Nr. 125» 45. Jahrgang
A. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 15. März ISZl
Muri föudolf Weubert: dDlC �YHl llHTtS
Ich iudj« isrec Dom« un Persianer, die vor einiger Zeit an der C�tfe Potsdamer und Bülowftraß» dem Arbeitslosen Paul Zkwthe eine Theaterkarte in die Hand drückte. Die Dame mar aus einer Te'ephonzclls gckninnKii sichtlich halte sie dort ein bedeutsames, Entschlüsse änderndes Gospräch geführt—, dann hatte sie im Vorbei- r.ehen dein Arbeitslosen Paul Knothe , dcr gerade dort stand, die Theaterkarie in die Hand gedrückt, mit einer Bemerkung wie: „Vielleicht haben Sie dafür Verwendung', hatte ein Tari heran- gewinkt und war davongefahren. Ich suche diese Dam«. Mein« Adresse ist in der Redaktion zu erfahren. Es handelt sich nämlich dämm, dast... Aber vielleicht lmmi't jener Dame dieser Artikel vor Augen. Dann genügt es. Wenn ich nämlich die Dame finden würde, begänne ich folgend« Unterhallung: Gnädige Frau, ich bin in der unangenehmen Lage, ihre Ausmerksamteit für einen Mann erbitten zu müssen, der nicht die geringste Rolle in ihrem Lehen spielt, für einen Mann, den Sic nur einmal ganz flüchtig gesehen haben, für den Mann, dem Sie ihre Theaterkarte schenkten, weil Sie abends etwas anderes vorhatten. Der Plann stand da gerade nnijjig auf der Straß«, Sie wissen gar nicht, wie er eigentlich aussah, nur daß er abgetragene .�leider trug und ein unrasiertes Kinn hatte, glaubten Sie bemerkt zu haben. Ja, Sie glaubten glich noch, diesem Manne ein« bc- sondere Wohilot erwiesen zu haben. So lange glaubten Sie es, ols Tie ihren Fuß in das Auto setzten, das Sie nach dem Westen führte'. Dann hatten Sie den Mann vergesien. Aber dieser Mann, gnädige Frau, verzeihen Si«, ich komme Ihnen im ungelegensten Moment damit, ich s«he, daß Sie im Abend- kleid sind, dos Auto wartet unten, fahren Sie ins Theater, gnädige Frau?— also, Verzeihung, dieser Mann stand mit der Karte in der.vjaild wie«in Klotz da. wußte nichl, wie ihm geschehen war, sah Ihnen nack», stand noch immer aus demselben Fleck, als dos Auto bereit» um die Eck« gebogen war. Dann besah er sich die Karte, es war— wenn ich nicht irre,«ine Karte für den Parkettplatz Nr. 34, Reihe 3. Eine Karte jlir die Oper. Die Oper begann um ZV Uhr. Die Oper hieß... Ja, Sie nicken. Es fällt Ihnen ein. Sie wollten doch damals unbedingt den Sänger T hören. In der Vombenrolle. Sie haben ein Faible für ihn. Leider aber— leider?— mußten Sie für diesen Abend anders disponieren. Doch das gehört nicht hierher. Ich habe nicht di« Absicht, Indiskretionen zu begehen. Oder vielleicht doch? Notgedrungen? Sie sind ein« große Dame und haben den Arbeitslosen Knoche mit einer Theaterkarte beglückt. O, Sie lächeln, leise abwehrend. Beglückt, sage ich. Beglückt. Finden Sie die Betonung nicht seltsam? Be— glückt! Ja. gnädige Frau, Sie haben ahnungslos, gedankenlos, dem Paul Knoche«inen schlimmen Tag bereitet. Jedenfalls war er lange nicht so zerrisse», zerquäll, am Rande der Verzweiflung über«in sinnloses Leben wie an dem Tage, als Si« ihm die Kort« schenkten. Schelte« Sie ihn nicht undankbar. Er Hot sich gefreut. Riesig gefreut. Auerst. Cr dach«: So«in Schwein! So ein Schwein! Alfa da» erste, ma»«r tat. war. an die nächste Litfaßsäule zu gehe» und den Theaterzettel zu studieren. Da entdeckt« er auch, daß die Kart« zgjjn Mark wert war. Zehn Mark. Das können Sie