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BERLIN  Mittwoch

25. März 1931

Der Abend

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Nr. 142 B 71

48. Jahrgang

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Gefahrenpunkte des Staates

Brüning verspricht: Keine neuen Steuern!

Zu einer großen wirtschaftspolitischen Kund. gebung des Deutschen Industrie und Handelstages hatte sich heute vormittag im ehemaligen Herrenhaus in Berlin   eine große Zahl führender Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und Politik versammelt.

Den Kernpuntt der Veranstaltung bildete eine politische An­sprache des Reichstanzlers. Dr. Brüning mies ein­leitend darauf hin, daß es gelungen sei, den Berfall der Staats­gewalt zu verhindern und die düsteren Wintermonate zu überwinden. Daß es dem deutschen   Volke gelungen fei, fünf Millionen Erwerbslose durch den Winter hindurchzubringen, sei eine Leistung, die ganz besondere Beachtung verdiene. Zur Finanzpolitik bemerkte Dr. Brüning, daß die Regierung unter teinen Umständen neue Steuern ausschreiben werde und fich aus diesem Grunde auch gegen die Erhöhung der Ein. tommensteuer ausspreche. Die Gefahren, die aus der über. mäßigen turzfristigen Auslandsverfchuldung nicht nur der Wirtschaft, fondern auch der Reichspolitik ermadhjen tönnien, müffe die Regies rung veranlaffen, die Kapitalbildung in Deutschland   stärter au fördern.

Die Kraft des Staates mußte in letzter Zeit ihr, Schwergewicht nach dem Osten verlegen, wo infolge des ganz besonders schweren Grades der Krise ein fritischer Gefahrenpuntt für die Existenz des Staates erreicht war. Wenn in den nächsten Jahren etwa eine Milliarde neuer Mittel nach dem schwer leidenden Often abfließen, so sei zu erwarten, daß diese Osthilfeaktion das gesamte östliche Wirtschaftsleben von neuem befruchte.

Mit Schärfe wandte sich der Reichstanzer gegen die Sabo. teure der Osthilfe im rechtsradikalen Bager. Er bezeichnete es als wenig erfreulich, wenn verantwortliche Vertreter des Ostens, bie berufen sind, an der Osthilfe mitzuarbeiten, ihre Mitarbeit nerfagen und damit den Unterstützungswillen anderer Vertreter den allerschwersten Belastungsproben aussehen.

Sodann ging der Kanzler auf die internationale Belle der Ab­sperrungspolitik ein, unter der Deutschland   bei dem Zwang, zur Be zahlung seiner Reparationslasten die Ausfuhr zu steigern, ganz be­sonders leide. Die Regierung werde bestrebt sein, in einer

Zeit des internationalen Handelsunfriedens

die Initiative zu ergreifen. In dieser Richtung bewegten sich die Berhandlungen zwischen Deutschland   und Desterreich mit dem Ziele des Abschlusses einer Zollunion. Man dürfe nicht ver. geffen, daß im Mittelpunkt aller europäischen   Fragen die Notwendig feit stände, die durch den Versailler Vertrag zersplitterten Wirt­schaftsräume zu erweitern und neu auszubauen.

Wo sich die Möglichkeit bietet, dies in engem Rahmen durch zuführen, muß sie auch von Deutschland   und Desterreich, nicht zulegt im Interesse Europas  , benutzt werden. Die Abmachungen zwischen den beiden Ländern sind ihrem Inhalt und ihrem Zwed nach einfach und flar. Phne jeden politischen Hintergrund sind sie nur daraf angelegt, he beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse zu er­er leichtern Daß das Abkommen im Widerspruch mit bestehenden

Am offenen Sarge

PARTEL DEUTSCHLANDS

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Blick in den Ehrenraum, in dem Hermann Müller   aufgebahrt ist. Viele Tausende von Parteigenossen haben inzwischen dem toten Führer einen legten Gruß persönlich dargebracht.

Abschied von Hermann Müller  .

