Waller Wieckauer: 3
Der Mime von heute, den Gastspielverpflichtungen noch den verschiedenen Teilen des Reiches führen, läßt durch seinen Agenten einen Schlastvagenplatz bestellen, besteigt um Abend den Zug und ist am nächsten Morgen an Ort und Stelle. Er begibt sich in« Theater, wohnt einer Durchsprechprobe bei, macht am Nachmittag einen Rundgang durch die fremde Stadt und steht abends auf der Bühne, als wäre er immer dort gewesen. Gang anders war es noch vor einigen Generationen. Es ist die Dämonie der Technik, die den Menschen von heute ohne Beziehung zur Strecke des Weges, die cr zuriiicklegt. an den Ort seiner Bestimmung führt, die das Cnt- fernte verbindet und das zwischen zwei Zielpunkten Liegende aus- schaltet und nicht einmal in unser Bewußtsein gelangen läßt. Eine Begebenheit, wie die hier geschilderte, die der Chronist aus dem Leben des berühmten Schauspielers Ludwig Devrient erzählt, könnte sich darum im zwanzigsten Jahrhundert kaum noch ereignen, selbst wenn die gleichen äußeren Umstände gegeben wären... » An einem Märzmorgen— es mochte zwischen neun und zehn Uhr s«in— fuhr vor nahezu hundert Iahren in Landsberg an der Warthe eine Postkutsche ein. Di« Räder waren vom Schlamm der Landstraße bespritzt, die Pfeude müde und abgetrieben. Als der Wagen hielt, kletterte der Postillon von seinem hohen Sitze herab, der Wirt trat vor die Schenke, und seine herbeieilenden Knechte spannten das Geschirr aus, um die Pferde zu wechseln. Der Vorhang des Postkutschenfensters wurde aufgezogen; das scharfe Profil eines Fremden zeigte sich hinter den Scheiben; spähende kluge Augen blickten auf den Kreis der Neugierigen, die sich um den Wagen geschart hatten. Es war Ludwig Devrient , der— auf dem Gipfel seines Ruhmes stehend— sich auf einer Reise nach Königsberg befand, um dort ein Gastspiel zu geben. Während der Kutscher mit den Pferdeknechten verhandelte, stieg Devrient langsam und würde- voll au« dem Postwagen und betrat über die drei Ste>ntreppen die von der Morgen'onne beleuchtete Gaststube. Er setzte sich an einen der langen cholztisch« und forderte eine Flasche Wein. AI » er den Blick durch den Raum wandern ließ, an dessen Wänden oergilbte Kupferstiche hingen, blieben seine Augen plötzlich auf einem ge- druckten Zettel haften, der in der Mitte de- Tisches lag. Es war ein Komödienzcttel, der die letzte Vorstellung der„Königlich prioi« legierten Wagnerschen Gesellschaft" für den gleichen Abend an» kündigte. „che hei" ruft Devrient , zu dem Wirt gewendet,„wird hier auch Komödie gespielt?" Und als der Wirt bejaht:„chaben die Leute auch gute Geschäfte gemacht?" „Leider nicht", gesteht der Wirt kleinlaut,„es steht sehr schlecht „m sie. Der Direktor steckt tief in Schulden, da er keine Gage bezahlen kann, und die Schauspieler, die bereits auf das Gehalt Anleihen gemacht haben, verlieren ihre letzte chab«. Die Gesellschaft befindet sich in der AuflSsung; der arme alte Mann ist in großer Bedrängnis." Bei diesen Worten zeigt der Wirt in ein Neben- zimmer, in dem ein Greis in abgeschabtem Anzüge mit stumpfen Blicken vor seinem Glase sitzt. Devrient erhebt sich und geht zu ihm. „iherr Kollege", sagt er.„ich höre. Ihre Geschäft« stehen schlecht.«>ie sollten sich einen Künstler von Ruf aus Berlin kommen lasten, etwa Wolf, den alten Unzelmann. Besch«». Lemm oder"— setzt- er bescheiden hinzu—„Devrient . Die könnten Ihnen vielleicht helfen?" Der Direktor sieht ihn mit seinen grauen, von Leid getrübten Augen bestürzt an.„Du tlet-rr ruft er,.Diese erlauchten Herren auf meinem schlechten Nudelbrett!"
