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Edward Newhouse:

Norden- Süden- Westen- Often

,, Die Zeiten sind furchtbar schlecht!" sagte in Alabama der schwarze Bächter, in dessen Schuppen ich übernachten durfte.

,, Es fann unmöglich so weitergehen. Sie nehmen uns den letzten Acker unter den Füßen weg!" flagte der Bergbewohner in Tenessee.

,, Die allgemeine Depression ist gekennzeichnet durch eine beispiel­lose Gewalt von unbegrenzter Dauer!" philosophierte der Univer­sitätsprofessor, der mich ein Stück des Weges in seinem Auto mit fahren ließ.

,, Augenblicklich schwankt das Gesetz von Angebot und Nachfrage; aber erschüttern läßt sich dieses Gesetz nicht!" war eine der vielen Redensarten eines Reisenden, dessen Chrysler ich vor Washington anhielt.

Ich machte mit dem Kerl eine halsbrechertsche Fahrt über zweihundert Meilen. Sein Wagen schleuderte von einer Kurve in die andere, genau wie er am Steuer von einem Ertrem in das andere jagte. Siebzig Meilen fraß sein Motor in der Stunde. Dabei ging ihm die Zigarette nicht aus und brach unsere Diskussion nicht eine Sekunde ab. Die Geschwindigkeit seiner Sinne und sein rasendes Mundwerk waren in der Tat ein Gummiband von An­gebot und Nachfrage. Er war die lebendige Verkörperung aller Radikalismen der Gegenwart in jeglicher Beziehung. Sein Salat von Meinungen reichte von der freien Liebe bis zu Lenin .

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,, Warum streiken heute wieder 4000 Mann in Danville? Ich fenne den Besitzer persönlich. Er behandelt seine Leute wie die eigenen Kinder, und sie treten ihn nieder. leber den Haufen schießen aufhängen soll man das ganze Gesindel! Das ist meine Ueberzeugung, und der ganze anständige Süden denkt wie ich!" Gleich fuhr er fort:

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,, Ich bin gespannt, was mein Mädel machen wird! Wir haben uns eine Woche nicht gesehen. Wir gehen morgen zum Fußballwettspiel. Hoffentlich wird es nicht regnen. Dufe gegen Carolina. Glauben Sie, daß Carolina es schaffen wird?"

Ich war nahe daran, ihm eine vortreffliche Antwort zu geben. Aber ich sagte mir, Mensch, sei vernünftig. Du bist in Alexandria eingestiegen und du kommst mindestens heute noch bis Richmond.

,, Ich denke, Carolina wird sicher gewinnen. Duke hat zwar... aber..."

Sie machte Kaffee, brachte Refs und Marmelade. Ich den letzten Keks und wischte mir immer wieder meinen Mund mit ihrer

Serviette.

,, Sie haben große, schöne Augen!"

,, Das sagt jeder, wenn er sich bei mir satt gegessen hat." Dann saß sie auf meinem Schoß.

Am nächsten Morgen Spazierfahrt im Lastwagen auf Trage stühlchen. Ich verlor Charlotte.

In der Mainstreet riefen abends die Lautsprecher die Resultate des Sonntags: Colgate gegen Nym. 7: 6... Dufe gegen Caro­lina 0: 0."

Aufleuchtende Bogenlampen schlugen Lichtbrücken von heute nach morgen in die schwarze Nacht.

Wirbelnd strömten Licht und Zeit, Menschen und Stunden zu­sammen und auseinander.

Ein junger Mensch fragte mich nach einem Nachtasyl. Komm mit! Ich bin auch dahin unterwegs."

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Er winkte eine Frau mit einem Kinde von der anderen Straßen­feite zu sich, und wir gingen zusammen zur Heilsarmee. Ehe wir in das Hinterhaus traten, blieb er vor einem Müllkasten stehen und trant eine Flasche leer. Bayrum stand darauf. Er warf die Flasche in den Müll.

