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Nr. 143 48. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Donnerstag. 26. März 1931

Der Reichsetat angenommen.

In dritter Beratung mit 272 gegen 64 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen.

In der fortgesetzten Aussprache über die Osthilfe schilderte am gestrigen Mittwochnachmittag

Abg. Beder Breslau( Komm.) die Not im Waldenburger Gebiet. Abg. Baur( Landvolk) erklärt die Vorlage für eine Ent­täuschung.

Abg. Graf von Westarp( Bolfstons.): Wenn das Osthilfegesetz angenommen ist, so wird der Auftrag, um deswillen der Reichs präsident das Kabinett Brüning eingesetzt und mit besonderen Voll­machten versehen hat, ausgeführt sein. Es handelt sich hier um das geschichtliche Ringen zwischen Deutschen und Polen um den deut­ schen Osten. Dem intensiven polnischen Bordringen gegen das Deutschtum im Osten müssen wir einen Wall entgegensetzen.

Wenn der deutschnationale Abg. Dr. Bang das Osthilfegeseh einen Hohn auf die Oftnot nennt, so verstehe ich das nicht, wenn ich auch die Motive für solche Agitation verstehe. Man darf sich auch durch Parteiagitationsgründe nicht bestimmen laffen, Hilfss maßnahmen ein Nichts zu nennen, die wahrlich fein Nichts sind.

Reichsminister Treviranus :

Für die Osthilfe werden 1931 bis 1938 mindestens 950 Mil­lionen verwendet, außerdem an Kreditmitteln, aus Haushalts­mitteln, Zweckvermögen und Schuldverschreibungen 1140 Millionen, im ganzen also etwa 2 Milliarden Mark. Wenn wir für dieses Hilfswerk wenig Dant erhalten. so fönnen wir uns damit trösten, daß auch die segensreiche Einrichtung der Generallandschaften vor 150 Jahren zunächst wenig Anerkennung gefunden hat.

In der Fürsorge für die Landarbeiter, die in der Borlage nicht so gering ist, wie verschiedene Redner gemeint haben, werden wir in der nächsten Zeit Fortschritte machen können. Die vorgeschlagene gesunde Mischung zwischen der behördlichen Be treuung und der Heranziehung der Selbstverwaltung wird die beste Lösung sein.

Damit schließt die Aussprache. In der dritten Beratung des Gesetzes auf Bestrafung des Mitführers von Hieb-, Stich- und Stoßwaffen bei politischen Rundgebungen behauptet

Abg. Schneller( Komm.), daß die Reichsregierung und Länder­regierungen Mordbanden gegen die Arbeiter organisieren. Die Vorlage wolle die Arbeiterschaft an der Gegenwehr verhindern. Der Redner fordert die Arbeiter auf, sich die Waffen der enigen zu nehmen, die gegen die Arbeiter vorgehen.( Lebh. Beifall der Komm.) Darauf wird die dritte Beratung des Reichshaushalts zum Ab­schluß gebracht.

Abg. Dittmann( S03.) gibt eine Erklärung der sozialdemo­fratischen Reichstagsfraktion ab, die wir im Hauptblatt wiedergeben. Abg. Frau Himmler ( Komm.) tritt für einen Antrag ihrer Fraktion ein, die Reichsregierung aufzufordern, die sofortige Haft­entlaffung der Stuttgarter Aerztin Frau Dr. Kienle zu veranlassen; fie stehe seit sechs Tagen im Hungerstreit. Außerdem befürwortet sie den Antrag, den§ 218 des Strafgesetzbuchs aufzuheben. Abg. Dr. Hoerner( S03.) cibt unter stürmischen Entrüstungs­rufen der Kommunisten die Erklärung ab, daß der kommunistische Antrag einen gesetz- und verfassungswidrigen Eingriff des Parla­ments in ein schwebendes Gerichtsverfahren darstelle; außerdem sei die Justiz Landessache. Keine Regierung und fein Gericht fönn ten dem zuständigen Richter die Haftentlassung vorschreiben. Die sozialdemokratische Fraktion werde aus diesen Gründen gegen den

Antrag stimmen.

Abg. Rippel( Chrfoz.) spricht u. a. gegen die Wahlreform, die nur den radikalen Parteien nühe, gerade bedeutenden Politikern aber die Erlangung von Mandaten ebenso schmer machen werde, wie es früher Männern wie Bassermann, Rösicke und Naumann gegangen sei.