sich einfach nicht voytellen, was mit dem Paul Knoche da los war. Nein, das können Sie nicht. Sie haben zu große Schein« in der Tasche. Sie haben einen Pelz. Em Auto. Einen reichen Mann. Aber der Arbeitslose Knoth« hatte in dem Augenblick«ine Ge- dankenassoziation: er sah einen großen Teller Königsberger Fleck und eine Moll« Bier. Das war die erste Gedankenassoziation mit ihrer Theaterkarte, gnädige Frau. Doch da» langweilt Sie? Köiligsb»rg«r Fleck vermag Sie nicht zu interessieren? Bitte um Geduld. Die Geschichte geht schon weiter. Schließlich, gnädige Frau, war es dock) ihr« Theaterkarts. Ihre Thealerlarte, die einen Wert von zehn Mark in der Hand des Erwerbslosen Knoche repräsentierte. Und nun begannen die großen, kleinen Konflikte, von denen Sic sich natürlich keinen Begriff machen können. Sind das keine Kon- slikte, wenn einem der Zufall zehn Mark zum Geschenk macht, für die man Schuhsohlen, Hosen, Rasiorseife, Zigaretten oder einen Parkettplatz ln der Oper haben könnte? Sie haben Paul Knoche nicht mehr gesehen, gnädige Frau, wie er vor dem Schaufenster einer Fleischerei Halt machte und überlegt«, Sie haben ihn längst vergossen gehabt, während er noch vor dem Schuhmachcrloden verweilte, die großen, unruhigen Augen auf die Tür des Ladens gerichtet, an der «in Schild hing:„Auf Reparaturen kann gewartet werden!" Aber er ging weiter. Er mußte ja bis zur Kasse des Theaters, um die Kaitz einzulösen. Können Sie sich vorstellen, wie er da hin- ging, mit federnden Schritten, anders als sonst? Jeder Schritt brach!« ihn einem lockeichen. Ziel näher, einem Ziel, das chn mit Zigarkttsn, Würstchen und anderen lebensnotwendigen Dingen er- wartete. Leider schlug er dann doch«inen anderen Weg oi». Im letzten Momenl, Iqnn man sagen. Taiinlich kurz vor dem großen Theater- aebäudc. Er ging viennal, rünfmal um das Hau? herum, aber nicht hinein. Er stand da. di« Hände in den Hosentaschen und starr!«. hungrig wie vorhin vor dem Fleischerladen und dem Schuhgeschäft, aus das Kuppeldach des Theaters. Es war, als öffnete sich lhm zum ersten Male das Tor zu einer sonst verschlossenen Welt. Er war mitten darin, von Licht und Glanz umgeben. Hätten Tie ihm einen Vorwurf daraus gemacht, wenn er nicht in die Oper gegangen wäre, soiidern für den Erlös der Karte Zigaretten und andere Dinge gelaust hätte? Wollen Sie ihm einen Vorwurf daraus machen, daß«r es nicht tot, was andere getan ballen, und daß er sich abends um acht llhr tatsächlich auf den Parkettplag Ztr. 3-1, Reihe 3, setzte? Wie er da saß! Klein, geduckt, blaß, zitternd, wie«in ge- priigdtcr Hund. Vom Portier geprügelt, mit Blicken geprügelt, vo» den(Sarderodensrauen. den Boys, den Damen und Herron, van ollen geprügelt. Mit Blicken geprügelt. Wa» haben Sie für ein Unheil angerichtet, gnädige Fraul Sie haben der Frau Bantdirektor W. zugemutet, neben einem schlecht rasierten, schäbig gekleideten, oisensichttich unfeinen Menschen zu sitzen. In. und mochte er sich auch noch so tlew machen, sich noch so verkriechen, sich noch so hingeben, quflösen in der fremden, de- raiischsnoen, verwirrenden Atmosphäre des Theaters, er stört« dos sozial« Gleichgewicht zumindest. Aber dann war auch der Erwerbslose Knoche für Frau Bank. direkter W. nrnchwundwi. die Omxrtnr» d«g«m, der Vorhand teilt«