Der Aufnahmeraum.

Name, Namen der Angehörigen und Adresse, wo geboren, mann, Beruf, wohin, welche Unterkunft in der vorhergehenden Nacht und dann unter die Brause.

Der Baderaum. Das Wasser war noch nicht heiß und alle saßen schlafmüde und warteten. Es waren mehr als vierzig Leute, ein Dutzend von Berusslandstreichern, die anderen Arbeitslose, mutlos, verwildert und verzweifelt.

Wie die Aktionäre von ihren Dividenden, so sprachen wir von Aussperrungen, Streifs, Arbeitslosigkeit und Meilen. Ich hörte einen Welteren erzählen:

,, Von Cansas City krabbelte ich weiter südwärts. Tag und Nacht. Wohin ich komme und gehe, überali ist es, als drehe ich mich im Kreise. Du gehst nach Westen und begegnest deinesgleichen, die von Osten kommen. Du gehst nach Süden, und sie kommen dir überall entgegen, die nach Norden streben. Es ist nirgendwo Still­stand. Ein Kettengang, von Schrecken und Angst getrieben." ,, Ich bin in weniger als einer Woche tausend Meilen weit von ,, Es tut mir leid, ich fann Sie nicht weiter mitnehmen, bester aller Arbeit abgetrieben, und jetzt bin ich soweit und vertaufe mich an die Armee" erwiderte ein Jüngerer. Freund!"

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,, Sie wissen nicht? Ich spiele Halblinker in Duke!" Das war in Durham , Nordfarolina.

Die Steilwände der Mainstreet sah ich hinauf. Leuchtende Läden, Nationalbant, Universität. Die Annoncenaushänge der Zei­tungen und die Arbeitslosensammelstellen. Wie fämpfende Ameisen haufen um ein zerflossenes Zuckerstück, so drängten sich die Haufen um die winzigen Spalten.

Ich wanderte die erste, zweite, dritte, vierte Avenue bis zur zehnten und weiter hinauf und wieder hinab bis in die Nacht.

An einer Ede blieb ich vor Greta Garbos Film Geheimnis­volle Frau" stehen, als ein Mädchen mich ansprach. ,, Wollen wir ins Kino?"

,, Nein, ich bin arbeitslos!"... ein schönes Gesicht.

,, Sie? Arbeitslos?"

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Ja, und ich suche ein Quartier für die Nacht!" Eine Stunde später lag ich bereits darin.

,, Wo fommen Sie denn her?"

,, Du willst in die Armee?" rief der dürre Kerl, der auf der Treppe saß. Ich war Soldat, 17 in Frankreich , 18 in Sibirien , 25 in China ! Elf Jahre habe ich Gas geschluckt und Blut gespuckt, wohin ich fam. Hier!" er zog sein Hemd herunter und machte seinen Körper bis zum Hintern frei, hier oben zwischen die Schultern jagte das Sprengstüd herein und jetzt ist es mit mir gewandert von Norden nach Süden, von Westen nach Osten. Hier, sieh her, wo es jetzt sitzt!"

Er machte sein Hinterteil völlig frei und zeigte eine Geschwulst, groß wie ein Eßlöffel.

,, Siehst du, es fitzt jetzt genau da, wo alles, was du frißt, heraus muß!"

Schallendes Gelächter war die Antwort.

,, Daß ihr alle, die ihr darüber lacht, daran verreden sollt! Jeder von euch trägt sein Sprengstück im Leibe mit sich herum. Das

New York !" Es ist etwas mert, arbeitslos von New Yort wandert und brennt solange von Norden nach Süden, von Westen

3u lommen.

Ihre Wohnung war hochfein. Nicht gerade luxuriös, aber hoch, sehr hoch. Ich habe die Treppen nicht gezählt, weil ich zu müde und zu hungrig war.

nach Often, bis es euch alle padt und euch zu einem einzigen, brennenden Sprengstück macht und...

