Sellin sendet: Deutsch für alle ßine schlechte De-povtage Em Dichter wurde 60 Jahre alt, ein Mann, der uns mit seinem Werk mehr geschenkt hat als nur Kunst um der Kunst willen, und der seiner Zeit auch in Zukunft noch manches zu sagen haben wird: Heinrich Mann . Sein Geburtstag wurde an vielen Orten, wo die Geistig'eit eine Stätte hat, festlich begangen, und manches gute und kluge Wort ist dabei über diesen strengen Menschheitskritiker und zukunftsglöubigen Menschenfreund gesagt worden. Die Funk- stunde hatte ihm eine Geburtstagered« von Gottfried Venn bestellt. Venn ist Lyriker, und als dieser hat er das Recht, sich als Mittelpunkt einer Welt zu fühlen, feine Erlebdisfähigkeit als den einzigen Spiegel alles Seins, seinen Begriffskreis als die einzige Ausdrucksmöglichleit olles Geschehens zu empfinden: denn alles lyrische Schaffen ist egozentrisch, Jch-betont. Aber In dieser Red« zu Heinrich Manns Geburtstag interessierte den Radiohörer der Lyriker Gottfried Venn nicht Im allergeringsten. Venn jedoch zeigt« in ihr nur sein eigenes Gesicht: er spiegelte sich in dem Werk dessen, den zu feiern er vorgab und den er der Meng« unter einem Wust hochtrabender Fremdwörter verhüllte. Es ist anmaßend, vor einer Millionenschar sich einer Sprache zu bedienen, die nur einige Hundert oerstehen. Venn hat schon mehrfach bewiesen, daß er kein Rundfunkredner ist, der einer großen Hörerschar etwas zu sagen hat. Es ist daher unverständlich, daß man ihm diesen wichtigen Bortrog anvertraute. Diese verunglückte Geburtstagsrede zeigte, daß immer wieder der Name des Vortragenden von der Funkstund« für wichtiger behalten wird als feine Ausführungen, und daß die Bedeutung der sprachlichen Gestaltung für den Inhalt eines Vortrages nicht genügend erkannt ist. In fast allen Fällen liegen den maßgebenden Funkstellen die Manuskripte der angeforderten oder eingereichten Vorträge vor. Kein Redakteur würde einem Mitarbeiter, in dem er nicht nur«In« dekorative Gestalt, sondern einen tatkräftigen Mithelfer an seinem Werk sieht, solche Sprachschnitzer durchgehen lasten, wie sie leider in den Funkvvrträgen noch fast alltäglich sind. Freies Sprechen nur an Hand von Stichworten oerträgt gelegentliche Entgleisungen viel eher, weil es— von seltenen Ausnahmen abgesehen— fast immer lebendig, als unmittelbarer Ausfluß des Gedankens wirkt und den Hörer zu diesem hinzwingt, ohne ihn für das Nebenher des Sprach- und Satzbaues zu interessieren. Der wohlausgear» beiteteVortrag aber wird abgelesen. Lückenlos reiht sich Wort an Wort, Satz an Satz. Wo im gesprochenen Vortrag vielleicht eine natürliche Sprechpaus« einen Gedanken heraushebt, muß er hier von klarem Schriftdeutsch emporgetragen werden. Kanu im ersten Fall eine plötzlich die Rede abstoppend« Begeisterung, ein jähes Suchen nach dem besten, treffendsten Ausdruck uns birweilen einen Wert deutlicher machen als die schwungvollste Sprach«, so überzeugt uns im zweiten gerade die Selbstverständlichkeit, mit der dem Vortragen- den dafür klare, treffende Wendungen zuzufließen schienen. Aber die am lausenden Band der sogenannten ,. Umgangssprache* produzierten Phrasen werden noch recht ausgiebig für solche schrift- deutschen Funkvorträge bezogen. Man sollte