Das preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, der Verband der Deutschen   Buchdrucker, die Bulgarische Gesandtschaft, Profeffor Gustav Mayer  , der Zentralverband Deutscher   Konfumvereine und andere schließen die Reihe.

Um die Mittagsstunde erschien der preußische Ministerpräsident Genoffe Braun, um den Kranz der preußischen Staatsregierung niederzulegen. Auch Poleizeipräsident Grzesinski   widmete dem tolen Freunde einen lehten Gruß. Weiter seien an Kranzspenden erwähnt: die sozialdemokratische Fraktion des Bayerischen Landtags  , die Oberfränkische Volkszeitung" Hof  , der sozialdemokratische Bezirksverband der oberen Rheinprovinz  , der Sozialdemokratische Preffedienst und die Hamburger Parteiorganisation.

3m ersten Hofe unferes Parteihauses, auf dem morgen die Trauerfeier stattfindet, ist inzwischen die Ausschmüdung in fiefem Schwarz und hellem Grün nahezu vollendet.

Mittags legfen der Präsident des Reichsgerichts und Professor Zonded lehte Blumengrüße für Hermann Müller   nieder.

Der hiesige französische   Botschafter hat dem Reichs­außenminister Dr. Curtius zum Hinscheiden Hermann Müllers die Anteilnahme des franzöfifchen Außenministers Briand   zum Aus druck gebracht.

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Der Reichstagsfrattion gingen noch. Beileidstundgebungen zu vom Genossen Pierre Renaudel. Paris  , vom Deutschen  Bauernbund, von der Deutsch  - hannoveranischen Partei, vom Staatssekretär des Reichsarbeitsministeriums Dr. Beib, vom Reichstagsabgeordneten Mönte, Frau Dr. M. E. Lüders und vielen anderen.

In der Eröffnungsrede des 68. Kommunallandtages für Nassau   in Wiesbaden   widmete der Oberpräsident, Genoffe Haas, auch dem verstorbenen Reichstanzler a. D. Hermann Müller  herzliche und anerkennende Worte( wobei die Rechte und die Kom­munisten sich demonstrativo niederfetten), in denen er deffen Bedeutung für die Befreiung der Rheinlande gedachte. Er war es, der auf der Völkerbundstagung 1928 Worte sprach, die in ganz Deutschland   einen starten Widerhall fanden und die zur Einleitung der Berhandlungen über die Befreiung der Rhein­lande führten. Unter seiner Kanzlerschaft wurden die Befreiungss verträge abgefchloffen. Die Bevölkerung der bis dahin besetzten Gebiete wird dem Berstorbenen stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Trauerfeier in Saarbrücken  .

Berträgen stünde, fönne in feiner Weise behauptet werden. 3um roter Schleife ein Gruß der Familie Ebert: Dem freuen anwesend. Musikalische und rezitatorische Darbietungen gaben der

Schluß legte Dr. Brünung besonderes Gewicht auf die Feststellung, daß der von Deutschland   und Desterreh gegebene Ansioß bei uner. eingenommener Prüfung durch die anderen europäischen   Staaten zu einer Entwuding führen tönne, die zu größeren Hoffnungen über die wirtschaftliche Entwicklung Europas   berechtige.

Jedenfalls, so schloß Dr. Brüning seine Ansprache, find Deutsch  land und Desterreich entschlossen, den Weg, den sie in ihrem Inter­effe und im Intereffe ganz Europas   für richtig erkannt haben, mit ruhiger Sicherheit zu Ende zu gehen.

Deutschland   muß garantieren. Damit Rußland Bestellungen aufgeben fann. Das Reichsfabinett hat den Bericht der in Somjet rußland gemefenen deutschen   Industriellen zur Stenninis genommen und ist mit den dort getroffenen 2bmachungen eins verstanden. Da jeder einzelne Fall eines Rus andsgeschäfts in bezug auf die Reichsgarantien für eventuellen Zahlungsausfall von dem bestehenden interministriellen Ausschuß entschieden wird, wird ein Rabinettsbeschluß darüber nicht herbeigeführt.