Abg. Torgler( Komm.) hält der Erklärung Hoegners den Pro­test der Hauptversammlung der Stuttgarter Sozialdemokratie gegen den barbarischen§ 218 sowie die Kampfansage dieser Versammlung gegen das mittelalterliche Sexualstrafrecht" entgegen. Dittmann sprach von der Verhinderung des Faschismus; ist die Zustimmung zum Panzerfreuzer, zur Zoll- und Sparermächtigung, zur Anwen dung des Gummifnüppels aegen Arbeitslose und zu einer langen Parlamentspause auch Verhinderung des Faschismus? Liegt die Verbesserung der Notverordnung in der Ermächtigung der Länder und Gemeinden zur Verdreifachung der Bürgerfteuer? Der Redner führt dann aus, daß die Lenin - Zitate im Mittwoch- ,, Vorwärts" einer Schrift gegen jene Tattit der deutschen Kommunisten ent­nommen seien. die heute der Sozialdemokratischen Partei so fatal sei. Zum Schluß fragt Torçler den Finanzminister nach verschie= denen Dingen, darunter auch, aus welchem Fonds dem Erkönig von Bulgarien noch im Februar d. 3. 500 000 m. gezahlt worden feien. Abg. Graf von Westarp( Bolt fons.) verf not, daß die Rooies rung neue Verhandlungen zur Revision der Reparationsverpflich tung einleitet.

Reichsfinanzminister Dr. Dietrich erflärt, die Reichsregierung werde den Reichsrat bitten, die Steuer­erhöhungsbeschlüsse des Reichstags, wenn sie auch in der dritten Lesung bestätigt werden sollten, abzulehnen. Dem Abgeordneten Torgler antwortet der Minister unter Hinweis auf frühere Er­Elärungen im Ausschuß:

1. daß das Reich mit der AEG. um Millionen Mart pro­zeffiere, fie aber nicht der AEG. geschenkt hobe;

2. daß jeder Deutsche das Recht habe, Handelsniederlassungen im Ausland zu betreiben, was noch lange nicht Kapitalverschiebung und Steuerhinterziehung bedeute;

3. daß das Verfahren gegen den Berliner Fabrikanten Jate­bowski weiter gehe. Die Angelegenheit des Erzaren von Bul garien stamme noch aus dem Kriege und wäre am besten dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.( Hohnlachen der Komm.)

Aba. Frau Schreiber Krieaer( Soz): Gegen den Geburtenzwang tämpft die fo- ialdemokratis be Fraktion seit langem. Sie hat eine canze Reihe Anträge in diefem Sinne eingebracht. Bei der Beratung der Strafrechtsreform wird Gelegenheit sein. auf die gesundheitlichen, seelischen, moralischen und materiellen Schädigungen einzugehen, die der§ 218 zur Folge hat. Bahlreiche Versammlungen im ganzen Reiche zeigen, daß eine Boltsbewegung im Gange ist, die nicht zur Ruhe fommen fann. ehe das Gefeß in Einklang gebracht ist mit den Tatfarben des Lebens und mit der Not der breiten Schichten. die stärker find als Mutterinstinkt und Mutterfiebe. Jene Boltsbewegung wird nicht zur Ruhe kommen, ehe Nohrungsstand und Kinderzehl sich in Uebereinstimmung befinden. An dieser Volk bewegung fann die Bolksvertretung nicht achtlos vorübergehen. Die sozialdemokratische Fraktion hat neue Anträge vorbereitet, deren Ziel die völlige Um­gestaltung des§ 218 ist, um diese Frage aus der Heimlichkeit und Süge mit all ihren furchtbaren Konsequenzen zu lösen und den

ganzen Rompleg in die Hand des berufenen Arztes zu legen. Nur| Wir glauben, daß Berdunkelungsgefahr oder Fluchtverdacht nicht dann wird die unerhörte Zahl von Opfern dieses Paragraphen verschwinden, und mur

dann wird auch der Arzt von dem furchtbaren Konflikt erlöst fein, in dem er heute steht: entweder durch Verweigerung der Hilfe und Befolgung des Gesetzes verzweifelnde Menschen der Kurpfuscherei zu überantworten oder die Hilfe zu leisten und fich strafbar zu machen.

