Unbekannte Künstler und fremde Städte leichter, Kunstdarbietungen zu erfassen, als den Kern einer Stadt, | ihre wirtschaftliche und soziologische Struktur klar aufzudecken. Reportagen aus einer Fabrik und einem Schwimmbad, die man in die Sendung einschaltet, gaben auch kaum etwas Wesentliches. Denn an beiden Stellen standen nicht die geeigneten Berichterstatter. Statt eines raschen Aufmarsches der bekannten Bertreter des Magdeburger Schwimmsportes brachte man eine farbloje Sportreportage, statt einer charakteristischen Probe aus der In29-1990
Die„ Stunde der Unbekannten" zählt zu den zeitgemäßesten Veranstaltungen der Funkstunde; das Mikrophon ist heute nahezu die einzige Stelle, von der aus Künstlernachwuchs sich der Deffentlichkeit bemerkbar machen kann. Nicht der Rundfunk trägt die Schuld daran, daß Konzert- und Vortragssäle verödet sind. Diese Erscheinung wäre auch ohne Mitwirkung des Radios eingetreten; sie hätte sich dann vielleicht sogar noch frasser gezeigt. Denn die Menschen haben heute für Kunst wenig Geld und wenig
Zeit, und es fehlt ihnen die Begeisterung oder die kritische Sicher
heit, dieses wenige an Neues, Unerprobtes zu wagen. Zum unmittelbaren künstlerischen Erlebnis sind die meisten unfähig geworden; die Anlage dazu, die jedes normale Kind besitzt, wurde durch Erziehung und Umwelt verfümmert. ,, Kunst" bedeutet heute für die größere Hälfte des Publikums Unterhaltung, für die kleinere Ausdruck einer Weltanschauung. Aus dieser Einstellung ergeben fich die naiven Forderungen der verschiedenen Gruppen; die eine wünscht, von der Kunst in bequemen Gefühlsebenen spazierengeführt zu werden, die andere schreit fanatisch nach Vorstößen in bizarre Wildnis, die dritte will schwierigere Wege zwar auch gehen, aber grundsäglich, aus überzeugter Anhänglichkeit an das bewährte Alte, mur in wohlbekanntem Gebiet.
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Uebrigens sind in der Praxis diese Gegensäge nicht so völlig unvereinbar, wie es den Anschein haben könnte. Es gibt auf allen Gebieten der Kunst einige marktgängige Werke, deren Niveau dem einen flach und dem anderen hoch genug erscheint, und die in alten Zeiten einmal eine revolutionäre Tat darstellten, oder deren Schöpfer auf irgendeine Weise Außenseiter der Gesellschaft ihrer Zeit waren. Diese Kunst, die für sehr viele Menschen eine Art Gewohnheitskunst darstellt, wenn auch nur wenige sich dieser Tatsache bewußt werden, umgrenzt den engeren Kreis der klassischen Werke. Werden diese noch, soweit es sich um Ton- oder Wortschöpfungen handelt, von bekannten, erprobten und bewährten Künstlern interpretiert, so find fie der Gunst des Publikums ficher. Für junge Künstler und junge Kunst sind bei dieser Konftellation schlechte Aussichten. Unterdrückung der persönlichen Eigenart oder sehr reklametüchtige Aufmachung sichern dem Künstlernach wuchs noch am ehesten ein Publikum, aber gewiß nicht zum Vorteil der künstlerischen Leistung. So erfüllte der Rundfunk eine dringende Aufgabe, wenn er unbekannter Kunst und unbekannten Künstlern das Podium stellt. Doch das alles genügt nicht. Er muß auch für Zuhörer forgen. Er muß, und das ist die wichtigste Forderung, die an diese Stunde der Unbekannten zu richten ist, das Programm jeder dieser Veranstaltungen so aufbauen, daß der Hörer erwartungsvoll den fünftigen entgegensieht. Wer diesen ,, Stunden" Pritisch gefolgt ist, wird anerkennen, daß der Leiter dieser Veranstaltung, Edlef Köppen , im allgemeinen dieser Forderung gerecht zu werden bemüht ist. Das ist zweifellos schwer, wenn auf billige Konzessionen verzichtet werden soll. Das Programm am letzten Donnerstag war in den literarischen Darbietungen im wesentlichen auf die Welt des Werftätigen eingestellt. Glaubte Köppen, daß es durch Opernarien belebt" werden müsse? Die Sopranistin verdiente es durchaus, den Funfhörern vorgestellt zu werden; den Bariton, der vielleicht nur an schwerem Mikrophonfieber litt, hätte man jedenfalls besser nicht als„ Ent deckung" der Opernabteilung gerühmt. Ueberhaupt dürfte es zwedmäßig sein, Rritit nicht vorwegzunehmen, sondern sie grundsätzlich den Hörern zu überlassen; eine Borkritik stellt ja schon die Auswahl
der Unbekannten dar.