gegen solch« Vorträge von vornherein mißtraustch sein. Denn alle dies« beliebten Wen- düngen sind im Grunde doch nur Worte, die Begriffe vortäuschen fallen, aber kein« darstellen. Gewiß kann man gelegentlich« flüchtige Satzfüllsel übersehen. Aber wer mit„i r g e n d w t«* und. i r g« n d- w o* und„irgendwann* und„letzten End«»* Stimmung»- Malerei treiben will, drückt schon dadurch feinem Bortrag den Stempel der Unklarheit auf. auch wenn man über„glatt und rund' und „einige wenige* verzeihend hinwegsieht. Sämtliche Wen- düngen sind einem einzigen Vortrag entnommen, der im Programm der Deutschen Well« über ein Gebiet der deutschen Literatur gehalten wurde, und der sonst sprachlich durchaus nicht unter dem funküblichen Durchschnitt lag. Name und Thema des Vortragenden tun hier nichts Zur Sache: wichtig ist nur, daß laut Ankündigung die Ausführungen eine Beziehung zum täglichen Leben suchten. Das war eine Vorspiegelung falscher Tatsach««: die Darlegungen bewegten sich in den Sphären nebelhafter Remontik und blickten von da aus auf die Ihnen verschleierte Wirklichkeit herab. Da» einzige Ergebnis, das sie dem aufmerksamen Hörer brachten, war die Erkenntnis, daß sich letzten Endes irgendwie immer irgendwo und irgendwann mit einigen wenigen Gedanken über Literatur glatt und rund ein Dortrag halten läßt. Was aber eigentlich nicht zu beweisen war. » Von der letzten Fahrt HermannMüllere brachte di« Funk- stunde einen kurzen Hörbericht. Am Mikrophon stand«in Sprecher, der über eine gute Kenntnis politischer Persönlichkeiten verfügte und der daher imstande war, sie im Trauerzug zu erkennen und den Hörern namhaft zu machen. Doch von der schmerzlichen Gewalt, di« von dieiem unabsehbaren Auge ausging, von dem erschütternden Eindruck, den er auf jeden Beschauer ausübte, wußte der Reporter nichts zu sagen. Er zählte durcheinander wesentliche und unwesent- liche Einzelheiten aus, erwähnt« flüchtig, daß die alte Mutter des Verstorbenen von einem Ballon aus auf den Leichenzug herabblicke, schien selber unberührt von dem tragischen Bild, das die Fünfund- achtzigjährig« bot. Bei den Feiern anläßlich von Hlndenburgs Geburtstag wurde von deni Platz vor dem Reichstag ein« Repor- tage gesendet. Damals, in Erwartung des Erscheinens von Hinden- bürg, füllte Alfred Braun einige Aeit damit aus, daß er beschrieb, wie die Pferde der berittenen Schußpoltzei unruhig zu werden begannen. Natürlich'hätte es auch Irgend etwas anderes zu berichten gegeben, aber die Schilderung dieser nervös tänzelnden Pferde vermittelte etwas von der heiter erwartungsvollen Spannung, mit der man auf den alten Reichspräsidenten harrte. Bei dem Vor» beizug des Trauergeleites von Hermann Müller aber die Hörer mit einem solchen Bericht über die Bewegunoen der Pferde unterhalten zu wollen, wirkte fast als Taktlosigkeit. Daß die„Roten Fal-ken* in ihren blauen Kitteln mit dem roten Abzeichen von dem Bericht- erstatter für Vfadsinder gehalten wurden, war schließlich nur eine kleine Entgleisung. Di« Funkstunde hätte sich selber geehrt, wenn sie von dem letzten Wege de» verdienstvollen Staatsmannes, des Menschen, der sein gan-es Tun und Denken seinem Volk gewidmet hatte,«inen würdigen Bericht übermittelt hätte Tes.
