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Morgenausgabe

Nr. 155 A 78

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag

2. Apríl 1931 Groß- Berlin 10 Pf.

Auswärts 15 Pf.

Die einipalt. Nonpareillezeile 80 f. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An zeigen das fettgebrudte Wort 25 Pf. zulässig zwei fettgedrudie Worte), jebes weitere Bort 12 Bf Rabatt It. Taitf. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf jebes weitere Wort 10 P. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte Arbeitsmarkt Zeile 60 Bf. Familien anzeigen Beile 40 Bf Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochen. täglich von 81 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorf

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Es gelingt nichts mehr! Riesenkrach um Hitler .

Frick gestürzt Konflift Hitters mit der Berliner EA

Am Tage nach der Reichstagswahl vom 14. GSeptember

rieſen die Zeitungsverläufer des Goebbels- Blattes ihre Ware Rebellion der Berliner GA.- Glennes besetzt das Parteibüro.

unter dem Rufe aus: Der Angriff, das fommende Regierungsorgan!" Der Wahlerfolg der Hitler - Partei hatte den Nationalsozialisten alles politische Augenmaß ge­nommen. Sie forderten das Reichswehrministerium und das Reichsinnenministerium, sie sahen das Dritte Reich schon fertig vor sich stehen! Ganz Deutschland ein Groß- Thüringen! Die Reichsregierung eine Regierung Frid im Reichsmaßstab! Der Wahlerfolg hatte stimmungsgemäß nach der Wahl große Scharen von sonst indifferenten Mitläufern für die itler- Partei mitgerissen, jene Teile des Bürgertums, die von Bolitik nichts verstehen, und immer noch des Retters harren, die heute Hosianna" und morgen Kreuzige" rufen. Die Auflagenziffern der nationalsozialistischen Presse stiegen an. Bis in die Reihen der bürgerlichen Mitte hinein waren Sym­pathien mit den Nationalsozialisten unverkennbar. Die Mit­läufer und das direktionslos gewordene Bürgertum haben er­wartet, daß nunmehr Schlag auf Schlag etwas ge= schehen würde. Sie wußten nicht, was. Sie wußten nur, daß sie darauf warteten, daß nun alles ganz anders werden würde, innenpolitisch und außenpolitisch, die naivsten Illufio­

nen wurden laut.

Sie haben gewartet, aber vergebens! Nicht einmal in Thüringen , im Reiche des Herrn Frick trat die große Bandlung ein. Reaktionäre Personalpolitik, stockreaktionäre Kulturpolitit, großmäulige Agitation, aber engster politischer Horizont! Das war alles. Die Mitglieder der Hitler - Partei marteten mit den Mitläufern, aber nichts ist ge schehen! Die Nationalsozialisten sind nicht in die Reichs­regierung gekommen, dafür sind sie aus dem Reichstage her­ausgelaufen. Und wieder geschah nichts! Der Reichstag , brach nicht zusammen, er setzte vielmehr seine Arbeit in beschleu­nigtem Tempo fort. Das Parlament der nationalen Oppo­fition in Weimar , das man großsprecherisch bereits angefün­digt hatte, trat nicht zusammen, troß der großspurigen Redens­arten des Herrn Frid. Die große Wandlung durch das Wunder pom Hatentreuz ist vollständig ausgeblieben.

Die Berliner SA. der Hitler - Partei ist unter ihrem Führer Stennes in offener Rebellion gegen Hitler . Der Böltische Beobachter" hat am Mittwoch die Absetzung von Stennes mit folgender Verfügung mitgeteilt:

"

" Der Gruppenführer Dst, Hauptmann Stennes, ist ab 1. April 1931 seiner Dienststellung enthoben und gilt bis auf weiteres als beurlaubt. Hauptmann Stennes hat zu wiederholten Malen eine Einstellung befundet, die den Richtlinien der Obersten E.- Führung zuwiberläuft und zuletzt in einer Besprechung mit ten Standartenführern Auslaffungen gemacht, die geeignet sind, die Bewegung zu gefährden. In der augenblicklichen Lage ist es daher nicht tragbar, diesen Führer weiter an der ant­wortlicher Stelle zu belassen. Mit der kommissarischen Führung der Gruppe Ost wird Oberleutnant Schulz- Stettin( Feme- Schulz) be= auftragt. Bon allen Parteiblättern nachzudrucken. Der Chef des

Stabes, gez. Röhm."