Die Mischung von Opernmusik und Dichtung, die aus dem Altag gewachsen ist, war auf jeden Fall wenig glücklich. Die Unterbrechung der literarischen Darbietungen durch ihnen geistig völlig fremde Musik war weder erfreulich für die Hörer noch für die Künstler; denn diese verschiedenen Teile des Programms wandten fich an ein ganz verschiedenes Publikum. Und Hörern wie Künstlern kann nur dann mit der Stunde der Unbekannten" gedient werden, wenn alle Darbietungen das ihnen gemäße Publikum finden. Am einfachsten und übersichtlichsten läßt sich das erreichen, wenn dieser Veranstaltung jedesmal ein charakteristischer Untertitel gegeben wird. Dabei sei auch noch einmal auf die an dieser Stelle schon früher betonte Notwendigkeit hingewiesen, die Namen dieser unbekannten Künstler im Programm bekanntzugeben. Sonst versinken sie rettungslos wieder in das Dunkel, aus dem sie für einen furzen Augenblick herausgehoben wurden. Damit aber verliert die ,, Stunde der Unbekannten", die naturgemäß von den Unzulänglichkeiten eines Experimentes nie völlig freizuhalten ist, eigentlich ihren Sinn und ihre Berechtigung.
Auch der literarische Teil der letzten Veranstaltung hätte sehr ergiebig sein können, wenn dafür Sorge getragen worden wäre, daß die Namen sich einer wesentlichen Zahl von Hörern einprägten. Denn sehr vieles war unter dem Gebotenen, was aufmerken ließ, aber nur wenig, was bereits letzte künstlerische Bestätigung zu sein schien. Der in Zeitschriften oder Büchern nach längerer Zeit dem einen oder anderen Künstler wieder begegnet, wird ihn vergessen haben, und teine bereichernde Ergänzung zu einem Erinnerungsbild empfangen, sondern einen ersien, neuen Eindruck. Und wie vielen wird man überhaupt begegnen, wenn man sie nicht sucht?