SlecIsfsfFczgrezx des Tages Wann ist Fvlslselxung notwendig? Ein Mühlenbesitzer hatte von einem Landwirt«inen Waggon Roggen zu einem fest vereinbarten Preis« gekauft, der nach der Ernte geliefert werden sollte. Kurz nach Abschluß des Vertrages stieg der Roggenpreis und der Mühlenbesitzer dachte mit Befriedi- gung feines festen Abschlusses, wonach er den Roggen noch zu dem niedrioen Preise erhakten mußte. Nach der Ernte wartete er indes von Woche zu Woche auf de» Eintreffen de» Waggons und mahnt« den Landwirt mehrmals, di« Lieferung zu beschleunigen. Da er hierauf keine Antwort erhielt und e» den Anschein hatt«, als ob der R.ogaenpreis weiter steigen würde, schrieb er an den Landwirt, er sähe sich genötigt, sich nunmehr anderweit einzudecken. er würde aber den Landwirt für den ihm durch Zahlung der höheren Preise«ntstehenven Schaden haftbar machen. Aber auch hier-
auf erhielt er� keine Antwort. In dem Bewußtsein, alles nötige getan zu haben, sich vor Schaden zu bewahren, kaufte er nun den Roggen anderweit und erhob Klage gegen den Landwirt auf Er- staUung der von ihm gezahlten, über den vertraglich festgesetzten Preis hinausgehenden Summe. Die Klage wurde abgewiesen. Warum?! Der Mühlen- besitzer hatte die Bestimmungen des Z 326 des Bürgerlichen Gesetz- buches nicht gekonnt oder jedenfalls nicht beachtet. Er hätte, da der Landwirt keinerlei Erklärung abgegeben hatte, diesem eine an- gemesiene Frist zur Bewirtung der Leistung bestimmen müssen mit der Erklärung, daß er nach Ablauf der Frist die Annahme der Leistung ablehne. Erst nach Ablauf dieser Frist war er berechtigt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Hätte der Landwirt zum Ausdruck gebracht, daß er die Be- Wirkung der Leistung ernstlich verweigere, so hätte es der Fristsetzung nicht bedurft. Da der Landwirt aber auf olle Zuschriften ge- schwiegen hatte, also aus seinem Verhalten nicht zu ersehen war, ob er den vertrag erfüllen würde oder nicht, so mußte ihm der Mühlen- besitzer zunächst die nach lj 326 gebotene Frist zur Erfüllung des Vertrages bestimmen, um nach Ablauf dieser Frist seine Schadens- ersatzansprüche wirksam durchführen zu können. Anders lag folgender Fall: Ein Kaufmann hatte mit einem Strumpffabrikan-
t e n eine große Lieferung von etwa 1000 Dutzend Paar Strümpfen abgeschlossen: der Preis wurde bei dem Umfang der Bestellung auf 16 M. pro Dutzend vereinbart. Die Lieferung sollte auf fort» laufenden Abruf erfolgen: ein Zeitraum, innerhalb besten die Ware abzurufen sei, wurde nicht bestimmt. Der Geschäftsgang war indes nicht so rege, wie die Parteien wohl bei Abschluß des Ver- träges angenommen hatten, so daß der Abruf der Waren langsamer erfolgte, als der Strumpffabrikant erwartet hatte. Nachdem er daher etwa die Hälfte der Ware geliefert hatte, erklärte er, daß«r z u dem vereinbarten Preise nicht weiter liesern könne, er müsse die Lieferung einstellen, wenn ihm nicht 2 M. mehr, also 12 M. pro Dutzend, bewilligt würden. Der Kaufmann lehnte dies ab und erklärte, daß er sich die Ware anderweit beschaffen und den Fabrikanten für den ihm entstehenden Schaden ersatzpflichtig machen würde. Er ist dann auch mit semer Klage durchgedrungen. Das Reichsgericht folgte der Reichsgerichtsentscheidung, wonach es keiner Fristsetzung bedarf, wenn der eine Vertragsteil an Be- Wirkung der Leistung unzulässige Bedingungen knüpft, was dann der Erfüllungsverweigerung gleichsteht. In dem Verlangen eines höheren Preises, von dem der Fabrikant die Weiterlieferung abhängig ge- macht hatte, sah das Gericht eine solche unzulässige Bedingung. Hier brauchte also im Gegensatz zu dem ersten Fall keine Frist gesetzt zu werden. Xsargaretd« Falkenfeld.