„Ach was, Nudelbrett!" erwidert Devrient. „Die Bretter geben dem Künstler keinen Wert; er muß ihn mitbringen." „Aber wie soll ich sie honorieren?" ..Dielleicht tut es einer umsonst." Der 2llte schüttelt leise den Kopf. „Gehen Sie noch Hause!" ruft Devrient und schlägt ihm freund- lich auf die Schulter.„Treffen Sie sofort Anstalten und lasten Sie es in der ganzen Stadt bekannt machen, daß Ludwig Devrient heut« abend als Romeo in Ihrem Theater austreten wird!" Der alte Wagner lächelt verlegen.„Da würde ich schön an- kommen", meint er,„das Publikum anführen— s« würde mich umbringen; wir wüsten hier schnellstens verduften." „Anführen? Was denken Sie? Lasten Sie aus der Stelle alles vorbereiten; inserieren Sie, plakatieren Sie, schicken Sie Ihren Kassierer in die Bürgerhäuser, lassen Si« es öffentlich austrommeln: Devrient wird bei Ihnen gastieren!- Ludwig Devrient läßt keinen Kollegen im Stich! Denn— Ludwig Devrient steht vor Ihnen!" Der Direktor fuhr wie vom Donner gerührt von seinem Stuhle hoch und starrte den Sprecher entgeistert an. Der Wirt eilte herzu, und, da er sogleich mit sicherem Instinkt«in Geschäft wittert«, rief er seine Frau, seine Tochter und sein ganzes Gesinde zusammen und teilte sie iN Gruppen, um die Neuigkeit in der Stadt zu verbreiten. Er selbst begab sich zum Bürgermeister, zum Pfarrer, zum Lehrer, zum Arzt und zum Apotheker und berichtete brühheiß, welche Ehre seinem Etablistement widerfahren sei, und welche noch größere Ehre heute abend der Bretterbühne, die im Garten seines Grundstücks lag, zuteil werden würde. Die Folge davon war, daß die Sensation wie ein Lauffeuer durch den ganzen Ort ging, und noch lang« vor Beginn der Vorstellung waren alle Plätze ausverkauft. Die Tochter des alten Schmierendirektors, die erst achtzehn Jahre zählte, spielt« hingerstsen eine aufrichtig liebende Julia. E« gab einen rauschenden Erfolg. Aber was der Königlich privilegierten Wagnerschen Gesell- schaft das Wertvollste war: es gab bares Geld! Die Summe, die das ein« Gastspiel abgeworfen hatte, überstieg die Einnahmen ein«» ganzen Monats. Noch beträchtlicher freilich waren die Schulden der Truppe, so daß selbst diese außergewöhnliche Einnahme nur zur Hälfte ausreicht«, um sie zu decken. Allein das bekümmert« Devrient wenig. Als man nach der Vorstellung bei einem kleinen Wein- gelage, dessen Gastgeber der Berliner Schauspieler war, im hinteren Zimmer des Wirtshauses zufammensaß, meinte er:„Spielen wir noch einmal; dann wird alles in Ordnung sein!" Der zweiten Vorstellung, die dem Gaste groß« Ehren brachte, folgte noch eine dritte. Dann hatte sich in der Kaste so viel Geld angesammelt, daß die in Verlegenheit geratene Theatergesellschaft genügend Kostgeld für ihre Weiterreise hatte. Devrient selbst hatte allerdinge nach dieser dritten Vorstellung beinah« sein ganze» Reise- geld in Frühstücken und nächtlichen Grogs sür die Herren Kollegen ausgegeben. Doch er setzte seine Reis« nach Königsberg in dem ! stolzen Bewußtsein fort, durch seine Kunst auch einmal ein Werk der ' Menschlichkeit, die er sonst nur aus der Bühne darstellte, getan zu haben... -« Aber auch«in« gut« Tat kann Schmerz hinterlassen;... Vi» an ihr Lebensende bewahrt» die zurückgebliebene Julia ihrem entschwundenen Sftcmto«In sehnfüchrdzes(BcOenfcn— ohne Hoffnung, den Geliebten dreier Abend« jemals wiederzusehen...
Gerdland: „Schmalmlollen Sde" wird kuriert...
