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Dr. Annellele Modest Mussorgsky

Landau:

Zu seinem 50. Todestage am 16. März

Solange das Volk nicht selbst nachprüfen fann, was man aus ihm zusammenbraut, solange es nicht selbst den Willen hat, daß Dieses oder jenes aus ihm zusammengebraut werde, bleibt es immer auf dem gleichen Fled," schreibt Mussorgsky 1872 feinem Freunde Staffom, nachdem die Zensur den letzten Revolutionsaft des Boris Godunoff" endgültig gestrichen hatte, weil er die Jugend gegen das zaristische Regime verhete! Allerhand Wohltäter und Bolks­beglücker verstehen es portrefflich, Ruhm einzuheimsen und ihre Be­rühmtheit noch dokumentarisch zu besiegeln, das Bolf aber stöhnt, und um nicht zu stöhnen, besäuft es sich und stöhnt noch mehr: am gleichen Fleck!" Stassow widersprach nicht, denn Mussorgsky hatte das Recht, anzuflagen.

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Der aus dem russischen Altadel stammende, etwas gedenhafte, Don Frauen umschwärmte Offizier mit dem leicht schnarrenden Zon" wie Borodin sagt hatte nach drei Jahren feinen Ab­fchied aus dem Garde- Infanterieregiement und damit aus der tra­ditionellen militärischen Karriere überhaupt genommen. Er wußte damals ganz genau, daß er mit diesem Schritt aus den ersten Kreisen der russischen Adelsgesellschaft ausschied. Und als 1863 die Leib. eigenschaft der russischen Bauern gefeßlich aufgehoben wird, kämpft Mussorgsfy gegen den Abel auf Seite der Bauern für die Durch führung des Gesezes, obgleich er mit der Befreiung der Bauern feine eigene petuniäre Unabhängigkeit seine Güter verliert und gezwungen ist, in subalternem Beamtendienst sich ein Minimum für feine Lebensbedürfnisse selbst zu erarbeiten. Oft genug reicht das Berdiente dann nicht einmal für ein möbliertes Zimmer, und er muß Jahre hindurch Raum, Klavier und Schreibtisch mit seinem Freunde Rimsky- Korsakoff , später mit dem Dichter Rutusoff teilen. Biel Ruhe bleibt ihm da freilich nicht zum fünstlerischen At Betten, besonders, da er nicht zu jenen gehört, die ihre Phantasie fonumandieren fönnen. Für Mussorgsky sind die schöpferischen Stimmungen" wie er Frau Rormalina 1874 gesteht nicht Teicht einzufangen und launenhafter als die fapriziöfefte Stofette; man muß sie zu erhaschen suchen, indem man sich ganz und gar ihren unberechenbaren Weisungen fügt." Hat er sie aber eingefangen, dann schafft er in einer Art egaltierter Beseffenheit: Ich arbeite mit Bolldampf; Töne und Gedanken schwirren nur fo in der Luft; ich schlude sie mit Heißhunger und finde faum Zeit, alles aufs Papier zu frigeln." In solch efstatischen Stunden entstehen 5 Opern, 5 Orchester und 16 Klavierwerfe, 7 Chöre und 65 Lieder.

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Und sie alle kämpfen für den unterdrückten, ausgestoßenen, ge­hezten Menschen. Ohne jede Schönfärberei läßt sie Mussorgsky vor

Richard Huelfenbeck:

uns hintreten: das bestrafte Kind, das in der Ede steht und auf die ungerechte Amme böse ist, die junge Frau, die ihrem alten Mann durchbrennt,- den Bauern, der im Schnee erfriert, einen Blöden, der ein schönes Mädchen um ein bißchen Liebe anfleht, oder das unterdrückte, gehetzte Bolf in seiner Gesamtheit, wie im Boris Godunoff" oder in dem revolutionären musikalischen Volks­drama Chowanschtschina", das als radikal" von der Hofoper abs gelehnt und von der Zenfur verboten wurde. 50 Jahre weit haben die russischen Zensurverbote ihre Schatten geworfen, denn erst seit ungefähr zehn Jahren beginnt man Mufsorgsty, den revolutionären Menschen und den revolutionären Musiker zu entdecken. Erst seit zehn Jahren scheinen wir die dissonanten Akkordfarben zu begreifen, die Mussorgsky, der Autodidakt, völlig aus sich heraus zum Ausdruck seiner Ideen fand. Man lehnte Mussorgftys Kompositionen als ein Berbrechen an der russischen Musit" ab, und noch 1908 entschuldigt sich Rimsky - Korffatoff, daß er bei der Herausgabe eines Klavier­auszuges der Heirat" von Mussorgsky neben seiner Bearbeitung, die die Ecken und Kanten dieser eigenwilligen Musik ganz unberech ligterweise zu glätten fucht, auch die originale Fassung für die Bewunderer Mussorgskys, deren Gehörfinn feine allzuhohen An­sprüche stellt", noch stehen läßt. Doch Mussorgsky fämpft, getreu seinem Wahlspruch:" Borwärts zu neuen Ufern!" unermüdlich gegen die ganze ihn mißverstehende Welt.