Einen bleibenden Gewinn hinterließ diese Stunde übrigens doch ihren Hörern. Sie sagte mehr vom Mitmenschen aus, als man gewöhnlich von ihm zu wissen pflegt. Man lebt mit einander, oft nicht einmal durch dünne Wände getrennt, Tag für Tag, Jahr für Jahr, schafft Seite an Seite in der Fabrit, im Büro, fährt jeden Morgen, jeden Abend zusammen im Gedränge der Bahn, und man fennt den andern nicht, selbst wenn man mit ihm bekannt wurde. Denn wir erleben ihn gewöhnlich nur in der Rolle, die sein Schicksal ihm aufzwang, und aus der herauszutreten es ihm nur selten Zeit und Kraft läßt. In dieser Stunde, aber zeigten Menschen ihr wahres Gesicht, verrieten ihre Sehnsüchte, verrieten Mitleid mit der Welt, verrieten. Eigenschaften und Regungen, die man im Alltagsleben ängstlich voreinander verbirgt, weil man nicht als komische Figur auffallen möchte. Der Arbeiter, der Angestellte, die Buhmacherin, der Retiamefachmann, der Buchhändler, das fechzehnjährige Schulmädel, der Arbeitslose wurden für einen Augenblick zu Menschen, famen als Menschen den anderen nahe, wurden Einzelwesen und blieben doch Angehörige der werftätigen Gemeinschaft, der sie und ihre Dichtungen entstammen. Und des halb Jagten diese Menschen im Grunde doch nicht nur über sich felber aus, sondern über den Menschen, der genormt und eingeschaltet wurde irgendwo als Räddjen am laufenden Band der Tage. Röppen tat recht daran, die einzelnen nur mit einer furzen, sehr fachlichen Einleitung vorzustellen, und den Eindruck, den der Hörer unmittelbar aus Versen und Prosa empfing, so durch feine frembe Butat zu beeinflussen.
Ueber den ,, Querschnitt durch eine Stadt" ist schon einiges gesagt worden. Es wurde darauf hingewiesen, daß viel zu sehr ein ästhetisch- künstlerischer Eindruck angestrebt wurde auf Kosten der wirklichen geistigen Durchdringung. Natürlich ist es
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Das neile Buch
Politische Untersuchungen
Zwei Professoren nehmen zu aktuellen politischen Fragen Stellung: Franz W. Jerusalem untersucht die Umwandlung, die er in dem Verhältnis von„ Gemeinschaft und Staat" erblickt, und Otto Roelfreutter versucht den Sinn der Reichstagswahlen vom 14. September 1930 und die Auf gaben der deutschen Staatslehre" festzustellen. Beide Autoren gehen davon aus, daß am System" etwas nicht in Ordnung fei; Jerusalem sieht den Grund der politischen Krise darin, daß wir am Ende eines Zeitalters, in einer Epoche stehen, die vom Individualismus zum Kollektivismus, von der Betonung des einzelnen und seiner Werte zur Betomung der Gemeinschaft und ihrer Werte überzugehen im Begriffe ist. Es handle sich jedoch nicht um das Ende unserer Kultur überhaupt( wie Spengler glaubt), sondern um die Umwandlung der Kulturformen, die bisher durch das Prinzip des Individualismus gekennzeichnet waren und die nunmehr durch das Prinzip des Kollektivismus neugeformt werden sollen. Dieser zweifellos richtige Gedanke verleitet den Verfasser jedoch zu dem Trugschluß, als ob eine Erneuerung der Gemeinschaftsgehalte des Staates die Familie wieder zu einer echten Gemeinschaf: machen" und ein richtig aufgefaßter" Parlamentarismus den Staat wieder in die Gemeinschaft zurückführen könne, um die Krise so zu überwinden.
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Daß die Krise in einem schlecht funktionierenden Parlamentaris= mus begründet ist, glaubt auch Roellreutter. In der„ mechanifierten Verhältniswahl" sieht er mit Jerusalem den Hauptgrund da für, daß der deutsche Parteienstaat teinen ,, echten" Barlamentaris mus hervorzubringen vermochte. Der Sinn der Reichstagswahlen scheint ihm daher in der Abfehr von einem System, das keine Staatsideee kennt und dessen Bewährung in der Praxis außerdem immer mehr versagt hat", zu liegen. Daher sei es die Aufgabe der Staatslehre, eine Klärung des Verhältnisses von Staat und Nation herbeizuführen. Die nähere Ausführung der Idee des nationalen Rechtsstaates" als Aufgabe der Zeit gibt Roellreutter bemerkenswerterweise Gelegenheit warmer Fürsprache für die Nationalsozialisten, die angeblich auf der von ihm befür worteten nationalen Volksgemeinschaft aufbauen und auf dem Standpunkt eines positiven Christentums" stehen, welche Meinung allerdings erst neuerdings wieder durch Aeußerungen verschiedener
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dustrie Magdeburgs erzählte ein Fachmann unverständlich vou irgendeiner Fabrikation. Und Alfred Braun stand über der dunklen Stadt und mußte sich mühevoll Erinnerungsbilder fonstruieren, was er doch gerade so gut oder vielmehr gerade so Ganz anders unzureichend in Berlin hätte machen können. wäre es gewesen, wenn er im hellen Tageslicht die Stadt über
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blickt und aus Anschauungen und Erinnerung ihr Hörbild umriſſen hätte. Diese Stadtbilder fönnen, wenn man erst ihre wesentlichen Grundlinien gefunden hat und dazu die geeigneten Reporter für die einzelnen Gebiete, sehr einprägjame Lebendigkeit erhalten; aber bis dahin wird es wohl noch manches Experiment kosten. Tes.