In den Armen der Isolde Treuwlegold geschah«s zum ersten Mal«, daß Erich Krutke von einer heißen, ungestümen Sehnsucht überfallen wurde, von einer Sehnsucht nach den Hallen des Grand- Hotels, nach den Aromen, den erlesene, schön«, gepflegte Frauen oerströmen. Isolde graulle seine Schmalztoll«, während ihr« runden, im Lause der Jahrzehnte etwas auseinandergegangenen Körper- formen sich wollüsttg straftten.„Friedrich-Karl-Augustchen," rief sie aus. als sie Erich Krulkes stille Veränderung bemerkte.„Friedrich- Karl-Augustchen, soll ich dir noch eine Hausmacherblutwurst ein- packen?" Aber Erich Krulkc, der in Gounovenkreisen als„Schmalz. tollenede" bekannte Hochstapler und Auebrecherfürst, der sich als Agent- Friedrich-Karl-August Blumblau bei der Fleischermeister»- witwe Isolde Treuwiegold eingeführt hatte, hotte einen anderen Kummer. Einige Monate fahndet« di« Kripo schon wieder nach ihm, einig« Monate waren seit seinem letzten Ausbruch aus der Strafanstalt vergangen, er hatte sich«in Bäuchlein angeschafft,«in« dicke, golden« Uhrtell« baumelt« über der wohlgefüllten Weste, er hatte schon, dank solner vorsichtigen Methode, erhebliche Erfolge bei alleinstehenden Damen erzielt, allein,«dwaz fehlte ihm. beunruhigte ihn, ließ ihn des Nachts aus dem Schlaf auffahren, macht« ihn unfähig, bei der Isolde Treuwiegold, bei Aennchen Glücklichmach ober Margaret« Huhnleit zum entscheidenden Schlag« auszuholen. Er konnte sich nicht erklären, was es war, was ihn mitunter an den schwellenden Konturen seiner Liebsten vorbei ins Dämmerlicht der blauen Stunde blicken ließ, er wußte nicht, was es war, das ihm mitunter angesichts einer der Limousine entsteigenden Hermelindame das Blut zum Stocken brachte. Jetzt, ganz unvermittelt, in der guten Stube Ifol- dens, erkannte er: er ertrug dies Leben nicht länger. Dies behäbig« Spießertum, dies gemütliche Zuckeln zum Kegelschicben mit den zu- künftigen Schwägern, dies zärtlich« Betätscheln der Brautens. Er, der unter angenommenen Namen als Lulluh-Bey-Pafcha, als Rittmeister Graf Krateß, Baron von der Wanverbörs, Prinz Carlotto von Syrakus die internationale Lebewelt unsicher gewacht hatte, er, der in der Halle des Maiestic-Palace in Helouan, des Ritz, des Waldorf-Astoria, des Adlon zu Haufe war,»er zwei lüsternen Dollarmillionärinnen versprochen halle, sie in eine hypnottfche Trance zu versetzen und, während st« mit geschlossenen Augen auf den Moment warteten, da sie alles tun würden, was er oerlangt«, mit ihrem gesamten Gepäck verschwunden war, er, oer in Amsterdam das Gerücht ausstreuen ließ, er sei im Besitz einer ungeheuer wert- vollen Sammlung von Kunstschätzen, die aber unveräußerlich sei. und dann den ganzen billigen Ramsch einem Kunstenthusiasten für ewige Zehntausende oerpachtete, er hielt dies Leben nicht mehr aus. Wie alle Hochstapler von Format, hatte auch er sich nach seinem letzten Ausbruch aus dem Zuchthaus auf eine solidere Basis um- gestellt. Di« Entromantisierung der Zeit hatte es mit sich gebracht. daß jeder Hotelportier bei der Eintragung eines hochtltngenden Samens mißtrauisch aufblickte, daß man jedem tadellos geschnittenen Srait, jedem rassigen Sakko mit Vorsicht begegnete, daß jeder Zimmerkellner ein« lang« Reihe schwerer Koster auf ihre Füllung mit Fetvsteinen hin untersuchte. Ja, sogar die Luxiissrouen, die er geschröpft hotte, sogar die steinalten, vergnödderten Ariftokrotinnen bevorzugte,, den argentinischen Eintänzer oder den Chauffeur mit der nachweislich«chten Charge eines kaiserlich russischen Gardeober-
