Beilage
Freitag, 20. März 1931
Do you speak english?
Erfahrungen und Betrachtungen Von Heinrich Von Heinrich Hemmer
Was soll man dazu sagen? Man hat auf Französisch gedacht und gefühlt, auf Italienisch geträumt, und auf Englisch ein ileines Vermögen verdient und wieder verloren. Eines Tages sitzt man dann im teuren Vaterland in einer kleinen Fischback stube and beobachtet, wie das Servierfräulein zwischen 65- und 85- Pfennig- Platten, die sie aufträgt, verstohlene Blide in ein Büch lein wirft, betitelt:„ Englisch : zum Selbstunterricht." Was man durch jahrzehntelanges Ohrenspiken, durch die kompli ziertesten Erfahrungen seiner Hände, seines Kopfes und seines Herzens sich mühselig angeeignet, versucht ein couragiertes Fischback stubenfräulein und mit ihr wie viele eingeengte Deutsche , die sich mit der Weltsprache die Welt erschließen wollen einem Handbuch zu entnehmen. Ist es denn möglich, modetne Sprachen gebrauchs fertig aus Büchern zu erlernen... und auf welche andere Weise cignet man sich im eigenen Lande eine fremde Sprache an: rasch, billig, praftisch, schmerzlos?
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jeder informiertere Weiße, daß für ihn zu seinesgleichen Pigeon English einer Rassensünde gleichkäme
Was ich dem armen Backstschfräulein zumuten würde gleich zu Anjang als unsezierten Brocken zu schlucken, wie unverdaulich das ist, dürfte sie gar nicht gewahr werden. In den ersten vier, fünf Stunden tobt eine Schlacht, in der eine Operationsbajis im fremden Gebiete gewaltsam angeeignet werden muß, von der aus freisförmig das Terrain zu erweitern ist.
Ich erweitere den Wissenstreis, nach Analogien fortschreitend, durch niedergeschriebene Gespräche, die dem Interessenkreis des Sprachaspiranten folgen, also vorerst nichts dem Herzen eines Fischbackstubenfräuleins Abträgliches enthielten und erst allmählich auf Fernes, Vergangenes, Abstraktes übergleiten. Ich würde es als meine Pflicht erachten, die Fischmamsell gleichzeitig in die nicht sehr tiefen Geheimnisse des englischen Konversationsstils einzuweihen. Sie darüber aufzuffären, daß How- do you- do, im Alle Methoden führen natürlich in einer bestimmten Zeit oder Eintreten oder vorübergehend gesagt( tein noch so gut spcatender bei bestimmten Menschen einmal zum Ziel. Ein Detmolder hat im Schweizer Hoteldirektor weiß es) ein mit denselben Worten zu Gefangenenlager das spanische Wörterbuch auswendig gelernt: auf beantwortender Gruß ist und das langweilige Gequafe über das Seite 375, furz vor dem Worte panza( der Bauch) wurde er wahn- etter nur eine Einleitung zu einem persönlichen Gespräch. sinnig... aber das beweist nichts gegen diese spanische Methode, Nach einem halben Jahr könnte das Fischfräulein mit jedem einman muß sie nur durchführen können. Ich habe Englisch ursprünglich tretenden Engländer fertig werden: zumal englische Tischgäste eine ( unter Kontrolle eines Schullehrers, der selber nicht sprechen konnte) sehr zahme Sorte sind und das Trinkgeld verschämt unter ebenfalls aus Büchern gelernt oder vielmehr nicht ge= den Teller legen. Es wäre alsdann Zeit nicht, nein, um Gotteswillen nicht einen der von miserablem Deutsch - Englisch lernt. Die vorgezeichnete Aussprache löfte sich in eine Art monotones Gegurgel auf, mit dem ich in England Aufsehen erregte, als ich auf| widerhallenden Sprechzirkel aufzusuchen... sondern sich an engdie Frage: was das für eine Sprache sei, entrüstet erklärte ,, Englische Kreise oder alleinfreisende Engländer heranzupürschen, die lisch"... und mich zu beweisen anschickte, daß ich als gewissenhafter ihr Englisch noch nicht durch Unterrichtgeben verdorben haben. Deutscher die Sache im Urgrund erfaßt hätte. Ehe Sie sich dann fopfüber in die englische Literatur stürzen und Grammatifen mit Nußen und Interesse zur Hand nehmen, Fräulein, müssen Sie noch diese höhere Weihe erleben: Sonnabend oder Sonntag von 4 bis 6 englisch zu fühlen, zu sehen, mitzuempfinden, auf Englisch gerührt zu werden und zu lachen die Komödien dieses Komödienvoltes müssen Sie sehen: und Sie tommen ihm gleich um viele hundert Meilen näher.
