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Dienstag
7. April 1931 Groß- Berlin 10 Pf.
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Der Krawall in der Hitler - Partei, die Rebellion der Sturm- Abteilungen um Stennes und die faschistische Er ledigung durch den Stalin nachgeahmten Massenausschluß hat die Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße auf die faschistische braune Miliz gerichtet. Deshalb verdienen die nachstehenden Aufzeichnungen eines Arbeiters, der ein Jahr lang den Sput mitmachte, fich jeht aber von den gewalttätigen Horden abgewandt hat, besonderes Jntereffe:
Ich besuchte einmal die Versammlung der NSDAP . Dort wurde von der Knechtschaft des deutschen Boltes und Ausbeutung der Ar beiterschaft gesprochen; zum Schluß die Parole: Hinein in die SA.!
Gedacht, du bist jung, du kannst mittämpfen für die Ziele dieser Partei, die es glänzend verstanden hatte, die Empörung und den Haß gegen die Arbeitslosigkeit zu weden, so meldeten sich sechs junge Männer im Alter von 19 bis 23 Jahren. Mein Eintritt erfolgte am 1. Ottober 1929. Die folgenden Zeilen beweisen, wie der jugendliche Arbeiter in der SA. so erzogen pird, sein Leben und Gesundheit im Kampf gegen das Proletariat und der Arbeiterschaft aufs Spiel zu feßen. Wer dieses nicht mitmacht, der fliegt aus der Bartel. Wir wurden
bei jedem S.- Dienst immer wieder auf Kadavergehorsam gedrillt. Beschwerden, die von irgendeinem Rameraden geführt, wurden Ihon vom Truppenführer unterdrüdt. Bagte man noch einmal eine Beschwerde, so forgten Trupp- und Sturmführer für Ausschluß aus der Partei und SA. Junge Burschen von 19 bis 21 Jahren wurden zum Gruppen- und Truppenführer ausgebildet. Diese führten sich so auf mie früher die Herren Offiziere auf dem Rafernenhof.
Da stand ich nun als 26 Jahre alter, verheirateter Mann und lernte die Methoden zur Befreiung Deutschlands auf Deutsch tennen. Es war vor der Wahlzeit, Dienst folgte auf Dienst.
Hofpropaganda! Ein Trupp von 30 Mann ging los,
unterwegs wurden Leute belästigt und mit unerhörten Redensarten beschimpft, ich tam mir vor wie zwischen einer Rotte von Schuljungen.
Nachtmärsche! Es regnete, was es nur fonnte, aber trotz alledem, die Leute mußten antreten, los ging es zu Fuß nach Machnomer Schleuse. Durchnä ßt bis auf die Knochen famen wir dort an, verschiedene von uns brachen erschöpft zusammen. Trotz alledem wurden wir jetzt getrennt und mußten den Gegner" im nassen Grase und Wasserpfügen beschleichen, es ging bergab, berg auf, auf und nieder. Dann mußte der ,, Gegner" in einem 10- MinutenDauerlauf genommen werden und wiederum brach ein Mann bewußtlos nieder. Man bedente, volle sechs Stunden marschiert mit Tornister und Gepäc, dann weiter vier Stunden Geländeübung. Mit der Zeit wurde es hell, und wir nahmen Aufstellung auf einer Wiese, hundemüde.
Aber jetzt ging erst der Drill los. Gruppen links schwentt! und Barabeschritt wurden eingedrillt. Ich mar vollständig ermattet und gleichgültig, nur rein mechanisch hörten wir hin. Das ärgerte den Truppführer und er ließ drei Mann, die er aufs Rorn genommen hatte, eine halbe Stunde ftrafererzieren. Dabei hagelten Kasernenmorte auf sie herab, daß es nur so bruinmte. Bollständig zerschlagen, taputt und halb frant schlichen wir bis Lichterfelde - Dft, um dort mit der Bahn nach Hause zu fahren. Der Erfolg: drei Kranke, die ihren Austritt aus der SA. erklärten! Ich besuchte außer der SA. - Dienstzeit das Parteilokal. Dort lernte ich die Charaktere dieser braunen Schar fennen.
Haß, Neid und Mißgunst gegenseitig
mar die Parole, der Sturmführer selber verbarritadierte sich hinter irgendeiner Einbildung, er stehe höher als alle anderen Arbeitsgenoffen. Sein Ausspruch war: Shr habt in mir jederzeit den Eturmführer und Vorgesetzten zu sehen und ich möchte Eturmführer und Borgelegten zu sehen und ich möchte von meinen Leuten danach begrüßt und respektiert werden."