Wlelnberg:» SDic europäische Nuttun der Weusell Die Notwendigkeit geschichtlicher Selbstbesinnung ist aus dem Wesen des marxistischen Sozialismus nicht wegzudenken. Wenn wir die Zukunft gestallen wollen, müssen wir die Gegenwart scharf bestimmen können und auch die Gegenwart erfasten wir nur dann richtig und fügen uns handelnd In sie«in, wenn wir die Vergangen- hell, unsere Werdenegeschichte kennen. Dabei ist es nicht immer leicht, der Gefahr der Historisierung, b. h. der Ge schichte schreibung lediglich um t«r Geschichtsschreibung willen, zu entgehen. Wenn Alfred Kleinberg in seinem neuen Werk„Die europäische Kultur der Neuzeit, Umrihlinien einer Sozial- und Geistesgeschichte*(Verlag Teubner, Leipzig 1931, ge- bunden 7,20 M.), die europäische Kulturgeschichte vom dreizehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart darzustellen unternimmt, dient er damit dem Leben, hilft er dem um die Erkenntnis geschichtlich-gesell- schaftlicher Zusammenhänge Bemühten sich in der Fülle dieser Jahr- hundert« zurechtzufinden. Es ist schwer, auf zweihundert Druckseiten auch nur die..Umrißlinien* der europäischen Kullurgeschichte zu ziehen, wenn man Vollständigkell erstrebt, w'e es Kleinberg versucht. Wirtschaft, die großen politischen Ereignisse, Technik, Naturwissen- schast, Philosophie, Musik, Malerei, Literatur, Erziehung in jeder Epoche dieser Jahrhundert« mit ungefährer Gleichmäßigkeit zu umreißen, stellt an den Verfaster und an den Leser große Anforderungen: denn der Umfang dieser Gebiete ist«nzyKopädisch und«s ist fast unmöglich, alles quellenmäßig zu beherrschen. Trotz dieser Schwierig- kciten stt es dem Verfaster zweifellos gelungen, den Gefamtzusammen- hang der europäischen Kullurgeschichte einheitlich zu gestalten, weil er einen festen Bezugspunkt hatte: die um chr« Befreiung kämpfend« Arbeiterklaste. Blickt man jedoch von Klcinbergs Gesamtdi-positwn in di« Einzelheiten, so ließe sich z. B. einwenden, daß die ersten drei Jahr- hunderte der neueren Geschichte(bis 1666) im Vergleich zu der späteren Zeit entschieden zu knapp gefaßt sind. Kleinberg drängt di«
i Entwicklung vom Ausgang des Mittelalters bis zur Mille des sieb- zehnten Jahrhunderts auf 22 Seiten zusammen. Damll werden die Uebergangsprobleme vom Mittelalter zur Neuzeit, die für eine tiefere Bewährung der historisch-materialistischen Geschichtsausfastung so entscheidend sind, kaum berührt. Aehnlich steht e» mit dem Schlug- kapitel, welches die Epoche feit etwa 189S bis zur Gegenwart auf- zeigen soll. Der Weltkrieg mit seinen Folgen bedeutet doch einen Einschnitt, einen entscheidenden Wendepunkt in der Entwick- lungsgeschichte der modernen Welt. Die eigenständig« Struktur unserer Gegenwart ließe sich, scheint mir, doch schon bestimmter fassen als es Kleinberg gelingt: ,„.. das Vor. und Beiläufige unserer Gegenwart weckt bestenfalls technisches Können, Ordnungssinn und kühle Stoffbeherrschung, aber keinen Aufschwung, keine Hingab« und keinen Glauben.* Unsere Gegenwart ist nicht erst reif zum Neubau. vielmehr baut sie schon— allenthalben. I. P. Mayer. Glück haben— Hebuugsfache? Jawohl,„Glück haben— U« b u n g s sa che!* nennt Dr. med. E r n st R o t h e ein in Max Hestes Verlag, Berlin -Schöne- berg, erschienenes Buch, und er bemüht sich, den Beweis dafür zu erbringen, daß man, wie den Leib, so auch die Seele und das Gemüt trainieren und zu immer vollendeteren Formen der Leistungsfähigkell bringen kann. Der Charakter, sagt Rothe, ist die Summe unserer psychischen Eigentümlichkeiten, die sich etwa als Angst, BildungÄ>rang, Demut, Dünkel, Ehrgefühl, Eifersucht, Freihellclieb« usw. äußern. Aber alle diese Qualitäten und Mißqualitäten(und mithin auch der Charakter im ganzen) lasten sich, durch geeignete Methoden, die dann mitgeteilt werden und die von der Atemlehre bis zu Couös Auw- suggestion und Freuds Psychoanalyse reichen, entweder weiter her» ausbilden oder eindämmen. Es kommt, nach Roche , nicht so sehr auf die Höhe der vorhandenen Glückswerte an, als auf die Ein- ftellung zu ihnen. Glück mag etwas Objektives sein, Glückegefühl ist ihm etwas Subjektives. Auch Erziehungsregeln gibt der Autor, die etwa mit den Reformbestrebungen unserer modernen Pädagogen übereinstimmen. Das Buch ist amüsant und leicht geschrieben und wenn in ihm di« Maßnahmen, die in der Macht des einzelnen liegen, um zu größerer Lebensfreude zu gelangen, auf Kosten der kollektiven Maßnahmen, auch zweifellos überschätzt werden, so liest es sich doch mit Gewinn. Hans Bauer.