sich, die Oper fing an... Eigentlich, wenn auch ohne Verdienst— haben Sie, gnädige Frau, dem Erwerbslosen Knothe«in« groß« Erfüllung gegeben. Denn auch vor der Seele dieses Mann«», der da auf ihrem Parkettplatz sah, teilte sich ein Vorhang... Und wenn es auch kein« Oper war, die sich in seiner Seele abspielte, sondern mehr«ine Tragödie ohne Musik, so stand er in diesen Stunden doch auf den Gipfeln des Lebens, jo arm, so klein er auch war. Wo waren Si« an diesem Abend, gnädige Frau? Tat es Ihnen leid, die Oper zu versäumen? Aber abgesehen davon, daß Sie an jedem anderen Ab«nd die Oper wieder besuchen können, der Erwerbs- lose Knothe hat für ihre zehn Mark zehnmal soviel gehört, g«sel)«n, erlebt wie Sie. Denn er war weder als Kritiker, noch als Frau Bankdirektor W. gekommen, sondern nichts ols ein Mensch, herein- geweht von der Straße in den Tempel der Kunst. Wie dann noch alles kam, das wissen Sie nicht. Sie haben sich nur gewundert, daß ihr Mann von ihrem Rendezvous wußte. Und schließlich alles erfuhr, trotz aller Vorsicht, die Sie gebrauchten. Sehen Si«, ihr Mann hatte In dieser Nacht einen kleinen Auto- Unfall. Ach, Unfall, nein, ein Mensch geriet vor seinen Wagen, aber es lief noch gut ob, der Mann, der da beinahe unter die Räder ge- kommen war, hatte imr«in paar Hautabschürfungen und eine Oha- machs davongetragen. Als ihr Atonn in den Taschen des Gestürzten suchte, nach einem Taschentuch vielleicht, mit dem er das Gesicht des Mannes reinigen konnte, kam ihm ein abgerissenes Theaterbillett in die Hände. Dieses Billett hatte er selbst gekaust, wie er an der
Plqtznuimner ersah, für Sie gekauft. Tie lxitten darum gebeten. Gerade an diesem Mend wollten Si« in die Oper... Der Mann erwqcht« dann aus seiner Ohnmacht. Es war der Erwerbslose Paul Knothe . Jetzt erschrecken SI«. Seltsamer Zufall. Nicht war.«» sieht doch au», als jolsts sich an diesem Tag« der Ring der Geschehnisse schließen? Eine verschenkt« Theaterkarte,«in Zufall bracht« soviel Verwirrung In verschiedene Schicksale. Wir brauchen Knothe gor nickst zu fragen, ob er zufällig oder weniger zufällig unter den Wagen kam, ich nehme an, daß es weniger zufällig geschah, er war in dieser Nacht wohl wieder sehr tief van den Gipfeln des Lebens auf die nackte, kalte Straße gestürzt, mitten unter die Fleischerläden und Schuhbesohlanstalten... Ms Knothe schon wieder stehen und gehen konnte, schenkte Ihr Mann ihm für den kleinen Unfall zehn Mark. Vielleicht fühlt« er sich irgendwie tchuldig. Vielleicht war es nur eine Ironie des Zu- falls. Was Sie ober mehr interessieren dürfte: ihr Mann erfuhr, auf welche Weise Paul Knothe in den Besitz der Karte gekommen war. Er schilderte Sie sehr genau. Er hatte Ihnen doch so intensiv nachgesehen, wie einem Wunder. Und jetzt entsinnen Sie sich mit einem peinlichen Gefühl, daß Sie am nächsten Morgen ihrem Manne sehr von der Oper schwärmten. I. hätte göttlich gesungen. Ihr Man» lächelte. Aber er hatte das erste Glied zur Keit« der Beweise, die dann zur vor- läufigen Trennung führten. Ich will nicht weiter indiskret fem. Sie werden auch erwartet. Dos Auto hupt schon wieder. Aber, was ich noch sagen wollte, genieren Sic sich nicht, gelegentlich wieder eine Theaterkarte zu verschenken, wenn Si« für den Abend anders disponieren müssen. Nicht olle arbeitslosen Männer werden in solchen Konflikten so wenig reale Entscheidungen treffen wie jener Paul Knoth«, der nun längst verschollen ist...