Drei Fünftel der Berliner Aerztinnen haben sich für die Abschaf: fung des§ 218 erflärt, in Hamburg ebenso 80 Broz. der Aerztinnen. möge dieses Haus die Zeichen der Zeit verstehen und wenigstens, solange das Gesetz besteht und täglich tausendfach gebrochen wird, Milde walten laffen für die Opfer. Zu diesen Opfern g hört auch Frau Dr. Jacobowig- Kienle in Stuttgart . Meine Fraktion bringt folgende Entschließung ein:

Der Reichstag ersucht, da er nach der Verfassung nicht das Recht hat, den von einem Gericht erlassenen Haftbefehl aufzu­heben, die Reichsregierung, auf das württembergische Justizmini fterium einzuwirken, daß der zuständige Staatsanwalt schleunigst den Antrag auf Aufhebung des gegen Frau Dr. Kienle in Stutt­ gart erlassenen Haftbefehl stellt.

Es wird als ganz besonderes Unrecht empfunden, daß Frau Kienle in haft bleibt, nachdem Dr. Wolf aus der Haft entlassen worden ist.

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vorliegen und bitten deshalb um Annahme unserer Entschließung. ( Beifall der Sozialdemokraten.- Gegenrufe der Kommunisten.)

Abg. Dr. Gereke( Landvolk) erklärt, die Landvolkpartei habe gegen viele Einzelheiten des Etats starke Bedenken, stelle sie aber zurück, um dem Reichskanzler und dem Ernährungsminister ihr Vertrauen zu befunden. Sie billige auch das Bollermächtigungs­gefeß in seiner neuen Fassung und bedaure nur, daß es durch den worden sei, mehr für die Landwirtschaft zu erreichen. Abg. Stöcker( Komm.) fündigt in einer längeren Erklärung die Ablehnung des Etats an.

Auszug der Deutschnationalen und Nationalsozialisten unmöglich ge­

Die Kommunisten bringen einen Mißtrauensantrag gegen das Rabinett ein das die Bevölkerung getäuscht und betrogen habe. Bizepräsident Effer erklärt unter Pfui- Rufen der Kommunisten, daß dieser Antrag wegen seiner unparlamentarischen Fassung nicht zugelassen werde.

Die Aussprache über den Etat ist beendet. Es folgen die vielen vorher zurückgestellten

Abstimmungen,

zunächst über das Osthilfegesetz. Dieses wird in zweiter Lesung in der Ausschußfaffung angenommen. Zum Osthilfegesetz wird auch eine fozialdemokratische Entschließung angenommen, die sich gegen

Berlin - Gesetz angenommen.

Vertrag mit der Boltsbühne abermals nicht zustandegekommen.

Zu Beginn der Landtagssizung am Dienstag beantragten die| Menschenleben, beschränkt. Es ist leichter gewesen, die haßerfüllten Deutschnationalen in der fortgesezten Aussprache über den Innen. etat die Redezeit um eine halbe Stunde zu verlängern, damit sie Gelegenheit bekommen, noch auf die Rede des Abg. Letterhaus( 3.) zu antworten. Der Antrag wurde abgelehnt.

Abg. Prelle( Dtsch- Hann.) wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Falt. Die Hannoveraner hätten sich trotz aller Unter­drückungen immer loyal benommen. Sie dächten nicht daran, für die Wiedererrichtung der hannoverschen Monarchie einzutreten. seien durchaus modern gesinnt.

Abg. Leinert( Goz.):

Sie

Die moderne Einstellung der Welfen spiegelt sich nur in Wieder­holungen ihrer alten Tiraden. Ihre Loyalität befundete Kollege Biester, der bekanntlich erklärte, daß die Welfenpartei das Bestreben hat, das Innenminſterium zu unterminieren. Daß der von ihr ge ſtellte Oberbürgermeister von Hannover von der Regierung bestätigt wurde, zeigt die Toleranz der Demokratie. Würde die Regierung nach der Aeußerung des Herrn Biester aber noch den zum Landes­hauptmann gewählten Welfen bestätigen, so wüßte sie wirklich nicht, was sie tut. Wie alle bürgerlichen Mittelparteien sucht auch die Welfenpartei aus Angst vor dem Tode Anschluß an die National­sozialisten.( Sehr wahr! bei den Soz.)

Um die Parteibuchwirtschaft in der Personalpolitik zu beweisen, hat die Bolkspartei über die Vorgänge im Statistischen Landesamt einen Untersuchungsausschuß einsehen laffen. Sie hat über den ,, roten Terror in den öffentlichen Betrieben" Flugblätter verbreitet, obwohl die Verhandlungen durch Zeugenaus: sagen das Gegenteil ergeben haben. Diese ganze infame Heße ist fläglich zusammengebrochen.( hört, hört! bei den Soz.) Mert­würdigerweise übersieht dabei die Rechte vollständig die Maßrege= lung von Beamten in Braunschweig und Thüringen .

