Nr. 117 48. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärtsh, 11. März 1931
Strauchritter vom Steuer.
Kolonne Olivaer Platz.- Ungenügend gesicherte Autos.
aus
Der Berliner Kriminalpolizei war es unlängst glüdlich wieder einmal gelungen, eine Kolonne von Autodieben zu sprengen, die ihr Unwesen in der Hauptsache in der Gegend des Olinder Plages getrieben hatte und sich ausschließlich jungen Leuten zusammensetzte. Trotz der Jugendlichkeit ihrer Mitglieder bestand die Bande aus hartgesottenen Autodieben, die man aber, wiewohl sie bis zu sieben Monaten Gefängnis bekommen hatten, mit Ablauf der Untersuchungshaft wieder entlassen hatte.
Kolonne Olivaer Platz.
Die Hoffnung auf Besserung erwies sich jedoch bei den Burschen als trügerisch. Dies überrascht um so mehr, als die Kolonne Olivaer Blah" nicht etwa aus verwahrlosten Taugenichtsen besteht, die durch irgendwelche traurigen Umstände frühzeitig auf die schiefe Bahn gerieten, sondern aus Söhnen durchaus achtbarer Eltern. Und vollends unverständlich erscheint, daß die Jungens zu Autodieben wurden, trotzdem fast jeder in einem festen Lehrver hältnis bei seinem Meister stand und tagsüber einen einwandfreien Lebenswandel trieb. So war der eine von den drei Inhaftierten ein Kochlehrling, dessen Vater es gelungen war, dem Jungen eine Lehrstelle in einem der vornehmsten Hotels in der Berliner Innenstadt zu besorgen. Vielleicht hat der Junge hier in diesem feudalen Hotelbetrieb zuviel von dem Treiben der sogenannten großen Welt gesehen, so daß er sich in die stillen Abende seines Elternhauses nicht mehr zurückfand und selbst die Gewißheit schwerer Strafen auf sich nahm, um in den Besitz eines Autes zu gelangen. Der zweite Verhaftete befand sich bei einem Klempnermeister in der Lehre, der dritte war ein junger Arbeiter. Auch die unglücklichen Bäter der Diebe haben Arbeit. Bei der ersten Verhaftung der Burschen wurde durch die Polizei in fürsorgerischer Hinsicht das möglichste versucht, leider erklärten die Eltern, die Jungens nicht erziehen zu tönnen, da sie jede Gewalt über sie verloren hätten.
3m Schlupfwinkel der Bande.
Böllig abseits von der großen belebten Berkehrsader des Kurfürstendamms befindet sich in einer stillen verlassenen Nebenstraße unweit des Bahnhofs Charlottenburg der Schlupfwinkel her Kolonne „ Olivaer Plazz". Es ist dies ein kleines Caféhaus, das übrigens einen völlig harmlosen Eindruck macht, um so mehr, als neben unauffälligen Liebespaaren mehrere Runden Stat- und Kegelbrüder in dem Lokal zu tagen pflegen, von denen einige selbst Autobefizer sind. Dieses bürgerliche Café hatten die Autodiebe als ihren Treffpunki bestimmt, wo sie ihre Streiche ungestört aushecken fonnten und dieses Café war auch der Ausgangspunkt der meisten Raubzi ge. Es muß allerdings mit aller Schärfe betont werden, daß die zahllos und unbeaufsichtigt in jener Gegend herumstehenden Autos den Pieben ihr Handwerk geradezu zum Kinderspiel erleichtern. BeJonders in den nächtlichen Stunden mit ihrer in den Nedenstraßen nur spärlichen Beleuchtung werden wertvolle Wagen ohne jede Sicherung stundenlang vor den Häusern stehengelassen. Ein des Fahrens kundiger Mensch, der sich im Besitz eines Anlasserschlüssels befindet, der überall für wenige Pfennig fäuflich zu erwerben ist, braucht sich nur einen der Wagen auszusuchen und vermag auf und davon zu fahren. Wieviel mehr noch ein fachmännisch vorgebildeter Dieb, der die Maschine bis ins Einzelste kennt. Die Autobefizer mögen auf der anderen Seite einwenden, daß sie sich ihre Wagen nicht in die Tasche stecken können, wenn sie einen Besuch machen. Dieser Einwand hat seine Berechtigung, es liegt also an der Autoindustrie, für genügende und ausreichende Sicherung ihrer Erzeugnisse Sorge zu tragen.
Auch die Kirche für„ Negersteuer".
Berliner Stadtfynode will Kirchengeld erheben.