Maus Itedell:
O alle Sburfchenherrlic
i
Als der mürrische Ianuarabend durch das kahl« Fenster kroch, erhob sich Peter Leidig von seinem Strohsack. Er fröstelte verschlafe,, und tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür. Dann riß er die Hand zurück, ohne zu schatten. Nein, dachte er, nicht die Häßlichkeit bescheinen! Ein Grauen packte Ihn plötzlich vor dem kalten, unbarmherzigen Licht, das die Birne unter dem verrosteten Blechschirm ausstrahlen würde. Schmutzige Tapeten würde es beleuchten, die ekelhaste Flecke von Schimmel und Wanzentinktur hatten und von denen große Fetzen herunterhingen. Einen unordentlichen Tisch würde es erhellen mit ein paar Stapel» all gekaufter wissenschaftlicher Bücher in schäbigen Einbänden, auf und zwischen denen ein paar Brotkanten, eine Zahn- bürste,«in staubiges Tintenfaß, ein« alte Weckuhr,«ine Tasse ohne Henkel und ein paar gebraucht« Kragen sich präsentieren würden. Ein Spirituskocher daneben, dessen Gestell mit Draht zusammengeflickt war. Der Teller mit den angebackenen Resten einer Würfel. suppe würde die Erinnerung an ein ungenügendes Mittagessen und ein neues Begehren des Magens wachrufen. Peter Leidig schüttelte sich. Und er wunderte sich über sich selbst wie schon oft w der fetzten Zeit. Er war doch längst gegen seine Umgehung abgestumpft. In weit schlimmeren Höhlen hatte er ge- haust. Asyl«, zbundeicherbergen, Wartesöle und Parkbänke waren ihm kein« fremd« Wohngelegenheit. Und es hott« ein« Zeit gegeben. damals zu Beginn des letzten Sommersemesters, als er die Stelle als Platzanweiser in dem kleinen Vorstadtkino bekam und die Bude hier mietet«, wo er sie beinahe gemütlich sanft, wo sie geradezu«in Gefühl bürgerlichen Geborgenseins in ihm auslöst«. Ader in der letzten Zeit war eine Veränderung in ihm vorgeganaen. Irgend etwas in ihm war aufgewacht, was die Gewohnheit, im Kehricht des Daseins zu leben, seit Jahren eingeschläfert hatte. Jetzt äußerte sich die Reaktion darauf in einer schmerzhaften Empfindlichkeit seiner Sinne gegen die Welt von Häßlichkeit, in der er untergegangen war. Eine fieberhaste Gereiztheit trieb ihn um. Physischer Ekel saß ihm wie ein schleimiger Klumpen in der Speiseröhr«. Ekel vor diesen Wänden, vor der schmierigen Treppenstiege mit ihrem muffigen Geruch nach Sauerkohl und Latrine, Ekel vor seiner eigenen schäbigen Gestalt. Damals begann es, als die Unioersitöt sein Gesuch um Honorarerlaß für dos Wintersemester abgelehnt hatte. Die Host- nungen, die er sich auf ein Stipendium und aus«inen Freitisch gemacht hatte, zerschlugen sich gleichzeitig. Seitdem halte er die Universität nicht mehr betreten. Exmatrikulieren ließ er sich nicht. Das kasteie Geld. Wenn er keine Vorlesungen annahm, würden sie ihn schließlich von selber streichen. Nun lebte er nur noch im Schatten dieser Elendshäuser, toie begrenzten jetzt sein ganzes Dasein. Und er wußte: diese stinkenden Hinterhöfe waren gefährlich«, kreisende Wirbel, die den, welck)er hineingeriet, nicht mehr losließen. Er tastete auf dem Tisch herum und fand den Stummel einer Zigarette. Er zündete ihn an. In dem aufglimmenden Schein stand das Zifferblatt des Weckers wie ein verschwommenes Gesicht. Zell , ins Kino zu gehen. Peter Leidig nahm den