Weil es der Rechten an Agitationsmaterial fehlt, hat der Stahl­helm dos Boltsbegehren auf Landtagsauflösung eingebracht. Dabei haben Deutschnationale und Volkspartei eine Heidenangst vor Neu­wahlen und der Stahlhelm rechnet selbst damit, daß sein frivoles Spiel teinen Erfolg hat.

Es ist nur ordinäre Demagogie, wenn gefordert wird, daß um der Osthilfe vnd der inneren Gefundung willen Preußen von den jehigen Machthabern befreit werden müsse. Wenn das geschehen follte, müßten die Ministerseifel wieder besetzt werden. Daß die Herren von rechts fich hierfür bereithalten, ist schließlich nichts weiter als der Drang zur Futterkrippe!( Sehr wahr! bei den Soz. und Heiterkeit.)

Die Rechte bezeichnet das jekige Preußen als eine nationale Gefahr, fie fordert Sperrung der Reichszuschüsse, weil teine Gewähr für deren verfassungsmäßige Verwendung gegeben sei. Es soll die Reichseinheit bedrohen. Ein maßgebendes bürgerliches Blatt in Bayern beurteilt Preußen allerdings anders. Es begrüßt, daß Preußen fest steht und der jezige Innenminister die staatliche Ord­mung garantiert.( hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.)

Tatsächlich hält Preußen das Reich zusammen.

Ein Sieg Hitlers würde dessen Bestand und Kreditfähigkeit er schüttern und das Fünfmillionenheer der Arbeitslosen verewigen. ( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Schon die Wahl vom 14. September hat dem Reich durch die Rückziehung ausländischer Kredite unermeßlichen Schaden zugefüot. Aber das Volk wird flug genug sein, einzusehen, was es mit Hitler und Hugenberg gegen Braun und Severing eintauschen würde: die völlige Auflösung des Staates!( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Der Stahlhelm bat angekündigt, daß beim MolPaberebren Ge­| legenheit sei, festzustellen, wer seine nationale Pflicht erfüllt. Nach all den Fälschungen und Rerfeundungen über die Mißwirtschaft hes Marrismus wird also noch der unverschämteste Terror angefündigt. ( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Es ist das Berdient der Sozialdemokratie und ihrer Organi­fationen, beim Zusammenbruch Deutschland gerettet zu haben. Die Sozialdemokratie hat den Ruhreimmarsch abgewehrt und nicht die Rechtskreise mit Schlageter und Genossen.

Damals sprach Hitler das Wort: nicht Nieder mit den Franzosen muß es heißen, fondern Mieder mit den Novemberverbrechern. ( Hört! Hört! bei den Sozialt emofraten.) Die Sozialdemokratie hat Deutschland von den äußeren Gegnern befreit. Sie hat über den Dawes- Blan im Young- Plan die jährliche Zahlung der Tributlaften um 700 bis 800 Millionen Mart herabgemilbert, fie hat die Souveränität des Reichs wieder hergestellt und den Rhein befreit Wenn die Saar noch nicht frei ist, so einzig durch die Schuld der Rechtsparteien! Helfferich hat während des Krieges einmal erklärt: Die Kriegslaften werden unsere Feinde wie eiserne Retten durch die Jahrhunderte schleppen müssen."( hört! Hört! links.) Unsere Gegner haben die Dauer der Laften für uns auf 59 Jahre, ein

Gegner zur Vernunft zu bringen, als einen Teil der eigenen Bolks­genossen, die in blinder Wut alles unter die Stiefel treten, was mühselig in Notzeiten aufgebaut wurde!( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Seit der Ermordung Rathenaus ist der Mord zur politischen Waffe geworden. Dafür tragen Deutschnationale und National­sozialisten die Verantwortung.