Als Stennes feine Absetzung aus einer Meldung des Lokal- Anzeiger" erfuhr, berief er fofort seine Unterführer aus der Provinz nach Berlin . Er ließ ferner durch den Sausturm 15 die nationalsozialistische Parteizentrale in der Hedemannstraße besetzen und setzte durch die SA. die Redaf tion des Angriff" unter Drud.

"

Der Angriff" erschien infolgedessen mit zweistündiger Verspätung. Er enthielt feine 3eile über den Sturz von Frid, dagegen zwischen dicken roten Strichen quer über die erste Seite hinweg die Schlagzeile: Hauptmann Stennes nicht abgesetzt, dazu die folgende Berlaut­barung von Stennes :

Die heutige Scherl- Presse bringt eine Notiz, monach der Gruppenführer Oft, Hauptmann Stennes , seiner Dienststelle ent­hoben sei.

gelegenheit heute mittag eine Erklärung zur Veröffentlichung über­Hauptmann Stennes hat der gesamten Presse in dieser An­geben, in der es heißt:

Mir ist auf parteiamtlichem Wege nichts von dem bekannt gemacht worden, was die heutige Scherl- preffe in bezug auf mich veröffentlichte. Es würde nationalsozialisti­schem Brauch widersprechen, wollte ich auf eine solche Beröffentlichung irgendwie reagieren.

Aber nun ist etwas geschehen: Statt daß die Leute Hitlers im Reich in die Regierung gekommen sind, sind fie in Thüringen aus der Landesregierung herausgeflogen! Herr Frid hat im thüringischen Land- hitter im September vorigen Jahres im Kriegervereinshaus Haupt­tag mit den Stimmen der Sozialdemokraten, der Staats­parteiler, der Volksparteiler und der Kommunisten ein Miß trauensvotum erhalten die thüringische Regierung ist nationalsozialistenrein.

Daß diese Wendung eingetreten ist, daß sich die Bolfs­partei und das Landvolk in Thüringen von den National­fozialisten losgelöst haben, ist eine Folge der politischen Er­nüchterung, die nach dem Fehlschlagen der Illusionen nach der Wahl vom 14. September eingetreten ist. Es ist eine Rück­fehr aus dem politischen Rauschzustand zur Vernunft!

Mit dem Sturze Fricks hat die Partei des Herrn Hitler einen außerordentlich schweren Prestige verlust erlitten, der sie, in einem Augenblick trifft, in dem sie voll tommen in die Sadgasse hineinmanövriert ist. Für Thüringen hat der Sturz Fricks erhebliche Bedeutung. Als im Januar 1930 Nationalsozialisten, Deutschnationale, Landvolk, Wirt schaftspartei und Deutsche Volkspartei diese Regierung bilde­ten, war der Höhepunkt der reaktionären Welle, die feit 1924 über Thüringen gekommen ist, erreicht. Dieser Höhepunkt aber hat zugleich den Wendepunkt bedeutet. Es ist zu hoffen, daß Thüringen die reaktionärste Phase für immer über standen hat. Für das Reich aber ist der Sturz Fricks in diesem Augenblick von allgemeiner Bedeutung. Es ist der härteste psychologische Stoß, der gegen die Partei des Herrn Hitler in diesem Augenblid geführt werden konnte. Er be= deutet die Zerstörung der Illusionen der Mitläufer und damit vielleicht die Wendung in der Entwicklung dieser aufgeblähten Konjunkturpartei. Die Reichsleitung der Hitler - Partei hat diese große Bedeutung der Wendung in Thüringen sehr wohl empfunden. Sie hat sie gefürchtet. Hitler selbst hat in den letzten Tagen verzweifelte Versuche unternommen, um die Frid- Koalition zu leimen. Seit dem Fehlschlag des Auszugs der Nationalsozialisten aus dem Reichstag hat unverkennbar in der Organisation und in der Presse der Hitler - Partei eine rückläufige Bewegung eingesetzt. Es vollzieht sich der Rück­fall der Mitläufer in den Indifferentismus. Der Beobachter kann diesen Prozeß an allen Ecken und Enden feststellen.