Eines Tages fuhren wir im Lauftauto nach einem Dorf, um bort eine Bersammlung abzuhalten. Aber die Arbeiter lachten uns vom Fenster heraus aus, Rofenamen wie Arbeitermörder",., Strolche" usw. befamen wir zu hören. Der Sturm führer ordnete mißmutig die Rückfahrt an, der Plan wurde heruntergelaffen. Ich wunderte mich darüber; bald sollte ich jedoch aufgeflärt werden. Das Auto stoppte, die SA. - Leute fielen über ahnungslos von einer Versammlung tommende Arbeiter her, nachher brüsteten ch diese Jungens gegenseitig ihrer Tat. Gummifnüppel, Schlagring oder Pistole hatte plötzlich fast jeder in der Hand. Der Plan wurde jetzt feftgemacht an den Seiten des Wagens und temer durfte ein Wort sprechen.
Still und leise und auf Umwegen wurde nach Hause gefahren. Bir fuhren nicht zum Barteilokal zurüd, fondern machten etliche Giraßen vorher Salt und jeder einzelne mußte fich gleich nach Hause begeben.
polierte Hände, ein Schwerarbeiter! Stennes weiß auch schon, daß troden Brot in der Familie Wangen rot macht! Ein jeder fühlte sich beglückt, wenn er von Stennes gemustert oder angeredet wurde. Fast sämtliche S.- Leute haben teine Ahnung von Politif, fie find nur für den einzigen Gebanten reif gemacht:
Da gingen mir zum erstenmal die Augen auf: Arbeiter gegen| selber, schlant, mit einem Klempnerladen behaftet, zart und feinArbeiter! Mit der Zeit lernte ich alle tennen, der älteste unter diesen war 29 Jahre und das war der Sturmführer". Revolver in der Tasche war Tagesordnung, damit fuhren sie nach Grundmühle, übten dort mit den Mordwaffen. Einige erklärten folgende rohe und gemeine Schießweise: die Waffe muß nach unten gehalten werden, damit würde ein Querschläger entstehen. Auf meine Frage. was ein Querschläger ist, wurde mir geantwortet, die Rugel fliegt mit doppelter Umdrehung in den Bauch des Gegners und würde diesem die sämtlichen Gedärme zerreißen!
Angeefelt über diese Methode, dachte ich über die Menschen rach, die so erbarmungslos und gewiffenlos ihren Mitmenschen handeln fonnten.
ant
Fahrt nach Medlenburg! Ererzieren, Strammstehen, Truppenübung auf einer Wiese. Plößlich kommt
Stennes mit feinen Adjutanten.
Alles Strammſtehen, Augen rechts! Wir wurden gemustert wie ein paar gute Kühe, die gut genug waren zum Schlachten. Stennes
Wenn wir an die Macht kommen, feid ihr verforgt! Ich sprach Hunderte von SA. - Leuten und einstimmig war die Antmort: ,, Wenn wir dran sind, werden wir S.- Leute im Faschistenregiment versorgt! Wenn die Arbeiter fich gegen diese Dittatur auflehnen, dann treten wir in Aftion." Also aus reinem Egoismus, nur für ihre eigene Eristenz find diese Leute bereit, gegen die breiten Massen der Arbeiterschaft in Aktion zu treten. Die SA. und die Führer der Bewegung sind die Leute, die bewußt und unbewußt der Arbeiterschaft in den Rüden fallen..
Aber viele SA. - Leute werden dennoch rechtzeitig erkennen, was gespielt wird. Gnats
Sozialistische Kundgebung in Brüffel.
Brüssel , 6. April( Eigenbericht).
Der Programm- Parteitag der Belgischen Sozial. demokratie wurde zu einer großen Kundgebung für Internationale, Völkerfreundschaft und gegen Fa. schismus.
Der Kongreß war Anlaß einer großartigen und erhebenden internationalen Beranstaltung. Es handelte sich um die Ausführung des Beschlusses des vorigen Kongresses der Sozialistischen Ar beiter Internationale im Jahre 1928 in Brüssel , der auf Antrag des damaligen Präsidenten der Internationale, Artur Henderson, des heutigen Außenministers von Großbritannien , den Beschluß faßte, das Banner der Internationale der belgischen Arbeiterpartei anzuvertrauen als Anerkennung der musterhaften Entwicklung des belgischen Sozialismus und der wertvollen Dienste, die die belgische Partei dem internationalen Sozialismus geleistet hat.
Die feierliche Bannerübergabe gestaltete fich zu einer ungewöhnlich machtvollen und begeisterten Demonftration, an der verschiedene zum Kongreß erschienenen ausländischen Dele gierten das Wort ergriffen, namentlich der Internationale Sefretär Friz Adler, der das Banner überreichte. Breitscheid als Delegierter der deutschen Sozialdemokratis, Leon Blum , der Führer der französischen Sozialistischen Partei, und Pietro Nenni als Vertreter der italienischen Sozialisten.