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Ein Jahr vor seinem Tode padt ihn die Angst, die Zeit, die er zum Berwirklichen seiner tünstlerischen Pläne noch braucht, fönne ihm nicht mehr gegönnt sein. Und in dieser Angst tritt er plöglich aus dem Beamtendienst aus, denn die Forderungen der Kunst an die heute Schaffenden sind so ungeheuer, daß sie den ganzen Menschen beanspruchen. Die Folge: Er sieht sich eines Tages vor der Notwendigkeit, auf die Straße betteln zu gehen. Eine be freundete Familie nimmt ihn auf. Doch schon am nächsten Tag veranlassen mehrere Schlaganfälle seine Einlieferung ins Kranten. haus, er erholt sich, plant neue Arbeiten, doch in einem unbewachten Augenblid betrinft er sich finnlos und stirbt.

Sein Wert gehört trok seines russischen Gepräges der gesamten Menschheit, denn es erfüllt die Forderung, die Mussorgfty fich felbst gestellt hatte: Ein Kreuz habe ich mir aufgebürdet und werde erhobenen Hauptes, mohlgemut und heiter mich gegen alle wenden, zu einem leichten, starten wahrhaften Ziel, zu der wahren Kunst, die den Menschen Liebe entgegenbringt und in seinen Freuden, Schmerzen und Leiden lebt und webt."

Es ist wahr: wenn man es länger aushält, wird man von der Eintönigkeit erdrüdt, und mas anfangs prachtvoll wild und gesund

Stiergefecht in Mexiko ſchien, wird unerträgliche Mordſucht. Die Tapferkeit der Menschen,

Ich bin oft in meinem Leben in Stiergefechten gewesen und habe auch oft die Meinungen für und wider diese Schaustellungen gehört. Bor dem Kriege, entsinne ich mich, gab es in Madrid eine deutsche Aristokratin, die einen Tierschutzverein gegründet hatte und ihre Arbeit hauptsächlich gegen die Stiergefechte richtete. Sie ist ge­scheitert. Die Stiergefechte sind in den spanisch sprechenden Ländern ein Boltsvergnügen; selbst die Königin von Spanien , eine geborene Engländerin, mußte nachgeben und den feierlichen Stiergefechten beiwohnen. Sie soll dabei wiederholt in Ohnmacht gefallen sein.

Hier in Merito spielt fich alles das, was wir grausam finden, noch ein wenig wilder und ungezügelter ab. Es gibt allerdings Stiergefechte, bei denen die Volksmenge ganz ruhig bleibt. Diese Beute sind Kenner, und es hängt alles von der Güte der Matadore und der Stiere ab. Benn aber ein großer Tag ist, kann man das Bolt, Männer, Frauen und Kinder in einer Art ursprünglicher Bildheit sehen wie sonst nirgendwo auf der Welt.. Jede Bewegung beliebter Stiertämpfer wird mit ungeheurem Beifallsgebrüll begleitet. Die Stierfämpfer und die Menge spielen zusammen; aus der Menge werden Hüte in die Arena geworfen: das ist ein Zeichen besonderer Aufmerksamkeit für den Matador. Der erfolgreiche Matador ist cin Stlave der Menge; immer und immer wieder muß er die Arena umfreisen und sich bedanken. Die Menge erhebt sich, zieht die Laschentücher und die Arena dröhnt von ungeheurem Jubel.

Die leidenden Helden sind die Stiere; aber sie werden genau so behandelt wie die Männer, die sie umzubringen haben. Läßt ein Stier es fich einfallen, der Tapferfeit besseres Teil zu wähien und vorzeitig dem Stalle zuzutraben, wird er mit Hohngebrüll über­jchüttet. Su gleicher Zeit beschimpft man die Unternehmer mit allen Schimpfworten, die der spanischen Sprache zur Verfügung stehen. ( Es gibt feine Sprache, in der man so aufgeregt schimpfen tann wie die spanische.) Im allgemeinen aber sind die Stiere sehr mutig. Sie galoppieren und springen wie die Windhunde; und ich habe es oft gesehen, wie sie die erste Einfriedung überkletterten und die dort martenden Matadore und Stalldiener zu schleuniger Flucht zwangen.