Die Berliner Stadtsynode hat bei der Beratung ihres Etats neben der üblichen Kirchensteuer die Einführung eines Kirchengeldes beschlossen, und zwar in einer Staffelung, die sich wie folgt auswirken soll: Bei 12 bis 400 m. Einkommensteuer 2 M., 400 bis 600 m. 4 m., 600 bis 1000 m. 6 M., von 1000 bis 10 000 m. 8 M. und über 10 000 m. Einkommensteuer 10 m. jährlich. Der Beschluß unterliegt noch der firchen- und staatsaufsichtlichen Genehmi gung. Die Kirchenbehörden erwarten, daß die Genehmigung nicht ausbleiben wird, da die Kirchengelderhebung nur beschlossen wurde, geld werden die Bezirke Berlin , Schöneberg , Charlottenburg und die zu Wilmersdorf gehörende Kirchengemeinde der Kaiser- WilhelmGedächtniskirche betroffen. Von dem Kirchengeld befreit sind die Ehefrauen, sowie sämtliche Personen, die der öffentlichen Fürsorge unterliegen.
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In ihrer Blütezeit bestand die Kolonne ,, Olivaer Play" aus 12 bis 15 Burschen. An einem schönen Sonntag gelang ihr ihr letter großer Schlag. Am verabredeten Treffpunkt hatten sich damals 9 Burschen eingefunden, von denen einige ihre Freundinnen mitgebrad; t hatten. Man brauchte nicht lange zu suchen, in fürzester Zeit waren die für den beabsichtigten Ausflug nach Nauen erforderlichen drei Wagen gefunden. Der eine Wagen fam jedoch nur bis zum Kaiserdamm, hier war das Benzin zu Ende und so wurde er einfach stehen gelassen. Ein neuer Wagen war schnell gefunden und so konnte die Fahrt ungehindert bis Döberitz fortgesetzt werden. Hier ereignete sich eine zweite Panne, einer der Wagen hatte eine Kabelzündung und die Bande beschloß, nach Berlin zurückzukehren. Um den Wagen mit der Kabelzündung fümmerte man sich nicht weiter Die Insassen stiegen um und beim Wenden fuhr der eine Fahrer so ungeschickt, daß er das lahmgelegte Auto hart streifte und dabei von seinem Wagen die offenstehende Tür abriß Man tam aber auch ohne diese Tür nach Berlin zurück. Kurz danach ereilte einen Teil der Kolonne das Schicksal; drei Mann fonnten von Kriminalbeamten gefaßt werden. Bei den vielen Zusammenstößen, die die Burschen auf ihren Irrfahrten hatten, bekamen die Besitzer die Wagen allerdings in einem jammernswerten Zustande zurück. Die Zahl der von der Kolonne ,, Olivaer Plaz" verübten Diebstähle war so groß, daß die Verhafteten nicht in der Lage waren, anzugeben, wieviele Autos sie in letzter Zeit entwendet hatten.
Die Aufgabe der Technifer.
Das Publikum glaubt im allgemeinen, daß ein abgeschlossener Wagen nicht so leicht zu stehlen geht. Das ist ein großer Irrtum. Denn eine Unzahl von Wagen, welche Marken, wissen die Diebe genau, kann nur auf der einen Seite verschlossen werden, an der anderen Wagentür befindet sich lediglich ein von innen vorschiebbarer Riegel. Man braucht also nur durch das Fenster zu langen und den Riegel wegzuschieben! Hat man sich dann noch vorher den notwendigen Kontattschlüssel beschafft, der ins Armaturenbrett gesteckt werden muß, um den Stromfreis zu dem Anlasser zu schließen, dann fann man auf und davon in die weite Welt fahren. Geschickte Autofahrer, die ihre Maschine selbst gründlich kennen, find deshalb schon zum Selbstschutz übergegangen, da die Industrie auf dem Gebiete der Autosicherung versagt hat. Wer zum Beispiel auf unbewachten Landstrecken sein Auto längere Zeit stehen lassen muß, macht sich die Mühe und schraubt die richtige Kerze heraus und eine falsche ein, dann kann ein Dieb lange suchen, bis er den Wagen in Gang bringt. Oder der Fahrer muß sich die Mühe machen, während der Dauer des unbeaufsichtigten Aufenthalts die Zündkabel zu den Kerzen zu verwechseln; auch hier müßte ein Dieb schon geraume Zeit herumbasteln, um die Kabel wieder in ihre richtige Lage zu bringen. Dann besteht noch eine Möglichkeit der Sicherung, nämlich die Verteilerscheibe jedesmal cbzumontieren, die die Zündungen auf die verschiedenen Bylinder verteilt, um die Zündung zu regulieren. Aber alle diese Maßnahmen setzen voraus, daß man erst die Motorhaube öffnet und anfängt Motorenschlosser zu spielen. Da haben es die amerikanischen Autofahrer entschieden besser. Deren Wagen haben vielfach eine fcmplizierte, nur dem Besitzer bekannte und verständliche Vorrichtung die es erlaubt, das Nummernschild während des Haltens senkrecht zu stellen. Nur mit außerordentlicher Mühe würde ein Dieb, der den Trick dieser Sicherung nicht fennt, das Nummernichild wieder in die magerechie Lage bringen. Jedenfalls weiß jeder Mensch in Amerisa, daß ein Auto mit einem senkrecht stehenden Nummernschild ein gestohlenes ist.