Was ist Englisch ? Alles Mögliche: eine ganze Enzyklopädie menschlicher Lebenserfahrungen. Was die Bibel unter den Büchern ist, ist Englisch unter den Sprachen. Man schöpft Unendliches darous, denn unendlich viel wurde hineingegossen. Ein Autor schreibt romanisierendes Englisch, daß die Franzosen die Augen aufreißen, ein anderer, nicht geringerer, germanisierendes, daß die Deutschen die Augen aufreißen. SchottischEnglisch ist guttural( ,, ä breit brecht muntecht necht", sagt der Schotte für eine schöne Mondnacht). Die Iren rollen das„ R", das die Engländer buttermeich wie ein" W" aussprechen... die Cockneys nehmen die" überall meg, mo sie hingehören, um sie dort hinzustecken, mo fie nicht hingehören, außerdem sagen
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Der Abend
Shalausgabe des Vorwärt
Sollte mans für möglich halten: hier in Berlin ..., wie voll das Theaterchen ist, alles Stammfunden, solide Weiterlerner, unentwegte English speaker: ja, man ist bei der Sache. Das Pärchen zu unserer Rechten übersetzt sogar seine Liebe auf Englisch , und links der Graufopf liest im Textbuch mit und hat das nervenerlösende ffeine Oxford dictionnary ju seiner Assistenz, das ihm alles Eng
Und nun beobachten Sie auf der Bühne, diese raffinierte Schlichtheit, diese genau ausbalancierte Art, gemisse Dinge zu sagen, durchblicken zu lassen, zu verschweigen: wie ein nationaler Rhythmus wirkt der englische Konversationsstil. Die Form wird im Affekt durchbrochen, aber nicht zerstört. Leicht findet man zurück zu ihr, wenn die Hausfrau im Augenblid, wo alles drunter und drüber geht, sagt: sezen wir uns erst alle einmal ruhig zum Lunch: " Das kann nie schaden."
Sollte man es für möglich halten, daß diese sich so typisch eng lisch gehabenden nonchalanten Schauspieler- Deuisde jind? fogar die urenglische blonde Schönheit mit dem englischen Namen, die gar keine Rolle, sondern nur sich selbst zu spielen scheint! Vielleicht stellen die echten Gebärden mit der echten Sprache von selbst sich ein... in den überlegten englischen Stücken sucht man sie auf den Berliner Bühnen vergebens..
Und der begeisterte Applaus. Ein junger Enthusiast ließ es sich nicht nehmen, mich, den er für einen in Berlin verlorenen Engländer hielt, zur U- Bahn zu bringen und goß während der Fahrt sein ganzes schepperiges Schulenglisch über mich aus ich hatte nicht den Mut, ihn zu enttäuschen und gab mich als verbohrten Briten ...
So lernen Sie Englisch beherrschen: immer von einer Hand in die andere schlüpfend, in die englische, in die deutsche , in die eng lische: ich habe es 20 Jahre lang gemacht. Was sagen Sie, Fräulein verdienen? Es gibt so viele( aus allen Teilen der Welt) rücktransportierte deutsche English speaker, die das englische Lied in allen Tonarten und mit allen Finessen vorsingen, was soll man da verdienen? Ich bekomme alle drei Monate gin vier Seiten langes verklausuliertes Fachmanuskript, reiße wie ein Löwe die Sazzmonstren auseinander, übersetze sie in vernünftiges Deutsch ... dieses in amerikanischen Zeitungsjargon und erhalte dann, erschöpft auf dem Boden liegend, 10 Mart
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,, Honorar".
Aber jetzt muß ich Sie ernstlich bitten, Fräulein: Sind Sie nicht gehend mir zu kriegen einigen Fisch? Ich habe feine mehr Zeit!"