fatholischer Bischöfe widerlegt wurde. Der Herr Professor scheint übrigens die Nationalsozialisten auch nur aus der Perspektive einer weltabgeschiedenen Studierstube zu kennen. Denn daß er ausge= rechnet ihren Programmpunkt gegen die forrumpierende Stellen= besetzung nach Parteigesichtspuntten" mit tritikloser freudiger Zustimmung begrüßt, zeigt doch nur, daß er von der skrupellosen Aemterwirtschaft der Nationalsozialisten dort, wo sie an der Macht find, teine Ahnung hat.
Beide Autoren haben die sehr anfechtbare Redslobsche Unterscheidung vom„ echten" und„ unechten" Parlamentarismus wieder aufgenommen; fie glauben im Symptom der Krise das Wesen der Krise selbst zu sehen. Dieser Diagnose entsprechen auch die Beſſe rungsvorschläge: Jerusalem will eine mystische ,, Kollektivität" und empfiehlt dazu die Gedanken des jungdeutschen Manifests, wobei freilich unklar bleibt, wieso die äußere Zuſammenſchließung der Benachbarten zum follettiven zusammenschluß führen soll; Koellreutter ist in seinen Vorschlägen konkreter, er fordert Beseitigung des Verhältniswahlrechts mit seinem erstarrten" Listensystem, während er dafür auf das englische System des relativen mehrheitswahlrechts als Vorbild verweist. Aber weder Koellreutter noch Jerusalem sehen, daß selbst ein richtig aufgefaßter oder echter" Parlamentarismus immer nur eine Institution der Gesellschaft( oder des Staates) ist und daher den gesellschaftlichen Wandlungen unterliegt, nicht aber von sich aus die Gesellschaft oder den Staat beeinflussen kann. Die tiefere Ursache der Krise liegt vielmehr in der Struttur unserer Gesellschaft, in der„, unzulänglichen sozialen Homogenität"( Heller) und kann nur mit dieser selbst behoben werden.
Dr. Otto Dix untersucht ,, Die deutschen Reichstagswahlen 1871-1930 und die Wandlungen der Volksgliederung" vom Standpunkt des Statistikers. Er bringt einige ganz gute statistische Tabellen von der letzten Reichstagswahl, streift furz die Parteientwidlungen und wandlungen, ohne dabei etwas Neues zu sagen.( Die drei Schriften sind in der Reihe ,, Recht und Staat" bei J. C. B. Mohr, Tübingen , erschienen.)
Auf die Frage, wer in unserem heutigen Staate Träger des höchsten staatlichen Willens ist, gibt Dr. Erich Heyen( ,, Das höchste Reichsorgan". Eine staatsrechtliche Untersuchung des Satzes ,, Die Staatsgewalt geht vom Volke aus"; Carl Heymanns Verlag , Berlin ) eindeutig die Antwort:„ Das Reichsvolk ist das höchste Organ", Reichstag und Reichspräsident sind nur seine bevollmächtigten Vertreter. Eine Ansicht, die der vieler Staatsrechtler widerspricht, sich aber mit der Haltung der Sozialisten in der VerRichard Junge. faffunggebenden Nationalversammlung deckt.