Die ungezählten Autodiebstähle der letzten Zeit verstärken also nur die Mahnung an die deutschen Technifer, auch bei uns endlich eine brauchbare Sicherung für Autos zu schaffen.
Besser aus Halberstadt ( Hortensien und Begonien), Ernst Binnewies aus Alfeld a. d. Leine( Cyclamen), Paul Gabriel aus Hünern bei Breslau ( Ciberarien), Schneider aus Crimmitschau ( Franziſeen), Stoldt aus Wandsbek bei Hamburg ( ebenfalls Cyclamen). Die Berliner Gärtner sind gut vertreten. Es gibt keine Blumenart, die man auf dieser Ausstellung nicht in wunderbaren Exemplaren finden könnte, vom Veilchen bis zur riesigen Calla, von der Forsythie bis zur Hortensie und Primel, dazu alle Modefabrikate: Orchideen und Kakteen. Auf der Galerie der Ausstellung hat die Gruppe GroßBerlin des Verbandes Deutscher Blumengeschäftsinhaber Tischdekorationen und Blumengebinde ausgestellt.
um die Aufnahme einer Anleihe zu vermeiden. Von diesem Kirchen: 72 Stunden Schneefall in der Schweiz
Man darf gespannt sein, was die Presse, die seinerzeit die Bürgersteuer der Reichsregierung als„ Negersteuer" verächtlich zu machen suchte, zu der Sondersteuer der Synode sagen wird, die doch auch nichts anderes als eine Kopf- oder Negersteuer ist.
Winter Blumenschau.
Die Deutsche Gartenbaugesellschaft fonnte für ihre Mitglieder keine wirksamere Propaganda machen als eine Ausstellung deutscher Blumen, während draußen winterliche Kälte herrscht. Die Schau befindet sich unter den Linden 70 und ist täglich bis zum 15. März von 10 bis 21 Uhr zu besichtigen. Die Besucher fonnten sich auf einem Rundgang davon überzeugen, welchen Aufschwung die Zucht deutscher Winterblumen genommen hat, so daß die Anforderungen des einheimischen Marktes schon fast ganz befriedigt werden können. Aus verschiedenen Teilen Deutschlands haben Gärtnereien Kollettivausstellungen gesandt, z. B. Richard
Regen im Südwesten.
In der gesamten Schweiz schneit es seit Sonnabend abend, also seit 72 Stunden, ununterbrochen. In vielen Orten tragen die Fleischer und Bäckerburschen und die Postboten, da sie mit Fahr rätern nicht mehr vorwärts tommen, mit Stiern die Waren und Postsendungen aus. Seit fünfzig Jahren ist ein solcher Schneefall um diese Jahreszeit noch nicht vorgekommen. Im Südwesten des Landes regnet es jedoch...
Genosse Mag Blankenburg , der vor einigen Tagen im Alter von 72 Jahren in Treptow verstorben war, wurde gestern im Srematorium Baumschulenweg bestattet. Ein zahlreiches Trauergefolge, vor allem aber seine Kollegen aus der Vorwärts"= Druckerei und die alten Barden", wie die invalide gewordenen Kollegen des Buchdruckergewerbes heißen, hatten sich eingefunden. Genosse Wilhelm Riesebeck vom Verband der Deutschen Buchdrucker rühmte den Dahingegangenen als Vorbild eines treuen Geder wertschafts- und Parteikämpfers. Genosse Hußod von Vorwäts"-Druckerei widmete dem dahingegangenen Kollegen, der 46 Jahre ununterbrochen im Vorwärts" Betrieb tätig gewesen war, legten Dank und legten Gruß..
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Chaplin in der Volksbühne.
Er fommt unangemeldet und findet alles sehr schön. Gestern nachmittag gegen 3 1hr hielt ein großes geschlossencs Auto am Bühneneingang des Volfsbühnen Theaters am Bülowplaz. Ein junger Schauspieler ging gerade quer über die Straße, um seine neu besohlten Schuhe aus dem gegenüberliegenden Laden abzuholen. Aus dem Auto stieg ein Herr und rief dem jungen Mann zu: ,, Wir würden gern die Volksbühne besichtigen, ist das zu machen?"" Natürlich", erwiderte der Angeredete.„ Gehen Sie ruhig rein." Ein kleiner schmächtiger Herr entstieg als zweiter dem Auto, der nahm die Melone ab. Sein Haar war ergraut, aber sein Gesicht hatte etwas Jungenhaftes. Gehen Sie voran, Mr. Chaplin", sagte fein Begleiter, Herr Melniz, aber auf englisch .