WAS DER TAG BRINGT
■naiuiinimiiiiiuiuiiiiminniiiiiiiimninitiiiiiiiiimiiunnmnniiiiiiniiiniMiiiiiiinuiiiiiiiiiiiiiiiiiiimiiHiiiiiiiiiiiiuiiiHiiiiiiiHiiiiiimnHmiiNiiiiiHiNi!
ERZAHLT VOH YORICK
Die Klage der siamesischen Zwillinge Manchmal, in Kabaretts und Dariätes,.sieht man auf der Bühne körperlich Anormale, etwa Liliputaner; und es ist wohl bei jedem Gesunden die Schaulust beeinträchtigt durch ein peinliches Gefühl des Mitleids: vielleicht bedeutet für diese, die in den selbstverständ- lichen Ablauf des Lebens nicht eingereiht sind, solch ein Agieren- dürfen vor den Normalen den einzigen Ausgleich, sowohl in seeli- scher wie in wirtschaftlicher Beziehung. Da berührt es denn fast grausig, wenn man jetzt von der Klag« der„Siamesischen Zwillinge * liest: diese aneinandergewachsenen beiden Schwest.rn, die den Umkreis ihres Lebens im Darietö sehen müssen und Gagen von 14666 M. für di« Woche bewilligt bekommen— diese armen Wunderwesen leben als Sklaven. Im Londoner Elendsviertel wuchsen sie auf, ihre Mutter hatte sie an«ine Amme verkauft, und als die starb, hinterließ si? die Zwillinge ihrer Tochter, wie man «in« Ware hinterläßt. Die Tochter heiratete einen Mr. Rothbaum, und dies Ehepaar lebt seither von den phantastischen Gagen der verwachsenen Mädchen, indes die Verdienenden selbst nur das zum Leben Notwendigste bekommen. Nun haben die Mädchen, wohl bei irgendeinem Anlaß, der ihnen ihr Los besonders unerträglich erscheinen ließ, Mut gefaßt und haben vom Gericht die Bestellung eickes Verwalters erdetem Mister und-. Miß Rothbaum aber stehen Im harten Scheinwerferlicht der Oeffentlichkeit— und der Mensch fragt sich erstaunt, wovor menschliche Gemeinheit eigentlich Halt macht.... Der Mann, der vom Selbstmord lebte Vor vielen Jahren tauchte in dem englisäien Städtchen Glau- cester Herr William P r i c e auf— ein wagemutiger junger Mann. Er eröffnete am Ufer des Seoern, an dem Gloucester gelegen ist,«in Bootsverleih Institut. DI« Liebespaare von Gloucester , so rechnete damals Herr Price, würden kommen und Boote mieten und romantisch sein und auf dem Wasser lieben. Ob aber nun den Liebenden das Master zu kalt oder zu Übersicht- stch war— jedenfalls war ihnen fester Boden unter den Füßen auch in den Dingen des Herzens lieber, und Mister Prices Boot« blieben unvermietet. Jahre lang, und der Pleitegeier mischte sich bereits unter die Strandvögel-- da geschah es. Es geschah nämlich, daß die Brück«, die fast über Mister Price» Institut den Seoern überquert«, der Lieblingsplatz der— S« l b st- mörder von Gloucester wurde. Kaum eine Woche verging, ohne daß einer oder eine sich in den Fluß stürzt« auch die ernstesten Dinge unterliegen den Gesetzen der Mode. Und auch dl« ernstesten Dinge können ander« Leute froh machen— so auch die Selbstmörder Mister Price. Denn nach jedem Sturz in die Flut wurden all seine Boote zum Absuchen des Flusses gemietet und, meist aus öffentlichen Mitteln, gut bezahlt. Man tat das um so lieber. als Mister Price, selbst«in vorzüglicher Schwimmer, häufig unter Einsatz seines Lebens, hinterhersprang, um die Lebensmüden zu retten. Freilich gelang das fast nie: Herr Price erklärte, daß der Severn gerade an dieser Stelle besonders gefährliche Wirbel habe,