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,, Das Bad ist fertig!" rief der Wärter und öffnete den Bade­( Berechtigte Uebertragung von C. V. Hiesgen.)

raum.

Aufbau des Sowjettheaters

Der proletarische Vormarsch an der Theaterfront im Sowjet staat vollzieht sich mit langsamer Zähigkeit. Nach Daten der großen Moskauer Fachzeitschrift Teatr " betrug der Anteil der prole­tarisch- bolschemistischen Dramatik am Gesamtspielplan der Moskauer Theater in der Zeit von 1919 bis 1927 nur 2,2 Prozent. Bon diesen 2,2 Prozent entfiel mindestens ein Viertel auf die Produk­tion des auch als Bühnenschriftsteller sehr betriebsamen früheren Bildungskommissars Lunaticharsti, dessen proletarische, Wiege in einer adligen Familie stand. Als einziger aus dem Arbeiter stande hervorgegangener Bühnenautor war bis 1927 nur Bill­Belozerkowski in Erscheinung getreten.

Inzwischen hat sich das Bild nicht unwesentlich verändert. Der proletarische Anteil am Moskauer Spielplan stieg in der Spielzeit 1928/1929 auf etwa 10 Prozent. Neue Bühnenautoren proletari­scher Herkunft und Prägung tauchten auf, wie z. B. die Arbeiter Kirschon, Kobez und Wagramow, die Rotarmisten Wisch­newski und Kurdin, der Bauer Chodyrew und der in die Sowjet­ union emigrierte indische Arbeiterrevolutionär Es: Chabib- Waf mit seinen beachtlichen Bühnentalentproben Bombay"

und Blut".

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Trotz dieses zissernmäßigen Fortschrittes, muß die Zeitschrift Teatr" zugeben, daß die Zahl der Ausschußware " in der Sowjet­dramatik weit höher und daß es um die soziale Zusammensetzung der Dramatikerbelegschaft weit schlimmer bestellt sei, als in dem rückständigsten unter den rückständigen 3meigen der Sowjetindustrie". Doch schließlich entscheidet auch hier nicht die Quantität, sondern die Qualität, die bis 1928 nur bei den sogenannten Mitläufern des Sowjetregimes zu finden war; von diesen liberal- bürger­lichen Mitläufern hatten Katajem( Quadratur des Kreises"), Olescha( Die drei Didwänste"," Verschwörung der Gefühle") und Iwanow( Panzerzug"," Blockade") die nachhaltigsten Bühnenerfolge aufzuweisen. Die sowjetfremd eingestellte Autorengruppe, der hochbegabte Alexej Tolstoi , Andrej Bjely, M. Bulgatom, E. Gam­jatin und andere, ist für die Bewertung dieser Entwicklungsvorgänge belanglos.

In der vergangenen Saison hat sich nun eine gewiffe geistige Hegemonie eines proletarischen Autorentreifes auf den Brettern durchgesetzt. Entscheidend ist wiederum hier nicht die äußere Thematik als solche, sondern der Stil ihrer Wiedergabe auf der Bühne als Gesamtausdruck kommunistisch- proletarischer Sinnesart. In dieser Hinsicht hat jetzt sogar das widerspenstige Mostauer Künstler theater Stanislawftis mit seiner letzten Premiere, Brot" Don Kirschon, eine Schwentung ins Sowjetlager vollführt. Dies ist ein fünstlerischer Gärungsprozeß, den der Sowjetwörterschak Um bruch der Theater- Erbmasse" nennt. Diese ererbte Masse soll cben von Grund aus aufgewühlt und neu beadert werden.

