des Reichs rats gutgeheißen. Danach werden Schleswig- Holstein   und die östlich der Elbe gelegenen Teile der Provinzen Sachsen  und der Länder Sachsen  , Anhalt und Oldenburg   in den räum­lichen Bereich der Entschuldung eingeschlossen. Der bayerische  Antrag auf Einbeziehung der bayerischen Ostgrenze wurde vom Aus­schuß abgelehnt.

Die Reichsregierung hatte im Ausschuß folgende Erklärung zu Protokoll geben lassen: Die Reichsregierung erfennt an, daß ähnliche Notstände, wie sie in den im Gesetz aufgeführten Kreisen bestehen, auch andere Landesteile bedrücken. Eine Ausdehnung des Anwendungsgebiets der Hilfsmaßnahmen über die im Katalog bezeichneten Gebiete hinaus ist der Reichsregie rung jedoch wegen der angespannten Finanzlage nicht möglich. Die Reichsregierung beabsichtigt, von der Ermächtigung möglichst weitgehend Gebrauch zu machen, sobald sich die Möglichkeit dazu eröffnet. Die Reichsregierung betrachtet das bayerische östliche Grenzgebiet als eine durch die politische Grenzziehung wirtschaftlich und fulturell bedrängte Grenzzone."

Bor der Abstimmung ließen zahlreiche Länder und Provinzen Bor der Abstimmung ließen zahlreiche Länder und Provinzen Erklärungen abgeben. So die bayerische Regierung, daß sie die Nichteinbeziehung der bayerischen Ostgrenzen bebauere, aber von einem dahinzielenden Antrag mit Rücksicht auf die von der Reichsregierung im Ausschuß abgegebene Erklärung absehe.

Der Bertreter Ostpreußens  , Freiherr von Gayl, zeigte sich wieder einmal als reiner deutschnationaler Parteivertreter. Er erklärte, das Osthilfegesetz biete feineswegs die Möglichkeit, die in Ostpreußen   bestehende Not zu beheben. Infolgedessen sei er nach eingehender Prüfung der Gesamtlage zu der Ueberzeugung ge fommen, daß er bei aller Anerkennung der Absichten aller beteiligten Stellen die Verantwortung für das Gesetz vor seiner Heimat und vor seinem Gewissen nicht mittragen fönne. Er wolle aber auch nicht gegen das Gesetz stimmen, da es dem Osten wenigstens

einige Hilfe bringen könne und werde sich deshalb der Stimme

enthalten.

Reichsminister Treviranus   erwiderte dem deutschnationalen Agitator sofort, daß die Reichsregierung mit dem vorliegenden Gesetz­entwurf bis an die Grenze des möglichen gegangen jei. Trotzdem nahm sich der Bertreter der Provinz Brandenburg  , eben­falls ein deutschnationaler Großgrundbesizer, die Haltung feines Parteifreundes aus Ostpreußen   zum Vorbild. Auch er er­klärte, daß er der Vorlage nicht zustimmen fönne, da sie den Wünschen feiner Provinz nur unvollkommen Rechnung trage.

Antworten an Hugenberg  .

Der Reichspräsident wollte zurücktreten, wenn... In einer Rede am 8. März in Lemgo   hat der Abgeord­nete Hugenberg   u. a. die Frage gestellt:

Der Bertreter Oberschlesiens   begrüßte dankbar die Osthilfe, ob­wohl die Wünsche seiner Heimat darin nicht 100prozentig erfüllt seien. Als dann der Vertreter von Bremen   mit Rücksicht auf die Erklärungen der deutschnationalen Agitatoren im Reichsrat den Antrag auf Bertagung der Abstimmung stellte, da er zunächst feiner Regierung berichten müsse, nahm der preußische Staatssekretär Dr. Weißmann das Wort zu folgender Erklärung:

Ich habe volles Verständnis für die Gefühle des Bertreters von Bremen  , die von den Vertretern vieler Länder geteilt werden. Auch ich war über die Erklärungen der Vertreter von Ostpreußen   und Brandenburg   außerordentlich erstaunt. Man verlangt von sämtlichen Teilen Deutschlands  , daß fie für die startbedrängten östlichen Grenzprovinzen Opfer bringen und wenn dieses Verlangen erfüllt wird, bekommt man als Dant dafür die Antwort, daß man nicht bis hundert Prozent erfüllt habe. Die Vertreter von Ostpreußen   und Brandenburg   wissen sehr wohl, daß die Reichs­finanzen unmöglich dazu ausreichen, um das ganze deutsche Reich zu fanieren, und das ganze Deutsche Reich ist doch heute ein Not­gebiet. Die Preußische Regierung hat immer darauf gedrängt, die Aktion auf Ostpreußen   und die wirklich abgeschnitte nen Gebiete zu beschränken, weil

jede weitere Ausdehnung zu unabsehbaren Konsequenzen führen der Erklärungen der Vertreter von Ostpreußen   und Brandenburg  mußte. Troß der verständlichen Erregung, die sich infolge aller Reichsratsmitglieder bemächtigt hat, bitte ich den Vertreter Bremens   doch, seinen Antrag zurückzuziehen, weil sonst die Gefahr besteht, daß vielleicht der Reichstag   gar nicht mehr in die Lage Bremens   doch, seinen Antrag zurückzuziehen, weil sonst die Gefahr tommt, vor der Osterpause das große Wert der Osthilfe zu ver­abschieden."

Reichsminister Treviranus  : Ich darf mich diesen Worten anschließen. Die Reichsregierung war sich darüber klar, daß in der heutigen Notzeit die Gefahr besteht, daß jeder die Meinung vertritt, daß sein Gebiet wegen der besonderen Notlage an der Spize der Leiter stehen müßte. Wir haben aber den dringenden Wunsch, das Osthilfewerk dem Reichstag   so schnell vorlegen zu fönnen, daß es noch in dieser Tagung verabschiedet werden kann.

Ein Juftizmord Revolution oder Reaktion? Moskau  , 9. März.

Mach 2512ftündiger Beratung hat das Oberste Ge­richt am Montag im Menschewiften- Prozeß folgendes Urteil gefällt: Die Angeklagten Groman, Sucha­ now  , Ginsburg, Petunin, Finn- Jona­tajewski, Jafubowitsch und Scher werden zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Angeklagten Berladi, Teitelbaum, Jtow, Sofolomiti und andere erhalten Gefängnis­ftrafen von 5 bis 8 Jahren.

In der Urteilsbegründung wird u. a. ausgeführt, das Gericht habe als mildernd anerkannt, daß die Angeklagten ihre Schuld eingesehen und fich bereiterklärt hätten, sich in den Dienst des Sowjet­regimes zu stellen. Da die innenpolitische Lage der Sowjetunion   sehr stabil sei, habe das prole­tarische Gericht von Todesureilen abge­fehen.

In dem sehr dramatischen Prozeß, der soeben in Moskau  zu Ende gegangen ist, gab es, den Berichten der kommunisti­ schen   Presse zufolge, eine besonders dramatische Szene. Das war am Montag der vergangenen Woche, als der Ankläger Krylenko   die letzte soeben aus Berlin   eingetroffene haltenen Erklärungen vorlas. Der Angeklagten und des Nummer des Vorwärts" hervorholte und die darin ent­ganzen Saales", so las man in einer sehr eindrucksvollen Alle Angeklagten springen empört auf, um gegen den Schilderung ,,, bemächtigt sich eine große Erregung. ,, Vorwärts" zu protestieren."