Sie find verantwortlich für das vergossene Blut. Wenn Hitler für die Hamburger Mörder des fommunistischen Abgeordneten Hennig jezt die Berteidigung stellt, so nicht nur, weil er sich verantwortlich fühlt, sondern auch aus Angst, daß die Mörder gegen seine Partei aussagen fönnten. Es steht fest, daß die Nationalsozialistische Partei die Mörder begünstigt.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Solchen Leuten dürfen wir nicht Preußen überlassen! Ihre Herrschaft würde die Wiederherstellung des Dreiklaffenwahlrechts, des Herrenhauses und der Gesindeordnung bedeuten. Wenn wir uns gegen das Stahlhelmvoltsbegehren wenden, so wollen wir die Kultur und die Arbeiterrechte nicht politischen Kannibalen überant­worfen, sondern für den Aufstieg des Volkes kämpfen zu besseren Zuständen.( Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Kasper( Komm.) verwahrt sich gegen die Unterscheidung des Innenministers zwischen anständigen und unanständigen Mit­gliedern der fommunistischen Fraktion. Mit solchen Wendungen tönne man teine Sprengtapfeln legen. Man habe nie solche viehischen Ausschreitungen der Polizei erlebt als in der Republik . Der Redner beschwert sich weiter über Maßnahmen gegen fommu­nistische Parteiorganisationen.

Hierauf werden die für 2 Uhr angesetzten Abstimmungen vorgenommen.

Zunächst wird abgestimmt über

das neue Berliner Selbstverwaltungsgesetz. Das Gesetz wird in dritter Lesung unverändert in der Ausschuß­fassung, d. h. unter Ablehnung aller Aenderungsanträge der Rechtsparteien und Kommunisten, angenommen. Die Schluß­abstimmung ist namentlich. Hierbei obstruieren Kommunisten und Rechtsparteien, mit Ausnahme der Landvolkpartei, indem fie feine Karten abgeben.

Die Auszählung ergibt 223 Ja- Stimmen und 18 Nein- Stimmen. Damit ist das Berliner Gesetz endgültig verabschiedet.

Es folgen die Abstimmungen über den Haushalt des Kultusministeriums in zweiter Lesung. Unter den an­genommenen Anträgen befindet sich auch der Zentrums­antrag, die Staatsoper am Platz der Republit mit Abschluß der Spielzeit 1931 zu schließen. Hierbei enthielten sich die Sozialdemokraten.

Die Abstimmung über den

Bertrag des Staates mit der Volksbühne ergibt, wie nun schon zweimal vorher, wiederum die Beschlußunfähig. teit des Hauses. Rechtsparteien und Kommunisten gaben feine Karten ab und die Regierungsparteien brachten nur 225 Stimmen auf. Es fehlte an der Beschlußfähigkeit also nur eine Stimme. Die Sozialdemokraten waren vollzählig.

Hierauf wird die unterbrochene Aussprache über den Innenetat fortgesetzt.

Abg. Mehenthin( D. Bp.) erklärt, daß die Dauer eines Kabinetts noch fein Zeichen für gute Leistungen sei. Die Posten der Ver­waltung feien mit Anhängern der Regierungsparteien überschwemmt worden. Statistisch sei nachgewiesen, daß Kommunisten an Gewalt­tätigkeiten und Versammlungsstörungen den meisten Anteil haben.

Abg. Grzimet( Staatsp.) meint, daß sich nach dem Scheitern im Reich die Offensive der Rechten gegen Preußen richte, weil es sich in den letzten zwölf Jahren als der starte Fels der deutschen Republit erwiesen hat. Preußen habe in der Notzeit Großes geleistet, und das sollten auch die Oppositionsparteien anerkennen. Die von der Rechtsregierung im Reich gemachten Steuern feien in Preußen gemildert worden. Im weiteren Verlauf seiner Rede geht der Redner auf die verheßenden Methoden der Nationalsozialisten ein und fordert den Minister auf, noch fchärfer als bisher zuzupaden.

Hierauf schlägt Bräsident Bartels dem Hause vor, sich zu ver tagen. Zur Geschäftsordnung erklärt

Abg. Riedel( Staatsp.), daß während der Rede des Abg. Grzimek der nationalsozialistische Abgeordnete Haafe diesem zuge­rufen habe: Dir werden wir noch die Eier schleifen!" Dieser von unglaublicher Roheit und von einem nicht zu tennzeichnenden geistigen Tiefstand zeugende 3uruf fei offenbar vom Präsidenten überhört worden.( Große Unruhe im ganzen Hause.)

Präsident Bartels bemerkt dazu, daß er diesen Zuruf tatsächlich nicht gehört habe, weil er sonst sofort eingeschritten wäre.

Hierauf vertagt sich das Haus auf Donnerstag 10 Uhr. Tages­ordnung: Fortsetzung der Debatte über den Innenetat