Die Sowjetunion befizt etwa 500 Theater( die vielen Arbeiter-, Bauern und Soldatentheater, Laienbühnen ufm. nicht mitgerechnet).

| Diese 500 Theater werden durchschnittlich von etwa 50 Autoren be­liefert, obwohl Hunderte von Unberufenen oder vielleicht auch Be­rufenen jährlich Tausende von Stücken einreichen. Die Klubtheater der Gewerkschaften und sonstigen Verbände zahlen keine Autoren­tantiemen, so daß für die angehenden Bühnendichter dieser Kreise der dauernde Ansporn fehlt und der Aufstieg zum allgemein an­erkannten Sowjetdramatiker erschwert ist.

In der Sowjetpresse murden seit geraumer Zeit Stimmen laut, die einen organisatorischen Zusammenschluß des proletarischen Theaters forderten. Dieser Verband sollte nicht nur die entsprechenden Berufstheater, sondern alle größeren Klub- und Dorfbühnen und als Zentralgruppe die Trams, die Theater der Arbeiterjugend, umfassen. Ein solches Sammelbecken perjucht jetzt die neugeschaffene Assoziation der Arbeitenden des Proletarischen Theaters"( ARPT.) zu sein.

Der entscheidende Vorstoß fann natürlich auch hier nur von einzelnen überragenden Talenten ausgehen. Diese befruchtenden Talente werden noch gesucht. Man sucht sie mit der margiftisch rot­leuchtenden Fadel bei Tag und bei Nacht. Aber wer weiß, viel leicht finden sich einmal unter dem Triebsand der dramatischen Massenproduktion einige waschechte Goldförner. Welche gewaltigen Reserven hier noch unverbraucht schlummern, zeigt der interessante Fall, daß bei einem jüngst von der Bauernzeitung Bednota" aus­geschriebenen Weitbewerb nicht weniger als 4000 Bühnerstücke, und zwar von wirklichen Bauerndichtern, eingesandt wurden!

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Der rote Vormarsch schreitet vor. Der proletarische Grundton des Repertoires erweitert und befestigt sich. Von den rund 70 Mos tauer Erstaufführungen der Saison 1929/1930 galten 25 den Bühnen werfen proletarischer Autoren, also bereits 30 Prezent, deren An­teil am Gesamtspielplan ebenfalls start emporgeschnellt sein dürfte; entsprechende Ziffern für diesen letzten Zeitabschnitt liegen noch nicht vor.

Erich Grifar:

G. Sp.

Großfladitragödie

Dies ist in der Stadt passiert, in der ich lebe. Eine Stadt, die einige hunderttausend Einwohner hat. Jeden Tag werden neue Menschen geboren. Jeden Tag sterben Menschen, aber trotzdem, die Stadt wächst. Und der Raum für den einzelnen wird enger und enger in der großen Stadt, aber die Menschen werden sich fremder und fremder, je näher sie sich auf den Leib rücken. Wie fremd sie sich sind, das habe ich in diesen Tagen erfahren. Ein Mensch war gestorben. Ein alter Mann. Vor der Tür eines Hauses wurde er gefunden. Menschen liefen zusammen. Jemand erinnerte sich, daß im Nebenhause ein Arzt wohnt. Man trug den Toten herein zu dem Arzt. Der rief die Polizei an. Die schaffte

den Toten fort. Nicht ohne die Menschen, die in dichten Haufen das Haus umlagerten, zu fragen, ob jemand den Alten kenne. Nie­mand kannte den Alten, niemand wußte seinen Namen. So wurde er fortgebracht.

Am nächsten Tage kam eine Frau zur Polizei und meldete, daß ihr Mann seit gestern Abend fort sei. Daß er gegen 7 Uhr, just um die Zeit, als draußen der Auflauf gewesen sei, das Haus verlassen habe. Sie hätte noch gehofft, daß ihr Mann bei dem Auflauf sich aufgehalten, aber sie habe ihn nicht geschen. Er müsse wohl fortgegangen sein.