Je stärker die sozialdemokratische Gegenaktion anwächst, je stärker fie ins öffentliche Bewußtsein eindringt, und je mehr

Solche Art der Bekanntmachung würde nicht nur eine Un­anständigkeit, sondern auch einen Wortbruch Adolf Hitlers bedeuten. Ihm das zuzutrauen, muß ich ablehnen." Es dürfte einer breiten Deffentlichkeit bekannt sein, daß Adolf mann Stennes mit den Worten Für immer" durch Hand­schlag seines absoluten Bertrauens versichert hat. Dieses Bertrauen war von Anfang an die Grundlage für den Entschluß Adolf Hitlers , gerade Hauptmann Etennes an den verantwortungs­reichsten Poften des Reiches zu stellen."

Man sieht es dieser Erklärung an, daß sie an die Stelle der Meldung vom Sturze Frids nachträglich hineingestellt worden ist, und man kann sich denken, was unter dem Druck der SA. - Besetzung in der Redaktion des ,, Angriff" vorgegangen ist! Stennes hat seinen SA.- Leuten Auftrag gegeben, seinen von Hitler bestimmten Nachfolger, den Feme­mörder Schulz, nicht in die Parteizentrale in der Hedemann­straße hineinzulaffen. Es ist eine Rebellion in aller Form.

Am Nachmittag und am Abend konnte aus der Partei­zentrale der Hitler - Partei in der Hedemannstraße heraus ein lebhafter Verkehr festgestellt werden. Es hatte den Anschein, als ob die S.- Leute an der Arbeit wären, um das Akten­material der Parteileitung abzutransportieren.

Herr Goebbels war nicht in Berlin , er war zu einer nationalsozialistischen Führerbesprechung mit Hitler nach Weimar geladen. Wie wir hören, ist beabsichtigt, Herrn Goebbels von Berlin fortzunehmen und nach Wien zu versezen. Sollte diese Versetzung Wirklichkeit werden, so würde niemand zweifeln, daß Herr Goebbels vor seinem Gerichtsverfahren die Flucht über die Grenze er griffen hat!

Inzwischen verlautet, daß Hitlers Pläne viel weiter gehen, als sie die Amtsenthebung von Stennes erkennen lassen. Er soll die Dienststelle von Stennes und alle mit ihm in vertraulicher Verbindung stehenden nationalsozialistischen Organisationen für aufgelöst erklärt haben.

Der Berräter Hitler .

In den Abendstunden erhielten wir durch Rohrpostbrief das folgende Dokument zugestellt: ,, Nachstehende Entschließung geht der gesamten deutschen Presse Wir bitten um Abdruck.

au.

Entschließung.

In Krieg und Frieben bewährte Führer, denen unser volles Bertrauen gehört, haben in zäher, entfagungsvoller Arbeit die SA aufgebaut. Beseelt von ehrlichem Aufbaumillen haben wir SA­Männer Adolf Hitler ein an Ordnung und Disziplin gewohntes Instrument zur Verfügung gestellt, das dem deutschen Volke ein Vorbild schlichter Pflichterfüllung und staatsbildender Einsatzbereit­schaft sein sollte. Durch diese Eigenschaften hofften wir mehr zu überzeugen und den Weg zu einer Mitverantwortung an Staat und Volk freizumachen als durch eine demagogische Volksverhegung, die in den legten Monaten Adolf Hitler immer mehr zum Selbstz med worden ist.