sten und dem Fürstentttel oder den ungarischen Refroinsönger, der in Schwermut machte, vor einem Gleichgestellten. E» war eine schlechte Zell für Hochstapler. Man kaufte Ro» mantit und Ideole gestapelt und gebündelt. Montparnoste m Paris , Scheunenviertel in Berlin , Haarlem in New Park, Whitechapel in London waren industrialisiert« Zweige des Fremdenverkehrs ge- worden. Sogar zünftige Derbrecher prostituierten sich und ver. anstatteten Gruselführungen über quietschende Hintertreppen, durch tviesig«, petrolemnhkfunzelt«, süß durchftunken«, bonbonrosa geftrühene Absteigequartier«, in denen die MilliardSrinnen und ihre Dandie«, die Cornedbeeffabrikanten au» Chikago und ihre Reizgeschöpf« kleine Ahe und Ohs von sich gaben, wenn nebenan ein« brutale Säuser- stimme, das knallend« Schlagen einer Peitsche und das wimmernde Jaulen einer Frauenstimme erklangen, während der Führer die Inszene textlich untermalt«. Ja. es war schon so: die alten Hochstapler von Format, die von den Frauen noch aus der Anklagebant verteidigt wurden, waren ausgestorben oder hatten sich umgestellt. Man trug nicht mehr Blasiertheit, sondern wieder Herz, man kam nicht mehr als„smarter Ausländer", sondern als„Prooinzonkel" und man erzählte nicht mehr von Empfängen am Hofe des Radja von Kaschnapur, nicht mehr von seinen Luxusjachten im Mtttelmeer. man erwähnte keine Löwenjagden mehr, bei denen man versehentlich— hihi, haha— einen Etephanten erlegt Hab«, nein, man sprach von seiner einsamen Sechszimmervilla im Borort. man erzählte von der Taubenzucht und dem Gemüsebau, von atmosphärischen Störungen im Radio und erwähnte belläufig die Sorgen mit säumig zahlenden Kunden. Immer stärker wuchs die Sehnsucht in Erich Krulk«, di« sich heraussehnte aus dem plüschigen Muff der guten Stuben seiner Bräute, di« die duftgeschwängerten Festwiesen in den sinnedurch- fluteten Salons seiner früheren Geliebten sucht«. Als Friedrich-Karl-Augustchen hatte er sein« Isolde nun so weit, daß«in Wort von seinen geliebten Lippen sie bewogen hätte, ihm ihr Bankkonto zu überschreiben. Er wollte fort, nach Aegyp» ten, nach Monte Tarlo, nach Paris . Ihn hielt hier nichts. Unruhe peitscht« ihn durch die Straßen. Gier durchpulste ihn, Gier nach seinem ausgelebten Leben. Unbewuft war er in das Viertel der Luxushotel getaumelt, ungewollt war er eingetreten in die Halle eines gespenstisch großen, bunt durchwimmelten Hotels, war untergetaucht in dem Gewühl der Menschen. Ein junges Mädchen ging dicht an dem Fauteuil vorbei, in dem er faß, ein junges Mädchen mit einem sanft ge- strichenen Mund, mit blondem Haar, das unter dem etwas zu koketten Hütchen hervorlugte in«iner für den Luxus der Halle zu billigen Pelzimitation. Em« heiße Flut durchströmte Schmalztvllen-Gde,«ine klein«, törichte Hoffnung, solch«in Mädchen ganz für sich zu besitzen, ihm alles zu fein und— zu bleiben, es nicht zu betrügen und zu be- stehlen, einmal«ine große Generalbeichte abzulegen... l Seine Behäbigkeit, die Maske des Rittergutsbesitzers, die Horn- � drille, das Bäuchlein, die spiegelblank« Schmalztolle kleideten ihn, er wußte es; die Brillantnadel vom seligen Treuwieaold,'die Uhr, die von Aennchen Giücklickinckchs Vater- stammt«, verliehen seiner Erscheinung den äußeren Glanz. Wie ein scheues Vögeichen flatterte das Mädchen vor ihm auf