Ob er öfter abends fort ginge. Ja, öfter, aber er fäme immer zur Zeit zurück. So lange sei er nie geblieben. Darum sei sie auch gekommen. Es könne ja sein, daß ihm etwas zugestoßen sei. Es passieren so viel Unglücke in der Stadt. Gestern abend noch sei ein Mann vor ihrem Hause zu Tode gekommen.

Der Wachtmann schrieb alles auf. Und dann war es gut. Ein Er konnte paar Tage vergingen. Der Mann kam nicht wieder. nicht wieder kommen, weil er genau so lange, wie er verschwunden war, steif und tot auf der Pritsche der Totenhalle lag, denn er hatte in dem Augenblick einen Schlag bekommen, als er das eigene Haus verließ. Aber weil er ein stiller Mann war und es in den Häusern der großen Städte nicht Sitte ist, daß sich wer fümmert um den, der unter dem gleichen Dache sein Leben lebt, darum hatte niemand ihn gekannt. Und selbst die Frau des Toten, die, von dem Auflauf angelockt, aus ihrer Wohnung heruntergekommen war, um ihre Neugier zu befriedigen, hatte wie alle anderen teilnahmlos in dem Hausen gestanden, ohne zu wissen, daß der, der da im Mittelpunkt des Haufens lag, sie am allerehesten anging.

Dies ist die Geschichte. Eine sehr nüchterne Geschichte. Ich fann nicht erzählen, wie sie mich ergriffen hat, als ich sie hörte. Daß wir Fremde sind in unseren großen Städten, das wußte ich immer. Aber ich wußte es nie wie jetzt.

Willy Ley :

Trunksüchtige Tiere

In einem alten Druck, den ich einmal zufällig in die Hände be= fam, befindet sich ein ziemlich umfangreiches Gedicht, das den schlag­fräftigen Titel Wider den Gauffteuffel:" führt und fol­gendermaßen anhebt:

Ist es nicht eine große schandt, daß, sonderlich im Teutschenlandt, wir also fauffen in die Wett,

wie wenn's Gott selbst gebotten hätt...?

Daß mit diesem in die Wett sauffen" nicht gerade der Durst auf Limonade und Milch gemeint ist, dürfte wohl über jeden 3meifel erhaben sein. Etwas komisch berührt es jedoch den Sachkenner, wenn einige Dutzend Zeilen weiter behauptet wird, daß das un­schuldige Tier solche Laster natürlich nicht fenne. Dos stimunt näm­lich nicht, denn jedem, der einmal Sametterlinge oder Käfer ge= jammelt hat, fällt hierbei das ein, was man ,, Schmetterlings­fneipe" nennt. Ich habe ein Mustereṛemplar einer solchen Schmetterlingsfneipe por Jahren einmal am Beginn der Kurischen Nehrung gefunden. Es gibt dort eine Landstraße, die mit Birken bestanden ist. Eine alte Birke hatte durch einen Wagen eine tüchtige Bunde bekommen, und rings um diese Wunde saßen Schmetterlinge in ganzen Horden Trauermäntel, Segler und Admirale waren

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und konnten einfach neben Pfauenaugen die Hauptmissetäter nicht genug von dem hervorsidernden gärenden Sajte bekommen. Griff man in den Schwarm hinein, so ließen die meisten Falter fich gar nicht stören. Die relativ Nüchternen machten wohl einige Flug­versuche, aber die sahen aus, als wehe ein furchtbarer Sturm, während es in Wirklichkeit ganz windstill war. In der Mart fand i bald darauf ein ähnliches Schauspiel; nur wären es hier Hirsch­läfer, die sich rudelweise bekneipten und sich zum Schluß in der obligaten Keilerei gegenseitig beträchtlichen Schaden zufügten.