Hut und den ver- schlissenen Lodenmantel und verließ sein« Behausung, ohne Licht zu machen. Er ging durch den üblen Brodem der beiden Höfe, aus denen das Geschrei, das Gelächter und Gejammer einer zertretenen Menjch- hell wie eine ungeheure Anklage emporquoll. Peter würgte es. Aus der Straße flog ihm ein wässeriger Schnee ins Gesicht, verllebte die Augenlider. Sofort drang die Nässe durch die mürben Schuhf. Die Menschen trieben an ihm vorbei wie grau« Ströme, hoffnungslose Ströme, die irgendwoher kamen und irgendwo verrannen, in ihrer Dumpfheit nicht wissend, wahin und wozu. Ein uiiilares Verbunden- heit-gesühl wärmte ihn plötzlich. Er fühlte sich ausgegossen in diesen grauen Strom, war«in Teil davon, trieb in ihm. Ein« halbe Stunde später leierte er mechanisch:„Bitte, die Herr- schaften, hier sind noch zwei Sitzplätze! Programm gefällig mit Fiimbeschrcibmig? Zehn Pfennige!"— Dann wurde es dunkel. Peter pstegte sonst kaum»och dem Film zu chigen. Sein eigenes Leben bot Kitsch genug. Heute aber wurde sein Interesse wach. Ein Studentensilw ging über die Leinwand. Heidelberg — natürtich! Lachlüste Marianetten mit Mütze und Band bewegten sich eckig durch Kneipen, Frühling und Mondschein, näselten, bramarbasierten, soffen und schmachteten. Blonde Mädchen, auf süß frisiert, verdrehten tellergroß gemalle Augensterne.„Ekelhatter Schwindel!' knurrt« Peter Leidig. Seine Finger zuckten, er wurde immer erregter. So etwas setzte man dem Publikum vor! Für diese geschniegellen Schemen auf der Leinwand gab es ja nichts als Saufen. Singen. Raufen und Verliebtsein! Ein einziger Festtag in Walhall war ihr Leben. Aber frellich— das war der deutsche Student, wie er noch heute unverrückbar im Bewußtsein der b teilen Masse stand. Und die Wirklichkeit? Er dacht- an die Tausende von Werkstudenten im Lärm and Oualu, der Fabriken, an die Tausende, die keine Arbeit
fanden, an andere, die als Salzstangeuverkäuser und Zeitungshändler elend verkamen. Er dachte an seinen eigenen Weg, an tausend Qualen und Demütigungen. Bitterkeit überwand ihn.„Sa ein DreckfilmI" Laut hatte er es gerufen. „Ruhe! UnerhörtI" Empörtes Echo silmbegeisterter Spießer. Es war gerade so stimmungsvoll, Neckarwellen glitzerten im Mond- licht. Peter Leidig sah es mit Fieberaugen. Seine Kehle war trocken, irgendein heißer Ball stieg aus der Leere des Magens in ihm auf. Da vorn ober kreisten jetzt die Römer, Wein floß in Ströinen, und dann sangen sie selig grölend:„0 alle Burschenherrlichkeit!" Peter Leidigs mürbe Nervensäden rissen. Zusammengeballte Billcrtsts vieler Jahre drängte zu vulkanischem Ausbruch.„Auf- hören!' brüllt« er mit aller Lungenkrast..Lüge! Verfluchter Schwindel! Lüge!' Seine Stimme überschlug sich, immer wieder kreischte er:„Lüge! Aufhörenl" Er wurde schnell überwältigt. Nach dem Ausbruch fiel er zu- sammen wie ei» leerer Sack. Ms er draußen auf der nassen Straße stand, wußte er von dem Tunustt nur noch das eine, daß ihn der Geschäftsführer sofort hinausgewqrfen hatte. Er ging mechanisch in derselben Richtung weiter, in der er sich lmedergefuvden hatte. Mantel und Hut hatte er vergessen. Er fühlt« die Nässe imd Kälte nicht. Mit ausgelöschte» Gedanken ging er wie«in Nachtwandler. Chauffeure und Trambalmführer