Die Etiertämpfe sind hier eine Art primitiver Ableitungs­möglichkeit für Instinkte, die die Zivilisation nicht mehr wahr haben mill. Es gibt, wie gesagt, Stiergefechte, bei denen die Menge gänzlich ruhig bleibt: das sind die mißlungenen. Es tommt alles darauf an, daß die Erregung so gesteigert wird, daß sie den mystischen Buntt erreicht, der die Lust der Zuschauer ganz befriedigt. Dann tönnen auch die Unternehmer sicher sein, daß ihre Taschen gefüllt werden. Um zu diesem müstischen Punkt zu kommen, bedarf es eines, wie foll ich als Deutscher das nennen eines Genies der Arena. Für diese Arbeit haben die Unternehmer einen Mann im Hintergrund, der sein Handwerk ganz meisterhaft versteht.

Alle berühmten Matadore sind aus Spanien , auch hier in Merito. Man sieht ihren Gefichtern an, daß sie, ebenso wie ihre tlerischen Gegner, Produkte einer langen Zucht sind. Diese guten Stierkämpfer sind von vollendeter männlicher Schönheit; und man versteht die Begeisterung der Frauen. Ihre Bewegungen sind so graziös, doch dabei fraftvoll, daß jede Tänzerin davon lernen tann. Bei den Kämpfen ist eine Bewegung um so beifallswürdiger, je langsamer und ruhiger sie ist. Sie darf unter feinen Umständen Angst vor dem Gegner verraten.

Die ganz großen Stierfämpfer machen alles selbst; sie überlassen die Arbeit mit dem roten Tuch nicht den Toreadoren( von denen es Duzende in der Arena gibt); fie find ihre eigenen Banderilleros und selbstverständlich stechen sie den Stier auch selbst ab. Der Endkampf ist es, auf den es antommt. Hier zeigt dann der Matador seine große Kunft. Wenn der Stier so ermüdet ist, daß er nicht mehr jeden Gegner annimmt. entwickelt fich zmifchen ihm und feinem wirklichen und legten Gegner eine Art graufiger Vertrautheit. Stier und Matador bewegen fich mit Ruhe. Sie sparen Kraft. Ich habe Stierfämpfer gefehen, die fich dem Gegner auf Knien nahten; oder fte standen mit dem Rücken den totbringenden Hörnern zugewandt,

die sich hier den Hörnern des Stieres anbieten. steht in feinem Ber hältnis zu der des Stieres, der ganz allein gegen einige Duhend berufsmäßig gedrillter Töter zu kämpfen hat. Die Waffen sind nicht gleichmäßig verteilt. Nach einer Stunde roch ich das Blut.

Man wird die Stierfämpfe nicht beseitigen können; hier in Merito insbesondere, wo zu der primitiven Einstellung der Lolonialen Eroberer die indianische Lust am Umbringen fommt. Ein Menschen­leben gilt hier nichts. Wer sollte sich um die Qualen eines Stieres fümmern? Hinzu kommt, daß die Stiergefechte eine Industrie sind, an der sehr viel verdient wird. Die Unternehmer, die sich auf ihr Fach verstehen, werden alle schwer reich. Ich habe einen Unternehmer tennengelernt; er ist schon aus dem Geschäft heraus, hat eine Billa in Roma( Vorstadt von Merito City); und die Liebhaberei seiner alten Lage ist die Delmalerei. Und das Tollste ist: der alte Knabe hat Talent.

Diebesgut in der deutschen Sprache

Ein jeder Stand hat, wie allbetannt, seine besondere Sprache: nur den Standesangehörigen ist sie zugänglich, den Standesfremden ein Buch mit sieben Siegeln. Wir wollen mur an die Handwerker­Sprachen, die Studentensprache, die Artistensprache erinnern. In unferen Tagen, wo des Boltes Not vielfach auch an des Volkes Chr­lichkeit nagt, wo der Stand der Gauner leider so sehr ins Kraut mächst, sei auf die Gaunersprache, das Rot welsch, hingewiesen. Der Name Rotwelsch " führt uns schon in die Jaunersprache hinein, nicht an die rote Farbe ist dabei zu denken, sondern an rot, ten Bettler, vor allem den lijtigen. Das Rotwalsch ist freilich mit manchen ausländischen Flittern verbrämt, aber doch eine Bolts­und Landessprache geblieben, von der so manches Wort unbewußt über die Lippen ehrlicher Leute kommt.