TAG BRINGT
WAS DER TAG
Auffassungssache
ERZÄHLT VON YORICK
Im schönen Schottland liegt die alte Stadt Glasgow . Mitten in Glasgow steht eine berühmte Kathedrale. Vor dieser Kathedrale liegt ein belebter Platz. Auf diesem Plaz sizzt Mac Gillicuddy und spielt Dudelsack.
Der Dudelsack ist das schottische Nationalinstrument. Deshalb hat an sich fein Schotte etwas gegen die Tatsache, daß Mac Gillidas ist es. Die Töne glucsen, cuddy spielt. Aber wie er spielt freischen, grunzen und passen absolut nicht zu der berühmten Kathedrale und der schönen Stadt Glasgow .
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Ein vorübergehender Konstabler findet das auch. Er wendet fich zu Mac Gillicuddy mit der Behauptung, er spiele Mist.
Mac Gillicuddy repliziert, er spiele die letzte Rose, und der Konstabler selbst sei ein Stück Mist.
Kurze Zeit darauf befindet sich Mac Gillicuddy auf der Wache. Wegen Beleidigung der Anitsgewalt. Weil aber der Polizeioffizier noch nicht da ist, muß er warten. Dabei schläft er ein.
In der Ecke lehnt der Dudelsack. Ein Dudelsack, der zwei MundEin Geruch nach stücke hat. Aus dem einen Mundstück tropft es. ausgezeichnetem Whisky verbreitet sich in der Polizeistube. Die Konstabler untersuchen den Dudelsack. Sie stellen fest, daß er zur Hälfte mit Whisky gefüllt ist.
Nach einiger Zeit wird Mac Gillicuddy geweckt und vernommen. Woza". fragt der Offizier ,,, mozu, Mac Gillicuddy, benötigen Sie das zweite Mundstück?"
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Für die Pausen, Euer Ehren", sagt Mac Gillicuddy. Euer Ehren wissen doch, daß es in jedem Musikstück Pausen gibt, Achtelhier werden Mac rausen, Viertelpaufen, halbe Pausen und" Gillicuddys Augen feucht vor Seligkeit- und ganze Pausen, und manchmal sogar Generalpausen... ach, so eine Generalpause...! Diese Pausen also, Geuer Ehren, blase ich auf dem zweiten Mundftück."
,, Man fagt mir aber, Mac Gillicuddy, daß Sie in Ihren Mufitstüden viel mehr Pausen machen, als nötig find? Daß Sie manch mal fogar fast nur Baufen machen?"
,, Das, Euer Ehren", spricht Mac Gillicuddy und legt be= teuernd die Hand auf die Brust ,,, das ist Auffassungsfache!"
Der Polizeioffizier hat Humor. Er entläßt Mac Gillicuddy mit einem dreifachen Rat: das eine, tönende Mundstück seines Dudelsacks nicht zu trocken, das andere, stumme, nicht zu naß werden zu lassen und sein eigenes, ungewaschenes Mundstück in 3ufunit besser in acht zu nehmen.
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Mac Gillicuddy geht, seufzt erleichtert auf und bläst vor der Polizeiwache eine lange, lange Generalpause.. Heroismus der Eitelkeit
Der Papst hat sich in seiner lehten großen Enzyklika auch gegen die Schönheitswettbewerbe gewandt. Er hat diesen Beranstaltungen vorgeworfen, daß sie die Eitelkeit, die rein aufs Aeußerliche gerich tete Eitelfeit der Frauen aufstacheln. Einige der jüngst geschehenen Dinge scheinen ihm recht zu geben. So das fast schon sprichwörtliche Pech der Schönheitsköniginnen. Manche von ihnen verarmen, andere begehen Diebstähle, noch andere sogar Morde. Vielleicht steht das wirklich im Zusammenhang mit einer gewissen seelischen Schädigung, der sie durch die Prämiierung ihres Körpers ausgefegt
waren. Noch frasser sind aber zwei Fälle, die gar nicht Schönheitsföniginnen, sondern nur Schönheitssüchtige betreffen.