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Was war es, das die Angeklagten so sehr empörte? Daß sich irgendwo in der Welt eine Stimme erhob, die für ihre unschuld eintrat! Daß eine Hand wagte, das Lügen­gespinst jener phantastisch erfundenen Anklage zu zerreißen, die sich gegen sie richtete, ja sie anscheinend sogar am Leben bedrohte! Die deutsche bürgerliche Presse hat sei es aus geschäftlichen, sei es aus politischen Gründen gegenüber Der Vertreter Bremens   zog daraufhin seinen Antrag zurück, so der russischen Justizmordmaschine eine ganz auffallende Zu­daß zur Abstimmung geschritten und das Gesetz trotz der Obstrutrüdhaltung bewahrt. Gerechtigkeit und gesunder Menschen­tion der deutschnationalen Provinzvertreter angenommen werden konnte

Borher erklärte Reichsminister Treviranus   noch, die Reichs­regierung wolle die an der tschechischen Grenze liegenden fäch fischen Gebiete nicht schlechter behandeln als die banerischen Gebiete an der tschechischen Grenze. Auf Antrag Mecklenburg- Schwerin   wurde mit 34 gegen 32 Stimmen beschlossen, Mecklenburg- Schwerin   zu einem besonderen Haftungsverband zu

machen.

nicht widerrufen habe, sondern wider das bessere Wissen von ein­wandfreien Zeugen bestreite, diese Aeußerungen getan zu haben."

Hierzu schreibt der Amtliche Preußische Pressedienst: Die Hartnädigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der Herr Dr. Hugen berg diese Behauptungen von Zeit zu Zeit immer wieder Läßt es sich nach heutigen Begriffen entschuldigen, daß der Ministerpräsident Dr. Braun hat vor der Deffentlichkeit fest­Minister Schiele mir durch einen Abgeordneten, der die Sach gestellt, daß er die Aeußerung, Herr Dr. Hugenberg sei lage nicht voll übersehen konnte, am 17. Juli 1930 vor der Abfünfzigfacher( oder fünffacher) Millionär, in jener Versamm stimmung über die Notverordnungen des Kabinetts Brüning an lung nicht getan habe; vielmehr sei sie aus dem Munde fündigen ließ, daß, wenn die Deutschnationalen nicht den Auf- des Versammlungsleiters Schred gefallen. Reichstags­hebungsantrag zu Falle bringen würden, der Reichspräsident abgeordneter Schred, Stadtrat in Bielefeld   und Mitglied des zurüdtreten merbe? Es hat sich dabei um ein an den Namen dieser Aeußerung, sei bereit, die Verantwortung dafür Preußischen Staatsrats, bekennt sich in jeder Form zu des Reichspräsidenten angeknüpftes un verantwortliches Be­zu übernehmen und dem Reichstagsabgeordneten Dr. Hugen­einflussungsmanöver gehandelt." Hierzu veröffentlicht der Reichsminister Schiele fol- berg an jeder von ihm gewünschten Stelle dafür Rede zu Hierzu veröffentlicht der Reichsminister Schiele fol- stehen. Herr Dr. Hugenberg hat diese eindeutige Auf gende Erklärung, zu der ihn der Herr Reichspräsident ausforderung anscheinend nicht verstanden. Anstatt den drücklich ermächtigt hat: ihm gewiesenen Ausweg zu wählen, durch eine gericht liche Klage gegen den Reichstagsabgeordneten Schreck den Sachverhalt auch für sich endgültig zu klären, zieht er es vor, immer wieder seine alte Behauptung aufzustellen."

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Christenkreuz und Hakenkreuz. Gelbstschutz vor Hitler- Bellen.

Der Herr Reichspräsident   hat im Juli 1930 vor der Abstimmung über die Aufhebung der Notverordnung sich in einer Unterhaltung mit mir( Schiele) dahin geäußert, daß er, falls im Reichstag der An­trag auf Aufhebung der Notverordnung und zwar mit den Stim­men der Deutschnationalen beschlossen würde, mur zwei Möglich­teiten sehe, entweder selbst von seinem Amt zurückzutreten oder den Reichstag aufzulösen. Der Herr Reichspräsident   ermächtigte mich ausdrücklich, dies den Herren der deutschnationalen Fraktion mitzu­teilen und hinzuzufügen, daß er, angesichts der gegen eine derartige Neuwahl des Reichstags bestehenden Bedenken ernstlich den Gedan- Die Bezirksdelegierten der katholischen Männer fen feines Rüdtritts erwäge, falls der Reichstag   die vom Reichsvereine in München   wenden sich in einer einstimmig gefaßten präsidenten im Interesse des Landes erlassenen, lebenswichtigen Ver­ordmungen aufhebe."