stoppten fluchend ihre Wag««- Peter hörte die kreischenden Bremsen nicht. Einmal kam es ihm zum Bewußtsein, daß er sich immer weller von seiner Wohnung ent- fernie. Sollte ex umkehren? Nein! rebellierte alles in ihm. Er war zu müde, de» Kampf noch einmal zu beginnen. Nql�äune krochen vorbei, die gäternen wurden spärlicher. Dll Stadt versank. Aus der Kneipe des letzten Hauses drang noch Lärm und Singen. Sonst herrschte«ine streichelnde Rul>e. Der hohe, dürre Arm eines Kranz wuchs aus dem Dunkel. Hier lag der aste Fluß- Hafen. Unter dem steinernen Kai gurgelte in eisiger Schwärze de? Fluß. Darüber stand die Nacht und breitete sich Peter Leidig«nt- gegen wie eine gütige Mutter. Noch einmal zögerte er. Dann reckte er sich auf und ging wie ein Vefreller in das Dunkel hinein. Niemond hörte das leise Aufplätschern des Wassers. Alles blieb still. Nur aus der Kneipe drüben scholl gedämpft der Lärm her- über. Ein Stammtisch ekstatischer Kanzlisten, trunken vom Bier und dem süßen Kitsch des vorher genossenen Studentenfilms, gebürdete sich„akademisch'—» deutschen Mannes höchstes Lebensgefühl!—. kornmersierte und sang:„0 alte Burschenherrlichkeit!", Ä»« SZeHyedäcUlnis der tßietien Ein sicheres Zeitgedächtnis bei Bienen hat Beling in Versuchen am Zoologischen Institut der Münchcner Universität festgestellt. Die Versuche wyrden mit der sogenannten Dressurmechode im Freien ausgeführt und die einzellien Bienen durch bunte Tupfen mit Schellockfarb« kenntlich geinacht. Zu bestimmten Tagesstunden wurden 5 bis 14 Tag« hindurch den Bienen Futterschalch«,, gereicht. und auf diese Art gelang es rasch, die Lienen aus jede beliebige Tageszeit zu„dressieren", dos heißt auch wenn zu den gewohnten Zeiten kein Futter gereicht wurde, stellten sich fast alle dressierte» Bienen zum richtigen Zeitpunkt an den Futterplatzen ein. Wechsel der Witterung, der Temperatur und des Feuchtigkeitsgehaltes der Lust übten aus dieses Zeitgedächtnis keinen Einfluß aus. Eine befriedigende Erklärung des Zeitgedächtnisses der Bienen läßt sich bis heute noch nicht geben, da die Annahme, daß es sich zum Beispiel um ein in regelmäßige� Zwischenräumen wieder- kehrendes Hungergefühl handelt, nicht zutrifft: denn die Flugbienen geben ja das gesamte Futter im Stocke ob. Wahrscheinlich hängt das Zeitgedäckstnis der Bienen mit der Tatsache zusammen, daß manche Futterpflanzen in ihrer Hanig- und Pollenerzeugung zelllich eng begrenzt sind, indem sich zum Beispiel manche Blüten, wie Wuchweizen usw.. nur zu bestimmten Tageszeiten öffnen. Di« Bienen mußten also lernen, sich dem biologischen Rhythmus der Pflanzen anzupassen, und diesem Umstand ist mahl die Ausbildung ihres erstaunlichen Zeitgedächinijses zuzuschreiben, Der llnlerjchied zwischen Kautschuk uud Guttapercha bestellt darin, daß Kautschuk, der«in elastischer Körper ist, mit dem Schwefel eine Verbindung eingeht, während sich Guttapercha mll Schwefel nicht verbindet. Guttapercha ist auch nicht elastisch, sondern fest {plastisch�. Ein Eisberg, der in lOu Meter Höhe Aber dem Meeresspiegel emporragt, taucht um das Siebenfache seiner oberen Länge i» dos Meer hinab. Die Flügelmuskela der vöget haben eine zwanzigfach größer« Hebekraft ats di« Armmusketn d«s Menschen.