Geschichten von Elefanten in Zoologischen Gärten, die gelegentlich wegen Magenverstimmung mit Rum behandelt werden und dann ständig ,, trant" sind, kann jeder erfahrene Tierwärter erzählen. Studenten von früher haben mir auch versichert, ihre Hunde hätten die verschiedenen Biersorten unterschieden, und schworen gleichzeitig, mein Bedauern über die armen Tiere sei völlig unnötig und abwegig. Das alles wird jedoch von Tropentennern als harmlos be­zeichnet gegenüber den Gelagen gewisser Gecko- Eidechsen auf den Marshall- Inseln im Stillen Ozean . Die Wirtshäuser sind hier nicht verwundete Bäume, sondern große Blüten, die einen alkoholischen Saft absondern. Was sich da unter den hübsch bunt gefärbten Eidechsen abspielt, soll einfach unbeschreiblich sein. Das berühmte Wort vom Branntwein, der um Mitternacht nicht schädlich sein soll, wird hier glänzend als Irrtum bewiesen; wenn man sich am Morgen dem Standorte solcher Blüten nähert, dann findet man nur noch ihre Reste vor. Die Blüten sind gründlich demoliert, zerrissen und zertrampelt, und überall liegen schwer berauschte und durch Beißereien oder Abstürze verletzte Eidechsen herum.

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In anderen heißen Gebieten fann man solche Gelage überall beobachten, wo bestimmte Palmen wachsen, aus denen der schönste Naturlikör fließt, so daß man nur einen Einschnitt zu machen und den Sammelbechher darunter zu hängen braucht. Schließlich aber lebt nicht nur der Mensch in Palmennähe. Auch Affen und Halb­affen sind dort, die sich wahrscheinlich aus übertriebener Furcht, den Inhalt der von einer Giftschlange gebissen zu werden??? Kürbisflaschen zu Gemüte ziehen und am nächsten Morgen für Hagenbeck ausgelesen werden können. In Indien befinden sich sogar Lippenbären unter dem Palmweinleibchen, und in Europa kann man mit Baumsaft nicht nur Schmetterlinge und Käfer, sondern auch Eichhörnchen fangen, wenn man Glück hat. Vom Specht hat sogar ein Naturforscher behauptet, er meißle sich mit seinem Schnabel künft­liche Löcher zur Saftgewinnung in die Bäume, menn einmai feine natürlichen zu finden seien. Das ist vielleicht nicht allgemein Brauch bei allen Spechten; vorkommen wird es aber schon und wirft gerade fein günstiges Licht auf diese Vögel.

Nun gibt es aber sogar ein Tier, dem der Alkohol ein noch zu schwaches Rauschgift ist. Ironie der Natur wäre es, wenn es in den ,, trodenen" Vereinigten Staaten vorkommen würde. Eo ironisch ist die Natur denn doch noch nicht; vielmehr lebt dies Tier in cinem Lande, dem man solche Ausschweisungen schon zutraut: in Sibirien . Es ist die sibirische Wurzelmaus, die sich ähnlich unserer Hamster große Borratskammern anlegt, in denen man häufig die Wurzeln des stark giftigen Eisenhuts findet. Da die Wurzelmaus sicher nicht ihre Kranken mit dem Giste behandelt, so bleibt nur der Schluß übrig, daß fie unterirdisch in sibirischer Winternacht, abseits von Schneestürmen, Wolfsgeheul und Sowjetkommissaren, eine trauliche Rotainbar zum Hausgebrauch unterhält. Mit der üblichen Ent­schuldigung des Durstes" kommt man hier, wie man sieht, nicht aus, und ich glaube auch nicht, daß man der sibirischen Wurzelmaus mit irgendeiner Entwöhnungstur auf den Leib rüden könnte.

Die Chinesische Mauer ist über 4000 Kilometer lang, hat also ein Zehntel der Länge des eauators. Nach anderen Berechnungen beträgt ihre Länge mit allen Abzweigungen 6300 Kilometer. Jetzt find große Teile zerfallen. Trogdem trägt die Mauer noch 20 000 Türme. Zur Zeit ihrer Verwendung zählte sie 25 000 Kastell- und 15 000 Wachttürme.

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