München  , 9. März.( Eigenbericht.)

Entschließung gegen den Nationalsozialismus  . Die Entschließung lautet: Die katholische und die völlische Welt­Hugenberg hat in jener Rede noch weitere falsche Be- anschauung sind miteinander unvereinbar. Aus diesem hauptungen wiederholt. Unter anderem führte er aus: Grunde halten wir es für unmöglich, daß ein Nationalsozialist Mit­... daß der preußische Ministerpräsident Braun die falsche glied eines fatholischen Männervereins fein fann. Mitglieder, Behauptung, die er in einer Bielefelder   Rede über die Berdie der Hitler   Bewegung dienen, sind deshalb tonfequenter. mögensverhältnisse Hugenbergs aufgestellt habe, noch weise auszuschließen."

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verstand sind nur im Vorwärts" zu Wort gekommen. und die Angeklagten? Sie haben ihren Verteidiger verflucht und ihren Ankläger gesegnet. Sie haben nicht nur gestanden, was er ihnen vorschrieb, sie haben sich sogar ,, empört", wie er es ihnen befahl.

Das jetzt gefällte Urteil spricht eine Todesstrafe nicht aus. Damit zahlt es den Angeklagten den Preis, der ihnen für ihre erlogenen Geständnisse versprochen worden ist. Trotzdem bleibt es westeuropäischem Bewußtsein unerfindlich. wie vierzehn Männer, bloß um ihr Leben zu retten, so entsetz lich lügen fönnen, wie sie gelogen haben. Und diese vierzehn Männer find feineswegs die ersten Besten; es ist mehr als einer unter ihnen, der in gefährlichen Situationen Proben von Mut und Charakterstärke gegeben hat. Das unverständliche und wenig sympathische Verhalten der Angeklagten darf jedoch fein Grund sein, das Berbrechen, das an ihnen begangen worden ist, milder zu beurteilen. Im Gegenteil, es drängt sich die Frage auf, welche infamen Künste angewandt wor­den sind, um diese vierzehn Menschen wie Tiere zu dressieren, fie zum Lügen zu zwingen, alle Menschenwürde in ihnen zu ertöten.

Prozeß mehr gegeben, in dem so viel und so sinnlos gelogen Seit der Zeit der Herenverfolgungen hat es feinen worden ist, wie in dem Prozeß gegen Groman und seine Schicksalsgefährten. Immerhin waren die Herenrichter_aber­gläubische Menschen; sie nahmen die Geständnisse, die sie er­preßten, für bare Münze. Herr Krylenko   ist nicht abergläubisch. Er und die anderen politisch unterrichte­ten Bolschemisten wissen ganz genau, daß es weder eine Schäd­lingsarbeit der 2. Internationale noch Interventionsabsichten bei ihr gibt. Sie wissen, daß Abramowitsch im Sommer 1928 nicht in Moskau   gewesen ist. Sie wissen, daß die Gespräche mit Dan, Hilferding   und anderen, von denen die An­geflagten erzählten, nie stattgefunden haben. Und auch die Redakteure der deutschen   Kommunistenpresse wissen, daß sie schmutzige Berleumder sind, wenn sie behaupten, die deutsche Sozialdemokratie wolle einen Krieg gegen Rußland  .

Das Märchen von der aufgedeckten Verschwörung ist zu Der innerpolitischen 3weden erfunden worden. Prozeß gegen Groman und Genossen ist ein Schachzug im inneren Richtungskampf der herrschenden Bolschemistenpartei. Groman, Suchanom und die anderen müssen entlarvte und geständige Verschwörer sein, weil man nach dem Saz Sage