ge=

Dieses Element Adolf Hitlers : Flucht vor der Beranta wortung, Abschließen hinter einem Apparat verbon3ter

das ganze Bolt erkennt, daß die Macht der Sozialdemokratie| lassen. Der Angriff, das kommende Regierungsorgan" nicht durch einen vorübergehenden Wahlerfolg einer Kon- aber heute sitt Herr Stennes mit seinen SA. - Leuten im junkturpartei beeinträchtigt werden kann, um so stärker ist ,, Angriff"! der Nimbus des Wahlerfolgs der Nationalsozialisten vom 14. September abgeblaßt. Die fozialdemokratische Gegenattion im Lande und die Taktik der sozialdemokratischen Reichstags­fraktion hat den Weg für diese Entwicklung bereitet. Ohne die vorsichtige Politik der Sozialdemokratie fein Sturz des Regimes Frid in Thüringen !

Der Versuch der nationalsozialistischen Reichsleitung in Thüringen , noch die Situation zu retten, ist viel zu spät ge= fommen. Von den großen Tönen über die verkommenden bürgerlichen Parteien und den Fußtritten gegen die eigenen Bundesgenossen sind die um Hitler in den letzten Tagen in Thüringen herabgestiegen bis zur Bereitschaft zur Demüti­gung vor der Volkspartei. Aber nachdem einmal die Hypnose gebrochen war, sind diese Versuche umsonst geblieben.

Die um Hitler können heute betrübt ausrufen: Es ge­lingt nichts mehr! Und weil nichts mehr gelingt, so ist der innere Krach unvermeidlich. Der innere Streit hat unter der Dede geschwelt. Er drohte bereits in der nationalsozialistischen Reichstagsfraktion auszubrechen. Das wurde vermieden durch den Auszug aus dem Parlament. Jetzt ist der Brand plößlich in Berlin durch gebrochen. Die Berline SA. der Hitler - Partei gehört zu dem drängenden putschistischen Flügel, der nach Taten ver­langt, für den etwas geschehen muß, wenn er nicht ausein anderbrechen soll. Die Berliner SA. ist Herrn Hitler schon vor der Reichstagswahl unbequem geworden. Damals mußte er sich vor ihrem Leiter, dem Hauptmann a. D. Stennes beugen. Heute hat er Herrn Stennes durch seinen Chef des Stabes, Herrn Röhm, furzerhand absehen

Solange der Rausch der Illusionen nach dem 14. Sep­tember wach war, wurden die auseinanderstrebenden Ten­denzen in der Hitler - Partei verdeckt. Der Rausch ist vorüber, der Sturz Fricks hat dieser Partei zudem einen schweren psychologischen Stoß versetzt, der Krach ist da!

Frick zurückgetreten.

Am 14. April Ergänzung der Regierung Baum.

Weimar , 1. April. ( Eigenbericht.) Nach der Annahme der Mißtrauensanträge im Thü ringer Landtag haben Staatsminister Dr. Frid und Staatsrat Marschler in einem Schreiben an den Landtagspräsidenten ihren Rücktritt erklärt. Das deutsch­nationale Regierungsmitglied, Staatsrat Rien, hat ebenfalls seinen Rücktritt erklärt.

Fricks Ministerherrlichkeit ist zu Ende, ohne daß die Sie bleibt im Gesamtregierung ebenfalls zurücktritt. Amt und gedenkt als Minderheitsregierung ohne Unterstützung der Nationalsozialisten und der Deutschnationalen ihr Leben weiter zu fristen. Die durch den Bankrott der nationalsozialisti schen Herrschaft freigewordenen Aemter werden bis auf weiteres von Mitgliedern der Regierung Baum mitverwaltet werden. Die Wahl zur Gr gänzung der Regierung soll am 14. April stattfinden. An diesem Tage tritt der Thüringische Landtag zur Be­ratung des Etats wieder zusammen.