Ob die Prämien der Industrie für den Garantiefonds erhöht werden sollen, ob noch ein besonderer barer Reserve. fonds geschaffen und auf welche Weise die Mittel dafür aufge­bracht werden sollen, ist Gegenstand weiterer Besprechungen,

Auch heute morgen wurde die Bahre Hermann Müllers von Tausenden besucht. Der Andrang war zeitweise so start, daß die Männer und Frauen, die dem verstorbenen kämpfer letzten Gruß entbieten wollten, nur truppweise, vom Wade haltenden Reichsanner gegliedert, den schlichten Ehrenraum betreten fonnten. Die Zahl der Kränze mehrt sich. Wir erwähnen: mit Schidfalsgefährten unseres Baters"; das Reichsbanner Charlotten­burg: Unserm Kameraden Hermann Müller   ein letztes Frei Heil"; der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund  : Dem treuen Freund und Kampfgefährten". Weiter: Die Deutsche   Volfspartei, in den Farben des Reiches die Zentrumspartei  , die Direffion der Deutschen Reichsbahn  , und in rotem Schmud der Dieh- Verlag, die Boltsstimme"-Chemnih, die Bauhütte, der Bücherkreis. Die preußischen Farben zeigt der Kranz der Preußischen Zentral­genoffenschaftskaffe. Die Deutsche Kunstgemeinschaft dankt mit würdiger Kranzipende ihrem Förderer.

Aus den Beileidskundgebungen, die dem Partel­vorstand der Sozialdemokratie zugingen, feien hervorgehoben: die Auslandsvertretung der Ukrainischen   Sozialdemokratischen Arbeiter­partet, ein Schreiben des greisen Genossen Bod, der für die kontrolffommission der Partel das Wort nimmt, der Zentral. gewerkschaftsbund Deutscher Reichsbahnbeamten und-anwärter, der Deutsche Republikanische Studentenbund. Erich Koch- Wefer Deutsche Republikanische Studentenbund. fchreibt:

Der Schlag trifft nicht nur die Sozialdemokratische Partel, Der Schlag trifft nicht nur die Sozialdemokratische Partei  , fondern ganz Deutschland  , soweit es Gewicht darauf legt, Männer von vornehmer Gesinnung, ehrlicher Kampfesweise, ragendem Ueberblid und vaterländischem Empfinden an der Arbeit für das Deutsche Reich zu wissen."

Saarbrüden, 25. März. Die Sozialdemokratische Partei   des Saargebiets hielt eine Trauerfeier für Hermann Müller   im Festsaal der Arbeiter wohlfahrt ab. Neben dem saarländischen, dem finnischen  und dem tschechoslomatischen Mitglied der Regierungs­fommission waren Bertreter aller Behörden und der Presse Feier einen würdigen Rahmen. Um einen schwarzen Katafalt gruppierten fich Reichsbanner und die Arbeiterjugend. In tiefempfundenen Borten gedachte der Borsigende, Chefredakteur Braun, des Berstorbenen als Staatsmann, als Parteiführer und als Barbild. Braun schloß mit dem Appell an die Saarländer  , im Geifte des Verstorbenen weiter zu dienen auf das Ziel hin: Befreiung des Saarlandes.

Autosturz in Kanal.

Fünf Personen ertrunken.

Paris  , 25. mars.

Bon einem folgenschweren Automobilunglüd wurden eine be­faunte Bersönlichkeit der französischen   Ariffofratie und vier feiner Angestellten betroffen. Der Graf von Artois mollte sich mit feinem Hausverwalter, deffen Tochter, feinem Diener und dem 3immermädchen zum Schloß feines Schwiegervaters in der Nähe von Toulouse   begeben. Er selbst saß am Steuer feines Kraft­maagens. Als das Auto eine Brüde über den fogenannten Süd­tanal überqueren mußte, fuhr der Wagen aus bisher un­bekannten Gründen gegen das Brüdengeländer und stürzte in den kanal Sämtliche fünf 3njassen er. tranten 3hre Leichen konnten froß eifriger Nachforschungen noch nicht gefunden werden.