die jeden sofort hinabrissen und nicht wieder empor gäben, es sei denn erst weit unten am Meer. So ging es Jahrzehnte hindurch: Leute stürzten sich von der Brücke, ihre Leichen wurden nie gefunden, ihre Namen nie«rmillelt, welch letzteres sich daraus erNärt, daß es in England keine polizei» liche Anmeldepflicht gibt. Einmal geschah es, daß«in mutiger Polizist sich einer Frau nachstürzte, die eben von der Brücke gesprungen war— er fand die Frau nicht und wurde erst nach längerer Zeit und im letzten Moment von Mister Price gerettet. Mister Price bekam jene englisch « Auszeichnung, die unserer Ret- tungsmedaille entspricht, und jeder gönnte sie ihm: hatte sein Opfer- mut doch wenigstens einmal Erfolg gehabt! Endlich aber beschloß man höheren Ort», gegen das Ueber- handnehmen von Selbstmorden nie ermittelter Personen etwas zu tun. Uno zwar begann man mit einer eingehenden Unter- f u ch u n g. Man brauchte sie aber nicht durchzuführen, denn gleich am Beginn erschien aus der Polizei Mister Price und— gestand. Gestand: daß er selbst e, gewesen sei, der sich allwöchenllich in stets wechselnder Verkleidung in ven Severn gestürzt habe; daß er, da er vorzüglich schwimm«, stets tauchenderweise sein Booteheus erreicht und dort sich abgetrocknet und die Kleider gewechselt habe; daß er anschließeno seine Boote in den Dienst der Rettungeaktion gestellt habe, manchmal auch sich selbst— im allgemeinen ober zu- gesehen habe, wie man ihn suchte, natürlich stets ohne Erfolg: daß er aber nur von den Pfeudo toten lebe, weil er es von den Lebenden nicht könne, und daß er als Belohnung für sein offenes Geständnis auf Straffreiheit rechne. Hatten di« Polizisten nun Humor ooer waren sie so froh, das Rätsel gelöst zu sehen— es geschah ihm wirklich nichts selbst den fast ertrunkenen Polizisten verzieh man ihm. Und somit hat der falsche Lebensretter doch wenigstens eins aufs Trockene gebracht: sein Schäfchenl Wochenragout Nun hat man also nachgemessen, für welch« Tätigkeit der Mensch den größten Aufwand an Energie machen muß. Dabei hat man zunächst herausbekommen, daß man die geringste Energie zum — Denken braucht! Tatsächlich genügt«in Gabelbisten Nahrssoff, um den Energieverbrauch einer ganzen Stunde angestrengter Kopf- arbeit zu ersetzen.— Somit ist es denn endlich heraus, wieso die deutschen Dickster und Philosophen von ihren Einnahmen leben konnten! (Es ist kaum zu glauben: aber es gibt ein deutsches Tanzlokal, das keine Lergnügungesteuer zu zahlen braucht. Jetzt hat es Ihm ein hoher Bezirksausschuß sogar ausdrücklch bestätigt. Es handelt sich um«inen Ost siedampfe r. Auf ihm veranstaltet der Ree' er Tanzvergnügungen, und die Stadt Stettin wollte diese �äll« besteuern. Slber der Reeder wandte ein, daß die Veranstaltungen erst auf h o h e r S« e beginnen, und bekam recht!— Wie wir jedoch erfahren, wären Tanzveranstaltungen etwa auf dem Müggelsee nicht steuerfrei!