und ad. War sie eine Angestellte eines Schreidmaschineirbüros und wartete aus ein Diktat, war sie eine Manicure und wartete, bis e» der Gnädigen gefiel, den Portier zu oerständigen? Oder ging sie in diesem Arsenal der Schicksale, in dieser Vorhalle zum Luxus, aus allen Wintkeln der Erde zusammengetragen, auf Abenteuer aus, wie er? Als Lulluh-Bey-Pascha, als Gras Krateß und als Clement d'Artagnol hatte er Frauen betört, gebrandschatzt und geprellt, jetzt. plötzlich, nach Zuchthaus, abenteuerlicher Flucht, nach m.hrmonatigem Verborgensein in den gutbürgerlichen Wohnungen seiner neuesten Errungenschaften, nach seiner Rückkehr in die Gefilde seines einstigen Wirkens beschleicht ihn eine aberwitzige Sucht, einen Menschen vor dem Moloch zu retten, zu einem anständigen, guten Menschen zu machen und sein ganzes bisheriges Hochstaplerdasein ungeschehen zu machen. Tatsächlich, mit Erich Krulk« alias Schmalztollen-Cds alias Fried- rich-Karl-Auguft Blinnblau alias Baron von der Wanderbörs geht jene menschlich« Eigenschaft durch, die er bisher geringschätzig mit befiehl" bezeichnete. Es ist ihm schon ganz klar: dies Mädchen. da» da durch die Menge schwirrt, ist heimatlos. Nicht lange mehr. und sie wird aus der Hotelhalle gehen, in die sie eine kleine, töricht« Hoffnung getrieben, sie wird die Straßen entlang gehen und aus diesem llchtüberblendeten Viertel in«in dunkleres gelangen, in dem die Nacht mit ihren dunklen Fittichen auch ihr Elend, ihr« Schande und Unglück zudecken wird. Tatsächlich, der alte Hochstapler macht als Herr Grasebach auf Klein-Scharteiken die Bekanntschaft des Fräuleins. Tatsächlich,, sie reagiert auf den gemütlich-jovial-humorigen Tonsall, den er an- schlägt. Und sie speisen zusammen. Und die Nacht ist sehr lang. Und das Fräulein drängt gar nicht mit dem Nachhausegehen. In weinseliger Stimmung, gewohnt, jeden Taumel bis zur letzten Neige auszukosten, selig durch die Illusion de» Retters aus dem Sumps, des Wohltäters, beginnt Krulke seine Beichte vor diesem Mädchen auszubreiten.„Sie wissen ja gar nicht, wer hier neben Ihnen sitzt!" beginnt er, und als sie ganz dicht neben ihm sitzt», so dicht, daß er den Dust ihres mädchenhaften Körper» spürt, daß die weiße, glatte Haut ihn berührt, fährt er sott. Aber al» er sie hell auflachen hört, als er hört, daß sie Ihn wohl für betrunken hält. da er so närttsches Hochstaplerzeug«rzählt, gibt er seine Bemühun- gen auf. Die Nacht ist lang. Als Schmalztoll«n-Ed« am nächsten Morgen erwachte, ist das Hotelbett neben ihm leer, die Kissen sind zerwühlt. Das Mädchen, mit dem er die Nacht verbrachte ist verschwunden. Und mit ihr Brieftasche, Geld, Bttllantnadel und Uhr. An diesem Abend beantwortet er die Zärtlichkeiten Isolde Treu- wiegolds mit ganz besonderer Zärtlichkeit. Nie wieder wird er sich in zweifelhafte Abenteuer einlassen. Er beginnt vom Geschäft zu erzählen. Isolde lauscht. Und nun beginnt er vorsichtig zu fragen, wieviel sie ihm zur Verfügung stellen könnt». Denn morgen geht sein Schiff nach Südamerika ..