Der eine spielt in Paris . Dort bildeten die zu dicken Fesseln den Kummer eines sonst hübschen Mädchens. Es ging zu einem Chirurgen und ließ sich operieren. Der Eingriff nißlang; fie mußte sich ein Bein amputieren lassen. Nun hat sie den Arzt auf 200 000 Franken Schadenersatz verklagt und den Prozeß in allen Instanzen gewonnen. Die Einsicht aber, die sie außerdem gewonnen haben dürfte, die Einsicht in die eigene Aeußerlichkeit und Oberflächlichkeit die kommt zu spät; trog der 200 000 Franfen.
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Tragischer noch verlief der Fall der schönen Selma Nedjib Hanum in Konstantinopel . Sie galt als das schönste Mädchen von Stambul . Als ein Geschwür am Halse bösartig zu werden drohte, rieten ihr die Aerzte zur Operation. Eine Operation aber hätte eine Narbe hinterlassen. Also schlug Selma, im Einverständnis fogar mit ihrer Mutter, die Operation ab. Acht Tage später ist sie an Blutvergiftung gestorben. Wochenragout
Die letzte Woche brachte ein ganzes Sammelsurium von Absonderlichkeiten, von Resten aus alter und Vorstößen aus neuer Zeit, die in engem Zeitraum zusammentrafen. Da fuhr im südlichen Teil des anhaltischen Kreises Dessau zum letztenmal die Postfutsche, die fich hier trok Lokomotive und Auto und Flugzeug bis heute behauptet hatte; nun aber fuhr sie sozusagen ihren Galgenweg, und ein nüchterner Postbeamter hatte ihr nichts mitzugeben als eine trockene Aufschrift: Letzte Landbestellung".
Hingegen lebt im benachbarten Halberstadt ein nun hundertachtundzwanzig Jahre altes Preisausschreiben noch immer, und da ein löblicher Magistrat on Stelle des ausgesetzten Preises von zwei Louisdor wenigstens fünfunddreißig Mark gesetzt hat, wird es auch in die neue Zeit hineinleben. Es hat ja auch zum Stifter feinen Geringeren als den alten Dichtervater Gleim, der testamentarisch befagte zmei Louisdor für das alljährliche beste deutsche Lied aussetzte; die Beteiligung soll noch immer rege sein.
In Amerika , dem sogenannten Lande der Freiheit, hat es erst einer sehr lange umkämpften Lockerung der Zollgesetze bedurft, um einige Werke einfuhrfähig zu machen, deren Lektüre dem braven Dantee von einer wohlweisen Obrigkeit bisher untersagt war. So wurden denn im Jahre 1931 für Babbit freigegeben Boccaccios Defamerone, die Märchen aus Tausendundeiner Nacht , Pantagruel und Gargantua" von Rabelais und einiges andere Unsterbliche der Weltliteratur. Die amerikanischen Frauenverbände befürchten für die Sittlichkeit ihrer Mitglieder das schlimmste...
An der evangelischen Universität Orford hat jetzt erstmalig eine Studentin die Prüfung für Kriegsführung und Strategie bestanden. Der erste weibliche General wäre also unterwegs; ob der Sinn der Frauenemanzipation mun gerade in der Schaffung weiblicher Luden dorffs besteht, ist eine andere Frage.
Dafür gibt das französische Ministerium sich um so friedlicher: es hat sich zu einem Orchester zusammengeschlossen und wird demnächst sein erstes Konzert veranstalten. Somit wird denn wenigstens in einer Beziehung die Harmonie gesichert sein um so mehr, als der Finanzpolitiker Barthou dirigiert. Hingegen ist noch nicht her. aus, wer eigentlich die erste.Geige spielt...
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