Die Schicksalsstunde der Republikoper
fie laidy statt lädy, was eine Lady ausschreien läßt; die em Wird die Oper am Platz der Wird die Oper am Platz der Republik diese Spielzeit überleben
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mörifans( USA ) sprechen mit starren Lippen durch die Nase... nnd mas sie und die breitspurig speakenden Australier sich für ein spezifisches Jargon leisten, darüber kann man Bände schreiben. Das Romdyenglisch ist wohl die unflätigste menschliche Ausdrucks weise, jedem Substantiv geht ein Fluch oder eine 3ote als Affirum voran... und eine zimperliche Miß spricht eine fast ätherische, hauchzarie Sprache. Wie will sich in dieser Gesellschaft ein Fischbackstubenfräulein zurechtfinden? Ein neutrales Bücher englisch existiert( außerhalb der Bücher) überhaupt nicht. Es gibt als Norm nur ein in den Schulen, auch den entlegensten, mit mehr oder weniger Klangfarbe gelehrtes feines" Englisch , die Gesellschaftssprache, von vielen, leider auch kolonialen Kreisen snobistisch topiert und als Kriterium, sozusagen als Paßport der Bollgültigkeit angesehen. Sie machen den Mund auf und sind erkannt, tațiert. Das ist ja der Mühlstein um den Hals der englischen Demokratie, daß die Konversationssprache, das, mas mir die Sprache der. Gebildeten nennen, drüben eine Salonsprache, eine Aristokratensprache ist, ähnlich wie im alten Oesterreich. Man hört sie( so verhaßt sie dort auch ist) im australischen Busch wie in ciner burmesischen Bar, und auch der Tramp fehrt in Frauengesellschaft nicht selten den gentleman heraus
Jedenfalls ist die Sprechweise im Englischen eine konventionelle, sehr eigenartige, infufare, spleenische, raffiniert modulierte und zu gleich, im. Grundton spießerische, man fommt ihr nicht mit der Grammatif, auch nicht der Konversationsgrammatik bei( mit der man, mer tie Aussprache erfaßt hat, in Frankreich und Italien den Vogel ab schießen kann)... aber, so weit meine Erfahrung reicht, ganz gut auf andere Weise.
Man lernt, wenn Sie mir glauben wollen, English speaken, durch Vorkanen, durch Demonstrieren, wie die dazugehörigen Tisch manieren und Umgangsformen. Kein Wort darf über Ihre Lippen tommen, Mamsell, das Sie nicht als reifes Klanggebilde vom lebendigen Baume der Sprache gepflückt haben. Irgendein perfekter English speaker wird Ihnen heute gerne für ein Fischessen die nötigen zwei Viertelstunden die Woche etwas zum Nachplappern vorplappern: fiar, scharf atzentuiert, selbstverständlich und komfortabel flingend. Kein Wort auch, Mamsell, ohne illustrativen Satz, und keinen Sazz, der den barocken englischen Idiomen aus dem Wege geht, der wie Ihre übersetzt klingenden Lehrbuchphrasen auskneist, sich hinter eine grammatikalische Regel versteckt. Erfahren Sie, armes Fräulein, daß:„ Sind Sie gehend zu friegen mir einige mehr Kartoffel( are you going to get me
some more
Potatoes)" die einzige naiv- richtige Formulierung der Frage nach
einer Kartoffelzulage ist.
Und schließlich feine brachliegenden Romanstilvolabeln, bitte, nichts nicht unmittelbar zu Verwertendes, sich im Gebrauche immer wieder Abschleifendes. Um Gotteswillen, in diesen ersten entscheidenden Monaten nichts Beschwerendes, fein Bleigewicht an den Schiebfächern des Geistes, die immer auf und zu gehen müssen. Der Mensch ist ein Organismus: die menschliche Sprache ebenfalls.
Um Sie zu unterhalten, liebes Fräulein( auf andere Weise lernt man feinesfalls), lassen Sie sich erzählen, daß es doch noch ein anderes naives, das sogenannte Pigeon English gibt, zwar nicht von den altflugen englischen Kindern gesprochen, sondern von ( ungebildeten) Malaien, Chinesen, Japanern, Südseeinsulanern, Afrikanegern und Kulis aller farbigen Rassen der Welt, und welches ihr Verständnismittel untereinander und mit dem englischen Kaufherrn bildet. Es ist eine unflegierte Sprache für große Kinder, die um alle verdächtigen Worte einen großen Kreis beschreibt. Klavier " heißt beispielsweise auf Pigeon English: eine große Kiste, Madame haut außen drauf, fie schreit innen( big fellow box, Madame hits it outside, she cries inside). Das Dampfschiff war, ehe es in Massen auftauchte, ein rauchschnaubendes weißes Wohn- Walroß, aber jeder Wilde weiß natürlich, daß ein Auta ein motor- car ist und
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Million Mart belastet werden durch Ausgaben, die hier schlechthin überflüssig wären und zu der herrschenden und gebotenen Spartendenz in alarmierendem Mißverhältnis stünden. Es ist nicht zubiel gesagt, daß bei der bisher beiden Häusern gemeinsamen Staatstapelle 45 bis 50 beamtete, also untundbare Kammermusiker durch die Schließung der RepublifDurchschnittsgehalt 5200 M. oper entbehrlich würden. Und welche Notwendigkeit besteht, den Chor der Lindenoper, mie beabsichtigt ist, um 18 Mitglieder Durchschnittsgehalt 4125 M. zu vermehren? Dazu kommt der langjährige Vertrag des Generalmusikdirektors Klemperer. Selbst wenm dessen gegen den Staat angestrengte Klage vom Arbeitsgericht abgewiesen, also der Generalintendanz das Recht zugesprochen würde, ihn fünftig in der Lindenoper zu beschäftigen: ganz sicher ist, daß hier neben Kleiber und Blech noch ein Generalmusikdirektor nicht benötigt wird. Die Summe von etwa 350 000 m., die sich nur aus den Positionen Orchester, Chor, Generalmusikdirektor herausholen läßt, wäre ohne Zweifel zweckmäßiger im Betrieb der Republikoper zu verwenden.