Mr. Chaplin wollte dieses Theater sehen, von dem er schon viel gehört hat und das ihm vor allem begeistert, weil es eine Bühne des Volkes, jenes Volkes ist, für das er seine Filme gemacht hat. Niemand wußte, daß er fam. Mr. Chaplin wurde bekannt mit Carlheinz Martin und Dr. Günther Stard. Die beiden freuten sich über den fehr neugierig. Er sah sich die Unterbühne, die Drehbühne, gütigen, bescheidenen, kleinen Gast und zeigten ihm alles. Er war den Kuppelhorizont und die Einteilung des Bühnenapparates genu an. Beautiful"( wunderschön) fagte er ein über das andere Mal. In der Tiefe der Bühne und doch hoch, blieb er stehen. Er war seiner Träume: von der Höhe herab zu spielen und doch Mittelpunkt erschüttert, denn die Bühne dieses Volkstheaters verwirklichte einen und auch für die Tiefe sichtbar zu sein. Er lief die Ränge entlang, sah von den Galerien zur Bühne hinunter, war ganz aufgeregt und strahlte.
Er sprach englisch und zwar sehr schnell; man verstand ihn nicht gut. Und doch war es so, als verstünde man jedes seiner Worte, und mehr noch als wäre man schon lange mit ihm befreundet.
Und weil er Güte ausstrahlte, gewann man ihn lieb.
Ift Ecarté Glücksspiel oder nicht?
In dem großen Glücksspielprozeß, der in der vorigen Woche vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte verhandelt wurde, haben die Verteidiger Berufung eingelegt. Das Schöffengericht hatte bekanntlich die Frage, ob Ecarté an sich als Glücksspiel zu betrachten sei, in feiner Weise geflärt. Es soll nun der Prozeß bis zum Reichsgericht durchgeführt werden, damit angesichts des Vorliegens verschiedenartig lautender Gerichtsentscheidungen endlich eine grundlegende Entscheidung des Reichsgerichts herbeigeführt werde, ob Ecarté im Rechtsfinne ein Glücksspiel oder ein Geschicklichkeitsſpiel ist.
Jufti und Republit. Die Stellung der Justiz zur Republik ist in den letten Tagen in der Deffentlichkeit lebhaft erörtert worden. Zwei Sachfenner werden auf einem Vortragsabend des Republikanischen Richter bundes, der am Donnerstag, dem 12. März 1931, abends 82 Uhr im großen Saal des Oberverwaltungsgerichts Hardenbergstr. 31 stattfindet, dazu das Wort nehmen: Ministerialdirigenti. preuß. Juſtizministerium Dr. Rosenfeld, M.d.2. und Ministerialdirigent im preuß. Innenministerium Steinbreche r. Anschließend sprechen Erster Staatsanwalt Dr. Hoegner. M. d. R., Dr. Grzimet, M. d. L. und Senatspräsident i. R. Freymuth. Eingeführte Gäste und Freunde sind willkommen.
Allgemeine Wetterlage.
10.März 1931, abds.
765
760
Madrid
15
ச
2795
48
539
20
150
765
760
ROTT
-5
War
745 750
H
Leningr
755
Owolkenlos, heiter. halb bedeckt 750 wolkig. bedeckt Regen, Graupeln Schnee, Nebel, Gewitter Windstille
Die Luftdruckverteilung über Mitteleuropa ist jetzt gleichförmig geworden. Die südliche Depression verslacht sich, doch scheint sich ein von ihr bis nach Polen reichender Ausläufer zu einem selbständigen Störungsgebiet auszubilden. Auch die Nordmeerdepression scheint nach Nordosten an Raum zu gewinnen. Ein milder südwestlicher Luftstrom fann sich aber auf ihrer Südseite nicht entwickeln, da das nordwestliche Hoch sehr stabil ist und jetzt wieder nach Süden wächst. Die warme Balkanluft, die heute vorübergehend das südliche Schlesien erreichte und dort unter leichten Regenfällen die Temperatur auf 2 Grad Wärme ansteigen ließ, fann unseren Bezirk infolge der Ausbildung der polnischen Störung nicht mehr erreichen. Unser Wetter wird vielmehr von dem von Westen vordringenden Luftdruckanstieg bestimmt werden.
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Wetteraussichten für Berlin : Langsame Bemöltungsabnahme, Temperaturen nahe bei Null, nur noch unbedeutende Schneefälle. Für Deutschland : Im Süden und Osten noch Schneefälle, im übrigen Reiche wolkig, teilweise heiter, Temperaturen im ganzen wenig Derändert.
heilvirkend verbeugend
STAATL
Matiriches
Minerba
FACHINGEN