Jiunn man chineSifch telegraphieren? Haben Sie eigentlich schon darüber nachgedacht, wie di« Chinesen da» mit dem Telegraphieren machen? Wenn man bei uns tele- graphiert, bei uns Europäern und westlichen Völkern, die wir«in Alphadtt mit LS Buchstaben besitzen, so ist das ja keine Kunst mehr. Man zerlegt eben jedes Wort in die einzelnen Buchstaben und braucht also zur Bezeichnung dieser LS Buchstaben entweder ebenso viel Morsezeichen, die aus Punkten und Strichen zusammengesetzt sind. oder aber bei modernen Telegrapheneinrichtung« übermittelt man durch Tastendruck die Type selber. Aber die arm« Chinesen haben ja selbst in ihrem einfachsten Alphabet einig« tastand Zeichen und ln d«r Sprach« d«r Gebildeten gar«inige Zehntausend. Was macht nun«in Telegraphist, wenn etn Chinese ihm»in Telegramm über- rescht? Für viel« Tausend« d«r chinesischer Sprachzeichen lassen sich einfach keine Morsezeichen finden. Die Japaner haben versucht, eine besonders für die Telagraphie geschaffene Silbenschrift«inzusühren, die aus 45 Zeichen besteht und somit mit Hilfe der Morsetelegrophie noch übettragen werden kann. Aber das hat sich al« ein sehr unvollkommener Ersatz bewiesen, denn dies« Schrift ergibt gar viel« Mißverständnis?« und man muh sehr vorsichtig telegraphieren, wenn nicht der größte Unfug dabei heraus- kommen soll.. In China ging nicht einmal das. In China muß man in einer der europäischen Sprachen telegraphieren. Da das aber nur einem winzigen Bruchteil der Bevölkerung und den Fremden möglich ist, so hat man einen anderen Ausweg ersonnen. Man übersetzt die chinesischen Worte und Silben zunächst In Zahlenkombinationen. Die Zahlen kann man dann natürlich auf dem Morseapparat übettragen. Aber an der Empfangsstation muß sich wieder jemand hinsetzen und die Telegramme dechiffrieren, die Zahlen in chinesisch übersetzen; denn das Ganz« ist natürlich eigentlich ein Chiffrierverfahren, dos außerordentlich viel Mühe macht, kostspielig ist und sehr viel Zeit raubt. Und was für die Chinesen gilt, gitt auch für die Inder, für die Japaner und die Siamesen, galt bis vor kurzer Zeit sogar noch für die Türken, wenn auch nicht in demselben Umfange an Schwierigkeit. Nun kommt au« dem Westen dem fernen Osten neue Hoffnung. Die Bildtelegraphie wird die Lösung der Telegraphieprobleme de, fernen Ostens bringen. Es ist das Ei des Kolumbus . Mit Hilfe dieser Bildtelegraph!« kann man ja da» ganze Telegramm al««in einheitliches Stück im Original übertragen. Man braucht es nicht in sein« einzelnen Buchstabenbestandteil« zu zerlegen und später Vieder zusammenzusetzen. Der Empfänger erhält ja einfach eine auf telegraphischem Wege übermittelt« Telegraphi« mit dem Original» text de» Absenders. Seit die Bildtelegraphie so außerordentliche Fortschritt« gemacht hat, hat man bei der deutschen Radioindustrie dieser Seite der Bildtelegraphie größte Aufmerksamkeit zugewendet. Unter Förderung durch di« zuständigen deutschen und chinesischen Regierungsstellen sind sehr erfolgreiche Versuche mit der Bildtele- graph!« zwischen Berlin und China durchgeführt worden. Man be- nutzte die Telesunken-Strohttverferstationen in Nauen und Nanking zur Uebertrogilng solcher chinesischen Bildtelegramme. Der chinesische Gesandte in Berlin , Chang Tso Ping, sowie viele andere in Berlin weilend« Chinesen konnten von dieser Einrichtung Gebrauch machen. So sandte«in chirwsischer Ingenieur«inen Brief an seinen Bater nach Peking , desien bildtelegrophische Uebermittlung vier Minuten in An- spruch nahm. Der Hauptwert solcher Bildtelegraphie liegt aber in China selber und hier ist man natürlich auch außerordentlich an diesen Versuchen interessiert. All« Zeitungen China » und Japans brachten lang« Attlkel über diese Versuche und Abbildungen der auf drahtlosem Wege übernllttelten Bildtelegramme. G. A. K.
15 000 Störche Im Kampfe gegen ein Heuschr«ckenh«er. Die Um. gebung von Agadir in Nördasrita wurde in den letzten Tagen von ungeheuren Schwärmen von Heuschrecken heimgesucht, die großen Schaden- anrichteten.'Im Kampfe gegen dies« sreßgierige» Tiere fand sich eine unerwartete Hilfe ein: eine überaus große Schar Störche, nach Schätzung milidestcns IS 000, di« auf ihrem Fluge die Gegend passietten. Die!« machten sich über die Heuschrecken her und besretten die Bevölkerung von der schrecklichen Plage.