Die Frage steht unmittelbar vor der Entscheidung. Der Landtag | Lindenoper durch zusätzliche Ausgaben von mehr als einer halben hat sie jetzt zu treffen. Ein Antrag des Zentrumis liegt vor, der die Auflösung des staatlichen Opernbetriebes fordert. Die parlamen tarische Situation wird durch die Angelegenheit des neuen Bolts bühnenvertrages fompliziert, nachdem die Abstimmung im Plenum durch die Obftruktion der oppofitionellen Parteien- von neuem verhindert worden ist. Aber durch die Genehmigung dieses Bertrages würde das Schicksal der Republifoper nicht besiegelt. Es ist daran zu erinnern, daß der Vorstand der Volksbühne vor furzem, um jeder Art von böswilligem Mißverständnis vorzubeugen, ausdrücklich erflärt hat:„ Die Volfsbühne fämpft nicht gegen die Fortführung der Krolloper." Und mit erfreulicher Deutlichkeit hat Genosse König jüngst im Landtag ausgesprochen: daß die sozialdemokratische Fraktion sich selbstverständlich für die Annahme des Vertrages einsetzen merde; daß aber, unabhängig davon, Mittel und Wege gesucht werden müssen, um den Betrieb der Republikoper zu erhalten. Das ist genau der Standpunkt, den wir eingenommen haben, seit die Einheit von Wolfsbühne und Republikoper in Frage gestellt war. Für uns werden Republikoper und Volksbühne nie ein Entweder Oder darstellen, sondern die Forderung eines Sowohl- Als- auch"- schrieb der ,, Borwärts" am 1. November des vorigen Jahres. Die Forde rung besteht heute wie damals.
Man weiß, welche ideellen und kulturellen Werte auf dem Spiel stehen. Aber mit ideellen und kulturellen Argumenten sind die Gegner nicht zu überzeugen. Reden wir also nicht mehr von den fünft.erischen Leistungen der Republifoper; nicht mehr von dem Vorbild von Ensemblekunst und fünstlerischem Gemeinschaftsgeist, das Klemperer und seine Mitarbeiter geschaffen haben; von dem Beispiel der strengen Kunstmoral und des tonzessionslosen Ernst- s, das hier der ganzen Opernwelt gegeben wird; nicht davon, daß diese Oper die beste von Berlin ist, das fortschrittlichste Operntheater Deutschlands , das erste, das mit der Tradition des alten Hoftheaters, mit dem System der Repertoireschlamperei gebrochen hat, das erste und bahnbrechende Beispiel einer staatlichen Theaterorganisation auf zeitgemäßer Basis... Die Republitoper foll geopfert werden- welchen Erwägungen, welchen Notwendigkeiten?" So haben wir vor fünf Monaten gefragt. 3wingende finanzielle Erwägungen? Es ist nicht wahr, daß die Schließung der Republikoper einer finanziellen Notwendigkeit entspricht. Auch das ist hier festgestellt und 3iffernmäßig belegt worden.
Die jährlichen Ausgaben, die zur Zeit der Opernbetrieb ere fordert, sind im Haushaltsplan mit 2108 286 m. beziffert.