Den Vorsitz führte der frühere belgische Unterrichtsminister Camille Huysmans , der insbesondere die deutsche Sozialdemokratie in ihrem schweren Kampfe um die Demokratie der völligen Solidarität der belgi Arbeiterpartei und der gesamten Internationale versicherte. Das gleiche tat später in seiner Festre de der Genoffe
der in deutscher Sprache die Grüße der deutschen Sozialdemokratie überbrachte und die gegenwärtigen politischen Kämpfe in Deutsch land schilderte, wurde von der gewaltigen Bersammlung lang anhaltender demonstrativer Beifall gezollt, insbesondere als er darauf hinwies, daß die belgische Arbeiterpartei die große und ehrenvolle Mission habe und würdig erfülle, das Einvernehmen und die Freundschaft zwischen dem deutschen und dem franzöfifchen Volke, auf denen der europäische Friede ruhe, zu vermitteln.
Nach dieser Rede reichten sich Breitscheid und Léon Blum mit Vandervelde in der Mitte als Symbol der Freundschaft der drei Völker unter dem unbeschreiblichen Jubel der Bersammlung die Hände.
Der Kongreß beschäftigte sich mit der Prüfung des von einer Kommission ausgearbeiteten Entwurfs des neuen Partei programms. Die wichtigste Frage, die einzige, die zu starten Meinungsverschiedenheiten und lebhaften Debatten Anlaß gab, war dabei die Stellung der Partei zur Frage der Landesverteidigung und dabei die Stellung der Partei zur Frage der Landesverteidigung und der Abrüftung.
Diese Frage war schon in den abgelaufenen Monaten Gegenstand sehr langer und eingehender Auseinandersetzungen im Schoße des Generalrats der Partet, und die dort zum Vorschein getommenen Meinungsverschiedenheiten machten sich auf dem Kongreß mit der gleichen Schärfe geltend.
Als Grundlage diente der schließlich vom Generalrat mit großer Mehrheit angenommene und seinerzeit von uns mitgeteilte Text, dessen Grundgedanken find: auf internationalem Boden Kampf um die allgemeine, gleichzeitige, fortschreitende und fontrollierte Abrüstung; auf nationalem Boden in Belgien sofortige starte Herabsetzung der Rüstungen in einem Maße, das das Gleichgewicht am Rheine herstellt, mit anderen Worten, sofortige Abrüstung Belgiens auf das Deutschland durch den Friedensvertrag auferlegte Maß.
Die namhaftesten Bertreter dieser Auffassung auf dem Kongreß waren Vandervelde, der Bergarbeiterführer Delattre und der junge Brüsseler Rechtsanwalt Spaat, der bis vor kurzem noch den weitergehenden Standpuntt vertreten hatte.
Diefer andere Standpunkt fordert die sofortige gänzliche Abrüstung Belgiens , einerlei was andere Länder tun oder lassen mögen, er verneint also die Landesverteidigung und will Krieg und Kriegsgefahr durch sofortige Abschaffung jeder bewaffneten Gemalt im eigenen Lande abwenden. Diese Auffassung vertritt fa ft einstimmig der große Antwerpener Bezirksverband der Partei, die große Mehrheit des Brüsseler Verbandes, eine starke Minderheit des Lütticher Verbandes, sowie die Frauen- und Jugendorganisationen der Partei. Ihre bedeutendsten Wortführer am Kongresse waren der Antwerpener Abgeordnete Gedelers und die Führerin der Frauenorganisation, Isabelle Blume .
Die Debatte stand durchweg auf einem sehr hohen Niveau und wurde in sehr fameradschaftlichem Tone ausgetragen. Die von den faschistischen Ländern her drohende Kriegsgefahr sowie die nationalfozialistische Welle in Deutschland spielten dabei eine erhebliche Rolle. Start unterstrichen wurde von mehreren Rednern, daß auch der von der Mehrheit vertretene Tert die belgische Partei auf die Forderung sofortiger Angleichung der Rüstungen Belgiens an die bem Deutschen Reiche gestatteten festlegt, daß also auch in Belgien nicht nur Befestigungen abzulehnen sind, sondern auch alle dem Deutschen Reiche untersagten Kriegsinstrumente, ebenso wie aller verhältnismäßig stärkeren Kriegsausgaben und Truppenzahl.
Dieser Entwurf. der u a. die Unterschriften Banderveldes und de Broudères trug, wurde schließlich vom Kongreß mit großer Mehrheit angenommen.
Der holländische Parteitag.
Amfterdam, 6. April. ( Eigenbericht.) Auf dem Arnheimer Parteitag der niederländischen Sozial demokratie wurde die von dem Parteivorstand gegen das selbständige organisatorische Auftreten des linken Flügels vorgelegte EntschlieBung, die dieses Auftreten für unvereinbar mit der Sugehörigkeit zur Partei erklärt, mit 838 gegen 493 Stimmen bei 204 Stimmenthaltungen angenommen. Zur Frage der