Bei dem Gesang des Liedes Schenf mir Moos und bleib mein Freund" denten mohl nur wenige daran, daß sie einen jüdiſch­deutschen Ausdrud für Geld gebrauchen, das in dem Studentenwort Moses und die Propheten haben" zum 3wede des Wortspiels um­gewandelt ist. Und wieder eine andere Umformung des Moos", bie uns noch mehr überrascht, lesen wir in der befannten Redensart: Er weiß, wo Bartel den Most holt." Moderne Geldschrankknader oder Knabberer, besonders wenn sie gutfituiert sind. nehmen freilich heute nicht mehr den Bartel mit, in dem wir ein Eisen, Brecheisen, nach dem hebräischen barzel", zu suchen haben. Wenn man hört, jemandem sei der rote Hahn aufs Dach gefegt worden, braudt man nicht auf mythologische Borstellungen vom Feuer als einem lebendigen Wesen zurückzugehen, sondern hat an die Gaunerzinten,

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MEISTER RATEGUT

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beginnt!

Morgen schon können Sie die ersten Ergebnisse seiner Tätigkeit sehen: Wundervolle Frühjahrs- Mäntel und -Anzüge vom letzten modischen Stil in einer fabelhaften Ausmusterung. nicht zu unterbieten! Preise Rategut ist eine Kanone, er ist der be­deutendste Kleiderfachmann Europas . Er hat einen glänzenden Schnitt, den erlesensten Geschmack, kurz eine Fach­kenntnis, dieSpitzenleistungen schafft. RATEGUT BRINGT BERLIN DIE IDEALE HERRENKLEIDUNG. Aber er kann nicht nur ungeheuer viel, er hat auch den anständigsten Charakter( daher sein Name!). Sein guter Rat wird Ihnen und uns dienen. Meister Rategut erwartet Sie.

die Geheimzeichen der Gauner, zu denken, die vielfach mit Rotel RA GLAN an Kirchen, Rapellen, Häusern usw. angebracht wurden und in imprägnierter Gabardine

denen der Hahn Brandstiftung bedeutet haben soll. Für das volts. tümliche Wort nassauern", auf Kosten anderer sich einen Ges nuß verschaffen, flingt die Erklärung, es fomme von einem najfaut­schen Freitisch an der Universität Göttingen her, nicht gerade sehr wahrscheinlich, eher ist wohl auch hier auf das Rotwelsch zu ver weisen, in dem naß" ohne Geld befagt. Freilich findet sich schon sor mehr als drei Jahrhunderten nasser Knabe" in dem Sinne, verschmigter, verschlagener Gesell, Abenteurer. In ein paar Wochen, nach Abschluß des Schuljahres, werden viele Knaben mit heißem Bemühen danach suchen, eine Stellung als Lehrling zu bekommen. Denn sie ist ja die Eingangspforte zum einstigen Würdenplage eines Prokuristen oder gar Chefs. Der üblichste Spitzname für den Lehre ling ist aber Stift, und auch er dürfte dem Rotwelsch entlehnt fein, in dem Stiftgen" ein Knäbchen ist. Die fleine Auswahlsamm lung von Diebsgut der deutschen Sprache wollen wir mit ein paar harmlofen Schimpfwörtern abschließen, die über das Gamertum in unfere Umgangssprache gebrungen sind: dem lächerlichen Narren, dem Schaute, wahrscheinlich füdisch, rabbinisch ber uns schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begegnet, und dem Raffer, dem unftätigen Mensten, dem Bauernliimmel, denn er

mit Kunstseide

gefüttert, auf 39­

Kamelhaar M.

ULSTER frische perlende Cheviot­Musterung in aparten Mode­farben. Mark

47­

SLIP ON aus bestem reinwollenen Homespun, erst­

klassiges deut- 75­

sches Fabrikat

CHESTERFIELD in blau und grau, zwei­reihig, sehr gut

tailliert, langes 75­

Revers. Mark

Leineweber

Das Haus das Jeden anzieht

als ob ber Etter für fie gar nicht vorhanden gewesen wäre. Es gibt bedeutet eigentlich Der bewohner, hat aber mit dem südafrikanischen Köllnischer Fischmarkt

eine Menge von Regeln und Stellungen, mit benen man sich um den Stier bewegt: einfache und doppelte Drehungen, Saltos und Tiraden. Der gute Stiertämpfer muß fie alle fennen.

Boltsstamm nichts zu tun. Wenn wir ihnen vorwerfen, fte redeton

Rohl, so ist doch dieser nicht auf deutschen Boden gewachsen, fon 2, Geschäft: Brunnenstraße 171

bern stammt som hebräischen Röl", Stimme, Rede her. R. B.