Diesem Betrag, der von den dauernden Ausgaben abgesetzt worden ist, steht für den gedachten Fall der Schließung ein Abwicklungsfonds" in Höhe von 1117 100 m. gegenüber. Dazu kommt aís weitere Belastung die Summe, die sich nach der Schließung durch den Ausfall der bisherigen Einnahmen ergeben würde. Für diesen Einnahmeausfall find 990 565 M. vorgesehen. Der Betrag wäre erheblich höher, wenn nicht für die ersten drei Monate des Rechmungsjahres, 1. April bis 1. Juli, noch mit den normalen Einnahmen gerechnet wäre. Aber auch so ergibt sich: Abwicklung Einnahmeausfall
Summe
Ausgaben bei Fortsetzung des Betriebes. Keine Deckung vorhanden für
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B
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1117 100 M. 990 565 M. 2 107 665. 2108 286. 621. M.
Es darf erlaubt sein, in diesem Augenblick den Differenzbetrag von 621 m. nicht für entscheidend zu halten. So zeigt sich also, daß es nur nötig wäre, auf Grund der Zahlen des neuen Haushalts den alten Opernetat wiederherzustellen, und alle etatrechnerischen Widerstände gegen die Fortführung der Oper wären überwunden.
Aber mit dieser Rechnung sind die im Haushalt eingeschlossenen Möglichkeiten für die Erhaltung der Repubiitoper noch nicht erschöpft. Tatsächlich foll infolge ihrer Schließung der Betrieb der
Aber da ist noch der neue Solistenetat, der, nur für die Linden oper, mit 1 188 000 Marf dotiert, das heißt nur etwa um 25 Braz. niedriger ist als gegenwärtig für zwei Häuser. Bon 70 Mitgliedern wird das Solopersonal auf 51 reduziert, das durchschnittliche Jahreseinkommen aber um 800 m. erhöht. Das erscheint unverständlich. wenn man sich erinnert, daß eben erst durch die Gagentonvention des Bühnenvereins die obere Gehaltsgrenze sehr erheblich heruntergesetzt und damit in der Tat der Maßstab für alle Solistengehälter, ausgenommers allenfalls die Klasse der kleinsten Gagen, gesenkt worden ist. Mindestens 200 000 Mart könnten aus diesem Solistenetat für die Republikoper freigemacht werden. Wie dies im einzelnen durchzuführen wäre, braucht freilich unsere Belfsvertretzz nicht zu fümmern; man müßte nur den Generalintendanten Tietjen ermächtigen, über die für Oper bewilligten Mittel entsprechend zu verfügen.
Während sich also zeigt, daß für die Ausgaben der Republikoper ausreichende Deckung vorhanden ist, wird es auf der anderen Seite möglich sein, durch weitere Organisierung des Besuchs die Einnahmen erheblich zu steigern, also für die Zukunft den tatsächlichen Zuschußbedarf wesentlich zu mindern. Es ist klar, daß es für die Schließung der Republikoper zwingende finanzielle Gründe nicht gibt.
Ist man sich aber darüber fior, melche Folgen sich durch die
Schließung in sozialer Hinsicht ergeben würden? Ist man sich klar darüber, daß Hunderte von Familien in das hoffnungslose Elend der Erwerbslosigkeit gestoßen werden sollen? Seit Monaten harrt das gesamte künstlerische und technische Personal mit heroischer Ausdauer der Lösung der Frage entgegen, die für jeden einzelnen die oberste Daseinsfrage bedeutet. 70 Mitglieder des Chors, mehr als 50 nichtbeamtete Orchestermusiker, 17 Solisten, fast alle fünſtlerischen Vorstände, dazu etwa 100 Männer und Frauen des technischen, des Garderobe- und Hauspersonals fie alle sind mit der Vernichtung ihrer Eristenz bedroht. Denn selbstverständlich kann nicht davon die Rede sein, daß für sie begründete Aussicht bestünde, anderweitig Beschäftigung zu finden. Zu dieser unmittelbaren tommt aber noch eine mittelbare Wirkung, die in der heutigen Zeit durch die Schließung einer Berliner Staatsoper, durch das vom preußischen Staat gegebene Beispiel, ausgelöst würde. Die Wirkung dieses Beispiels in der gesamten deutschen Theaterwelt ist in der Tat nicht abzusehen.
Die Schließung der Republikoper brächte dem Staat auch für die Zukunft teine nennenswerte Ersparnis. Die Auflösung des Betriebes läßt sich abwenden, ohne daß die finanziellen Dispositionen des Haushalts davon wesentlich berührt würden. Wird sie dennoch vom Landtag beschlossen, so wird das moralische und soziale Unheil, das daraus refultiert, fich nicht abwehren laffen. Klaus Pringsheim ,